Heinrich Kruse
Seegeschichten. Zweite Sammlung
Heinrich Kruse

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Axel und Frieda.

              Axel erwiderte nichts; gern hätt' er mich länger gehalten,
Aber ich nahm ihm die Hand und küßte sie schmeichelnd; doch hastig
Zog er die Rechte zurück und setzte mich hin auf die Erde,
Warf, wie wütend, sich nieder vor mir und mit lechzenden Küssen
Überdeckt er, der Thor, mit Stammeln die Hand und die Füße,
Küßte die Kleider sogar und die seidene Schürze; so sieh nur,
Wie er zerknittert sie hat! als wollt' er den Durst daran letzen.
Wollt' ich ihm wehren, so biß er mich gar in die Hand, wie ein Hündchen.
»Axel,« so sagt' ich zu ihm, »wie betrügst Du die Leute! Du stehst da
Immer gemessen und ernst, stehst wie die gemalte Vernunft da,
Und was treibest Du nun für Thorheit, dahlest und tollest!
Niemals soll mir ein Mann, und wenn er der ernsteste schiene,
Ehrfurcht wieder erwecken, so daß ich ihn über mich stelle 137
Wunder wie hoch, als ein Wesen von höherer Ordnung und Weisheit.
Ihr seid schwache Geschöpfe, wie wir, und ebenso thöricht.«
Axel erwiderte mir auf den Knieen: »»Die Lieb' ist Delila,
Welche den Starken bezwingt, und ihn macht wie andere Menschen.
Komm, ich begleite Dich jetzt, wir fahren zusammen hinüber.««
Darauf sprang er empor, und ging zum Wasser hinunter,
Löste behende die Nachen, den seinen sowohl, wie den meinen,
Band sie zusammen und sprach: »Wie jetzt ich die Nachen verknüpfe,
Machen wir beide die Fahrt durch das Leben gemeinsam von nun an!«
Darauf rudert' er uns mit weiten, gewaltigen Schlägen
Mitten hinaus in den See, dann zog er die tröpfelnden Ruder
Wieder hinein in den Nachen und ließ uns treiben und gleiten.
Zwar war eben die Sonne gesunken, doch rosige Wolken
Zeigten die Stelle noch an, um die sie wie Strahlen geordnet,
Und rings glänzte der himmlische Bogen in feuriger Klarheit,
Spiegelte sich auf dem schweigenden See, der kaum sich bewegte,
Und sich zeigte dem Blick wie die andere Hälfte des Himmels.
Axel, er warf sich um mich. »Wie einsam sind wir, Geliebte!«
Sagt' er mir leis' in das Ohr, »als wenn wir zwei in der Welt nur
Schwebten, wir beide allein, in der Mitte des riesigen Weltalls!
Ja, und wär' es denn so! und wärst Du allein auf der Welt nur 138
Außer mir da, mir wär' es genug, nichts würd' ich entbehren.
Du bist das Schönste der Welt und das Beste!« so sagte der Schwärmer
Schmeichelnd, mit süßer Musik, mir leise die Seele berauschend.
Und dann spielt' er mit mir, und enthüllte mir lächelnd den Busen,
Frech, wie ein Bräutigam ist, und doch unschuldig und lieblich,
Sog sich süß und fest an den Busen, und lag wie ein Kind da.
Nur ein Stern war erst am Himmel zu sehen: die Venus
Schimmerte sanft und sah auf uns, wie das Auge der Liebe;
Doch der sich füllende Mond stand hoch und leuchtend am Himmel.
»Siehe,« sprach Axel zu mir, »wie, wenn ich so liege, der Mond grad'
Über der Stirn Dir schwebt! Du scheinest die Göttin des Mondes.
Ja, wie Luna erscheinest Du mir, auf der Stirn mit dem Halbmond,
Darum will ich Endymion sein, der Geliebte der Luna.
Kennst Du Endymion wohl?« »»Ja, Axel, ich sah ihn im Schlosse,
Schön aus Marmor geformt, ein schlafender Jüngling, das beste
Soll es ja sein von allen den herrlichen Werken in Marmor.
Freilich versteh' ich es nicht, doch scheint er gerade zu liegen,
Wie man im Schlafe wohl pflegt.«« »Ja,« sprach er, »ein herrliches Bildwerk!
Zwar ist die Brust ein wenig zusammengesunken, das wache
Leben erfüllet sie nicht und die Flut ist verlaufen, doch ebbet 139
Leise das schlummernde Leben darin, und Sergel, der Meister,
Legte die Hand auf die Brust und rief aus: ›Horch, wie es klopfet!‹
Ja, ich will Endymion sein und schlafen, bis Luna,
Meine Geliebte, mich weckt!« So schloß er die prächtigen Augen
Lächelnd vor mir und ließ unbekümmert sich über mich sinken.
Und ein Arm hing über mir her und es schien aus den Gliedern
Wirklich das Leben zu weichen. Ich sah mit stillem Entzücken
Ruhen den Liebling vor mir. Wie schön ist Axel! Die Glieder,
