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Vierzehntes Kapitel.

Der kleine, bedienende Boy klopfte an Almares Arbeitszimmer.

»Herein!« klang Almares Stimme.

Der Boy öffnete vorsichtig die Tür. Man wußte jetzt niemals, in welcher Laune sich der Herr befand; darum war Vorsicht besser als Nachsicht. Erst steckte er seinen Kopf durch die Tür, um erst dann seinen Körper nachzuschieben.

»Senhor,« meldete er »auf dem Hof steht der alte Franco und möchte Euch dringend sprechen.«

»Franco –? Laß ihn sofort hereinkommen!«

Schnell verschwand der Boy. Dafür näherten sich nach kurzer Zeit schwere Schritte der Tür, und herein trat Franco. Verlegen sah er um sich; in diesem elegant eingerichteten Zimmer fand er sich nicht am Platze.

»Ein seltsamer Besuch, Franco!« rief ihn gutgelaunt Almares an. »Kommt, nehmt Platz!«

»Danke, Herr! Ich stehe lieber.«

»Wie Ihr wollt, Franco.« Almares erhob sich nun gleichfalls.

»Was gibt es?« fragte er ihn freundlich.

»Senhor, ich bin in Euren und Eures Vaters Diensten ergraut, darum verzeiht, wenn ich jetzt mit Euch offen spreche!«

Erstaunt lauschte Almares Francos Rede nach.

»Es gehen jetzt wunderliche Dinge auf der Fazenda vor, Senhor. Wie kam es, Herr, daß eines Nachts fünfzig Stück Vieh, das Ihr an Senhor Ordonez verkauft hattet, sich auf einer der Fazenda nahe gelegenen werde plötzlich wieder anfanden?«

Almares war erblaßt; man merkte, wie unangenehm ihm diese Frage war.

»Das Rätsel kann ich Dir selbst nicht lösen, mein guter Alter!« zwang er sich dennoch ruhig zu antworten.

»Aber ich!« schleuderte ihm Franco entgegen.

Betroffen wich Almares zurück.

»Ja, ich!« wiederholte der Alte eigensinnig. »Dieser Senhor Ordonez mit seiner famosen Gattin ist niemand anderes als ein Mitglied der –«

Almares Hand verschloß seinen Mund, Aug' in Aug' standen sie da. Als er Franco freiließ, fuhr der Alte flüsternd fort, während sich Almares abwandte: »Und die Herde, Herr, sandte Euch – der ›reitende Tod‹ zurück!«

»Franco,« fast schreiend rief es Almares herumfahrend »was wißt Ihr von dem?!«

»'s ist egal, Herr! Nur, laßt Euch warnen! Denkt an den jungen Herrn José und an die kleine Luiza!« bat er mit zitternder Stimme.

Unsicher fuhr sich Henrique Almares über die Stirn.

»Herr,« drang die eindringliche Stimme Francos zu ihm »als ich vor Jahren in Nordamerika war, hörte ich von dem ›reitenden Tod‹. Mit dem ist nicht zu spaßen; der macht alle kaputt, die sich ihm in den Weg stellen. Gebt Eure Geschäftsverbindung mit Ordonez auf; Ihr braucht doch das Geld nicht.«

»Das verstehst Du nicht, Franco!« murmelte Almares; seine Augen wichen dem Blick des Alten aus.

»Doch, Herr, ich verstehe das sehr gut!« antwortete dieser leise, dabei dachte er an Mercedes Ordonez.

Eine Weile herrschte Stille im Zimmer; dann kehrte sich Almares zu Franco.

»Franco, morgen kommen Senhor Ordonez und – Gattin; ich werde meine Geschäftsverbindung mit ihnen lösen. Ich verspreche es Euch.« Ein Aufatmen ging durch den Alten.

»Aber die fünfzig Rinder, die noch draußen vor dem Hof auf der Weide gehen, die gehören nicht mehr mir, die sollen sie noch von mir bekommen, dann aber kein Stück mehr. Seid Ihr es so zufrieden?«

Franco gab nicht sogleich Antwort, er überlegte.

