Heinrich Kruse
Seegeschichten. Zweite Sammlung
Heinrich Kruse

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Der Schatzgräber.

Ludwig, Hans.

 

Ludwig.
        Ei, wo fehlt es Dir, Hans?
 
Hans.
                                          Wie, seh' ich verdrießlich?
 
Ludwig.
                                                                                      So ziemlich.
Sähst Du hinein in 'ne Schüssel mit Milch, sie würde ja sauer.
Wenn ich mich nur umschaue, da wird mir so fröhlich, ich möchte
Gleich mit Dir tanzen, mein Hans. Wie alles so sonnig und still ist,
Als wär' in der Natur auch Sonntag! Wie da die Quitte
Feucht von den Nebeln noch glänzt, mit den hochrot schimmernden Beeren,
Welche den Herbst ankünden. Und alles ist frisch und belebend, 146
Als wär' heute der Morgen der Schöpfung. Als wäre nur eben
In mich der Odem geblasen; ich könnte mich schlagen mit Tausend!
 
Hans.
Ja, Du kannst wohl lachen! Du bist Augapfel der Herrschaft.
Denn Du bist pfiffig und klug, und weißt Dich gewandt zu benehmen.
 
Ludwig.
Ja, ich ließ mir die Welt um die Ohren schlagen, indes Du
Frei Dich machtest vom Dienst und bliebst bei den Ochsen des Vaters.
 
Hans.
Während man dient als Soldat, da lernt sich gar manches –
 
Ludwig.
                                                                                              Ja freilich,
Nichts thun, rauchen und trinken und spielen mit Würfeln und Karten.
 
Hans.
Wenn Du nur spotten kannst! Du bist ein so lustiger Vogel,
Daß Du, fehlt's Dir an anderm Stoff, Dich selber verspottest.
 
Ludwig.
Daß der Soldat viel lernt: als Gehorsam, Pünktlichkeit, Ordnung,
Darin geb' ich Dir recht; doch lernt er auch schlechtere Dinge. 147
 
Hans.
Nun, wer gelehrig ist, lernt. Doch kehrt mit 'nem Nagel im Kopfe
All Ihr zurück. Wie warst Du denn sonst so fein und so vornehm?
Aber der Fuhrmann hat Euch neulich nach Hause geleuchtet!
 
Ludwig.
Meinst Du den sächsischen Kärrner im blauen Kittel?
 
Hans.
                                                                                      Den mein' ich.
 
Ludwig.
Ist das ein Flegel! Ich sagt' es ihm selbst.
 
Hans.
                                                                  Er entgegnete: »Freilich!
Einer der Flegel, mit denen der König bei Leipzig gedroschen!«
Über Euch Friedenssoldaten hat weidlich gespottet der alte
Krieger aus napoleonischer Zeit. So stramm und geschniegelt
Prahltet Ihr in der Montur und ließt für die Mädchen Euch malen.
Doch, wenn's geht: »Bum! Bum!« und zischt die Granate, so habt Ihr
Rechts und links vergessen und fällt Euch das Herz in den Magen.
Ja, der gab es Dir gut!
 
Ludwig.
                                    Ich stopf' ihm nächstens das Großmaul. 148
 
Hans.
»Zehne verzehrt er von Dir zum Frühstück,« sagte der Alte,
Und hat Hunger schon wieder zu Mittag.
 
Ludwig.
                                                                  Dieser Bramarbas!
 
Hans.
Doch, wie gerietet Ihr denn aneinander?
 
Ludwig.
                                                                Er wollte mich dutzen,
Aber ich sagt' ihm, wir hätten nicht Schmollis getrunken.
 
Hans.
                                                                                            So bist Du!
Waget der Graf doch kaum und die Gräfin, Dich Er noch zu nennen.
Ziehn sie des Winters zur Stadt, so nehmen sie mit Dich als Jäger.
Ei, wie wird der befiederte Hut, Hirschfänger an schlanker
Hüfte, Montur und alles Dir stehn! Ja, das glaub' ich, da hast Du
Zwischen den zierlichen Mädchen der Stadt Dir nur so zu wählen.
 
