Artur Landsberger
Bankhaus Reichenbach
Artur Landsberger

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27.

Frau Hedda hatte, als sie von Schloß Reichenbach in Berlin ankam, noch eine Stunde Zeit bis zum Abgang des Zuges, der sie über München–Lindau nach Luzern und von da über den Vierwaldstädtersee nach Schönegg führen sollte. Sie fuhr daher bei Frau Reichenbach vor. Das Mädchen sagte ihr, daß die gnädige Frau nicht zu sprechen sei:

»Geben Sie ihr diese Karte. – Und sie wird mich empfangen.«

Das Mädchen verschwand, kehrte nach ein paar Augenblicken zurück und sagte:

»Gnädige Frau läßt bitten.«

Frau Reichenbach stand, als Frau Hedda eintrat, in einer schwarzen Matinee an einen Schrank gelehnt. Sie sah bleich und übernächtigt aus – und man merkte, daß es ihr Mühe machte, sich aufrecht zu halten. Es fiel kein konventionelles Wort. – Die beiden Frauen sahen sich an, Frau Reichenbach streckte zitternd den Arm aus und fragte:

»Haben Sie etwas gehört?«

»Ja.«

»Verunglückt?«

»Nein! – Sie waren gezwungen zu landen – irgendwo – ich weiß es nicht – und da hat man sie dann beide – verhaftet.«

»Sie lebt!« sagte Frau Reichenbach und schloß die Augen. Es schien in ihr, die eben noch wie leblos an den Schrank gelehnt gestanden hatte, eine Wandlung vorzugehen. Sie bekam Farbe. Der Körper straffte sich. Sie richtete sich auf, gab Frau Hedda die Hand und sagte:

»Ich danke Ihnen. – Dann ist alles gut.«

»Sie haben mir nichts zu danken,« erwiderte Frau Hedda. »Ich war es, die Ihre Tochter veranlaßt hat.«

Frau Reichenbach schüttelte den Kopf und sagte:

»Wenn Sie das glauben, kennen Sie mein Kind nicht. – Hanni wußte genau, was sie tat, als sie ihr Schicksal mit dem des Herrn Morener verband.«

»Sie haben ihr verziehen?«

»Verziehen?« wiederholte Frau Reichenbach lächelnd. »Hatte ich Grund, ihr böse zu sein? Ich habe versucht, sie zu verstehen. Das ist alles, was eine Mutter, die ihr Kind liebt, tun kann.«

»Das ist sehr viel,« erwiderte Frau Hedda – »zumal in einem Fall wie diesem, wo sie Ihnen weh getan hat.«

»Sie selbst hat sich am wehesten getan. – Als sie den Irrtum mit ihrem Vetter erkannte, in dem sie von Kindheit an befangen war – sie war mit ihm aufgewachsen und glaubte, zu ihm zu gehören – weil sie als Kind schon immer hörte, die Reichenbachs gehören zusammen. Dann aber sah sie plötzlich, daß er die ganzen Jahre über nie auch nur mit einem Gedanken, geschweige denn mit einem guten Gefühl, bei ihr gewesen war – ich glaube, daß auch sie sich da zum ersten Male Rechenschaft über ihr Gefühl gegeben und den eigenen Irrtum erkannt hat.«

»Sehr möglich – aber daß sie dann so schnell . . .« Frau Hedda führte den Gedanken nicht zu Ende, aber Frau Reichenbach nahm ihn auf und sagte: »Zu dem andern hinüberwechselte – das wollten Sie wohl sagen? Sehen Sie, ich verstehe das und brauchte dies wenig schöne Wort nicht ohne Grund. Eine Enttäuschung wie die meines Kindes, die wirkt – ich möchte sagen, wie ein operativer Eingriff – ins Seelische – wenn es so etwas gäbe – aber bildlich gesprochen, ist es das schon – man wird überempfindlich – die leiseste Regung des Gefühls, die man in gesundem Zustand kaum gespürt hätte, trifft einen jetzt wie – ja, wie soll ich sagen? – wie ein Erlebnis – mehr noch, wie ein Schicksal. Dieser Karl Morener hatte vielleicht Ähnliches erlebt wie mein Kind – eine große Liebe, für die er sich opfern wollte und die dann – eben keine große Liebe war.«

»So ist es! so ist es!« bestätigte Frau Hedda erregt.

