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Neunzehntes Kapitel.

Weit lag schon das Tal hinter ihnen. Für Lefty war es eine arge Enttäuschung gewesen, keine Spur fand er dort von seinem Vater vor. Schließlich ließ er in dem Versteck, in dem er seine Kleider aufbewahrt hatte, einen Zettel zurück, auf dem er den Weg angab, den sie reiten würden. Diesmal ritt er ›Black Night‹ und führte das andere Pferd am Zügel mit sich.

Carlos hielt sich fabelhaft. Beide leisteten fast Übermenschliches. Sie vermieden jede Begegnung, und rasteten sie, so hielt stets einer von ihnen Wache, während der andere erschöpft in Schlaf fiel. Wie lange sie so geritten, wußte Carlos nicht mehr; plötzlich verhielt Lefty sein Pferd.

»Carlos, jetzt hätten wir es geschafft!«

Diese Worte unterbrachen so jäh die Eintönigkeit des Rittes, daß Carlos erschrocken hochfuhr. Lefty wandte sich an ihn.

»Kamerad,« des Südländers Gesicht strahlte auf »wenn alles klappt, trennen uns nur noch wenige Minuten vom Transport.

»Ich werde nun hier bleiben, denn es ist ja nicht sicher, daß er nicht beobachtet wird. Erst bei Anbruch der Dunkelheit werde ich mich dem Transport nähern.

»Doch Ihr, Carlos, reitet jetzt vorwärts und sagt mein Kommen an.«

Carlos ritt los, er nahm gleich das zweite Pferd mit sich, während Lefty sich hier niederließ.

Aus seiner Satteltasche holte er den Rest Fleisch, den er noch von dem letzten Mahl übrig gelassen hatte. Es war von einem erlegten Stück Wild. Lefty stellte fest, daß er kein Salz mehr besaß. So rieb er das Fleisch mit Schießpulver ein. Es schmeckte nicht gut, war aber so wenigstens genießbar. Dann suchte er vorsichtig die Gegend ab; als er nichts Verdächtiges fand, streckte er sich aus und wartete geduldig auf die hereinbrechende Dunkelheit.

*

Vor sich sah Lefty einen Wald aufragen; vorsichtig umritt er diesen, dann lag freies Land vor ihm, das von Hügelketten unterbrochen wurde.

In weiter Ferne flackerte ein Licht auf. Das mußte das Lagerfeuer des Transports sein. Er ritt darauf zu, doch plötzlich verhielt er ›Black Night‹. Sein scharfes Auge hatte zwanzig Schritte vor sich eine Unebenheit am Boden festgestellt. Seine Hand lag an der Hüfte.

»Senhor,« eine gedämpfte Stimme rief ihn an.

»Carlos?« fragte Lefty zurück.

Die Bodenunebenheit stellte sich jetzt als Carlos heraus.

»Ich sah Euch nahen, Senhor,« sagte er, während er sich erhob.

»Alles in Ordnung?«

»Ja!«

»Dann kommt!«

Carlos schritt neben ›Black Night‹ her.

Um ein Feuer saßen Soldaten; hinter ihnen hielten Pferde und Wagen, bei denen Wachen aufgestellt worden waren.

Lefty ritt nicht bis an den Schein des Feuers heran; zehn Pferdelängen davor sprang er von ›Black Night‹. Bei seinem Näherkommen hatten sich alle erhoben; er winkte ab. Zwei Offiziere traten auf ihn zu; Lefty erkannte, daß der eine den Rang eines Coronels besaß. Dieser erstattete ihm vorschriftsmäßige Meldung und übergab ihm den Oberbefehl.

Es war für Lefty ein merkwürdiges Gefühl, als er die Augen der Offiziere und Mannschaften auf sich gerichtet fühlte, als müsse alles Heil von ihm kommen. Er fühlte das Vertrauen, das man ihm entgegenbrachte, aber auch die Schwere der Verantwortung. Zwei Offiziere und einundvierzig Soldaten zählte er.

Auf Leftys Befehl setzte sich der Zug bald in Bewegung; dabei nahmen die zehn Mann, die mit Carlos erst nachträglich zu dem Transport gestoßen waren, in den beiden Planwagen Platz, die von je vier Pferden gezogen wurden. Die übrigen ritten verteilt nebenher.

