Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
Die Große Französische Revolution 1789-1793 – Band II
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin

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61. Die Errichtung der Zentralregierung – Die Gewaltmaßregeln

Nach dem 31. Mai und der Verhaftung der Girondistenführer hatte der Berg während des ganzen Sommers 1793 daran gearbeitet, eine starke Regierung zu gründen, die in Paris konzentriert war und die der Invasion, den Aufständen in der Provinz und den Volksbewegungen, die für Paris selbst durch den Einfluß der Enragés und der Kommunisten gefürchtet wurden, entgegentreten konnte.

Seit April hatte der Konvent, wie wir gesehen haben, die Zentralgewalt seinem Wohlfahrtsausschuß anvertraut, und er verstärkte ihn nach dem 31. Mai noch durch neue Elemente aus der Bergpartei.Der Wohlfahrtsausschuß, der zuerst dantonistisch gewesen war, wurde nach dem 31. Mai allmählich robespierristisch. Saint-Just und Couthon waren schon am 30. Mai in ihn eingetreten; Jean Bon Saint-André kam am 12. Juni, Robespierre am 27. Juli hinein. Carnot und Prieur (von der Côte-d'Or) wurden am 14. August aufgenommen, Billaud-Varenne und Collot d'Herbois am 6. September, nach der Bewegung vom 4./5. September. – Man unterschied in diesem Ausschuß drei Richtungen: die Terroristen, Collot d'Herbois und Billaud-Varenne; die Tätigen, Carnot für den Krieg, Prieur für das Ingenieurwesen und die Waffen und Lindet für die Verpflegung der Armeen; und die Männer der Aktion, Robespierre, Saint-Just und Couthon. – Der Sicherheitsausschuß, der die Staatspolizei vorstellte, war hauptsächlich aus Beamten der früheren absoluten Monarchie zusammengesetzt. Man möchte sich sogar oft fragen, ob die meisten dieser Männer nicht ihre früheren Sympathien bewahrt hatten. Der öffentliche Ankläger beim Revolutionstribunal, Fouquier-Tinville, hing gänzlich vom Sicherheitsausschuß ab, mit dem er jeden Abend zusammenkam Als die Inkraftsetzung der neuen Verfassung bis zum Ende des Krieges vertagt wurde, behielten die beiden Ausschüsse, der Wohlfahrts- und der Sicherheitsausschuß, die Gewalt in ihren Händen und verfolgten eine Politik mittlerer Linie: sie hielten sich zwischen den radikalen Parteien (den Enragés, der Kommune von Paris) und den Dantonisten, an die sich die Girondisten angeschlossen hatten, in der Mitte.

Darin wurden die Ausschüsse von den Jakobinern mächtig unterstützt, die ihr Aktionsgebiet in der Provinz ausgedehnt und ihre Reihen fest geschlossen hatten. Hatte die Zahl der dem Pariser Jakobinerklub angeschlossenen Gesellschaften im Jahre 1791 achthundert betragen, so war sie 1793 auf achttausend gestiegen, und jede dieser Gesellschaften wurde für das republikanische Bürgertum ein Stützpunkt: eine Pflanzstätte, aus der sich die zahlreichen Beamten der neuen Bureaukratie rekrutierten, und eine Polizeimacht, derer sich die Regierung bediente, um ihre Feinde zu entdecken und zu vernichten. Außerdem wurden bald in den Gemeinden und Sektionen vierzigtausend revolutionäre Ausschüsse gebildet, und alle diese Ausschüsse, die zum größten Teil, wie schon Michelet bemerkt hat, von Männern mit höherer Bildung, sehr oft von Beamten der früheren Monarchie, geleitet wurden, wurden bald vom Konvent dem Sicherheitsausschuß unterstellt, und auch die Sektionen und die Volksgesellschaften wurden nun schnell Organe der Zentralregierung.