Ludwig.
Geh mir! Die Puppen sind gut, damit zu spielen. Ich wollte
Lieber vom Weihnachtsbaume ein Zuckerpüppchen mir freien. 149
Werd' ich nicht endlich erfahren, mein Hänselchen, wo Dich der Schuh drückt?
Hofbesitzer, wie Dir, sollt's gar nicht erlaubt sein, zu klagen.
 
Hans.
Hofbesitzer? Ja wohl! Doch hab' ich den Alten zur Leibzucht,
Der noch gar nicht dran denkt, schon abzuschurren. Er hat sich
Redlich geplagt, und ich gönn' ihm ja gern ein behagliches Alter.
Doch dann hab' ich ja noch die Geschwister. Ich bin für das Erbteil
Ihnen als Schuldner verschrieben und zahle mit Seufzen die Zinsen,
Aber sie meinen, noch immer ein Recht zu haben am Hofe.
Holz und Plag' wächst jeglichen Tag! Kaum schaff' ich zu essen
Und doch quälen die Schwestern mich stets: Ein Bändchen, ein Hütchen!
Oder ein Umschlagtuch. Ein längst höchst nötiger Mantel!
Und so muß ich denn schon, will nicht ich das ganze Register
Hören der Mädchen im Dorf, die längst viel Schöneres hätten,
Fahren den herrlichen Roggen zur Stadt, den der Händler, der Jude,
Tadelt und niedrig bezahlt bei den so schon kläglichen Preisen.
Damit beginnt nun der Ärger, den unsereins in der Stadt hat.
Denn sobald ich das Korn nun gefahren zum Speicher des Kaufmanns, 150
Und es daselbst aus dem Sack auf den Boden geschüttet, so steht schon
Sein Buchhalter dabei mit dem Probebeutel und tadelt
Mir mein prächtiges Korn, als ob's mit der Probe nicht stimme.
»Was?« antwort' ich. »Ich bin an das Korn noch im Dunkeln gegangen,
Und hab' mitten heraus nur blindlings die Probe genommen.«
Aber der Kontorist sagt höhnisch: »»Das sollen wir glauben?
Freundchen, wir kennen schon lange die Schliche des ›redlichen Landmanns‹.««
Mir wird schwül zu Mut', und ich folg' ihm nach dem Kontore,
Wo vom Regen ich komm' in die Traufe. Der Herr, der Patron, ist
Über die englische Post schon verdrossen. Er hört den Kommis an –
Brummt: »Ja wohl, das kennen wir längst!« Was ich sage, das gilt nicht.
»Schnack' Er nicht weiter!« so schnauzt er mich an. »Hier ist ja die Wage!«
Und dann wiegt er mir vor auf der zierlichen Wage von Messing,
Wie doch die Probe so schwer und so leicht das gelieferte Korn sei.
Darauf läßt er das Korn durch die Hand sich gleiten und findet
Brand und Raden darin und Küdick und allerlei Unkraut,
Mutterkorn und ich weiß nicht was sonst. Es ist schier zum Verzweifeln. 151
Und zu des Ärgers Beschluß soll stets am Maße was fehlen.
Wenn ich die Obrigkeit wär', ich würde das Messen verbieten.
Kurz, es wird wacker gezwackt am Preis und am Maße. Nur wenig
Streicht am Ende man ein, und den Firlefanz kauft man so teuer.
»Und wenn köstlich es war, ist's Mühe gewesen und Arbeit.«
Saget die Schrift. Und wahrlich, man schafft sich mit Müh' und mit Arbeit
Kaum im Leben so viel, um christlich beerdigt zu werden!
 
Ludwig.
Nun, das heiß' ich geklagt! Jeremias verständ' es nicht besser!
Seit Erschaffung der Welt klagt immer und ewig der Landmann,
Und ein Trost ist es nur, daß Ihr dick und fett dabei werdet.
 