Zwanzig Pferdelängen voraus ritt Lefty; angestrengt spähte er durch die Nacht und achtete aufmerksam auf jedes Geräusch. Lefty hoffte bestimmt auf einen Überfall, ja, er freute sich sogar auf den Zusammenstoß!

Sicher hatte Carrasco, so gut er es wußte, die Bande orientiert. So mußten sie annehmen, dreißig Mann gegen sich zu haben. Verwegene Kerle, wie sie alle waren, mußte ihnen bei einem plötzlichen, unerwarteten Überfall der Sieg sicher sein. Also was würden sie viel zu riskieren haben?

In Wirklichkeit war die Situation jetzt allerdings eine andere. Die Soldaten waren auf einen Überfall vorbereitet und zählten zehn Mann mehr; außerdem stärkte es ihren Mut, den Mann unter sich zu wissen, von dem auch sie schon Wunderdinge vernommen hatten.

Vereinzelt strahlten Sterne am Himmel auf; ziehende Wolken verdeckten sie immer wieder. Schweigend ging es in die einbrechende Nacht hinein. Lefty führte; er hatte genau den Weg studiert, und sein Richtungssinn ließ ihn sich auch nicht einmal irren; außerdem orientierte er sich nach dem Stand der Sterne.

Ab und zu gellte ein Schrei in der Nacht auf, der sogleich wieder vom Dunkel verschluckt wurde. Sonst vernahm man nichts anderes als das eintönige Stampfen der Pferde und das Knirschen des Sandes unter den Rädern der Wagen.

Solche Nachtstunden währen ewig; so schien es auch manchem der Männer, als wollte diese Nacht kein Ende nehmen.

Als ein zartrosaer Streifen den Horizont färbte, verließen Lefty und Carlos die Soldaten, die sich müde und abgespannt von der ewigen, lauschenden Bereitheit dieser Nacht zum Lagern niederließen.

Carlos hatte sich von den Soldaten Proviant geben lassen, er versorgte erst Lefty und sich, ehe sie sich abwechselnd zum Schlafen und Wachen niederlegten.

Neben sich hörte Lefty die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge Carlos'. Er blickte hinaus in den Sonnenschein. Sie lagen zwischen wildem Gebüsch, dessen Zweige verschränkt und so undurchdringlich waren, daß sie selbst die Sonne nicht durchließen. Die Wurzeln des Buschwerks vertieften sich zu finsteren Höhlen, aus denen einzelne Zweige herausragten. Lefty wußte nicht den Namen dieses fremden, wilden Busches, der sich streckenweit ausdehnte, sodaß er nicht das Ende des Buschwaldes sehen konnte. Fremd war ihm hier die Vegetation, er sehnte sich nach den kühlen, einfachen Bildern seiner Heimat.

Bevor die Dunkelheit einbrach, weckte er Carlos; dann brach er auf und suchte sorgfältig die weitere Umgebung nach etwaigen vorhandenen Spuren ab. Er entdeckte auch heute nicht das Geringste, was darauf schließen ließ, daß sich Menschen in der Nähe befänden, oder daß ein Kundschafter den Transport beobachtete.

Trotzdem stiegen ihm keine Zweifel auf über die Richtigkeit seiner Annahme; er fühlte sich seiner Sache sicher.

Später gesellte er sich wieder zu Carlos, der schon das Essen bereitet hatte. Nachdem sie schweigend gegessen, brachen sie auf, um wieder zu dem Trupp zu stoßen.

Auch diese Nacht verlief ereignislos. Carlos meinte am Morgen, ein kleines Lächeln um des Obersten Mund spielen zu sehen, als er an Leftys Seite fortritt.

Sie suchten und fanden ein gleichwertiges Versteck wie am vorigen Tage. Auch dieses Mal fand Lefty später keine vorhandenen Spuren. Carlos suchte besorgt in Leftys Zügen zu lesen, doch er las darin nur Unbekümmertheit und feste Zuversicht. Erleichtert atmete er auf.