Aber die Lage in Paris war in keiner Weise beruhigend. Die tatkräftigen Männer, die besten Revolutionäre waren in den Jahren 1792 und 1793 als Freiwillige an die Grenzen oder in die Vendée gegangen, und die Royalisten hoben das Haupt wieder in die Höhe. Die machten sich die schwächere Überwachung zunutze und kehrten in großer Zahl zurück. Im August zeigte sich auf den Straßen wieder mit einemmal der Luxus, wie er in der alten Zeit der Monarchie und des unbeschränkten Feudalismus geherrscht hatte. Die öffentlichen Gärten und die Theater wimmelten von den ›muscadins‹ – den Stutzern. In den Theatern klatschte man den royalistischen Stücken wütenden Beifall und zischte die republikanischen aus. Man brachte sogar in einem Stück das Gefängnis des Temple und die Befreiung der Königin auf die Bühne, und es hätte nicht viel gefehlt, so wäre die Flucht Marie Antoinettes tatsächlich gelungen.

In die Sektionen drängten sich in Massen die girondistischen Gegenrevolutionäre und die Royalisten. Wenn die Arbeiter und Handwerker abends von ihrer langen Tagesarbeit müde nach Hause gingen, begaben sich die jungen Bourgeois mit Knütteln bewaffnet in die allgemeinen Sektionsversammlungen und sorgten dafür, daß die Beschlüsse in ihrem Sinne gefaßt wurden.

Es ist kein Zweifel, daß die Sektionen sich, wie sie es schon einmal getan hatten, dieser Eindringlinge erwehrt hätten, indem sich die Nachbarsektionen gegenseitig Hilfe geleistet hätten. Aber die Jakobiner betrachteten die rivalisierende Macht der Sektionen mit mißgünstigen Blicken. Sie benutzten die erste Gelegenheit, um sie zu lähmen, und diese Gelegenheit sollte sich bald bieten.

Es fehlte in Paris fortwährend an Brot, und am 4. September bildeten sich Zusammenrottungen um das Rathaus, und man hörte die Rufe: Brot! Brot!Es ist sehr leicht möglich, sogar wahrscheinlich, daß Royalisten (wie Lepître) ebenfalls in den Sektionen daran arbeiteten, diese Bewegung zu schüren. Das ist eine alte Taktik der Reaktionäre. Aber die Behauptung, diese Bewegung sei das Werk der Reaktionäre gewesen, war ebenso absurd und jesuitisch wie jene andere, die Bewegungen von 1789 seien das Werk des Herzogs von Orléans gewesen. Die Ansammlungen wurden drohend, und es bedurfte der ganzen Popularität und Gutmütigkeit von Chaumette, der der Lieblingsredner der Armen von Paris war, um sie mit Versprechungen zu besänftigen. Chaumette versprach, er werde für Brot sorgen und die Beamten des Verpflegungsamtes verhaften lassen. Die Bewegung war also fehlgeschlagen, und am nächsten Tag begnügte sich das Volk damit, Deputationen in den Konvent zu schicken.

Der Konvent wußte nicht, wie er den wahren Ursachen dieser Bewegung abhelfen sollte, und wollte es auch nicht. Er wußte nichts weiter zu tun, als die Gegenrevolutionäre zu bedrohen, den Schrecken zur Tagesordnung zu machen und die Zentralregierung zu verstärken. Weder der Konvent noch der Wohlfahrtsausschuß, noch sogar die Kommune – die überdies vom Ausschuß bedroht war – standen auf der Höhe der Situation. Die gleichheitlichen Ideen, die im Volke keimten, fanden niemanden, der sie mit derselben Kraft, derselben Kühnheit und derselben Schärfe ausgedrückt hätte, wie Danton, Robespierre, Barère und so viele andere die Bestrebungen der Revolution in ihren Anfängen ausgesprochen hatten. Die Männer der Regierung – die Mittelmäßigkeiten des mehr oder weniger demokratischen Bürgertums – bekamen das Oberwasser.

Die Sache ist die, daß das Ancien régime noch eine große Kraft behalten hatte und daß diese Kraft durch die Unterstützung verstärkt worden war, die es eben bei denen fand, die die Revolution mit Wohltaten überschüttet haben. Um diese Kraft zu brechen, wäre eine neue Revolution nötig gewesen – eine Revolution des Volkes mit dem Ziele der Gleichheit; aber davon wollte die große Masse der Revolutionäre von 1791 bis 1792 nichts wissen.

