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Fünftes Kapitel.

Trotzdem die Bewohner von Rio de Janeiro an manche abenteuerliche Gestalt gewöhnt waren, fiel dieser Mann, der da unschlüssig vor dem Bahnhof stand, doch allgemein auf. Mancher eingehende Blick streifte ihn, und mancher, der ihn aufmerksam angesehen hatte, ging gedankenvoll weiter.

Nicht sein mehr als mitgenommener Anzug und auch nicht die schweren Revolver, deren dunkler Schaft aus den tiefhängenden Halftern des breiten Gürtels sahen, waren es, die auffielen, sondern es war noch mehr der Mann selbst, der nachdenklich stimmte.

Er hatte alle ins Auge fallenden Merkmale eines Weidereiters – die Hagerkeit, das tief gebräunte Gesicht und eine Reglosigkeit in den Zügen, die darauf hindeuteten, daß er Schweigsamkeit und Einsamkeit liebte. Am meisten fielen die ernsten, blauen Augen und die Schärfe ihres Blickes auf.

Jetzt schien er einen Entschluß gefaßt zu haben, denn er entfernte sich vom Bahnhof. Auch sein Gang war bemerkenswert; er ging langsam mit kurzen, schleppenden Schritten, als ob er des Gehens ungewohnt wäre, oder als ob er vorsichtig sein müsse, um gegen alles gewappnet zu sein.

Keiner hätte in diesem Manne Lefty Coolper wiedererkannt; so hatten ihn wenige Wochen verändert.

Sein Blick ging suchend umher, um auf dem Gewühl des Straßenverkehrs haften zu bleiben, doch war es nicht zu erkennen, ob er überhaupt dieses Hasten und Treiben bemerkte. Und so war es auch; seine Gedanken weilten bei den vergangenen Wochen und dem Wege, den er bisher zurückgelegt hatte, bis er sein Ziel erreichte.

Er hörte nicht den Lärm um sich herum; Bilder der vergangenen Tage stiegen vor ihm auf: er sah blühende Alfafafelder und weite Strecken von purpurnem Salbei, wirres Felsengebirge und tiefe Canons, die vielleicht noch keines Menschen Fuß betreten, und durch die ihn sein Ritt geführt hatte.

Er dachte an die stillen, einsam verbrachten Nächte, in denen er nichts anderes vernommen als die hungrig um sein Lagerfeuer streifenden Präriewölfe. Er hörte wieder den Ruf der Wildgänse, derem Zug nach dem Süden er gefolgt war, und eine Sehnsucht nach allem diesem überfiel ihn.

Der Zauber dieser Wildnis rief ihn. Schneller schritt er vorwärts; ein Gedanke beherrschte ihn: Rio de Janeiro mit seinen Menschen und seiner Unruhe so schnell wie möglich hinter sich zu lassen und diesem innerlichen Rufe zu folgen.

Sein Weg endigte vorerst in einem Friseurladen, aus dem er vollkommen verändert wieder zum Vorschein kam. Dann trat er in einen andren Laden und kaufte sich eine völlig schwarze Reiterausrüstung, das Beste und Teuerste, was er bekommen konnte. Er sah jetzt aus wie ein Dandyrevolvermann, der auf einer Bühne auftreten will; aber sein Auftritt sollte anderswo erfolgen als auf einer Bühne.

Von seinem früheren Besitz behielt er nur seine Revolver, die man nicht so leicht wechselt, und den breiten, schwarzen Sombrero, der sein Gesicht stark beschattete.

Nachdem nun diese Wandlung vollzogen, vertraute er sich einem der wie wild fahrenden Taxis an. In einem halsbrecherischen Tempo langte er endlich an seinem Ziel, dem Polizeipräsidium von Rio de Janeiro, an.

Hier fragte er nach Senhor Orfila und wurde nach längerem Hin und Her von einem Beamten zu einem Polizeikommissar geführt.

An den Schwierigkeiten, die man ihm machte, erkannte Lefty, daß es wohl nicht so einfach sei, an den Gestrengen heranzukommen; besonders, da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen und, warum er Orfila sprechen wolle. Er behauptete schließlich einem höheren Beamten gegenüber, der hinzugezogen wurde, daß ihn Senhor Orfila erwarte. Das war zwar eine etwas kühne Behauptung, doch sie tat ihre Wirkung; denn nach einer nochmaligen scharfen Prüfung seiner Erscheinung gab der Kommissar schließlich den Auftrag, Lefty zu Senhor Orfila zu führen.