Hans.
Spaße so viel wie Du willst, wohl bin ich berechtigt zu klagen;
Was ich, Ludewig, thu', da hat eine Eule gesessen.
Regnete Brei es vom Himmel, so würde der Löffel mir fehlen.
Andern gelingt es besser, die doch wahrhaftig nicht halb sich
Placken wie ich. – Wem's Glück wohl will, dem kalbet der Ochse.
Aber, bewahre der Himmel! Mir ist mein ewiges Heil doch
Lieber noch, als mein zeitliches Gut.
 
Ludwig.
                                                          Wie meinst Du das, Hänschen? 152
 
Hans.
I, so sprich doch nicht so, als wärest Du gestern geboren!
Wer mit dem Bösen es hält, der kann aus dem Kruge nur immer
Dreist einschenken, er wird nie leer, wie der Krug des Propheten.
 
Ludwig.
Nun, wie macht man das denn?
 
Hans.
                                                    Du hast in der Nacht doch den Drachen
Zischen gehört in der Luft? Ich verkrieche mich dann in die Decken.
Sind Dir die Schuppen von eitlem Gold! Wenn nur er so hinzieht,
Trete heraus, wer mag, und ruf': »Wirf's Gold mir hernieder!«
Dreimal deutlich und laut. »Und hole die Seele Dir wieder!«
Krach, so thut sich der Giebel des Hauses von selbst auseinander,
Schießet der Drache herein und schüttelt sich, streut auf den Boden
Gold in Hüll' und in Füll', und hui! ist er wieder von hinnen.
 
Ludwig.
Ja, Hans, aber man muß beileibe sich hüten, den Kopf dann
Nicht aus der Thür zu stecken. Er hat von oben bis unten
Schon gar manchen beschmutzt mit Teufelsdrecke.
 
Hans.
                                                                                  Pfui, Teufel!
Ja, er ist boshaft, der – Gottseibeiuns! 153
 
Ludwig.
                                                              Und narret die Leute.
Sind sie dabei schon zu heben den Schatz, so nimmt er ihn wieder.
 
Hans.
Macht es zur Strafe mit uns, wie wir mit den Kindern es machen,
Denen ein Äpfelchen wir vorhalten, und wenn sie dran tippen,
Nehmen wir wieder es weg. So nimmt er dagegen den Schatz uns,
Den wir schon faßten. Ja, ja, so geht's, so ging es mir selber.
 
Ludwig.
Wie, Hans? Dir? Dir selbst? O, erzähle mir, bitte, erzähle!
 
Hans.
Wenn Du weiter davon nicht plauderst! Der Pfarrer ist einmal
Auch so ein Überklug und schilt nur, hört er dergleichen.
Siehe, Du kennst ja das Hünengrab auf der Höhe des Strandes,
Ludwig, hinter dem Busch.
 
Ludwig.
                                              Ja, doppelte Reihen von Steinen,
Großen, gewaltigen Steinen, bemoost und halb schon versunken,
Sind in der Länge gesetzt, mit Spitzen nach vorn und nach hinten,
Daß wie ein Schiff aussiehet das Mal. 154
 
Hans.
                                                              Dort, sagen sie, wurde
Ein Seekönig begraben mit morgenländischen Schätzen,
Die er nach Hause gebracht als Eidam des Kaisers von – Dingsda!
Ei, wie heißt noch die Stadt mit dem Dudelsackpfeifergesellen?
 
Ludwig.
Konstantinopel.
 