Die meisten Angehörigen des Bürgertums, das von 1789 bis 1792 revolutionär gewesen war, glaubten jetzt, die Revolution wäre ›zu weit‹ gegangen. Würde sie die ›Anarchisten‹ verhindern können, ›die Vermögen gleichzumachen‹? Würde sie nicht den Bauern zu viel Wohlstand verschaffen, so daß sie sich weigern könnten, für die Käufer der Nationalgüter zu arbeiten? Wo sollte man dann die Hände finden, durch deren Arbeit diese Güter Ertrag brächten? Denn wenn die Käufer dem Staatsschatz für die Erwerbung dieser Nationalgüter Millionen gegeben hatten, war es doch einfach darum geschehen, um sie nutzbringend zu bewirtschaften; und was sollte man anfangen, wenn es in den Dörfern keine beschäftigungslosen Proletarier mehr gab?

Die Partei des Hofs und der Adligen hatte jetzt eine ganze Klasse von Käufern der Nationalgüter, von schwarzen Banden, von Militärlieferanten und Spekulanten zu Bundesgenossen. Sie alle hatten es zu Vermögen gebracht und hatten es jetzt eilig, zu genießen und der Revolution ein Ende zu machen; und sie hatten nur noch einen Wunsch: daß die Güter, die sie gekauft hatten, und die Vermögen, die sie aufgehäuft hatten, ihnen nicht genommen wurden. Eine ganze Menge von Kleinbürgern neuen Ursprungs hielt es in den Dörfern mit ihnen. Und alle diese Menschen interessierten sich sehr wenig für die Form der Regierung, wenn sie nur stark war, wenn sie nur die Sansculotten im Zaum halten und mit England, Österreich, Preußen fertig werden konnte, die imstande waren, die Güter, die von der Revolution der Geistlichkeit und dem Adel abgenommen worden waren, ihren früheren Besitzern wieder zurückzugeben.

So kam es, daß der Konvent und der Wohlfahrtsausschuß, als sie sich von den Sektionen und der Kommune bedroht sahen, sich beeilten, vor allen Dingen die Zusammenhanglosigkeit dieser Bewegung zu benutzen, um die Zentralregierung zu stärken.

Der Konvent beschloß freilich, dem Handel mit Assignaten ein Ende zu setzen; er verbot ihn bei Todesstrafe; und er richtete eine ›Revolutionsarmee‹ von 6000 Mann unter dem Kommando des Hébertisten Ronsin ein, die mit den Gegenrevolutionären fertig werden und auf dem Lande Lebensmittel zur Ernährung von Paris requirieren sollte. Aber da dieser Maßregel keine organische Aktion folgte, die das Land denen gegeben hätte, die es selbst bestellen wollten, und die sie instand gesetzt hätte, es zu tun, waren diese Requisitionen der Revolutionsarmee nur eine Ursache zum Haß der Landbewohner gegen Paris; und so war ihre Wirkung bald, daß sie die Schwierigkeiten der Verproviantierung von Paris vermehrten.

Im übrigen beschränkte sich der Konvent darauf, mit dem Schrecken zu drohen und die Regierung mit neuen Machtmitteln auszustatten. Danton sprach von der ›Nation in Waffen‹ und drohte den Royalisten. Es sei nötig, sagte er, ›daß jeden Tag ein Aristokrat, ein Ruchloser, seine Frevel mit seinem Kopf büße‹. Der Jakobinerklub verlangte, daß die verhafteten Girondisten in Anklagezustand versetzt wurden. Hébert sprach von der ›Guillotine im Umherziehen‹. Das Revolutionstribunal wurde verstärkt, die Haussuchungen waren von jetzt an auch bei Nacht zulässig.