Nachdem der führende Policeman an eine der vielen Türen, die an dem Gang lagen, geklopft hatte, ließ er Lefty eintreten, und Lefty stand endlich Orfila gegenüber, der in einem büromäßig ausgestatteten Raum an einem großen Schreibtisch saß. Die Fenster des Zimmers zeigten auf den Pão d'assúcar (Zuckerhut-Berg im Hafen von Rio de Janeiro).

Vicente Orfila erhob sich bei seinem Anblick und ging ihm mit ausgestreckten Händen entgegen. Lefty konnte nicht das leiseste Erstaunen an ihm bemerken.

»Willkommen!« herzlich drückte ihm Orfila die Hand.

Nun war das Erstaunen auf Seiten Leftys; doch er ließ sich nichts davon anmerken. Er setzte sich auf den Stuhl, der ihm angeboten wurde, und nahm dankend eine Zigarette an. Er sah den beobachtenden, aufmerksamen Blick, mit dem ihn Orfila musterte, und auch den befriedigten Ausdruck in dessen Augen.

»Mister Coolper, Sie wollen nun meinem Vaterlande den Dienst erweisen, um den ich Ihren Vater vergebens bat?« eröffnete Orfila das Gespräch.

Erstaunt lauschte Lefty den so bestimmt klingenden Worten Orfilas nach. Dieser Menschenkenner las in Lefty wie in einem aufgeschlagenen Buche.

»Ihr seid verwundert, Mister Coolper? Ich will Euch offen sagen« – Orfila lehnte sich über seinen Schreibtisch – »ich rechnete mit Bestimmtheit auf Euer Kommen.«

Lefty ließ Orfila keinen Augenblick aus den Augen. Dieser gestand sich, noch niemals so durchdringenden Augen ausgesetzt gewesen zu sein. In Gedanken verglich er sie mit den Augen von Leftys Vater, wieviel Humor und Freundlichkeit sah aus denen, wie kalt und hart blickten die seines Sohnes dagegen. Genau erkannte Orfila die Veränderung, die mit Lefty vorgegangen war; beinahe hätte er ihn, trotzdem er ihn doch erwartet hatte, nicht wieder erkannt und trotz seiner Beherrschtheit, die ihn immer auszeichnete, sein Erstaunen gezeigt. Jede Weichheit und Unsicherheit war aus diesen Zügen verschwunden, Härte und Entschlossenheit sprach statt dessen aus ihnen.

Orfila hatte sich schon Vorwürfe über sein Vorgehen gemacht. Eigenmächtig, auf seine alleinige Verantwortung, hatte er gehandelt. In einer Geheimsitzung hatte er dem Präsidenten und zwei hinzugezogenen Kollegen erklärt, daß der ›reitende Tod‹ zu erwarten sei. Ja – ›der reitende Tod‹! Dieses sagte er gegen sein besseres Wissen und nahm damit eine Verantwortung auf sich, die ihm leicht seine Stellung kosten konnte. Um Lefty Coolper alles zu erleichtern, und damit ihm dasselbe Vertrauen wie dem wirklichen ›reitenden Tod‹ entgegengebracht würde, verschwieg Orfila, daß seine eigentliche Mission gescheitert war, und auf wen er statt dessen rechnete.

Nun saß der Erwartete vor ihm, und plötzlich verließen Orfila alle Zweifel, die er wohl von Zeit zu Zeit insgeheim gehabt. Die Gewißheit überkam ihn, daß dieser Mann, der kaum mehr eine Ähnlichkeit hatte mit dem jungen Menschen, den er in Arkansas noch vor wenigen Wochen kennen gelernt hatte, seine Hoffnungen rechtfertigen und daß das Vertrauen, das er ihm schenkte, niemals enttäuscht werden würde. Alles dies ging Orfila blitzschnell durch den Kopf, während er den Eindruck seiner letzten Worte auf Lefty beobachtete; dieser jedoch zuckte mit keiner Muskel seines Gesichts. Befriedigt ließ sich Orfila in seinen Stuhl zurücksinken.

»Ja, Mister Coolper, ich erwartete Euch,« wiederholte er. »Ich muß Euch mein Kompliment machen. Alle Geheimagenten an den Grenzen waren auf Euer Kommen vorbereitet und sollten Euch uns avisieren. Doch bisher bekamen wir keine Nachricht; also seid Ihr unbemerkt über die Grenze Brasiliens gekommen. Ich muß Euch aufrichtig sagen: das freut mich ungemein.

