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Massengräber

liegen in der Einsamkeit der Heide im Niederland. Dunkle Tannenwälder stehen von ferne, die Heide ist braun und der Sand ist weiß. Der hellblaue Himmel steht hoch über zerschossenen, verlassenen Dörfern.

Aber Wolken ziehn tiefer vorüber, weiße und graue Wolken, segeln vorbei. Ihre Schatten huschen herab, als grüßten sie die Toten darunter von Kameraden, die im Meere auf den Wellen treiben oder liegen hergetrieben am einsamen Strand.

Massengräber liegen verstreut über Land. Vögel seltener Art, mit langen, schwebenden Flügeln, kreisen darüber, Vögel mit schwarzem Gefieder und roten Brüsten, trauernde, liebende, suchende Sehnsuchtsstunden einsam Liebender in der Heimat.

Sie singen das Klagelied der Mütter und Bräute, der Männer und Kinder um die stolzen Helden, die Helden der Liebe und Pflicht. Singen es, suchend von Massengrab zu Massengrab, ohne Unterlaß, Tag und Nacht.

Kaum berühren ihre unmächtigen Füße, schmale untüchtige Füße der Sehnsucht, die Erde; zum Rasten sind sie nicht geschaffen.

Schwarz sind die Augen, glänzen wie Perlen, die von Tränen geworden sind.
Aus ihrer zerrissenen Brust leuchtet das rote zuckende Herzchen aus dem Metall der Federn.

So fliegen und kreisen sie über die Länder, über die Meere.
Selten, nur selten klingt ein silberner Schrei auf, schmerzlichen Glückes voll: Ein Vogel findet seiner Liebe Ziel; wenn das Blut aus dem Herzen quillt, weiß er, da, wo es quoll, liegt seine Liebe.

Noch einmal singt er das Lied zu Ende, das Lied der Unbekannten, der vielen; immer roter rauscht der Blutstrom aus dem Herzen und dringt in die trockene, geborstene Erde hinein.
Ein schwarzes Kreuz, liegt der sterbende Vogel mit breiten Schwingen, den Kopf erhoben, auf dem Grabe.

Leiser wird das Lied, nun singt es von Wunden und Sterben, von Wiedersehn und Auferstehn, bis das Lied und der Vogel erstirbt.
Und in der Heimat trocknet eine schmerzgestärkte Mutter die letzten Tränen ab.


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