Voll und schwellend geformt, wetteifern gewiß mit dem Marmor.
Und sein schönes Gesicht war mir auf den Busen geglitten.
Rücklings fielen die Locken herab von der offenen Stirne,
Und enthüllten die Schläfe, die hoch und edel geformt ist.
Also lag er vor mir, mein Schwärmer, den Schlummer erheuchelnd,
Und ich sollt' ihn ja wecken, als seine Geliebte, die Luna.
Leise betaut' ich mit Küssen die herrliche Schläfe, da schlug er
Wieder die Augen empor, die prächtigen dunkelen Augen,
Die mir die Seele geraubt, sowie ich zuerst sie erblickte.
»Dein,« so sprach ich zu ihm, »Dein bin ich auf ewig, Geliebter!
Mache mit mir, was Du willst! Dein Wille beherrschet nicht Dich bloß,«
Rief ich, außer mir, aus, »und Deinen herrlichen Körper,
Sondern den meinen zugleich, Du beseelest uns beide! Ich will nichts
Außer Dir sein! Nichts wollen, als Du, o Geliebtester! Niemals
Will ich Dich wieder betrügen durch Trotz und eigenen Willen, 140
Wie damals, da Du warbest um mich und ich trotzig Dich ausschlug.
Schwölle die Finnische Ader, so wie Du, Geliebter, es nanntest,
Je von neuem mir an, so brauchst Du nur: Frieda! zu sagen,
Nur mit dem himmlischen Ton, wie Du damals, Axel, es sagtest,
Sieh, so vergeh' ich in Dir! Ich will ein Teil nur von Dir sein!«
Also sprach ich erregt und benetzt' ihn mit seligen Thränen,
Und da streckt' er die Arme nach mir und umhalste mich rückwärts
Übergelehnt; so lag er noch lang' in sanfter Entzückung.
Still, wie Gruppen von Marmor, so blieben wir lange vereinigt,
Luna mit ihrem Geliebten, umgossen von himmlischer Klarheit.
Endlich richtet er wieder sich auf »Wie kühl ist der Abend,
Liebe, geworden! Verzeih, daß ich gar noch entblößet Dich habe.«
»»Lass' nur!«« sprach ich zu ihm, »»ich weiß nicht, ob draußen es kalt ist,
Oder, ob draußen es warm. Mich wärmt da drinnen die Liebe.««
Doch er verhüllte den Hals und die Schultern mir sorglich von neuem,
Band mir das seidene Tuch um den Kopf und während er knüpfet,
Lachet er auf, ganz plötzlich, mit hellem und prächtigem Lachen.
»Axel, was hast Du?« so sagt' ich zu ihm, und lachte von selbst mit.
Schalkhaft versetzte darauf mein Axel, noch stets mich verhüllend:
»»Mir fiel ein, wie Vater bei unsrer Verlobung sich hatte;
Als du bescheiden den kostbaren Schmuck abwehrtest, so rief er:
›Was? Ich schmücke mit goldnem Geschirr vorm Wagen die Pferde,
Und ich sollte nicht auch mein Töchterchen ganz nach Belieben 141
Mir ausschmücken?‹ Da lachten wir alle des schönen Vergleiches.
Und so würd' er denn jetzt wohl sagen: ›Wenn scharf ich geritten,
Lass' ich das Pferd sorgsam einhüllen in wollene Decken;
Darum muß ich mir auch mein Töchterchen tüchtig vermummen,
Du sollst schlechter es nicht als Füchschen es haben!‹«« Wir lachten
Beide zusammen und waren vergnügt, wie harmlose Kinder.
Und dann setzt' er sich wieder zum Rudern und ruderte kräftig,
Schnell schoß über den See sein Nachen, und lief in die Bucht ein,
Lief an den Felsen vorbei, bis daß wir kamen zur Stelle.
Da trat Axel ans Land und hob mich heraus aus dem Nachen.
Aber er setzte mich nicht auf die Erde und wiegte mich scherzend
Hin und her auf den Armen. »Ich wäge,« so sprach er, »das Glück ab,
Welches ich heute gemacht. Wie ist es so leicht doch, wie gar nichts!«
»»Warte nur,«« sprach ich, »»und wäge mich lange, so wett' ich, die Arme
Werden das Tragen des Glücks doch schwerer und schwerer empfinden.««
»Ja,« so sprach er, das scherzende Wort in ein ernstes verkehrend,
»Ja, Du Geliebte, je längere Zeit ich Dich werde besitzen,
Desto größeres Glück wird dein Besitz mir gewähren.«
Darauf küßt' er mich süß und legte mich sanft in die Blumen,
Wandte sich still und löste den eigenen Nachen von meinem, 142
Sprach kein einziges Wort und ruderte eilig von hinnen.
Abschied wollt' er von mir nicht nehmen, der Liebe, der Gute!
Und wir haben uns auch nicht getrennt, wir blieben zusammen!
Jeder Gedanke von mir ist bei ihm! Und seine Gedanken,
Sagt' er mir leise bereits auf dem See, all' seine Gedanken
Schwärmen um mich, wie Bienen um ihre Königin schwärmen!

 


 


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