Hans.
                          Ja, richtig! Der Kaiser von Konstantinopel
Gab ihm denn auch die Prinzessin zur Frau nach geleistetem Beistand,
Und Sven lebte noch lange daselbst in Ehren und Freuden.
Doch, da die Tochter des Kaisers verstarb und das Alter heranschlich,
Sprach er: »Ich wünsche noch einmal die Küste der Heimat zu sehen!«
Zog mit den Schätzen davon, und was er sich wünschte, das ward ihm,
Aber nicht mehr; denn als er die Küste von Rügen erblickte,
Kam er zu sterben und ward auf der Höhe des Ufers begraben,
Sämtliche Schätze mit ihm, Gold, Silber und Edelgesteine.
Aber Du lächelst schon wieder! Bezweifelst Du denn, daß es wahr sei? 155
 
Ludwig.
Nun, es könnte ja sein! Und so viel wenigstens glaub' ich,
Hänschen: es ließ in dem Hünengrab an dem Strande der Ostsee
Unter dem steinernen Schiff sich begraben ein nordischer Seeheld,
Um sich am Wellengeräusch noch zu freu'n. Ja, da schlummert ein alter
Seewolf, welcher denn wohl sich manches zusammengeräubert.
 
Hans.
Wäre nur alles so sicher, als daß dort oben ein Schatz liegt,
Kisten mit Silber und Kasten mit Gold und edelen Steinen.
Wer die hätte, der könnte die Herrschaft Putbus sich kaufen.
Aber des Königes Geist, als Drache gestaltet, der Feuer
Schnaubt aus dem Rachen, bewacht noch heute die Schätze des Steinschiffs,
Und sie zu heben vermag nur, wer Geister zu bannen verstehet.
Dorthin zogen unzähligemal aus dem Dorfe schon Leute,
Welche von Hunger und Kummer geplagt.
 
Ludwig.
                                                                    Um zur täglichen Arbeit
Noch sich die nächtliche Plage zu schaffen.
 
Hans.
                                                                        Ja, spotte nur, mancher
Hat so gespottet wie Du, der heimlich selber doch auszog. 156
Doch kam stets was dazwischen, sie mochten nicht gern davon sprechen.
Fest steht, daß haarsträubende Dinge geschahn, und sie ließen
Schaufeln und alles im Stich und liefen davon nur und schrieen.
Nun war neulich ich mal zum Kindelbiere gebeten,
Da kam auch so ein Mann, der als Geisterbeschwörer bekannt ist;
Sieh, den zieh' ich beiseit' und erzähl' ihm die Sache. Er hörte,
Legt' an die Nase den Finger. »Nicht leicht!« Doch sei es zu machen,
Wenn man nur recht es verständ', und wenn man die Kosten nicht scheute,
Sonst wär's besser, man fing es nicht an. Ich entgegnete: »Für was,
Muß was; weiß ich ja wohl.« Wir sprachen noch viel miteinander.
Als er den Wagen bestieg mit dem Weber von Casnevitz, drückt' er
Mir noch die Hand und sagte: »Getrost! Ihr werdet, so wett' ich,
Bald ein Gedeck von feinstem Damast Euch bei diesem bestellen,
Welcher für feines Geweb und Muster berühmt auf der Insel.
Lebet denn wohl, mein Freund! Ich schreib' Euch das Weitere,« sagt' er,
»Denn ich muß doch vorher noch die Zauberbücher befragen.«
Also schrieb mir der Mann – er ist zwar sonst nur ein Schuster,
Aber die Schuster sind oft, wie man weiß, tiefsinnige Leute –
Schrieb mir von Garz, wo er wohnt, daß Freitagabend er komme,
Und ich sollte das Nötige nur vorkehren. Er gab mir 157
Auch Anweisung dazu, wie alles zu machen. Er schlich denn
Richtig auch ein auf den Hof am Freitagabend im Schummern.
»Nun, wie steht's?« so fragt' ich mit Ängstlichkeit. Jener versetzte:
»»Gut, sehr gut! Doch habt Ihr auch alles gethan, was ich sagte?««
»Alles!« entgegnet' ich ihm. »Ich habe den Kater gegriffen,
Ganz kohlschwarz, woran nicht ein Haar, das weiß ist, zu finden.«
Aber ihn einzufangen, hat Mühe gekostet! Da sieh nur,
Ludwig, die Hand ist noch mir zerkratzt. »»Doch, wie steht's mit dem Halsband,
Das für den Kater gehört?«« so fragte der Teufelsbeschwörer.
»»Habt Ihr den Henkeldukaten bereit und die Gulden mit Ohren,
Welchen die Paten geschenkt?«« »Hier hab' ich es alles beisammen.«
Sagt' ich und reicht' ihm die Sparbüchs hin mit alle den Münzen,
Die von der Urgroßmutter bis heute zusammengespart sind
Als Erbschatz für den Hof. Und er musterte sämtliche Stücke,
Suchte die passenden aus für das Halsband – leider die größten,
Und dann knüpft' er das Geld in die Schnur für den Kater als Halsband.
»»Gold und Silber,«« so sagte geheimnisvoll der Beschwörer,
»»Sind gar mächtige Ding' auf Erden und unter der Erde.
Mit nichts anderem kann man so kräftiglich bannen den Teufel.««
Und dann stärkten wir uns zum nächtlichen Gange – die letzte 158
Mahlzeit, dacht' ich bei mir, die mit bitterem Schweiße verdient ward.
»Nun noch ein Maß Bier!« so rief er. »Ich hole den Schatz uns,
Müßt' ich dabei auch Hörner und Schwanz ausreißen dem Teufel.«
Und so zogen wir dann in die Nacht.
 