»Gut, Herr,« sagte er schließlich »unter einer Bedingung. Ihr und ich werden heimlich bei Nacht das Vieh hier forttreiben und es den Leuten, die es haben sollen, übergeben. Ich lasse Euch nicht mehr allein, und zu Eurem persönlichen Schutz, ich bitte Euch, nehmt Pedro mit. Ich bin zu alt dazu, sonst würde ich es tun, doch Pedro vertraue ich, er hat einen offenen Blick.«

»Pedro –? Wie kommt Ihr gerade auf Pedro?«

Franco konnte keine rechte Erklärung geben. Sollte er dem Herrn sagen, weil Pedro ein Herz für seine Kinder hatte, und sie ihn wieder liebten? Oder – daß er Pedros Verehrung für Luiza zu wissen glaubte? Oder – daß er seinen Revolver so tief an den Hüften trug?

»Nehmt ihn nur, Herr!« sagte er einfach.

»Wie Ihr meint, Franco. Wenn Ihr es absolut wollt, so ist mir Pedro noch der Angenehmste, hat mir doch seine Art mit Pferden umzugehen imponiert.«

Almares und Franco reichten sich die Hände. Nachdem Almares dem Alten noch fest versprochen hatte, nicht anders zu handeln und ihn, wenn er ihn gebrauchen sollte, sofort zu rufen, zog dieser sich beruhigt zurück.

*

Das erste, was Mercedes sich bei ihrer Ankunft von Henrique Almares erbat, war einen Weidereiter, den sie zu Carrasco mit einem Schreiben sandte, und in dem sie ihn aufforderte, sofort auf die Fazenda zu kommen.

Der Besuch fiel dieses Mal nicht so aus, wie Mercedes ihn sich vorgestellt hatte. Sie fühlte ihre Macht über Almares schwinden; um so vorsichtiger begann sie ihn, klug wie sie war, zu behandeln.

Almares versprach ihnen, das Vieh acht Tage nach ihrer Abreise persönlich zu überbringen, und Mercedes gab sich damit zufrieden.

Dann traf Capitän Carrasco ein. Eine lange Unterredung zwischen ihm, Ordonez und Mercedes fand statt, in der Mercedes ihn mit Miguel de Silvas wünschen bekannt machte. Nur zögernd ging Carrasco auf die Munitionslieferung ein. Erst als Mercedes die Summe nannte, die Miguel dafür für ihn ausgesetzt hatte, zeigte er sich dem Plan nicht mehr abgeneigt.

Dann bat Mercedes Ordonez, sie mit Carrasco allein zu lassen. Ohne Widerspruch erhob sich dieser; er sah nicht mehr das triumphierende Lächeln, mit dem ihm Mercedes nachsah.

Sie kam jetzt sofort auf Luiza zu sprechen. Carrasco mußte gestehen, noch in keiner Weise weitergekommen zu sein. Darauf setzte ihm Mercedes folgenden Plan aus einander.

»Almares ist uns nicht mehr sicher« sagte sie. »Ihr müßt Einfluß auf die Fazenda gewinnen. Morgen reitet Ihr von hier fort; übermorgen mittag werde ich Luiza überreden, einen Ritt mit mir zu unternehmen. Im Walde sind zwei unserer Leute versteckt, die uns überfallen und Luiza rauben werden. Sie werden sie nach Guajo bringen. Seid Ihr dort! Der Pfarrer wird gezwungen werden, Euch zu trauen. Ist sie erst Eure Frau, dann gibt es kein Zurück mehr für sie.«

Carrasco war aufgesprungen.

»Übermorgen!« rief er erregt. »Senhora, ist der Plan nicht reichlich romantisch?« zweifelte er zur Besinnung kommend.

»Vielleicht! Doch wird Euch Eure Frau später die romantische Entführung schon verzeihen.«

Ein diabolisches Lachen ging über Carrascos Züge. »Und Ordonez?« fragte er wieder bedenklich werdend.