»Gestattet nun die Frage: wie legtet Ihr Euren weiten Weg zu uns zurück?«

»Teils zu Pferde, Senhor Orfila, teils mit dem Schiff und der Bahn.«

Als nun Lefty zu ersten Male seit seinem Eintreten sprach, lauschte Orfila dem Klange der Stimme; noch meinte er von Arkansas her den langsamen, weichen Ton von Leftys Stimme in seinen Ohren zu haben; jetzt klang sie verändert. Ein anderer Mann sprach da; etwas Schleppendes, Verhaltenes war neu in der Sprache.

Orfila nickte mit dem Kopfe.

»Seid Ihr auf Euren eigenen Paß gereist?«

»Nein, Senhor Orfila!«

Weitere Erklärungen gab Lefty nicht.

»Nun gut, das ist auch schließlich alles gleich. Hauptsache ist und bleibt: Ihr seid glücklich hierher gekommen und sitzt nun vor mir!

»Habt Ihr Euch irgendeinen Plan für Eure gefährliche Aufgabe gemacht?«

»Nein!«

»Nun, dann möchte ich Euch, bevor ich Euch mit dem Herrn Präsidenten bekannt mache, in Eure Aufgabe einführen.« Mit diesen Worten zog Orfila eine Landkarte aus seinem Schreibtisch und breitete sie vor Lefty aus.

»Hier,« sein Bleistift zog eine viereckige Linie, die sich von Priapora über das Land Bahia bis Pernambuco zog, »dieses ungeheure Gebiet ist augenblicklich das Tätigkeitsfeld Miguel de Silvas. Fast 450 000 qkm Mister Coolper! Erschrecken Sie nicht! Wo Silva auftaucht, hinterläßt er seine Spuren. In diesem Gebiet nun liegt irgendwo im Gebirge versteckt der Unterschlupf der Bande. In wahnsinnigem Höllentempo durchreiten sie große Strecken, unvermutet einmal hier, einmal dort auftauchend, um dann nach einem gelungenen Überfall spurlos im unübersehbaren Gewirr der Berge zu verschwinden. Es ist uns bisher nicht gelungen, ihr Versteck zu finden. Die Schnelligkeit und Plötzlichkeit ihres Auftauchens und Verschwindens ist ihre Stärke; dem verdankt die Bande ihr jahrelanges Bestehen.

»Eure Aufgabe ist es nun, dieses Versteck ausfindig zu machen und, unterstützt von unseren Leuten, entweder sie dort auszunehmen oder sie zu stellen und ihnen zu ihrem Versteck den Rückzug abzuschneiden.«

Ruhig und aufmerksam war Lefty Orfilas sachlichen Ausführungen gefolgt.

»Wir dachten nun, daß Ihr Euch vorerst nach Bahia, der Hauptstadt unseres Staates Bahia wenden würdet,« fuhr Orfila fort »um von dort aus Euren Ritt zu beginnen. In Bahia werdet Ihr unseren Vertrauensmann finden, der sich mit Euch in Verbindung setzen wird. Er hat Euer Signalement – doch möchte ich jetzt bezweifeln, ob er Euch finden wird, wenn Ihr es nicht wollt. Dieser Mann hat den Auftrag, Euch in allem zu unterstützen, sich vollkommen unter Euren Befehl zu stellen und der Verbindungsmann zwischen Euch und der dort weilenden, reitenden Landespolizei zu sein.

»Ihr selbst, Mister Coolper, werdet mit Vollmachten ausgerüstet, wie sie noch niemals jemand bekommen hat. Diese gehen sogar so weit, daß Ihr jeden, selbst den höchsten Beamten dort, verhaften lassen könnt. Jede Behörde, auch die Offiziere der Truppen, sind angewiesen worden, demjenigen Mann, der mit diesen Vollmachten erscheint, jegliche Hilfe angedeihen zu lassen. Ihr seht, alles ist in diesen Wochen vorbereitet worden und harrt auf Euer Kommen, damit sich die Maschine der Vergeltung und der Vernichtung für die Silvabande in Gang setzen kann. Eine lockende Aufgabe, nicht wahr, Mister Coolper?«

Lefty antwortete mit einem kurzen Nicken. Er konnte im Augenblick nichts entgegnen; zu viel stürmte auf ihn ein und erfüllte ihn. Vicente Orfila, gewohnt, mit den verschiedensten Menschen zusammenzukommen, glaubte zu erraten, was in Lefty Coolper vorging.