Ludwig.
                                                            O schade, warum nahmt
Mich Ihr nicht mit?
 
Hans.
                                Du wärst mir grade der Rechte gewesen!
Bist Du nicht immer zu lachen gewohnt? Und nicht lachen, nicht niesen,
Husten nicht, sprechen nicht, nichts ist beim Schatzgraben gestattet.
Niemand nahmen wir mit, als Jürgen, der halb nur gescheit ist,
Löffel vom Spillbaum schnitzt und allerhand künstliche Sachen,
Die ein Vernünftiger kaum nachmacht, und stets vor sich hinträumt.
Nun, mit den Spaten belud sich Georg und dem Beutel mit Leinsaat.
Ich schlug über die Schulter den Sack mit dem sprudelnden Kater,
Aber der Teufelsbeschwörer, er griff nach der zierlichen, schlanken
Wünschelrute, die selbst sich der Mann aus den Haseln geschnitten
In der Johannisnacht, und sie war nicht leicht zu beschaffen. 159
Denn, wer sie sucht, der muß ausziehen die Kleider und nackend
Rückwärts gehn in den Wald mit verbundenen Augen; so muß er
Suchen den richtigen Stamm im Haselgebüsche. Die Rute
Muß lang sein und glatt und grade gewachsen, doch oben
Muß auslaufen der Stamm in die Gabel gespalten. Die Schwestern
Leuchteten uns aus der Thür, und die Reden verstummten im Dunkeln.
 
Ludwig.
Hans, Dir wurde wohl bang?
 
Hans.
                                              Bei Licht und in frohem Gespräche
Ist man denn freilich beherzter, als einsam im Finstern. Es rauschte
Schauerlich dann und wann durch die Wipfel der Buchen. Man hörte
Seltsame Stimmen der Nacht und nicht zu erklärende Töne,
Und aus dem Teich scholl laut und klagend das Rufen der Unken.
 
Ludwig.
Kennst Du das Lied auch wohl, das singen die Unken im Teiche?
                          Unk! Unk! Unk!
                          Wär' ich doch noch jung!
                          Hätt' ich mir 'nen Mann genommen,
                          Wär' ich nicht in Teich gekommen!
                          Unk! Unk! Unk! 160
 
Hans.
Ach so? Die Unken im Teich sind alte Jungfern? Nicht übel!
Dir fällt stets was Lustiges ein. Ich mußte, da nah wir
Kamen am Teiche vorbei, und im Röhricht es flüstert' und rauschte,
Denken der Seejungfrau, die in Mondscheinnächten ans Land steigt
Und schon manchen verlockt ins kalte Bett.
 
Ludwig.
                                                                      O, Du Memme!
Vor Rambin, im Kloster Sankt Jürgen, da sieht man den Ritter
Hoch zu Roß, mit der Lanze, gehoben zum Stoße; der Lindwurm
Windet sich, blicket herauf und denkt nur, wo es ihn treffe.
Siehe, dem Lindwurm gleicht, wer immer in Sorgen und Furcht schwebt.
Mut! Und Du ziehst durchs Leben so hoch und frei wie der Ritter.
 