»Dasselbe starke Gefühl zweier von demselben Schicksal betroffener Menschen – die jung sind und aus demselben Erleben heraus dieselbe Sprache sprechen – nicht mit Worten – viel eher mit dem Herzen – ich stelle mir vor, ich begegnete einer Mutter, die ihr Kind unter Umständen verloren hat wie ich meins – wenn wir noch so verschiedene Menschen wären, die kein Gefühl und keinen Gedanken sonst gemein hätten – wir würden uns doch verstehen und zusammenschließen – wie viel eher zwei so junge Menschen wie sie.«

»Sie haben recht! Wenn man das bedenkt, versteht man es – auch, daß sie ihm so ohne Vorurteil gefolgt ist.«

»Nachdem sie einmal von seiner Schuld überzeugt war und ihn veranlaßt hatte, zu gestehen – was mag sie darunter gelitten haben! – fühlte sie einfach die Pflicht, ihn nicht allein zu lassen – ja, das durfte sie gar nicht – das hätte selbst ich verurteilt, obgleich ich weiß, wie sehr sie sich und uns allen damit schadet.«

»Glauben Sie denn an eine Schuld Karl Moreners?«

»Ob mein Neffe Heinz oder er – für mich ist die Vorstellung, daß ein Mensch unserer Kreise – und ich muß Herrn Morener nun, wo mein Kind sich ihm vertraut hat, wohl dazu rechnen – in eine Bank einbricht und einen Geldschrank bestiehlt, so ungeheuerlich, daß ich mir sage, der Mann, der das getan hat, muß verrückt sein.«

»Oder sinnlos verliebt. – Stellen Sie sich doch vor, daß er sich für die Flucht mit einer Frau Geld beschaffen mußte, also spekuliert hat.«

»Mit Geld, das er nicht besaß – das verstehe ich schon nicht.«

»Das ist, glaube ich, erlaubt.«

»Von wem erlaubt? In meinen Augen ist ein Mensch, der bedingt – also in Form einer Wette – und nichts anderes ist ein Termingeschäft – eine Zahlung verspricht, von der er von vornherein annehmen muß, daß er sie nicht leisten kann, ein Betrüger.«

»Sie vergessen die Verliebtheit und den Optimismus der Jugend – jedenfalls: er hat es nun mal getan! – jetzt fehlte ihm nicht nur das Geld für die Flucht – er saß darüber hinaus in Schulden, die er nicht zahlen konnte. In dieser verzweifelten Lage sitzt er und brütet er . . .«

»Meine liebe und verehrte Frau Morener! Das Plädoyer, das Sie zugunsten meines« – es fiel ihr schwer, das Wort über die Lippen zu bringen – »künftigen Schwiegersohnes halten, steht auf sehr viel schwächeren Füßen als das Plädoyer, das ich für meine Tochter halten könnte – einfach, weil es sich bei ihm um eine unehrenhafte Handlung handelt – und da gibt es für mich keine Entschuldigung. Daß er den Diebstahl begangen hat, glaube ich natürlich nicht – Gott bewahre! wie könnte ich sonst von ihm als von meinem Schwiegersohn sprechen?«

»Sie wissen von seinem Geständnis?«

»Das hat mich zum Teil wieder mit ihm versöhnt – wenngleich ich diese Art Gentlemantum für übertrieben halte.«

»Sie scheinen ja alles zu wissen.«

»Ich habe meinen – Schwiegersohn von dem Augenblick an, wo ich sah, daß mein Kind ihm verfallen war – und das war weit früher, als meine Hanni selbst es wußte – nicht mehr aus den Augen gelassen. Ich mußte doch wissen, wes Geistes Kind er ist. Oh, ich kann Ihnen versichern, er hat ein gutes Herz! Das bißchen Protzentum, das mich anfangs von ihm abstieß, die Sucht, den seinen Mann herauszukehren, diese Kinderkrankheit, die alle Neureichen durchzumachen haben, war im selben Augenblick verflogen, in dem es galt, die Frau zu decken, die er damals zu lieben glaubte.«