»Wollen Sie bitte diese Spezialkarte von dem Gebiet, Ihrem Gebiet jetzt an sich nehmen?«

Orfila reichte ihm eine kleine Karte, die so aufschlußreich in ihrer Genauigkeit war, wie man es nur bei Geheimkarten kennt. Schnell überflog sie Lefty und steckte sie dann zu sich.

»Wie ist es mit Geld, Mister Coolper? Sie hatten doch Auslagen?«

»Danke!« wehrte Lefty kurz ab. »Dank meiner Mutter, bin ich immer stets reichlich damit versorgt gewesen und so auch, als ich fortritt.«

Orfila machte eine kleine Verbeugung. Er verstand sich im Augenblick selbst nicht; aber er wagte nicht, weiter auf dieses Thema einzugehen, trotzdem es bestimmt nicht im Sinne seiner Regierung war, von diesem Nordamerikaner Dienste, die recht gefährlicher Natur waren, umsonst anzunehmen.

»Haben Sie noch etwas zu fragen, Mister Coolper?« sagte er statt dessen.

»Nein!«

»Ich verstehe!« erwiderte Orfila. »So schwer und fast unmöglich die Aufgabe erscheint, so wenig läßt sich über sie sprechen oder gar Pläne machen. Und nun noch eins: ich werde Sie nun gleich dem Präsidenten Ferreira vorstellen. Alle Eingeweihten und auch der Präsident glauben, daß Sie, Mister Lefty Coolper, – der ›reitende Tod‹ seien. Ich bitte Sie, alle bei dieser Ansicht zu belassen.«

Orfila merkte, wie sich Leftys Augenbrauen zusammenzogen; doch bevor er etwas erwidern konnte, sagte Orfila sehr ernst und im bittenden Ton: »Lefty Coolper, seien Sie der Erbe Ihres Vaters!«

Diese Worte schienen auf Lefty Coolper Eindruck zu machen, denn längere Zeit sah er stumm vor sich hin. Als er schließlich den Kopf hob, wußte Orfila, daß er auch diesmal gewonnen hatte.

»Es gilt, Senhor Orfila; und ich hoffe diesem Namen Ehre zu machen ...«

Begeistert sah ihn Orfila an, denn ein seltsames Leuchten strahlte aus Leftys Augen. Es mochte heilige Freude im Bewußtsein einer großen Pflicht sein.

Ergriffen stand er auf und drückte Lefty die Hand. Dann ging er ans Fenster und blieb einen Augenblick stehen, als wolle er durch ein anderes Wort die augenblickliche Stimmung nicht profanieren.

Als er sich wieder umdrehte, sah er wieder unpersönlich darein. Er ging ans Telefon und ließ sich mit dem Präsidenten verbinden. Es schien sich jemand zu melden; Orfila nannte seinen Namen und setzte dann nur noch das Wort ›Arkansas‹ hinzu. Darauf legte er den Hörer auf das Telefon zurück und wandte sich an Lefty.

»Präsident Ferreira wird sogleich erscheinen!« sagte er zu ihm.

Lefty antwortete nichts; er war weit fort mit seinen Gedanken, und Orfila störte ihn nicht.

Nach kurzer Zeit stand Präsident Ferreira vor ihnen; Orfila stellte vor. Kluge, feine Augen schauten Lefty lange prüfend an; doch plötzlich streckte ihm Ferreira impulsiv die Hand entgegen, die Lefty in seiner ruhigen, festen Art ergriff.

Ferreira äußerte nichts von seinem Erstaunen, einen so jungen Menschen vor sich zu sehen, denn nach Orfilas Erzählungen hatte er ihn für viel älter gehalten.

Doch traf ein kurzer, nachdenklicher Blick Orfila aus den Augen seines Vorgesetzten.

»Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen!« Mit diesen Worten wandte sich Ferreira an Lefty Coolper, der diese Anrede mit einer höflichen, knappen Verbeugung erwiderte.

»Sind sich die Herren schon einig geworden?« Ferreira rieb seine schmalen Hände an einander.

