Heinrich Kruse
Seegeschichten. Zweite Sammlung
Heinrich Kruse

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Die Übergescheiten.

(Im Hafen von Stralsund.)

Otto Fock, ein alter Seefahrer.
Heinrich Marquardsen, ein junger Gelehrter.
M.
        Seid Ihrs, Steuermann Fock?
 
F.
                                              Der bin ich. Was steht zu Befehle?
 
M.
Kennt Ihr mich denn nicht mehr? Wir waren doch Freunde vor Zeiten!
 
F.
Ei, so wahr ich lebe, der Neffe von unserem Reeder!
Oftmals kamt Ihr an Bord Karl Heinrichs, unseres Schoners.
 
M.
Und dann führtet Ihr mich zur Kajüte, wo etwas zu naschen 196
Immer sich fand; mir schmeckt noch die köstliche Schokolade,
Die Ihr aus Lissabon mitbrachtet; doch mehr noch erfreuten
Mich die Geschichten, die Ihr so gut wart mir zu erzählen.
 
F.
Nichts was mehr zum Erzählen uns reizt als ein eifriger Hörer. –
Segel und Raaen und Stengen und sämtliche Teile des Schiffes
Kanntet Ihr fast so gut, wie ein alter befahrner Matrose,
Und Ihr sagtet mir oft, Ihr würdet am liebsten ein Seemann.
 
M.
Mancherlei nimmt man sich vor, doch bringt man nur wenig zustande.
 
F.
Seit Ihr studieren gelernt, kamt Ihr mir, Herr, aus der Kunde,
Aber doch nicht aus dem Sinn. Müßt Ihr noch immer studieren?
 
M.
Ich hab' ausstudiert.
 
F.
                                  Was wollt Ihr werden? 197
 
M.
                                                                      Ein Lehrer.
 
F.
Habt Ihr schon Amt und Brot?
 
M.
                                                  Noch nicht, denn das geht so geschwind nicht.
Aber die Prüfung bestand ich; mit Martin Luther zu reden,
Bin ich ein junger und erst von der Esse gekommener Doktor.
Doch wie steht es mit Euch? Seid Ihr denn immer noch Steu'rmann?
Kapitän Suhlberg starb, wie ich hörte, da seid Ihr, des wackren
Mannes erprobter Genosse doch aufgerückt, wie ich hoffe?
 
F.

Nein, ich hab's nicht gebracht zum Kapitäne.
 
M.
                                                                          Warum nicht?
 
F.
Was weiß ich von Sinus und Cosinus und Logarithmen,
Und Sextanten und Astronomie und sämtlichem Krimskrams?
Aber die Ostsee kenn' ich so gut wie ein anderer Schiffer,
Und noch besser vielleicht. Die Reeder verwandten sich für mich,
Aber die Herren entschieden, ich sei nur geduldet als Steu'rmann
Wegen des Alters und wegen erworbener praktischer Kenntnis,
Aber ein Schiff zu führen, das sei mir nicht zu gestatten. 198
 
M.
Und wer ward denn Kap'tän?
 
F.
                                                Ein Herr, der die Prüfung bestanden
Mit Auszeichnung, so hieß es. Er trug Handschuh und Spazierstock,
Und sein Tuch war so fein, daß es glänzte, ein richtiger Stutzer.
Eins nur war nicht fein an dem Herrn: sein Name.
 
M.
                                                                                  Wie hieß er?
 
F.
Fretwurst. (Beide lachen.)
 
M.
                  Ei, wie grob!
 
F.
                                        Es verdroß ihn nicht wenig im stillen.
Dafür trug er 'ne Nadel im Vorhemd voller Brillanten
Und sah auf mich herab, wie der Edelmann auf den Bauer.
Nun, ich hatte nicht Lust, mich von ihm schuhriegeln zu lassen,
Und so gab ich denn auf mein altes und liebes Gewerbe,
Und ich bezog ein Häuschen, nicht weit vom Heiligengeistthor, 199
Hinten hinaus, wo den Hasen ich seh' und die sämtliche Schiffahrt.
Wenn man ein Fuhrmann war, hört gern man knallen die Peitsche.
 
M.
Ihr blickt ruhig zurück auf ein thätiges, glückliches Leben!
 
F.
Glücklich? Ich habe nicht Kind noch Kegel, doch bin ich als Schiffer
Immer gefahren mit Glück, mit ganz ausbündigem Glücke.
Laßt, Herr Doktor, statt vieler ein einziges Stück Euch erzählen.
Einmal luden wir Weizen nach Hull für unseren Reeder.
 