Hans.
Wenn Du denn immer was Besseres weißt, so erzähle Dir selber.
 
Ludwig.
Werde nicht ärgerlich, Hans. Nein, laß Dich nicht stören, erzähle.
 
Hans.
Als wir stumm auf die Höhe gelangt gleich wandelnden Schatten,
Stieg sehr spät mit feuriger Glut aus dem Meere der Mond auf.
Geisterhaft blinkten umher die zerklüfteten Kreidegestade, 161
Leise, doch deutlich vernahm man das Schlagen der Wellen ans Ufer.
Und so gingen wir hin auf dem Fahrweg, nahe dem Abhang,
Bis wir zum Hünengrabe gekommen. Wir waren zur Stelle.
Ehe wir schritten zum Werke, vermahnte der Banner uns nochmals,
Was auch möge geschehn, zu verharren in völligem Schweigen.
Und dann nahm er den Lein und sät' ihn, mit Faxen die Menge,
Zwischen den Steinen im innern Raum und murmelte Sprüche.
Darauf wurde der Kater herausgeholt aus dem Sacke
Und die Schnur um den Hals ihm gebunden, so sehr er sich sträubte,
Vorn in der Mitte der Brust glänzt ihm als Behang der Dukaten,
Als der Beschwörer ihn trug ins Gebüsch, wo der Böse zur Sühne
Ihn für den Schatz sich holte.
 
Ludwig.
                                                Sie haben sich drin wohl geteilt, Hans,
So daß der Teufel den Kater, der Banner die Gulden bekommen.
 
Hans.
Endlich ergriff er die Rute, zum Graben die Stelle zu finden.
Manchmal neigte die Rute sich etwas, doch nicht zur Genüge,
Endlich, da schlug sie zu Boden, und sieh, ein bläuliches Flämmchen
Flimmt aus der Heide hervor, und hüpft und spielt auf dem Kraute,
Wie die Johanniswürmchen im Dunkeln sich leuchtend bewegen 162
Über dem Erdbeerbeet. Da winkt er uns, jetzt zu beginnen,
Und wir nahmen die Spaten zur Hand und gruben und gruben,
Bis mir perlte der Schweiß, doch merkt' ich nichts von der Mühe,
Stets nur erpicht auf den Schatz. Da hör' ich, noch rieselt's mir eisig,
Hör' ich es rascheln und quieken und Gott sei bei uns! Da trabt Er
Auf einem Wägelchen hin, das mit vier Mäusen bespannt ist.
Schlohweiß alle, mit rotem Geschirr, und auf jeder der Mäuse
Hoppt ein Teufelchen.
 
Ludwig.
                                    Hans, das hast Du selber mit eignen
Augen gesehn?
 
Hans.
                        Mir vergingen das Sehn und das Hören schon lange.
Aber der Mann sah's wohl, und Georg sah's. Denk' Dir, er lachte!
 
Ludwig.
Ach, Du – der arme Georg lacht oft, und weiß doch warum nicht.
 
Hans.
Denk' Dir, er lacht. Und weil denn ein Unglück selten allein kommt, 163
Klippt gleichzeitig mein Spaten an etwas Hartem. Ich denke:
Ah, da ist er, der Schatz! Und sag' in der Freude des Herzens:
»Da!« nichts weiter, als: »Da!« Doch es war nun gelacht und gesprochen.
Da warf zornig der Banner den Spaten mir quer vor die Füße:
»»Hab' ich es nicht Euch gesagt? Ihr dürft nicht sprechen, noch lachen!
Nun ist natürlich der Schatz in die Tiefe der Erde versunken!
Jetzt ist alles vergebens! Ich bin unschuldig. Ihr habt es
Selber Euch zuzuschreiben!«« Vor Ärger bespuckte der Mensch mich.
O, ich wünschte, mir selbst Ohrfeigen zu geben! Ich Esel!
Und was fanden wir nun? Daß dich – Ein irdnes Gefäß nur –
O, mein Geld! mein Geld! mit Knochen gefüllt und mit Asche.
Auch ein grünlicher Stein lag in dem Gefäße, durchlöchert.
 