Diese Nacht begann wie die vergangenen, nur ritten die Soldaten in nicht mehr so großer Erwartung und Anspannung, vielmehr machte sich eine gewisse Müdigkeit und Gleichgültigkeit Platz. Lefty tat, als merke er nichts davon. Unverdrossen setzte er seinen Weg fort, ebenso aufmerksam wie in der ersten Nacht.

Lefty schätzte die Zeit gegen zwölf Uhr, als er plötzlich einen Waldwolf aufheulen hörte; grausig klang es. Carlos drehte unwillkürlich seinen Kopf weg, als könne er so dem Klang entgehen; er ritt neben dem Coronel. Kein Wort war in dieser Nacht zwischen ihnen gewechselt worden, das lag an Carlos: er wollte dem Coronel keine Gelegenheit geben, sich zweifelnd über den schwarzen Reiter zu äußern.

Minuten vergingen, da erklang wieder das Aufheulen, doch schien das Tier näher gekommen zu sein. Der Coronel konnte eine Bemerkung nicht unterdrücken.

»Totschlagen müßte man das Biest!« sagte er leise. Er schien es ebenso unangenehm wie Carlos zu empfinden.

Beim zweiten klagenden Rufe war Lefty hochgefahren; er strengte seine Augen an, als könne er mit seinem Blick die Finsternis vor sich zerteilen. Als zum dritten Male das Tier aufheulte, konnte Lefty nur mit Mühe einen Jubel unterdrücken – er hatte den Ruf jetzt verstanden!

Er wartete und ließ den Zug herankommen.

»Es geht los!« sagte er leise.

Diese Worte brachten eine merkwürdige Veränderung unter den Männern hervor. Alle reckten sich hoch, jede Müdigkeit schien von ihnen abzufallen, und nur angespannte Gesichter und vor Kampfesfreude blitzende Augen leuchteten Lefty bei dem Licht der Fackel, die an dem ersten Wagen hing, entgegen.

»Euch gebietet jetzt Eure Pflicht hier bei den Wagen zu bleiben; Senhor Carlos bleibt bei Euch. Ich werde in Begleitung von fünf Leuten mich nun zurückziehen. Bei den ersten Schüssen werden wir den Angreifern in den Rücken fallen.

»Coronel,« wandte sich Lefty an diesen »beordert einen Mann, der Fackeln zwischen die Angreifer schleudert, sodaß sie beleuchtet werden, während Ihr im Dunkel steht. Und nun noch eins! Sollte ein buntgekleideter Cowboy in diesen Kampf eingreifen, dann gebietet Euren Leuten, nicht auf ihn zu schießen, er kämpft auf unserer Seite.«

Schnell und eindringlich setzte Lefty seinen Plan aus einander.

Dann wurde nicht mehr viel geredet, nur das Nötigste, um einen jeden mit der Lage bekannt zu machen. Aus dem Wagen sprangen fünf Männer, die mit Lefty abseits stehen blieben und den Transport an sich vorbei ziehen ließen.

Einige Minuten später hörten sie nur noch das leise Knirschen des Leders und das Geräusch der fahrenden Wagen.

Lefty wußte nicht, aus welcher Richtung der Angriff erfolgen würde, und so kostete es seine ganze Aufmerksamkeit und Vorsicht, dem Trupp mit seinen Leuten so zu folgen, daß niemand ihre Anwesenheit erraten konnte. Ihre beste Verbündete war die stockdunkle Nacht. Während in den letzten Nächten immer noch vereinzelte Sterne sichtbar gewesen waren, verdeckten diesmal ziehende, schwere Wolken den nächtlichen Himmel. Was den Angreifern zu statten kam, gereichte auch Lefty jetzt zum Vorteil.

Mit lautlosen Schritten – Lefty ging wie seine fünf Soldaten zu Fuß und führte ›Black Night‹ am Zügel – folgten sie langsam dem Zug.

Es mochte eine knappe Stunde vergangen sein, als Lefty plötzlich seinen Leuten befahl, sich niederzuducken; er selbst sprang auf ›Black Night‹; regungslos blieb das Tier halten, mit vorgestrecktem Kopf lauschte es in die Nacht.

Nach Westen zu zog der Transport; jetzt vernahm man Pferdegetrappel aus Süd-Osten. Das mußten sie sein! Der Boden dämpfte den Hufschlag ihrer Pferde; nur ein scharfes Ohr konnte es vernehmen.

