Heinrich Kruse
Seegeschichten. Zweite Sammlung
Heinrich Kruse

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Wie man Robben fängt.

        Sorglos ging ich am Strand und suchte mir Donnerkeile
Oder ein Bernsteinstück. Ich sah auf den mächtigen Steinen
Nah am Ufer, beglänzt von der Sonne, ein dunkeles Fleckchen.
Ist das wohl, so dacht' ich bei mir, mich nähernd, ein Seehund?
Richtig! Er war's! Ich gehe hinzu, doch er rüppelt sich gar nicht,
Und schon denk' ich, das Tier ist tot. Doch als ich vom Ufer
Mannshoch springe herab, springt plötzlich empor auch der Seehund,
Denn er hatte da nur sein Mittagsschläfchen gehalten
Und im Traume vielleicht im Heringsnetze geschmauset.
Wie er mich sieht, so glotzt er mich an und scheint noch verschlafen.
Ich nicht faul und greife dem Saal an die hinteren Beine,
Um ihn ans Ufer zu ziehn. Doch er strampfet und prustet und stemmt sich,
Sucht in die See zu entkommen: man konnt' es dem Tier nicht verdenken. 116
Und da merk' ich denn wohl, daß der Saal mir allein doch zu mächtig;
Also ruf' ich nach Peter, der Torf zu stechen beschäftigt,
Gar nicht weit von dem Ort, wo ich stand, ein Liedchen sich pfeifet.
»Peter!« so ruf' ich ihn an. »Komm' her! Zu Hilfe! So komm' doch,
Peter!« Er hört sich beim Namen gerufen und spitzet die Ohren,
Blickt sich auch um, doch bemerket mich nicht. Denn Peter ist leider
Sehr beisichtig; er darf kein Schiff hinlotsen nach Stralsund,
Während das Wasser er doch so gut wie ein anderer auskennt.
Also er denket, der Ruf muß wohl für andere gelten,
Bückt sich wieder und pfeift, und hinter dem wolligen Riedgras
Seh' ich mit meinem Gesicht, das ein Fernglas schier mir ersetzet,
Hin und her beim Graben die Zipfelmütze sich regen.
»Peter!« so rief ich nochmal aus Leibeskräften. Und Peter
Bückt aus dem Riedgras auf und guckt für dumm in der Welt rund,
Dann verschwindet er wieder und pfeift sein munteres Liedchen.
»Blinde Auster!« so schalt ich auf ihn. Denn die Bestie zog mich
Mächtig hinaus in die See, und sie war so lang wie ich selber!
Was ich halten konnte, das hielt ich, könnt Ihr mir glauben,
Stand vornübergebeugt an dem Strand und suchte den Seehund
Mir vom Leibe zu halten. Ich wünschte mit seinem Gebisse
Keine Bekanntschaft zu machen; er fletschte die schneidigen Zähne 117
Und wird wütend zuletzt, brüllt wild und greulich, die Augen
Funkeln wie Feuer, er wendet sich um, nach den Beinen mir schnappend,
Aber ich wende mich auch und drehe mich etwas ins Wasser,
Daß er ans Land gehn muß, und such' ihn im Kreise zu drehen.
Aber ans Land zu gehn, das kann ihm nicht passen. Er dreht sich
Lieber dafür rundum im Wasser zur anderen Seite.
Wollt' er soeben mich beißen von rechts, so beißt er von links jetzt.
Ich denk' aber: So klug bin ich auch! und drehe mich gleichfalls,
Tret' ins Wasser hinein mit dem anderen Fuß, und so schrei' ich:
»Peter!« von neuem; doch wer nichts sieht und merket, ist Peter.
Horchend erhebt er sich zwar, und ich seh' ihn stehn mit dem Spaten,
Aber ich rage ja nur ein weniges über das Ufer,
Und so sieht er mich nicht und denkt, die Luft ist verhexet,
Daß um die Mittagszeit unsichtbare Stimmen erschallen.
Und die Geschichte, sie wurde verflucht! Schon rann mir der Angstschweiß
Dick von der Stirne herunter, die Kräfte begannen zu schwinden,
Und mein Rückgrat schmerzte mich sehr, da ich stets so gekrümmt stand.
Wie soll das noch werden, so dacht' ich im stillen. Im Anfang
Wollte ich nicht loslassen, und nun, da konnt' ich es nicht mehr;
Denn ich fürchtete mich, daß das wütende Tier auf mich losfährt. 118
Unserem Saal auch war wohl nicht am besten zu Mute,