Ludwig.
Ja, für den Stiel, denn es war, so möcht' ich glauben, 'ne Streitaxt
Aus Talkstein, wie der Graf sie hat im Schranke gesammelt.
 
Hans.
Ja, ein grünlicher Stein, den der Teufel mit höllischen Krallen
Hatte gewetzt und geglättet! –
 
Ludwig.
                                                  O, Hans, Du hast ja 'nen Glauben,
Könntest die Berge versetzen! 164
 
Hans.
                                                  Und Du bist schlimmer als Thomas.
Was macht selig? Der Glaube! Da denk' dran!
 
Ludwig.
                                                                            Ja, mit dem Glauben!
Ist so ein sechster Sinn, man kann auskommen mit fünf auch.
Was? Ist die Kirche schon aus? Da läutet es.
 
Hans.
                                                                        Ja, da der alte
Würdige Pfarrer noch lebte, war niemals ledig mein Kirchstuhl.
Freilich, der predigte noch mit Zungen und schalt uns zusammen,
Daß wir geduckt dastanden, wie Schaf' im Regen; man fühlte
Ordentlich wohl sich danach. Und er schlug so kräftig die Kanzel!
Aber der junge –
 
Ludwig.
                            Du schüttelst den Kopf?
 
Hans.
                                                                    Der ist mir zu weltlich.
Und dann spricht er nur immer, wie schön da draußen das Jahr sei.
Gott's Wort mag er wohl nicht, denn er predigt nur immer das eigne,
Denk' Dir, er tanzet sogar! 165
 
Ludwig.
                                            Was das auch groß eine Sünd' ist!
Wozu machen die Engel im Himmel Musik denn, als daß man
Tanzen da soll? Wir wollen's noch heut! Sieh, unsere Mädchen
Kommen des Wegs schon daher. Wie sauber doch sieht aus der Krause
Solch ein Gesichtchen heraus! Man möcht's anbeißen! Im weißen
Tuche das heilige Buch! Doch raget vor allen den andern
Martha hervor mit dem Kopf. Was das für ein Wetter von Dirn' ist!
Die läßt nah sich nicht kommen! Das hab' ich noch neulich erfahren,
Als da die wandernde Truppe war eingetroffen im Kruge.
Mit Trompeten, so zog Hanswurst zu Pferde die nächsten
Dörfer hindurch und die Jugend ihm nach; das war ein Spektakel!
Abends erschien ich denn auch rechtzeitig. Obgleich auf dem Vorhang
Leuchtend die Sonne gemalt mit vier balsteurigen Schimmeln,
War es doch dunkel genug. Wir warteten lang, eh' es anfing.
Endlich begannen die Puppen zu tanzen. Und mitten dazwischen
Ließen die Insel sie sehn, einsam, wie gehauen aus Felsen,
Die Sankt Helena heißt, inmitten des rauschenden Meeres,
Nackt und kahl, nur beschattet von Thränenweiden. Da wünschte
Nicht ein Hund begraben zu sein, geschweige der Kaiser. 166
 
Hans.
Das macht mir man nicht weis! Der lebt noch so gut, wie wir beideDas Volk wollte lange nicht daran glauben, daß Napoleon gestorben sei. Diese kleine Dichtung trägt manche Spuren, die verraten, daß sie schon vor langer Zeit geschrieben ist..
 
Ludwig.
Hans – Doch ich streit' nicht mit Dir, Du hast davon den Verstand nicht.
Und dann ging es wieder: »Berlicke! Berlacke!« so wie es
Faustus befahl, mit dem Geiste hinaus und hinab. Und sie lachten
Unaufhörlich dazu!
 
Hans.
                                Du thust ja so lächelnd und vornehm?
 