»Ordonez weiß nichts davon. Er wird auch nicht eher etwas erfahren, als bis Ihr mit Eurer Frau auf die Fazenda zurückgekehrt seid. Alles andere allerdings muß ich Euch dann überlassen, Capitão. Übermorgen sind meine Leute in Guajo, also seid pünktlich dort, um Euer Glück aus unseren Händen in Empfang zu nehmen.«

Tief beugte sich Carrasco über Mercedes' kleine Hand: »Ich werde pünktlich sein, Senhora! – Wenn ich Ihnen und Miguel de Silva mein Glück zu verdanken habe, so seien Sie versichert, daß ich es nicht vergessen werde.«

Bevor sie das Wohnzimmer verließen, in der diese Unterredung stattgefunden, sagte Carrasco noch: »Gleich morgen, wenn ich nach Floresta zurückkehre, werde ich das Schreiben an meine vorgesetzte Behörde wegen der Munitionsanforderung absenden. Ich werde es dringend machen und hoffe, daß man sie mir sofort bewilligen wird.«

Heute abend hielt sich Carrasco fern von Luiza, was sie nur sehr angenehm empfand.

*

Der nächste Mittag sah Mercedes und Luiza über die Campos reiten. Ein eigenwilliger Zug stand in Luizas Gesicht, den Mercedes geflissentlich übersah. Sie hatte wohl bemerkt, wie widerwillig ihr Luiza gefolgt war. Erst hatte sie Ausflüchte machen wollen; doch als Mercedes mit ihrer Bitte, sie auf einen Ausritt zu begleiten, nicht locker ließ, hatte sie, um dem Gast ihres Vaters gegenüber nicht unhöflich zu sein, zugestimmt.

Mercedes hatte es ganz geschickt gemacht; sie hatte ihre Bitte vorgebracht, als sie mit Luiza allein spazieren ging. Da sie beide im Reitzeug waren, so galt es nur, schnell die Pferde zu satteln. Mercedes sattelte ihr Pferd allein; Luiza, die ihr nicht nachstehen wollte, tat es ihr gleich. So wußte niemand, daß sie fortgeritten waren. Da Mercedes nur von einer kleinen Stunde gesprochen hatte, und Luiza José in ihres Vaters und Ordonez' Begleitung wußte, hatte sie niemandem Bescheid gegeben.

Mercedes lenkte ihr Pferd nach dem Lazitenwalde, Luiza achtete kaum auf den Weg. Sie dachte an Pedro. Seit einiger Zeit war er jetzt auf dem Hof; was er dort tat, wußte keiner. Einige Male war sie ihm schon begegnet aber immer wieder ausgewichen. Auf eine Frage von José an seinen Vater, was Predo hier tue, hatte dieser ziemlich unbestimmt geantwortet, er wäre für seinen persönlichen Dienst hier. Es schien ihr aber fast, als ob Almares verlegen dabei geworden wäre.

Den ganzen Tag über hatte sie Pedro nicht zu Gesicht bekommen.

Luiza wußte nicht, daß sie den ihr aufgezwungenen Ritt in völligem Schweigen zurücklegte. Sie atmete auf, als es nun in den Wald ging. Draußen herrschte um diese Zeit eine große Hitze. Langsam ließen sie ihre Pferde in Schritt fallen.

Plötzlich verhielt Luiza ihr Pferd, ihr scharfes Ohr hatte ein Geräusch hinter sich vernommen. Ehe sie sich umdrehen konnte, fühlte sie eine Schlinge über sich geworfen, die ihr die Arme fest an den Körper preßte. Ein Ruck, und sie lag am Boden.

*

Pedro war mehr als erstaunt gewesen, als ihm Franco mitteilte, er solle sofort zur Fazenda reiten, um sich dort bei Almares zu melden und sich diesem zur Verfügung zu stellen. Aus Francos Worten meinte er zu entnehmen, daß er sozusagen zum persönlichen Schutz Almares' abkommandiert worden sei.

Brennend hatten Francos Augen auf ihm geruht; Pedro las darin seine stumme Bitte. Mit einem Händedruck versprach er, acht zu geben. Dieses Vertrauen von seiten Francos berührte Pedro ganz eigen.

Almares jedoch schien wenig Wert auf seine Anwesenheit zu legen. Nicht gerade unfreundlich aber sehr gleichgültig hatte er ihn empfangen.

»Richtet Euch den Tag so ein, wie Ihr wollt, Pedro,« hatte er gesagt. »Wenn ich Euch brauche, rufe ich Euch.«

Das tat Pedro denn auch und zwar auf seine Weise. Er war recht zufrieden mit diesem Posten, der ihm so viel freie Zeit ließ. Noch kein einziges Mal hatte Almares ihn rufen lassen; trotzdem kümmerte sich Pedro immer heimlich um ihn. Erst, wenn er ihn in Sicherheit und in Begleitung anderer wußte, ging er seine eigenen Wege. Er ahnte, gegen wen er Almares schützen sollte, und daß dieser Mann Almares nicht begegnen würde, dafür wollte Pedro schon sorgen.