Frau Hedda senkte den Kopf und sagte leise:

»Das war ich.«

Frau Reichenbach ergriff Heddas Hände, drückte sie und sagte mütterlich:

»Sie haben sich nichts vorzuwerfen, liebe Frau Morener! Sie haben wacker gekämpft. Gegen das Schicksal sind wir alle machtlos. – Jedenfalls hat mein Schwiegersohn durch sein Verhalten in dieser Affäre seinen Fehler mehr als gut gemacht.«

»Was für einen Fehler meinen Sie – wenn Sie doch an seine Schuld nicht glauben?«

»Mit Geld zu spekulieren, das er nicht besaß. – Was hat er nicht alles in Bewegung gesetzt, um die Unschuld meines Neffen nachzuweisen.«

In diesem Augenblick erschien das Mädchen und meldete, daß Direktor Urbach Frau Morener auf einen Augenblick zu sprechen wünsche.

»Wie denn? am Telephon?«

»Der Herr ist draußen.«

»Wenn Sie ihn sprechen wollen,« sagte Frau Reichenbach und erhob sich – »ich gehe solange hinaus.«

»Danke, nein!« erwiderte Frau Hedda und stand auf. »Wenn er mich hier bei Ihnen sucht, so kann es sich doch nur um diese Affäre handeln – und da gibt es zwischen uns keine Geheimnisse. Wenn Sie also gestatten, daß ich ihn empfange.«

»Ich bitte darum,« erwiderte Frau Reichenbach und gab dem Mädchen ein Zeichen, den Herrn hereinzuführen.

Direktor Urbach begrüßte zuerst Frau Reichenbach und dann Frau Hedda.

»Ich habe in Schloß Reichenbach angerufen – Sie waren schon fort – aber der Diener hatte gehört, daß Sie auf diesem Umwege zum Bahnhof fahren wollten.«

»Sie verreisen?« fragte Frau Reichenbach und schien erstaunt.

»Ich will nach Schönegg – zu meinem Mann. – Ich weiß mir nicht mehr anders zu helfen.«

»Vor einer Stunde etwa«, fuhr der Direktor fort, »unmittelbar nachdem Sie mit mir telephoniert und mich von Ihrer Absicht, nach der Schweiz zu fahren, unterrichtet hatten . . .«

»Sie wissen etwas Neues?« fragte Frau Reichenbach, die sonst nicht zu unterbrechen pflegte. »Bestätigt es sich, daß sie auf deutschem Boden, in der Nähe von Saarbrücken, gelandet sind?«

»Ja, Frau Kommerzienrat! – aber leider . . .«

»Lebt meine Tochter?«

»Beide sind unversehrt – aber man hat sie . . .«

». . . verhaftet! Ich weiß. Man wird sie wieder entlassen, denn niemand wird so töricht sein und glauben, daß Hanni Reichenbach des Nachts einen Geldschrank plündert.«

»Gewiß nicht – aber die gemeinsame Flucht . . .«

»Besagt nur, daß die beiden jungen Menschen sich liebhaben.«

»Gewiß, Frau Kommerzienrat, für uns! – Aber die Behörde, die sich mehr mit den Tatsachen als mit den Gefühlen – ich darf in diesem Falle wohl sagen: ihrer Opfer befaßt, leitet aus der gemeinsamen Flucht wohl den Verdacht der Mitwisserschaft her.«

»Wenn er es nicht gewesen ist, kann sie ihm doch auch nicht dabei geholfen haben.«

Direktor Urbach sah sie verdutzt an und sagte zögernd:

»Sie meinen . . .?«

»Karl Morener hat widerrufen,« sagte Frau Hedda – und Urbach erwiderte:

»Das kann möglich sein!«

»Er hat der Behörde gegenüber überhaupt noch gar nicht gestanden.«

»Ein Geständnis dürfte in diesem Falle ebenso belanglos wie ein Widerruf sein.«

»Wie meinen Sie das?« fragte Frau Reichenbach mit erhobenem Haupt.