Denn er gab in der Angst eine ganz gehörige Ladung
Eau de Cologne von sich und beschmutzte mich über und über.
Ja, Ihr lacht, und es läßt sich davon ganz lustig erzählen:
Damals hätt' ich doch gern getauscht mit anderen Leuten;
Denn mein Odem verging, mir versagt' sogar schon die Stimme.
Doch, wenn am größten die Not, ist, sagt man, am nächsten die Hilfe.
Siehe, da kommt langsam mein Peter geschritten, den Spaten
Über die Schulter gelegt, und naht sich bequem und behaglich,
Um nach Hause zu gehn und zu sehn, was Mutter gekocht hat.
Wie ein Schornsteinfeger so schwarz war Peter vom Torfen;
Aber nun ging ein Licht in ihm auf! Wie er pfeifend daherkommt
Und nichts Arges vermutet, da nehm' ich die Stimme zusammen.
»Peter!« so schrei' ich ihn an, »um des Himmels willen, zu Hilfe!«
Wie er die Stimme nur kennt, aufspringt mein Peter und läuft zu,
Daß ihm die Fischerhosen so fliegen – sie tragen auf Mönchgut
Pluderhosen, so weit wie Frauenröcke. Und Peter
Ruft: »»Mein Herr Kommandeur, seid Ihr es? Saget um Gottes
Willen, was fehlt Euch denn?«« Ich rief: »So sieh doch den Saalhund! 119
Kaum noch halt' ich ihn fest. So komm doch und schlage den Satan
Auf die Pfanne damit, mit dem Spaten!« Er sprang mit dem Spaten
Hurtig herbei, doch wie er das Tier so wütend erblickte,
Sagt' er: »»Ihr haltet doch fest, Kommandeur, den verteufelten Saalhund?
Hätt' ich die Wasserstiefel nur an!«« »Ich werde schon halten!«
Sagt' ich, ihm Mut einsprechend; »Du kehre Dich weiter an gar nichts,
Schlag' ihn nur grad auf den Deetz!« Und Peter, er holt mit dem Spaten,
Ihn mit der Rechten und Linken zugleich anfassend, mit Macht aus
Und schlägt also das Tier ins Genick, daß dieses den Kopf nicht
Wieder erhebt. Ich fühlte das Leben nochmal in ihm zucken,
Und dann war ich erlöst. Es streckte die Beine vom Leibe.
Und ich atmete auf; doch vermocht' ich nicht grade zu stehen,
Und mich schmerzte das Kreuz drei Wochen noch. Wie wir das bärt'ge
Ungetüm uns besehn, so sagte ich: »Zieh' ihm den Rock aus,
Peter, das übrige sei Dir geschenkt. Fett ist er, der Bursche,
Siede Dir Thran daraus!« Das war sein Lohn für die Rettung,
Und ich verehrte das Fell dem Regierungsrat, der schon lange
Ein Paar Stiefel gewünscht aus Seehundsfellen zu haben. 120
Doch mein Frauchen verdroß es; sie sagte: »»Du konntest das schöne
Seehundsfell wohl auch zu eig'nem Gebrauche behalten,
Denn wer dem Reicheren schenkt, der gibt dem Teufel zu lachen.««
»Frauchen,« erwidert' ich ihr, »da weiß ich ein anderes Sprichwort,
Das paßt besser auf mich: Hans Schenk hat Gunst bei den Herren!«
Lange noch stiefelte mein Regierungsrat mit den Seehunds-
Stiefeln am Strand als Jäger herum und knallte gefährlich.
Wenn man ihn fragt: »Wie war denn die Jagd?« so erwidert er: »»Herrlich!««
Und dann zählt' er uns auf, wieviel Brandenten und Hasen,
Und was alles noch sonst ihm heut' zu Gesichte gekommen.
Aber wieviel er davon heruntergeschossen, verschwieg er.
Niemals zeigte des Herrn Jagdtasche sich voll und gerundet
Und schien außer dem Pulver und Schrot nur wenig zu bergen.
Nur wenn ich selbst mitkam, ging ihm ein besserer Stern auf,
Denn ich pflegte mit ihm zugleich zu schießen und dann ihm
Weiß zu machen, er wäre der glückliche Schütze gewesen.
»Ihr habt bessere Augen als ich, Ihr müsset es wissen!«
Sagt' er und stopfte die Beute der Jagd in die lederne Tasche.
Und so hab' ich für ihn viel Bekassinen und Tüten
Niedergestreckt, und er ward als Jäger berühmt; doch den nächsten
Seehund fang' er sich selbst. Ich danke für Eau de Cologne.

 


 


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