Öfter hatte er es so einzurichten gewußt, daß er Luiza sah, und wenn es auch nur von ferne war. Ein eigentümliches Gefühl beschlich ihn in ihrer Nähe. Sie schien sich absichtlich von ihm fern zu halten; jedenfalls empfand Pedro es so, denn sie kam auch nicht zu ihm, wenn José bei ihm weilte. Schlafen tat Pedro in eine Santillodecke gehüllt neben ›Black Night‹ im Korral. Das hatte ihm unter den Weidereitern bald den Ruf eines hochmütigen Einsiedlers eingetragen. Ihm war es nur recht, ließ man ihn doch daraufhin zufrieden und suchte nicht seine Gesellschaft. Er konnte nun unbeobachtet tun und lassen, was er wollte.

Heute war Pedro wieder einmal von dem Hof der Fazenda schon vor Morgengrauen, als alles noch schlief, verschwunden.

*

Vorsichtig wollte Lefty gerade den sich lang und breit erstreckenden Wald verlassen, als er zwei Männer dreihundert Schritte von ihm entfernt am Rande desselben stehen sah. Blitzschnell riß er sein Pferd zurück. Er sprang ab und trat, hinter Gebüsch versteckt, wieder an den Waldsaum.

Angestrengt sahen die Männer auf die Campos hinaus. Lefty folgte der Richtung ihrer Augen, da erblickte er in der Ferne zwei Reiter, die sich näherten. Er zog seine Maske vor das Gesicht; er mußte verfolgen, was nun kommen würde. Sicher waren die Männer diejenigen, von denen ihm Carlos berichtet hatte, daß er sie beobachtet habe, und daß diese sich seit Tagen auf dem Gebiet der Fazenda umhertrieben.

Nun traten die Männer in den Wald zurück. Leftys Stirn zog sich zusammen. Was war hier los? Doch plötzlich zuckte er zusammen. Er hatte die Reiter erkannt! Es waren Luiza und Senhora Mercedes! Was sollte hier für ein Bubenstück vor sich gehen? Daß es sich um nichts Gutes handeln konnte, war Lefty sofort klar. Während er nun die Näherkommenden im Auge behielt, pries er sein Glück, sein ›ererbtes Glück‹.

Vielleicht fünfhundert Meter, in seiner Richtung reitend, sah er die Frauen in den Wald einbiegen.

Lefty sprang auf sein Pferd. Er ritt vorsichtig von Gebüsch zu Gebüsch, dabei versuchte er, jedes Geräusch zu vermeiden. So näherte er sich den Frauen.

Plötzlich hörte er dicht vor sich einen unterdrückten Aufschrei. Seine Hände rissen die Revolver heraus. Noch vier vorsichtig zurückgelegte Pferdelängen, und er sah hinter Gesträuch und Zweigen versteckt Menschen. Sein scharfer Blick durchdrang das Gebüsch, das hier urwaldartig emporwucherte.

Da bot sich seinen Augen folgendes Bild: An ihr Pferd gelehnt stand Mercedes, sie hatte die Hände in die Höhe gehoben, denn vor ihr stand einer der Männer, die Lefty vorhin beobachtet hatte, und hielt seinen Revolver auf sie angeschlagen. Ein Blick überzeugte ihn, daß Mercedes sich in keinerlei Aufregung befand, ja, daß sogar ein kleines, ironisches Lächeln ihren Mund umspielte.

Jetzt sah Lefty etwas, was ihm sein Blut stocken ließ. Luiza lag am Boden, ein Kerl beugte sich über sie und machte sich an ihr zu schaffen.

»Halt!« Dieser harte Ausruf ließ alle herumfahren und die Situation verändern.

Ehe die Männer noch recht zur Besinnung kamen – vielleicht machte sie auch der Schreck, sich dem ›reitenden Tod‹ gegenüber zu befinden, starr – klangen zwei Schüsse auf, und beide sanken durch die Stirn getroffen zu Boden.