»Karl Morener ist überführt.«

»Von wem?«

»Die Beweise sind lückenlos.«

»Herr!« fuhr ihn Frau Reichenbach an. »Sie scheinen nicht zu wissen, daß Sie von dem Bräutigam meiner Tochter, Herrn Leonard Reichenbachs Schwiegersohn, sprechen.«

Direktor Urbach wich ein paar Schritte zurück. Dann verbeugte er sich leicht zu Frau Reichenbach hin und sagte:

»Verzeihung, Frau Kommerzienrat! Aber als Mensch und Direktor, der noch heute in Leonard Reichenbach seinen Chef und väterlichen Freund verehrt, kann ich nicht glauben . . .«

»Sind Sie gewöhnt, von mir eine Unwahrheit zu hören?«

»Ich begreife, daß der unüberlegte Schritt Ihres Fräulein Tochter . . .«

»Er ist sehr wohl überlegt.«

»Aber doch ohne Ihr Wissen.«

»Ich habe ihn gebilligt. Ob zuvor oder hinterher, bleibt sich gleich.«

»Ich begreife, daß Sie die Ehre Ihrer Tochter zu retten suchen. Aber ich gebe zu bedenken, daß es in diesem Falle nur eine Möglichkeit gibt.«

»Welche?«

»Von diesem Herrn Morener abzurücken – und zwar mit aller Deutlichkeit.«

»Und mein Kind?«

»Für das Opfer eines Betrügers wird man Mitgefühl haben.«

»Ihre Beweise, bitte!«

»Die verfehlte Spekulation. Die geplante Flucht. Die absolute Notwendigkeit, sich Geld zu beschaffen. Das Scheitern dieser Versuche. Das Bemühen, den Verdacht auf Herrn Reichenbach zu lenken – vor allem aber die eidesstattliche Versicherung eines Geldverleihers, der man bisher keine Bedeutung beimaß, die aber nun die Kette schließt.«

»Was ist das für eine Versicherung?«

»Der Geldverleiher Schnitter, ein ehemaliger Geschäftsfreund des Herrn Heinrich Morener, war bereit, Herrn Karl Morener die geforderte Summe zu leihen – unter der Bedingung, daß er seine Tochter heiratete.«

»Eine Schweinerei!« rief Frau Hedda – und Frau Reichenbach führte ganz unwillkürlich die Hände vor die Ohren.

»Mag sein,« erwiderte Urbach. »Aber es wäre in diesem Falle vielleicht die kleinere Schweinerei gewesen.«

»Er hat natürlich abgelehnt?« fragte Frau Reichenbach.

»Leider!«

»Wie können Sie das sagen?«

»Uns allen wäre heute wohler, wenn er für seinen Leichtsinn dies Opfer gebracht hätte. Statt dessen hat er abgelehnt und die Dummheit begangen, zu erklären, daß er, wenn er das Geld nicht bekäme, gezwungen sei, ein Verbrechen zu begehen.«

»Das sagt man so hin,« meinte Frau Hedda.

»An sich gewiß. Aber nicht, nachdem man eben die Tochter abgelehnt hat. Jedenfalls wird das Gericht im Zusammenhang mit den übrigen Verdachtsmomenten daraus seine Schlüsse ziehen.«

»Vor einer Stunde, als wir miteinander telephonierten, haben Sie davon noch nichts gewußt?«

»Dieser Herr Schnitter, dessen Sohn übrigens Angestellter unserer Bank ist, war soeben bei mir.«

»Und warum gerade heute? – Er hatte doch während des Prozesses gegen Reichenbach Zeit genug dazu,« sagte Frau Hedda.

»Er hat im stillen wohl noch immer gehofft, daß Herr Morener seine Tochter heiraten würde. Nachdem er im heutigen Abendblatt aber gelesen hat, daß er mit Fräulein Reichenbach in einem Flugzeug . . .«

»Das steht in der Zeitung?« fragte Frau Reichenbach entsetzt.

»Leider! – Ich wage es nicht, auf die Börse zu gehen.«

»Und wann ist es nach Ansicht dieses Herrn Schnitter gewesen, daß Karl Morener mit einem Verbrechen gedroht hat?«

»Zwei Tage vor dem Bankdiebstahl.«

»So genau erinnert er sich?« fragte Frau Hedda.