M.
O, das weiß ich noch selbst. Ich sah bei Onkel im Hausflur
Voller Vergnügen das Korn vom obersten Boden in langen,
Ledernen Schläuchen herab in den Scheffel laufen, den Scheffel
Glatt mit dem Streichholz streichen und schütten das Korn in die Säcke.
Danach schwangen den Sack, der mit fünf Scheffeln gefüllt war,
Unsere stämmigen Träger mit Leichtigkeit über den Buckel,
Trugen die Säcke hinaus auf die Straße und legten sie reihnweis
Über die schwankenden Bäume der zweigeräderten Karre.
Dann zum Hafen hinab durch das steile und dunkle Fährthor,
Wo im Schusse die Karren hinrollten. Ich weiß noch, wie heute,
Wie's zuging beim Laden. Die äußerste Eile war nötig, 200
Um zum niedrigsten Zolle noch anzukommen in England.
Aber das Fährthor ward am Abend geschlossen. Was thun nun?
Unsere Festungsschlüssel – man mußte aus schwedischer Zeit sie
Bringen dem Bürgermeister ins Haus von sämtlichen Thoren,
Was nicht wenig verdroß im stillen die Herrn Kommandanten.
Nun war günstiger Wind und das Schiff soll warten? Unmöglich!
Spornstreichs läuft der die Ladung bewachende Handlungsdiener
Hin zum Bürgermeister und fordert den Schlüssel des Thores.
»Aber der Herr ist nicht zu Hause!« so sagte die Köchin.
»»Schadt nichts,«« meinte der junge, vor Eifer brennende Kaufmann,
»»Dort an der Wand hängt, seh' ich, der mächtige Schlüssel des Fährthors,
Und ich nehm' ihn auf ein paar Stunden, dann bring' ich ihn wieder.««
»Geht denn das an?« so fragte die Köchin. »»Wie sollt' es nicht angehn?
Unsere Herren sind ja die besten Freunde.«« »Nun freilich,«
Sagte sie drauf und ließ es geschehn. Aufschloß man das Fährthor,
Und so wurde das Schiff noch vor Tau und Tage befrachtet,
Daß, als die Sonn' aufging, es schon flog vor dem günstigsten Winde.
Doch die Empörung des Herrn Kommandanten am anderen Morgen!
Ja, fast hätte der Stadt es gekostet das schwedische Vorrecht. 201
 
F.
Davon haben wir nichts auf unserem Schoner erfahren,
Denn wir machten inzwischen die kürzeste, glücklichste Reise,
Die jemals ein Schiff auf der Ostsee machte nach England.
Während daheim man glaubte, wir hätten den Sund nicht passieret,
Lagen wir schon vor Hull; damit war das Glück nicht zu Ende,
Denn wir trafen in England ein am nämlichen Tage,
Wo am niedrigsten wurde der Kornzoll, welcher noch damals
Auf und nieder ging nach dem wechselnden Preis des Getreides,
Doppelt war so Gewinn wie Verlust bei der »gleitenden Skala«.
Fabelhaft war der Gewinn und reichlich belohnt' uns der Reeder.
Aber wir dürfen uns das Verdienst beim Glücke des Schiffes
Nicht allein zuschreiben, uns hatt' ein andrer geholfen.
Wie Hohlkügelchen, die man unter das Wasser getaucht hat,
Wieder empor stets springen und oben schwimmen, so wurde
Immer das Schiff aus Not und Gefahr nach oben gehoben,
Wie von mächtiger Hand, die unsichtbar uns beschützte.
 
M.
Und wer war denn der andre, der Euch so treulich beschirmte?
 
F.
Herr, man spricht nicht gerne davon. Auch wißt Ihr es selber,
Und Ihr stellet Euch nur so dumm an; nehmt es nicht übel. 202
 
M.
Ach, der Klabatermann! Der gehöret zum Glauben des Seemanns.
 
F.
Herr, für Stralsund fuhren vordem zweihundertundsechzig
Schiffe zur See, doch war von den sämtlichen Schiffern nicht einer,
Der nicht das seltene Glück Karl Heinrichs, unseres Schoners,
Kannte und nicht der Gunst des Klabatermannes es zuschrieb.
Nur ein einziges Schiff war vom Glück nicht minder begünstigt,
Eine geräumige Jacht mit Namen: Der ringende Jakob,
Welche nach Riga fuhr und Reval auf russische Waren.
Stark und hoch war der einzige Mast, aus festestem Holze
Wurde gezimmert das Deck, daß man kaum mit der Axt darauf faßte.
Seltsam war's, daß welcherlei Wind auch brauchte das Fahrzeug,
Stets er sogleich aufsprang. Man sagte, in Schläuche verschlossen
Führe der Schiffer an Bord die verschiedensten Winde zur Auswahl.
Kurz, Karl Heinrich, das eigene Schiff und der ringende Jakob,
Welcher den Segen, so schien es, davon getragen als Kampfpreis,
Waren Klabatermannes erkorene Günstlinge, hieß es.
 