Ludwig.

Wenn im Theater man war –
 
Hans.
                                              Was ist denn das, das Theater?
 
Ludwig.
Da ist alles von Gold und Samt und die feinste Gesellschaft.
 
Hans.
Wie kamst Du denn hinein? 167
 
Ludwig.
                                              Ja, wenn zwölf Groschen ich gebe,
Müssen so gut sie vor mir, wie dem Könige fallen in Ohnmacht.
Nun, man kann's auf dem Dorf nicht besser verlangen. Doch hatt' ich
Endlich des Lärmens genug. Ich schlich zu dem buckligen Spielmann,
Der da stand auf der Tonn' und fiedelte, gab ihm ein Trinkgeld,
Daß er den Schottischen uns aufspielte, den alle so mögen;
Und nun wünscht' ich nur, Hans, Du hättest mit an das gesehen,
Denn kaum schallte der Takt, so tanzten die Füße von selber.
Jeder ergriff sich die nächste, die beste und hopst' und juchheite,
Stühl' und Lichter und Tisch ging all wie ein Knäul durcheinander,
Und in der Dunkelheit schlupft' ich zu Martha hin – schön ist sie wahrlich,
So hochstämmig und doch das Gesicht so lieblich und ladend.
Sieht man sie unter den andern, wie unter Gebüsch eine Birke –
Mal zu umfassen den herrlichen Leib und sie tüchtig zu küssen –
Doch patsch! patsch! und rechts! und links! so gab sie mir Feigen
Mit fünf Stengeln zu schmecken. »Damit Er,« so sprach sie, »nicht schief wird!«
Wetter, da konnt' ich die Backen mir halten und wischen den Mund mir! 168
 
Hans.
So? Da geschah Dir recht!
 
Ludwig.
                                            Na, ich roch schon lange den Braten,
Daß Dir die Martha gefällt, und sie Lust hat, Bäurin zu werden.
Nein, Hans, laß Dich mit der nicht ein. Man weiß ja, man munkelt –
 
Hans.
Nun, was munkelt man? Was?
 
Ludwig.
                                                  Gleichviel.
 
Hans.
                                                                    Da versteh' ich den Spaß nicht!
Sag' es den Augenblick! Sprich, Mensch! Sonst hielt ich von Dir was,
Ludwig, doch kommst Du mir so – Wenn ich rase, so kenn' ich mich selbst nicht!
Sprich! Sonst schlag' ich Dich, Kerl!
 
Ludwig.
                                                            Nun, schreie nur nicht so gewaltig.
Wär's mit dem Schreien gethan, so fänd' in der Wiege man Helden. 169
 
Hans.
Nun, Halunke, so sprich!
 
Ludwig.
                                        Ihr Herz, so meint man nur, wär' ein
Tanbenschlag, wo der eine hinaus, der andere hinein fliegt.
 
Hans.
Aber Du selbst bist doch in den Taubenschlag nicht gedrungen?
Und sie hat doch dem Iltis, der einzuschleichen versuchte,
Kräftig die Wege gewiesen. Pfui, schäm' Dich! Das prächtige Mädchen
So zu verleumden!
 
Ludwig.
                                Ich sage ja nur, was andere sagen.
 
Hans.
Damit entschuldigt sich jede, die ein Stück Zucker im Munde,
Kaffee schlürfend, den nächsten verklatscht. Ja, Du bist ein Verleumder!
Ludwig, es soll Dir geschenkt nicht sein. Jetzt hab' ich nur grade
Zeit nicht. Wir sprechen uns schon ein andermal – Teuerste Martha!
 
Ludwig.
So, da gehen sie hin! Ein stattliches Pärchen. Mein Hans denkt 170
Schon an die Sorgen nicht mehr, und ist so vergnügt wie ein König.
Liebe, Liebe! Du bist fürwahr uns armen geplagten
Menschen ein schönerer Schatz, als den man mit Zaubern und Fluchen
Sich aus den Lüften beschwört, und den man sich gräbt aus der Erde.

 


 


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