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5.

Den nächsten Tag gab's Viel zu thun und des Abends so viel zu rechnen, daß Gustav nicht ausgehen konnte. Am folgenden kam ein Geschäftsbesuch, welcher bis spät in Anspruch nahm, und als Gustav endlich am eichenen Tische neben der Tante saß, den Tagesabschluß gemacht hatte, und eben aufstehn wollte, um fortzugehn, da sagte diese: Lieber Gustav, bleib doch noch einen Augenblick, ich möchte dich gern was fragen – und nun erzählte sie ihm denn, wie seit gestern das Städtchen davon erfüllt sei, daß Gustav eine Liebschaft mit der kleinen Wlaska habe, daß man das Paar sehr hübsch finde, und nur über das Verschieben der Hochzeit sein Bedauern äußere. Denn man wollte es auch schon wissen, was die Tante dazu gesagt, und wie sie zwei Jahre Brautstand verlangt habe, auf den Sonntag aber sei schon der erste Kaffee bei ihr, und die nahen und fernen Verwandten Wlaska's beschäftigten sich lebhaft mit der Frage, wer von ihnen eingeladen werden dürfte. Wlaska's Vater rauche seit gestern um zehn Kreuzer aufs Pfund kostspieligern Tabak, und habe zum Nachbar Krämer gesagt, nun werde der Cichorien ganz abgeschafft für seinen Kaffee.

Die Tante hatte Mühe, Gustav all diese Dinge begreiflich zu machen; er erzählte ihr Alles, was vorgefallen, wäre aber in seiner Arglosigkeit niemals auf solche Schlüsse gerathen. Eine Heirath mit Wlaska? für die Möglichkeit eines solchen Gedankens gab's in dem Wesen, das bis jetzt an ihm ausgebildet war, nicht den kleinsten Zugang. Er lachte, und nannte es dummes Zeug. Die Tante aber nahm es ernsthafter, gab ihm den Schlüssel zum Schreibsekretaire, und hieß ihn ein Papier herauslangen – »ich habe dir's bis jetzt verschwiegen,« sagte sie, »aber diese Geschichte treibt mich nun selbst. Sie machen uns vom Gubernium Schwierigkeiten, daß du, der die Kaufmannschaft nicht erlernt habe, unserm Geschäfte vorstehen sollest; der Neid ist immer geschäftig. Unser Mandatarius hat mir nun schon seit mehreren Monaten vorgeschlagen, Dich nach Prag zu schicken, bei einem großen Hause einzustellen, und auf diesem Wege nach einiger Zeit möglich zu machen, daß Du als ein gelernter Kaufmann in das Gremium aufgenommen werdest. Ich habe in den Nächten hin und her gesonnen, wie das anders anzufangen sei, denn ich wollte Dich, meinen lieben Sohn, nicht gern von mir lassen; der liebe Gott scheint's aber selbst zu wollen, und schickt uns die fatale Mädchengeschichte, ich will mich einzurichten suchen, so gut es gehen will, und Du magst morgen nach Prag reisen.«

Gustav wußte nicht, wie er sich äußern wollte; die große Stadt mit ihren Freuden und Abwechselungen, mit ihren großen Verhältnissen lockte ihn gar sehr, aber er fühlte doch auch recht betrübt, wie er die gute, liebe Tante nicht wohl verlassen könne, und er hatte so viel Güte des Herzens, dies einen Augenblick ohne Rückhalt auszusprechen. Die Tante weinte und küßte ihn, und sagte, er sollt's nur gut sein lassen, er könne ja alle Wochen einmal herauskommen aus der Stadt. Der jugendliche Lebensdrang war auch zu mächtig in ihm, als daß er sich ernstlicher gesträubt hätte. Indessen meinte er entschieden – die Geschäfte waren nämlich bis jetzt das einzige, worin er bestimmte Gründe, Absichten und Willensmeinungen hatte – sie könne nicht mit der ganzen Verwaltung allein bleiben, das bestritte sie nicht, und überhaupt müßte ihr doch ein verwandter Mensch zur Hand sein. Ein Cousin, Namens Louis, der schon einige Mal zum Besuch dagewesen war, und sich immer sehr bescheiden und anstellig bewiesen hatte, sollte in's Haus genommen und zur Verwaltung unterer Branchen angestellt werden.

Die Tante hatte dazu nicht rechte Lust, und meinte: »lassen wir uns nicht mit der Familie ein, da laden wir uns gleich eine gar zu große Menge Schmarotzer auf, diese Leute beneiden Dir ohnedies das Bischen Erbschaft, und wenn sie Dir auch nichts schaden können, so legen sie doch hie und da ein schlechtes Ei in die Wirthschaft. Arme Verwandte sind lauter Gläubiger, und der Louis hat mir niemals ein rechtes Zutrauen eingeflößt, er hat kein treuherziges Auge; lassen wir nur die Sache vor der Hand; was durchaus Noth thun soll, das wird sich schicken.« –

Gustav küßte die Tante, sie sprachen noch Allerlei von der Wirthschaft, gingen mit einander noch einmal das Testament durch, was schon lange angefertigt war und worin sich die Verwandten mit mancherlei hübschen Dingen bedacht finden sollten; dann legte es die Tante auf den alten verborgenen Fleck im Schreibsekretair, und sagte, was sie schon hundertmal gesagt hatte, Gustav solle sich auch ja das Plätzchen merken, wenn etwa der Herr einmal unversehens ein End' mit ihr machen solle, der Husten sei gar zu bös. –

Gustav beschwichtigte das wie immer mit Beweisen, die abgelehnt und doch gern gehört werden; sie trennten sich, um schlafen zu gehn, und frühzeitig am andern Morgen fuhr er gegen Prag. Hektor bellte lustig neben dem Wagen her.


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