M.
Nun, ich glaub' an das Glück, doch nicht an die Sagen des Seemanns
Vom Klabatermann und der Seeschlang' . . . 203
 
F.
                                                                        Also, Ihr glaubt auch
An Seeschlangen nicht, Doktor, die hundertmal doch bezeugt sind
Und beschrieben, gezeichnet, in Kupfer gestochen. Ihr nennt es
Aberglauben, nicht wahr?
 
M.
                                          Ich bin hartgläubig, gesteh' ich.
 
F.
Ei, da muß ich doch lachen aus vollem Halse.
 
M.
                                                                          Warum denn?
 
F.
Weil ich sie selber gesehen.
 
M.
                                            Ist's möglich?
 
F.
                                                                    Ich kann es beschwören.
Ein Ostindienfahrer, auf dem ich Dienste genommen,
Fuhr bei ruhigem Wetter, so daß kaum bauschten die Segel,
Zwischen den Sundainseln dahin, bei tropischer Hitze.
Baden ist freilich verboten in jenen Gewässern, doch stiegen 204
Einige Leute hinab auf der Ankerkette am Buge,
Um sich im Wasser zu kühlen, und schwammen schon lustig im Meere.
Aber ich konnte sie nur kopfschüttelnd betrachten, ich hatte
Vor Batavia selbst es gesehn, daß ein gieriger Haifisch
Einem Matrosen das Bein abbiß mit dem stachlichten Rachen.
Plötzlich – o Schrecken – erblick' ich ein Untier kommen im Meere,
Eine gewaltige Schlange, das Haupt hoch über dem Wasser,
Das an Gestalt und Größe dem Seehundskopfe vergleichbar.
Dünn war der Hals, doch fußdick schwoll darunter der Leib an,
Der sich in mächtigen Ringeln emporhob über die Fläche.
 
M.
Und wie lang war das Tier?
 
F.
                                              Nun, vierzig Fuß und nicht minder.
 
M.
Das habt selbst Ihr geseh'n?
 
F.
                                              Ich, Herr, und die sämtliche Mannschaft.
»Rettet Euch, schnell!« So schrieen wir auf, und die badenden Leute
Klommen die Ankerkette herauf, fast starr vor Entsetzen.
Alles kam auf Deck und zum Vorderteile gelaufen, 205
Anzustaunen die Schlange, die über das Wasser herankroch,
Weder langsam noch rasch; kaum dreißig Schritte von unserm
Schiffe entfernt, glitt ruhig das Ungetüm an uns vorüber,
Auf dem Wege, so schien es, von Java nach Sumatra. Lange
Sahen dem Wunder wir nach, und es war ein jegliches Fernglas,
Welches an Bord sich befand, auf die wüste Erscheinung gerichtet.
Ja, kein Zweifel, es war die so thöricht bestrittene Schlange.
 
M.
Steuermann, seid Ihr gewiß, daß keinerlei Täuschung im Spiel war?
 
F.
Doktor, so nah! Bei heiterem Wetter, im Scheine der Sonne
Sahen es dreiundzwanzig Mann und können's beschwören.
Und doch sprecht Ihr von Täuschung! So geht es den Übergescheiten.
Soll man der Bibel nicht glauben?
 
M.
                                                        Gewiß.
 
F.
                                                                    Doch steht in der Bibel
Vom Leviathan zu lesen und Behemoth. Was in der Tiefe 206
Bergen von Wundern sich mag, das sollen die Herren wohl schweigen.
 
M.
Nun, Ihr habet die Schlange gesehn, drum muß ich es glauben,
Aber ihr werdet das nicht vom Klabatermanne behaupten.
 
F.
Führe mich nicht in Versuchung! Ich mag nicht gern davon sprechen,
Wenn Ihr mir aber so sehr zusetzt und mich zwinget zu reden –
Ja, ich hab' ihn gesehn.
 