»Er hat es sich aufgeschrieben.«

»Weshalb denn?«

»Es scheint, er ist auf die Herren Moreners nicht gut zu sprechen.«

»Kennen Sie den Grund?«

»Er hatte damit gerechnet, Herr Heinrich Morener werde ihn mit sich hinaufziehen. Statt dessen hat er jede Geschäftsverbindung mit ihm abgelehnt.«

»Das wissen Sie genau?«

»Ich habe die Szenen miterlebt. Er kam immer wieder und war so aufdringlich, daß Herr Morener ihn überhaupt nicht mehr empfangen hat.«

»Dann muß er ihn ja gehaßt haben.«

»Davon bin ich überzeugt.«

»Und Karl Morener ist trotzdem zu ihm gegangen?«

»Da können Sie sehen, wie unüberlegt er ist.«

»Wie arglos – meinen Sie.«

»Er mußte sich doch sagen, daß so ein Mann, der seinem Onkel alles Schlechte gönnt, ihm zuletzt aus der Verlegenheit helfen würde.«

»Und nun denken Sie noch einen Schritt weiter, Herr Direktor,« fuhr Frau Hedda fort. »Dieser schon enttäuschte und beleidigte Mann bietet Karl Morener seine Tochter an. Er lehnt sie ab. Muß Neid und Haß da nicht geradezu Rachegefühle erwecken.«

»Es wäre durchaus menschlich,« bestätigte Direktor Urbach.

Frau Reichenbach war dem Gespräch mit wachsendem Interesse gefolgt. Sie ahnte – im Gegensatz zu dem Direktor – bereits, worauf Frau Hedda hinauswollte. Jetzt mischte auch sie sich in die Unterhaltung und fragte:

»In welcher Abteilung ist der Sohn des Herrn Schnitter denn beschäftigt?«

»Bei Herrn Reichenbach.«

»Und was tut er da?«

»Er war bis vor kurzem sein zweiter Sekretär.«

»Er hat also neben dem Privatbureau meines Neffen gearbeitet.«

»Ja,« erwiderte der Direktor etwas erstaunt, während sich Frau Hedda an Frau Reichenbach wandte und sagte:

»Wie wäre es, wenn wir uns diese Familie Schnitter mal etwas genauer ansähen?«

»Dasselbe wollte ich Sie eben fragen,« erwiderte Frau Reichenbach.

»Ich warne Sie!« sagte der Direktor. »Zeugenbeeinflussung ist strafbar.«

»Haben Sie aus dem Prozeß nicht gelernt, daß aus einem Zeugen auch ein Angeklagter werden kann?« fragte Frau Reichenbach.

»Wie kommen Sie darauf, daß dieser Schnitter . . .?«

»Ganz einfach, weil er einen Unschuldigen verdächtigt,« erwiderte Frau Reichenbach – und Direktor Urbach sagte:

»Frau Kommerzienrat, ich bedauere Ihre Verwirrung. Bedenken Sie, daß der Name Reichenbach schon genug gelitten hat. Unterstützen Sie die Tollheit Ihrer Tochter nicht!«

»Was erlauben Sie sich?« fuhr Frau Reichenbach den Direktor an. »Gehen Sie in Ihre Bank! Besorgen Sie Ihre Geschäfte – und kümmern Sie sich nicht um Dinge, die nur mich angehen.«

Direktor Urbach suchte bei Frau Hedda Schutz, indem er sich zu ihr wandte und sagte:

»Gnädige Frau?«

»Sie sind hier nicht in meinem Hause, Herr Urbach. Aber ich glaube, daß ich an Stelle der Frau Reichenbach nicht anders handeln würde.«

Da verbeugte sich der Direktor und ging.

Frau Reichenbach ergriff Frau Heddas Hände und fragte:

»Wollen wir zusammenhalten?«

»Von Herzen gern,« erwiderte Frau Hedda. »Ich verschiebe meine Schweizerreise, bis wir uns über diesen Geldmann Klarheit verschafft haben.«

Wenige Minuten später – es war bereits Abend geworden – saßen die beiden Frauen in Heddas Automobil und fuhren zu Schnitter.


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