Schnelles, gleichmäßiges Galoppieren von vielen Pferden näherte sich – jetzt war es dicht heran, und schon war es auch vorüber – wie ein Spuk.

»Vorwärts!« rief Lefty leise seinen Leuten zu und spornte ›Black Night‹ an. Im Trabe folgten sie ihm. Plötzlich durchbrach eine Salve von Schüssen die fast unheimliche Stille der Nacht. Es war ein und derselbe Augenblick, daß Lefty eine Antwort hörte, und eine Fackel weitleuchtend emporgeschleudert wurde. Sie verriet ihm genau den Stand der Wagen. Er eilte seinen Leuten voraus.

Schüsse durchpeitschten die Nacht, Rufe wurden laut.

Lefty kam auf dem weit ausholenden ›Black Night‹ heran. Als seine ersten Schüsse hinter dem Rücken der Bande aufklangen, hörte Lefty eine Stimme »Verrat!« rufen. Lefty hatte keinen Sinn für das wildromantische Bild, was sich seinen Augen bot. Er suchte einen – und das war Miguel de Silva.

Ein Mann schrie auf.

»Der ›reitende Tod‹ –!« gellte entsetzt seine Stimme. Noch ehe sein Ausruf verklungen war, stürzte er schon kopfüber vom Pferde. Lefty hatte nicht geschossen, aber den Revolver kannte er genau; so sprach nur einer!

In der Hitze des Gefechtes waren einige handgemein geworden, es ging alles wild durch einander. Scheinbar konnte die Führung der Bande es nicht fassen, hier einer Übermacht gegenüber zu stehen.

Lefty sah plötzlich nach dem Ausruf aus dem wild kämpfenden Knäuel eine hohe Männergestalt sich aufrichten. Wie Fliegen schüttelte diese die an ihr hängenden Männer von sich ab, mit einem Sprunge saß der Mann auf seinem Pferde.

»Wo ist der ›reitende Tod‹!? hast Du Mut, dann stell' Dich Miguel de Silva!« erklang alles übertönend eine Stimme.

Es war, als hielten alle den Atem an, plötzlich stockte jeglicher Kampf.

»Miguel de Silva, der ›reitende Tod‹ erwartet Dich!«

Scharf erklang die Antwort. Im Augenblick war die Szene verändert; der ganze Kampf schien nur noch ein Duell zwischen Silva und dem ›reitenden Tode‹ zu sein.

Eine Gasse tat sich vor Silva auf. Alle – auch die Soldaten hatten genug Abenteurerblut in den Adern, als daß sie diese Szene nicht auskosteten.

Von am Boden liegenden Fackeln wurde das Bild erleuchtet. Ruhig auf ›Black Night‹ haltend erwartete Lefty seinen Gegner Miguel de Silva. Er sah einen Mann von imposanter Erscheinung, mit einem intelligenten, scharf geschnittenen Kopf. Miguel dagegen sah nur einen schwarzen, maskierten Reiter vor sich.

Miguels Hand hielt einen Revolver; als sie hochzuckte, fiel schon ein Schuß. Miguels starker Körper bäumte sich hoch, ein Schrei klang auf; Lefty erkannte die Stimme von Mercedes. So schnell war der Riese aber noch nicht gefällt; eine Kugel streifte Leftys Arm; da blitzte noch einmal sein Revolver auf.

Miguels Hand fiel schlaff zur Seite, mit der freien fuhr er sich über die Stirn, als könne er etwas nicht begreifen.

In diesem Augenblick krachte wieder ein Schuß aus dem nur Lefty bekannten Colt auf; ein Mann, den auf Lefty angeschlagenen Revolver noch in der Hand, stürzte aufs Gesicht.

Ganz langsam glitt Miguel de Silva vom Pferde; sekundenlang blieb er an den Sattel gelehnt stehen, dann brach er wie ein gefällter Baum zusammen.

Hatte in diesen Sekunden eine Stille geherrscht, daß man ein Blatt hätte zu Boden fallen hören können, so fuhr jetzt ein einziger Aufschrei durch die Männer der Bande!