M.
                                      Der Tausend! Ihr redet im Ernste?
 
F.
Einmal steh' ich, es schummerte schon, und seh' auf der Baden-
Brücke dem Handeln zu der Sellerfrauen und Fischer,
Denn da liegen ja meist Zeeskähne und kleinere Boote;
Nur ein Fahrzeug war von größerer Art, eine Jacht war's,
Hanf und Talg ausladend, soeben gekommen von Riga.
Siehe, da schreitet ein Mann von kleiner Gestalt bei dem Bugspriet,
Tritt an die Rehling und geht über Bord, als schösse er Kobold.
 
M.
Fiel er ins Wasser, der Mann? 207
 
F.
                                                  So mußt' ich vermuten, doch konnt' ich,
Da, wo ich stand, es nicht sehn, denn er fiel nach der anderen Seite.
»Mann über Bord,« so rief ich erschrocken den Leuten der Jacht zu,
Aber sie winkten mir ab und sagten nur: »Pst!« Doch ich schrie nur
Lauter noch: »Rettet! Wenn Ihr ihm nicht helft, so muß er ertrinken.«
»»O, der ertrinkt nicht!«« sagten sie kühl und riefen von neuem
Ihr »Pst, Pst!« Da merkt' ich denn wohl, wo Barthel den Most holt;
Vollends, als ich den Namen des Schiffs zufällig erblickte,
Denn da stand es mit goldenen Lettern: Der ringende Jakob.
 
M.
Zeigte Klabatermann sich auch auf dem eigenen Schiffe?
 
F.
Ja, Herr! Da war keiner, der nicht schon manches erlebte
Und darüber erzählte, so daß zuletzt man nicht wußte,
Was man selber gesehen und was man gehört von den andern.
Desto sicherer kann ich über die Thaten erzählen,
Die der Klabatermann auf unserem Schoner verrichtet.
Höret zuerst die Geschichte vom Leck und der Rettung des Schiffes,
Welche so recht zeigt, wie er es macht. 208
 
M.
                                                                Da bin ich begierig.
 
F.
Einmal waren wir etwas verschlagen vom heftigen Ostwind,
Welcher im Frühjahr bläst, und statt in den Bodden gelangten
Wir ans Ufer von Peerd und Thiessow, wo mächtige Steine
Liegen den Strand entlang und unter dem Wasser verborgen,
Als ein gewaltiger Stoß uns lehrt zu unserm Entsetzen,
Daß wir auf blinde Klippen geraten; es gurgelt im Raume
Und rings schrie man: »Ein Leck, ein Leck!« Ein Leck war gesprungen
Und ein riesiges Loch, denn wie wir auch pumpten, so nahm doch
Immer das Wasser noch zu. »Wir sind,« so schrie man, »verloren;
Niemand kann uns erretten.« »»Es sei denn,«« sprach ein Matrose,
»»Daß der Klabatermann uns helfe, ich sah ihn wie einen,
Der's sehr hild hat, eilen hinunter zum Leck in dem Raume.««
Und wie ein Strahl, den ein Walfisch bläst, so strömte das Wasser
Aus der Pumpe hervor und wir spürten das Sinken des Schiffes.
Aber was sollten wir thun in der Angst? Wir pumpten noch immer.
Plötzlich ist es, als ob zu versiegen das Wasser begänne,
Nicht durch unsere Kunst, denn wir konnten das Leck nicht entdecken
Und nicht verstopfen. Der Strahl der Pumpe wird dünner und dünner 209
Und zuletzt nur noch so wie vom Dache das Wasser
Läuft in der Rinne hinab, wenn der Regen nur eben noch tröpfelt,
Wie durch ein Wunder erhob sich zugleich von neuem der Schoner
Und wir eilten hinab zum Raum. Durch das eifrige Pumpen
War er vom Wasser geleert, wie ausgeschöpft mit dem Ösfaß.
Das zu erklären, vermochten wir nicht. Es war wie ein Wunder.
Nun, wir kamen denn glücklich nach Palmerort und nach Stralsund,
Alldort wurde das Schiff, das im Sturme gelitten, gekielholt.
Siehe, was fanden wir da?
 
M.
                                          Laßt hören!
 
F.
                                                              Ein Leck war gesprungen
Nah am Kiel und das Loch war rund und weit, daß die größte
Kegelkugel hindurch gehn konnte. In wenig Minuten
Wäre das Schiff voll Wasser gelaufen.
 
M.
                                                              Was rettete denn Euch?
 
F.
Ja, das ratet! Ein Stein, kreisrund, der paßt auf die Öffnung
Wie auf den Topf sein Deckel, war eingeklemmt in die Stelle.
Herr, was sagt Ihr dazu? 210
 
M.
                                        Das ist sehr seltsam, gesteh' ich.
War vielleicht ein Stein aus dem Ballast liegen geblieben,
Nahe dem Kiel und durch die Bewegung des strömenden Wassers
Grade geraten ins Leck?
 