»Gewiß, Senhor Praesidente!« antwortete ihm Orfila. »Ich habe Mister Coolper einen Überblick gegeben. Doch sonst haben wir noch nichts mit einander besprochen, da wir uns einig waren, daß in dieser schwierigen Angelegenheit keine festgelegten Pläne gemacht werden können. Ich sagte Mister Coolper, daß er freie Hand und von uns aus jede Unterstützung zu erwarten habe, aber auch, daß dies das Einzige ist, wie wir ihm in seiner gefährlichen Aufgabe zur Seite stehen können.«

Ferreira nickte Orfilas Worten beistimmend zu. Mit ausgesuchter Höflichkeit wandte er sich wieder an Lefty.

»Ich hörte viel von Ihnen, Mister Coolper – Unerhörtes und Großes! Unsere Erwartungen auf Sie sind daher Ihrem einzigartigen Ruf angemessen. Wie es aber auch werden wird, lassen Sie mich jetzt schon aussprechen, daß wir Ihnen dankbar sind, daß Sie sich uns zur Verfügung gestellt haben.

»Auch wir besitzen tapfere und unerschrockene Leute, aber noch keiner war dieser Aufgabe gewachsen. – Einen unserer besten Leute, der das Land dort genau kennt, haben wir Ihnen als Adjutanten zur Verfügung gestellt, hier,« Präsident Ferreira nahm die flache Ledertasche auf, die er bei seinem Eintritt auf den Schreibtisch gelegt hatte, »in dieser kleinen Tasche finden Sie alle Vollmachten, die Sie benötigen. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, was geschehen würde, wenn diese Papiere in die unrechten Hände gelangten, vielleicht wäre das Unglück gar nicht übersehbar. Sie können daraus schließen, ein wie großes Vertrauen wir Ihnen entgegenbringen, Mister Coolper.« Ernst ruhten Präsident Ferreiras Augen auf dem vor ihm Stehenden, doch in Leftys Gesicht rührte sich auch jetzt nichts.

»Die Papiere,« Lefty nahm sie aus Ferreiras Händen entgegen, der dabei eine feierliche Miene aufsetzte, »werden nicht in unrechte Hände kommen!«

Keine noch so vielen Worte und laute Beteuerungen hätten so überzeugend wirken können wie diese einfachen, ruhig gesprochenen Worte. Ferreira atmete unwillkürlich auf; auf seinem Gesicht war plötzlich deutlich eine Erleichterung zu lesen.

»Wie lange werden Sie ausruhen, Mister Coolper, und die Schönheiten unserer Stadt genießen?«

»Gar nicht! Ich reise, wenn es mir möglich ist, noch heute.«

»Famos!« Wieder rieb, als äußeres Zeichen seiner Befriedigung, Ferreira die Hände gegen einander.

»Dann, Mister Coolper,« nahm nun wieder Orfila das Wort »geht jetzt auf Umwegen zum Hafen. Ihr werdet dort einen kleinen Schnelldampfer mit Namen Oliva liegen sehen. Laßt Euch zu ihm hinüberrudern und führt Euch bei dem Kapitän mit dem Wort ›Arkansas‹ ein. Er wird darauf die Anker lichten und Euch nach Bahia bringen.

»In Bahia wird ein Mann mit demselben Erkennungswort an Euch herantreten, das ist Carlos, Euer Mann von nun an. Ihr dürft ihm volles Vertrauen schenken.

»Entschuldigt bitte, daß ich Euch nicht zum Hafen geleite, aber ich tue es zu Eurer eigenen Sicherheit nicht, wer weiß, wieviel bezahlte Spitzel es gibt. Wenn Ihr aus diesem Zimmer tretet, Mister Coolper, dann steht Ihr allein Eurer Aufgabe gegenüber.«

Lefty stand auf; es gab einen kurzen, schnellen aber freundschaftlichen Abschied.

Als sich die Tür hinter Lefty schloß, erfüllte Orfila eine nie gekannte Besorgnis. Sie mochte in seinem Gesicht zu lesen sein, denn Ferreira schaute ihn erstaunt und nachdenklich an.

Endlich gab Orfilas Blick die geschlossene Tür frei, und seine Augen fanden sich mit denen Ferreiras. Beide lasen dieselbe Frage in ihren Augen, ob sie diesen Mann, den Ferreira in Gedanken den ›reitenden Tod‹ nannte, noch einmal im Leben wiedersehen würden.


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