Während man so sich dem Schreckensregiment näherte, ergriff man zugleich Maßregeln, um die Kommune zu schwächen. Da die revolutionären Ausschüsse, die die Polizeigerichtsbarkeit und die Verhaftungen besorgten, verschiedener Mißbräuche angeschuldigt worden waren, erlangte Chaumette den Auftrag, sie zu säubern und unter die Aufsicht der Kommune zu stellen; aber zwölf Tage später, am 17. September 1793, nahm der Konvent der Kommune dieses Recht ab, und die revolutionären Ausschüsse wurden unter die Aufsicht des Sicherheitsausschusses gestellt – dieser düsteren Macht der Geheimpolizei, die neben dem Wohlfahrtsausschuß immer mehr heranwuchs und ihn zu verschlingen drohte. Hinsichtlich der Sektionen beschloß der Konvent unter dem Vorwand, sie ließen immer mehr Gegenrevolutionäre in sich eindringen, am 9. September, die Zahl ihrer allgemeinen Versammlungen sollte auf zwei in der Woche eingeschränkt werden, und um die Pille zu versüßen, bewilligte er solchen Sansculotten, die von ihrer Hände Arbeit lebten und die Sitzungen besuchten, vierzig Sous für jede Sitzung. Man hat diese Maßregel oft als etwas sehr Revolutionäres hingestellt, aber die Sektionen scheinen anders darüber geurteilt zu haben. Einige von ihnen (Contrat social, Halle aux blés, Droits de l'homme, unter dem Einfluß Varlets) lehnten es ab, die Entschädigung anzunehmen, und tadelten das Prinzip; und die andern machten, wie Ernest Mellié gezeigt hat, nur sehr mäßigen Gebrauch davon.

Am 19. September schließlich vermehrte der Konvent das Arsenal der Unterdrückungsmaßregeln durch das Gesetz über die Verdächtigen, das gestattete, alle ehemaligen Adligen, alle, die sich als ›Anhänger der Tyrannei oder des Föderalismus‹ zeigten, alle, die ›ihre Bürgerpflichten nicht erfüllten‹, mit einem Wort, jeden, der nicht fortwährend seine Anhänglichkeit für die Revolution bekundet hatte, als verdächtig zu verhaften! Louis Blanc und die Staatler im allgemeinen geraten angesichts dieser Maßregel einer ›furchteinflößenden Politik‹ in Verzückung, während sie weiter nichts bedeutete als die Unfähigkeit des Konvents, auf dem Wege der Revolution geradeaus weiterzumarschieren. Sie führte auch zu der entsetzlichen Überfüllung der Gefängnisse, die später die Massenertränkungen durch Carrier in Nantes, das Niederkartätschen durch Collot in Lyon, die Massenguillotinierungen vom Juni und Juli 1794 in Paris herbeiführten und den Sturz der Herrschaft der Bergpartei vorbereitete.

Je mehr sich so in Paris eine furchteinflößende Regierung festsetzte, um so mehr wurde es unvermeidlich, daß sich schreckliche Kämpfe zwischen den verschiedenen politischen Richtungen entspinnen mußten, um die Entscheidung herbeizuführen, wem dieses Werkzeug der Macht gehören sollte. Das erlebte der Konvent am 25. September, wo zwischen allen Parteien ein allgemeiner Streit entstand: der Sieg gehörte, wie zu erwarten stand, der Partei der revolutionären Mittelstraße: den Jakobinern und Robespierre, ihrem getreuen Repräsentanten. Das Revolutionstribunal wurde unter ihrem Einfluß gegründet.

Acht Tage später, am 3. Oktober, befestigte sich die neue Macht. An diesem Tage wurde Amar vom Sicherheitsausschuß, nachdem man lange gezögert hatte, genötigt, einen Bericht zu machen, wonach die am 2. Juni aus dem Konvent gestoßenen Girondisten vor das Revolutionstribunal gestellt wurden; und er verlangte, sei es aus Furcht, sei es aus irgend sonst einer Erwägung, außer den einunddreißig, die er anklagte, die Aburteilung von dreiundsiebzig girondistischen Abgeordneten, die am 2. Juni gegen die Vergewaltigung des Konvents protestiert und fortgefahren hatten, zu tagen. Dem widersetzte sich Robespierre zum großen Erstaunen aller sehr entschieden. Es tat, sagte er, nicht not, die Soldaten zu vernichten; es genügte, die Führer zu treffen. Er wurde zugleich von der Rechten und von den Jakobinern unterstützt und setzte so beim Konvent seinen Willen durch. Auf diese Weise trug er den Heiligenschein der ausgleichenden Gerechtigkeit; er schien der Mann, der zugleich den Konvent und die Ausschüsse beherrschen konnte.