Nun gab es kein Halten mehr. Als ob der Wahnsinn dieser Nacht kein Ende nehmen wollte, so sandten jetzt nur noch die Colts ihr Vernichtungsfeuer von beiden Seiten. Es gab eine grausige Szene.

Plötzlich gellte eine Stimme auf.

»Zurück!«

Lefty erkannte Ordonez' Stimme. Er, als einziger sah, daß in diesem Augenblick Ordonez den toten Miguel de Silva hochnahm und ihn einem anderen Reiter quer über das Pferd legte. In diesem glaubte er Mercedes zu erkennen.

Lefty mochte und konnte nicht auf einen Menschen schießen, der keine Waffe in den Händen hielt; er zögerte, und schon verschluckte die beiden die Nacht.

Nach allen Richtungen floh die Bande aus einander. Die Soldaten wollten sich an die Verfolgung machen, als ein energischer Ruf Leftys sie zurückhielt. Widerwillig folgten sie dem Befehl.

Es dauerte nur kurze Zeit, bis alle versammelt waren. Der Oberst kam mit feierlichen Schritten auf Lefty zu, doch was er sagen wollte, blieb unausgesprochen.

»Wo ist Carlos?« war Leftys erste Frage.

Verlegen zuckte dieser mit den Achseln, da erklang eine ruhige Stimme.

»Hier, mein Junge, schon unter meinen Händen!«

Lefty fuhr herum. Beim Wagen sah er seinen Vater neben einem Manne knien; ein anderer hielt eine Fackel und leuchtete ihm.

Mit zwei Schritten kniete Lefty neben ihm.

»Kommt durch, Dein Carlos!« hörte Lefty seinen Vater sagen. Bewundernd sah er zu ihm auf. Carlos, durch einen Schuß in der Brust verwundet, war schon verbunden und sah mit einem glücklichen Schein in seinen Augen zu Lefty empor.

»Ich danke Dir, Vater!« kam es leise von Leftys Lippen.

Er wußte nicht, wofür er ihm mehr danken sollte, daß er ihm vielleicht das Leben gerettet hatte, als seine Augen nach dem auf Silva abgegebenen Schuß noch auf diesen gerichtet waren, und er so der hinterhältigen Kugel preisgegeben war, oder – daß sein Vater seine Sorge um Carlos schon zu der seinigen gemacht hatte.

»Carlos wird erst auf einen der Wagen verfrachtet, und bald wieder reiten können,« beruhigte er Lefty. »Doch Du hast nun andere Pflichten!« erinnerte er ihn.

Als sie sich den Kampfplatz ansahen, ergab sich folgendes: Ihre Leute hatten sieben Tote zu beklagen, darunter den jungen Offizier; vier Schwer- und neun Leichtverwundete. Aber – auf der anderen Seite fanden sie neunzehn Tote – darunter elf, die mit einem glatten Kopfschuß erledigt waren – Vater und Sohn hatten fürchterlich aufgeräumt – außerdem sechs Schwerverwundete. Die mehr oder weniger Leichtverwundeten waren geflohen.

Lefty mußte sich bei diesem Anblick zusammennehmen, um so kalt und unberührt zu erscheinen wie sein Vater! Dieser wurde von den Soldaten stillschweigend als Leftys Helfer aufgenommen.

Garry Coolper rief Lefty zur Seite: »Was wirst Du jetzt tun?«

»Mir drei Mann nehmen, nach Floresta reiten und Capitão Carrasco verhaften. Und Dich, Vater, bitte ich, mit zehn Mann die Verfolgung der Bande aufzunehmen.«

Garry nickte. »Es ist gut!« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Lefty, vor Jahren, als junger Mensch, führte mich einst eine meiner Reisen auch nach Brasilien. Ich verfolgte damals einen Mann. Hier im Triumph-Gebirge traf ich auf ihn, darum kenne ich diese Gegend ein wenig. Ich habe das Versteck der Bande gestern schon ausfindig gemacht, Lefty,« schloß er ruhig.

So selbstverständlich und gleichgültig wurde diese unerhörte Tatsache ausgesprochen, daß Lefty seinen Vater ganz betroffen ansah.

