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Der Freund und der Tote

Karl Jansen zum Gedächtnis. Gefallen am 24. September 1915
zu Beausejour in der Champagne

Soll ich dir nicht mehr schreiben, weil du es doch nicht liest?
Du tot? Ich fühle, wie du mir über die Schulter siehst
und liesest diese Worte – doch wend ich mich zu dir,
so bist du mir entschwunden. Dennoch bist du bei mir.

Du brauchst dich nicht zu schämen mit deinem blutigen Gesicht;
dein rotes Blut muß fließen, und helfen kann ich dir nicht.
Es fließt aus roten Wunden, seit man mir die Botschaft gebracht,
so hast du Tage und Nächte an meiner Seite verwacht.

Du saßest mit mir zum Essen – das Tischtuch – von Blut rot war das,
wir wanderten durch die Wiesen, das Blut, es tropfte ins Gras.
Du hieltest meine Hände, du ruhtest mir im Arm;
ich küßte dir in Träumen die kalten Lippen warm.

Nun willst du von mir gehn? Bleibe! Ich laß dich nicht,
geh weiter mit ins Leben und sei mein stumm Gericht.
Im frohen hellen Leben hast du mich Mein genannt.
Und lange warst du ferne. Komm, gib mir deine Hand!

»Ich bin in Gott vollendet, erlöst, zum Licht befreit.
Du hörst ja nicht mein Singen in Gottes Seligkeit –
du siehst mich blutend schweigen – den Leib sehnst du dir her,
du Mensch, du suchst und irrest – du bist ja erdenschwer.

Und doch kannst du mich halten! In deiner Erden Nacht
hat Gott ein herrlich Feuer, die Liebe, angefacht.
Liebst du die ewigen Dinge, umweht dich Gottes Hauch,
und wo du Gott kannst finden, da findest du mich auch.«


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