Schon nach wenigen Tagen verlas sein Freund Saint-Just im Konvent einen Bericht, in dem er erst über die Verderbnis und die Tyrannei der neuen Bureaukratie klagte und schon auf die Kommune von Paris, Chaumette und seine Partei, abzielte, wonach er schließlich ›die revolutionäre Regierung bis zum Friedensschluß‹ verlangte.

Der Konvent schloß sich seinen Forderungen an. Die revolutionäre Zentralregierung war begründet.

 

Während diese Kämpfe sich in Paris abspielten, stand es erschreckend traurig um die militärische Lage. Im August war eine allgemeine Aushebung angeordnet worden, und Danton, der seine Tatkraft und sein Erfassen des Volksgeistes wiederfand, machte den prachtvollen Vorschlag, das ganze Musterungsgeschäft nicht der revolutionären Bureaukratie, sondern den achttausend Föderierten zu übertragen, die von den Urwählerversammlungen nach Paris entsandt worden waren, um die Annahme der Verfassung zu notifizieren. Dieser Plan wurde am 25. August angenommen.

Da jedoch die Hälfte Frankreichs von dem Krieg nichts wissen wollte, ging die Aushebung sehr langsam vor sich; es fehlte an Waffen und Munition.

Im August und September gab es zunächst eine Reihe Schicksalsschläge. Toulon war in den Händen der Engländer, Marseille und die Provence in Empörung gegen den Konvent; die Belagerung von Lyon dauerte noch fort und ging bis zum 8. Oktober, und in der Vendée wollte die Lage in keiner Weise besser werden. Erst am 16. Oktober errangen die Armeen der Republik bei Wattignies ihren ersten Sieg, und am 18. überschritten die Vendéer, die bei Chollet geschlagen worden waren, die Loire, um nach Norden zu ziehen. Die Ermordung der Patrioten aber ging immer noch weiter. Bei Noirmoutiers ließ Charette, wie wir gesehen haben, alle, die sich ergeben hatten, erschießen.

Man kann verstehen, daß angesichts all dieses vergossenen Blutes, der unerhörten Anstrengungen und Leiden, die die große Masse des französischen Volkes durchmachte, sich der Brust der Revolutionäre der Schrei entrang: Nieder mit allen Feinden der Revolution, mit allen, oben und unten! Man bringt eine Nation nicht zum äußersten, ohne daß schließlich die Empörung sich aufbäumt.

Am 3. Oktober erging der Befehl an das Revolutionstribunal, Marie Antoinette abzuurteilen. Seit Februar war in Paris fortwährend von Fluchtversuchen der Königin die Rede. Mehrere davon waren, wie man heute weiß, sehr nahe am Gelingen gewesen. Die Offiziere der städtischen Garde, die die Kommune mit der Überwachung des Temple betraute, ließen sich fortgesetzt von den Anhängern der königlichen Familie gewinnen. Foulon, Brunot, Moelle, Vincent, Michonis gehörten zu ihnen. Lepître, ein glühender Royalist, stand in den Diensten der Kommune und machte sich durch seine radikalen Ideen in den Sektionen bemerkbar. Ein anderer Royalist, Bault, erlangte die Stelle des Pförtners in der Conciergerie, wo man jetzt die Königin gefangenhielt. Ein Fluchtversuch war im Februar gescheitert; ein anderer, den Michonis und der Baron von Batz unternommen hatten, war sehr nahe am Gelingen gewesen; daraufhin (am 11. Juli) wurde Marie Antoinette zuerst von ihrem Sohn getrennt, der unter die Bewachung des Schuhmachers Simon gestellt wurde, und dann (am 8. August) in die Conciergerie verbracht. Aber die Versuche, sie zu entführen, hörten nicht auf, und einem Ritter des Ordens vom heiligen Ludwig, Rougeville, gelang es sogar, bis zu ihr zu dringen, während Bault, der ihr Pförtner geworden war, Beziehungen nach außen unterhielt. Und jedesmal, wenn ein Plan zur Befreiung der Königin vorbereitet wurde, rührten sich die Royalisten und stellten einen Staatsstreich und die bevorstehende Niedermachung des Konvents und der Patrioten im allgemeinen in Aussicht.