F.
                                        Ihr meint, er schwamm in das Loch 'rein?
Ei, Herr Doktor, das ist, wie mir deucht, spitzfindiger Unsinn.
Doch auf dem glücklich geretteten Schiff war niemand zu finden,
Der im Zweifel noch stand, wer den Stein in die Öffnung geschoben.
Hätt' ihn Peter auch nicht, der alte Matrose, gesehen,
Wie er geschäftig in eiliger Hast zum Kiele herabstieg.
Alles hinweg zu erklären, sind immer die Übergescheiten
Flugs bei der Hand; doch hört, Herr Doktor, noch eine Geschichte,
Die uns lehrt, wie Leuten der Art zuletzt es ergehet.
Seht, wir sprachen ja schon von Fretwurst, von dem Kap'täne,
Der Karl Heinrich erhielt. Nun war ihm der wackere Schoner
Eigentlich viel zu gering, und er nannt' ihn 'nen alten, verbrauchten
Kasten, an dem seit Noahs Zeit nichts wäre geschehen.
Gründlich müsse man nun nachholen das lange Versäumte.
Und so ruhte er nicht, bis daß Karl Heinrich gedockt ward
Und so gründlich verbessert, daß in der Kajüte die Bänke
Wurden von Mahagoni gemacht, er that es nicht anders. 211
Zwischen dem Fähr- und dem Semlowerthor lag fast es ein halb Jahr.
»Und was soll denn die Kugel bedeuten?« so fragt' er die Leute,
Die vorn waren am Buge mit Hämmern und Klopfen beschäftigt.
Unter dem Bugspriet war eine mächtige, hölzerne Kugel,
Hohl im Bauch, ein Deckel darauf, man konnte sie öffnen.
»Wozu nutzet das Ding?« »»Das kann ich, Kap'tän, Euch nicht sagen.««
Sprach ein Zimmergesell. »»Doch dünkt mich, es diene zum Zierat.««
»Ein Matrosengeschmack! Ich dulde das Zeug da nicht länger;
Hauet es weg.« »»Hm, hm,«« so meinte der alte Geselle,
Langsam schnupfend und dann rund drehend den Deckel der Dose.
»»Herr Kapitän, die Kugel ist doch wohl mehr als ein Zierat,
Denn Ihr wisset, in wessen besonderem Schutze das Schiff steht.««
»Ja,« sprach jener, »ich habe gehört vom Glauben des Schiffvolks.«
»»Und,«« so sagte der Zimmergeselle, »»man kennt die Gewohnheit
Jenes zwar kleinen, doch mächtigen Herrn aus vieler Erfahrung.
Seht, wenn der Steu'rmann nickt und die Wache schnarchet, so geht er
Ab und zu auf Deck und richtet zuweilen das Steuer.
Wenn es nun regnet und stürmt, so steigt er hinein in die Kugel,
Wo er behaglich sich wärmt im roten Mantel.«« »Ach, Unsinn,«
Rief Kapitän Fretwurst bei dem Reden des Zimmergesellen.
»Aberglauben, Geschwätz, man muß ausfegen den alten 212
Sauerteig! Haut ab auf der Stelle die Kugel, die ganze
Kugel!« Der Zimmergesell hob auf die Axt, doch er senkte
Sie von neuem und sagte: »»Bedenket doch, Herr, mit der Kugel
Ist Karl Heinrich so glücklich nun alle die Jahre gefahren.
Überlegt, was Ihr thut.«« »Ihr habt zu gehorchen.« So schnauzt ihn
An der Kap'tän. Und jener gehorchet und hauet den Knopf ab,
Der in das Wasser ihm fällt und hüpfend schaukelt von dannen.
»»Wenn Euch das Glück nur nicht wegschwimmt,«« so sagte der alte
Zimmergeselle und blies von der Axt unwillig die Spähne.
Als Karl Heinrich erneut nun lag im Hafen als frischer
Braten mit alten Wunden – so scherzte der Reeder, der schweres
Geld mit Seufzen bezahlt für ein Schiff, das sonst nur verdiente –
Ward er mit Malz auf Bergen befrachtet und segelte lustig
Ab mit günstigem Wind, doch ward nie wieder gesehen;
Nichts als der Name des Schiffes ist angetrieben auf Borkum.
Daran spiegelt Euch, Herr, so geht es den Übergescheiten.

 


 


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