»Lefty,« fuhr dieser schon fort »es war keine so besondere Tat für mich, wie Du es anzusehen scheinst. Nur ein wenig Überlegung von mir gehörte dazu. –

»Als Du mich in dem Tal dort hinten verließest, legte ich mich zum Schlaf nieder; doch der wollte sich nicht einstellen. Deine Erzählungen gingen mir nicht aus dem Kopf. Da erinnerte ich mich eines meiner früheren Abenteuer. Ich verfolgte hier damals seit Wochen einen Kerl, dem ich schließlich dicht auf der Spur war. Er flüchtete in das Triumph-Gebirge. Ich war durch einen schmalen Einschnitt geritten, als mich plötzlich Kugeln empfingen. Ein Blick sagte mir, daß der Verfolgte augenblicklich unerreichbar für mich war. Er stand auf einem hohen Plateau; tiefe, eingekerbte Stufen führten dort hinauf. Ehe ich die Höhe erreicht hätte, wäre ich von seinen Kugeln erledigt worden. Er schien sich daher auch seiner Sache sehr sicher zu sein, denn er lachte mich höhnisch aus. Ich mußte mich zurückziehen, doch in der Nacht versuchte ich es noch einmal. Ungestört gelangte ich nun hinauf; da fand ich, daß die Nordseite des Plateaus durch ein natürliches Felsentor in einen völlig anderen Teil des Gebirges führte. Mir fiel sogleich auf, was für einen fabelhaften Unterschlupf hier die Natur geschaffen hatte. Der Mann entging mir damals – viel später erst traf ihn meine Kugel ...!

»An dieses Erlebnis mußte ich denken. Ich fand keine Ruhe und machte mich auf den Weg. Ich mußte erst lange suchen, ehe ich das Nordtal wiederfand; darüber verging einige Zeit. Als ich es endlich fand, traf ich es nicht so verlassen an wie dereinst. Rinder, Schafe und Pferde weideten im Tal.

»Meine Anwesenheit wurde von einem Manne der Bande entdeckt. Da ich eine Maske trug, glaubte er den ›reitenden Tod‹ – Dich, Lefty – vor sich zu haben. Zu meiner Sicherheit mußte ich ihn erschießen. Dieser Schuß lockte zwei Kameraden von ihm ins Tal, auch diese –« eine Handbewegung beendigte den Satz. »Als daraufhin niemand mehr erschien, wagte ich mich unter der größten Vorsicht den Hang hinauf. Lefty – ich fand den Unterschlupf der Bande, aber alles war verlassen. Da ahnte ich, daß ihr Aufbruch dem Munitionstransport gelten mußte. Ich eilte zurück, fand Deinen Zettel, überholte und beobachtete die Bande und konnte Dich noch rechtzeitig warnen.«

Was Garry Coolper in den wenigen Tagen geleistet hatte, erzählte er ruhig, wie selbstverständlich, ohne einmal seine Stimme zu erheben. Wie hätte ein anderer sich damit gebrüstet! Stolz erfüllte Leftys Herz. Er wußte, kein anderer hätte das fertig gebracht! Heiß vor Aufregung war seine Hand, als er sie seinem Vater reichte.

»Nur eines ist dabei bedauerlich,« sprach Garry schon wieder gleichgültig weiter. »Wenn sie nun in ihren Unterschlupf flüchten, werden sie die Toten finden und gewarnt sein. Sicher werden sie dann ihre Flucht fortsetzen. Aber vorerst will ich mich dorthin mit den zehn Leuten aufmachen.«

Und so geschah es. Lefty ritt nach Westen, Garry Coolper nach Norden dem Gebirge zu.

Beim Abschied trat er noch einmal an Leftys Pferd: »Lefty, sollten wir uns verfehlen, ist unser Treffpunkt die Almares-Fazenda. Ich nehme an, daß Du dort noch Abschied nehmen mußt!« konnte er nicht unterlassen, mit einem kleinen Lächeln hinzuzusetzen. –

Lefty war froh, den Kampfplatz hinter sich zu haben. Die Soldaten hatten unter der Führung ihres Obersten nun eine traurige Arbeit zu verrichten.

Später sollten sie mit ihren Verwundeten und den Gefangenen langsam nach Floresta nachkommen.

Es war vereinbart worden, daß Lefty ihnen Soldaten entgegenschicken sollte.


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