Es ist wahrscheinlich, daß der Konvent nicht bis Oktober damit gewartet hätte, Marie Antoinette vor Gericht zu stellen, wenn nicht die Hoffnung bestanden hätte, die Invasion der koalierten Könige unter der Bedingung, daß man die Königin in Freiheit setzte, zu beendigen. Man weiß sogar, daß der Wohlfahrtsausschuß (im Juli) seinen Kommissaren Semonville und Maret, die in Italien vom Gouverneur von Mailand verhaftet wurden, Instruktionen in diesem Sinne gegeben hatte, und man weiß auch, daß die Verhandlungen über die Freilassung der Tochter des Königs noch im Gange waren.

Die Bemühungen Marie Antoinettes, die deutsche Invasion nach Frankreich zu rufen, und ihre Verrätereien, um dem Feind seine Eroberungen leichter zu machen, sind jetzt, wo man ihre Korrespondenz mit Fersen kennt, zu gut bewiesen, als daß es der Mühe verlohnte, die Märchen ihrer modernen Verteidiger zu widerlegen, die fast eine Heilige aus ihr machen wollen. Die öffentliche Meinung hat sich 1793 nicht getäuscht, als sie die Tochter Maria Theresiens bezichtigte, noch schuldiger zu sein als Ludwig XVI. Am 16. Oktober starb sie auf dem Schafott.

Die Girondisten folgten ihr schnell. Man erinnert sich, daß die einunddreißig von ihnen, deren Verhaftung am 2. Juni beschlossen worden war, die Erlaubnis erhalten hatten, in Paris unter der Bewachung eines Gendarmen herumzugehen. Man hatte sowenig die Absicht, ihnen ein Leid anzutun, daß mehrere Mitglieder der Bergpartei sich erboten hatten, sich als Geiseln in die Departements der verhafteten Girondisten zu begeben. Die meisten dieser verhafteten Girondisten waren jedoch aus Paris geflohen, um in der Provinz den Bürgerkrieg zu predigen. Die einen hatten die Normandie und die Bretagne zur Erhebung gebracht, die andern hatten Bordeaux, Marseille, die Provence zum Aufstand gerufen, und allenthalben waren sie die Bundesgenossen der Royalisten geworden.

In diesem Augenblick waren von den einunddreißig, deren Verhaftung am 2. Juni beschlossen worden war, nur noch zwölf in Paris. Man fügte ihnen zehn andere hinzu, und am 3. Brumaire (22. Oktober) begann der Prozeß. Die Girondisten verteidigten sich mutig, und da ihre Reden selbst die sicheren Geschworenen des Revolutionstribunals zu beeinflussen drohten, ließ der Wohlfahrtsausschuß in aller Eile ein Gesetz ›zur Beschleunigung der Verhandlungen‹ beschließen. Am 9. Brumaire (29. Oktober) ließ Fouquier-Tinville dieses neue Gesetz vor dem Tribunal verlesen. Die Verhandlungen wurden geschlossen, und die einundzwanzig wurden verurteilt. Valazé erstach sich; die andern wurden am Tag darauf hingerichtet.

Frau Roland wurde am 18. Brumaire (8. November) hingerichtet; der frühere Bürgermeister von Paris, Bailly, über dessen Einverständnis mit Lafayette bei dem Gemetzel vom 17. Juli 1791 auf dem Marsfeld kein Zweifel erlaubt war, Girey-Dupré, der Feuillant Barnave, der die Königin von Varennes nach Paris begleitet hatte, folgten ihnen bald. Im Dezember bestiegen der Girondist Kersaint, Rabaut-Saint-Étienne und auch Madame Dubarry, königlichen Angedenkens, das Schafott.

Der Schrecken hatte angehoben und sollte nun seinen unvermeidlichen Gang nehmen.


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