In diesem Augenblick kam Leben in Mercedes; ohne sich zu besinnen, riß sie ihren Revolver heraus. Im gleichen Augenblick fiel noch ein Schuß, Mercedes schrie auf – ihr Revolver polterte zu Boden – ihre linke Hand preßte sich mit einem schmerzlichen Stöhnen auf ihren rechten Oberarm, wo sich Blut in ihrer Bluse zeigte.

Als Mercedes den rauchenden Revolver auf sich gerichtet sah, schrie sie hysterisch auf.

»Ich will leben! Ich habe Angst – vor dem Tode!« wimmerte sie.

Sie riß ihren zweiten Revolver aus dem Gürtel, den sie seitwärts fortschleuderte; dann drehte sie sich um. An ihr Pferd gelehnt schluchzte sie wild auf.

Ein verächtliches Lächeln lag um des ›reitenden Tods‹ Lippen, als er mit harter, tiefer Stimme sprach. »Ich schonte ja Euer Leben! – Ich knickte ja nur Euern rechten Flügel, Madame!«

Mercedes flog zusammen. Madame –! So hatte sie auch einst Jeff Dryer genannt! Ihre Schultern bebten. Kein Blick des ›reitenden Tods‹ streifte mehr dieses in sich zusammengekauerte Weib. –

Pochenden Herzens, voll unerträglicher Spannung hatte sich Luiza aufgerichtet und starrte den schwarzen Reiter an. Eine furchtbare Ahnung sagte ihr, daß dieses der ›reitende Tod‹ sein müsse, bei dessen Namen sich Franco so unverständlich gebärdet hatte.

Das bebende Mädchen sah ihn jetzt auf sich zu kommen. Plötzlich fühlte sie sich von eisernen Armen gepackt und hochgezogen. Er küßte sie auf den Mund, auf die Augen, auf das Haar und wieder auf den Mund. Sie meinte, ihre Sinne verließen sie. Es waren verzehrende Lippen, die sie küßten.

Sekundenlang lag sie in seinen Armen, ruhte sie an seiner Brust; dann schlugen sich entfernende Hufschläge an ihr Ohr.

Luiza hob beide Hände an die Schläfen – träumte sie, oder hatte sie wirklich dies alles erlebt? Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf. Ein Blick auf ihre Umgebung riß sie in die Wirklichkeit zurück.

Da lagen noch am Boden die Opfer, die das Erscheinen des ›reitenden Tods‹ gefordert hatte, und an das Pferd gelehnt stand weinend Mercedes. Luiza mußte sich gestehen, nichts – gar nichts von den letzten erlebten Minuten verstanden zu haben. Ein Mitleid für die weinende Frau stieg in ihr auf, sie trat zu ihr und strich ihr leise über die Schulter. Heftig wurde sie zurückgestoßen; erschrocken trat Luiza beiseite.

Mercedes faßte sich; sie unterdrückte ihr Schluchzen, das jetzt trotzig aus ihrer Kehle stieg.

Diese Niederlage! Mercedes schämte sich, so zusammengebrochen zu sein und sich so auch eine moralische Niederlage geholt zu haben. Sie haßte Luiza, die es mit angesehen hatte. Als sie aber in Luizas blaue, erschrockene und nichts verstehende Augen sah, riß sie sich zusammen.

»Mein Arm!« klagte sie mit leidender Stimme und hielt ihn Luiza hin.

Luizas gutes Herz siegte. Sie eilte zu ihrer Satteltasche und holte Verbandzeug heraus, das sie stets bei sich trug. Schnell und geschickt verband sie damit Mercedes' Verletzung, die sich als eine stark blutende aber ungefährliche Fleischwunde erwies. Sie verzieh Mercedes ihr hartes Zurückstoßen, denn diese war sicher gleich ihr durch dieses furchtbare Abenteuer aus dem Gleichgewicht geraten.

Als Mercedes verbunden war, verließen sie schnell diese grausige Stätte, an der zwei Tote lagen.

Erst als sie den Wald hinter sich hatten, atmeten beide erleichtert auf. Kein Wort wechselten sie mit einander; jede hing ihren eigenen Gedanken nach. Mercedes zerbiß sich ihre kleine Unterlippe. Scham trieb ihr das Blut in die Wangen, wenn sie an ihr Zusammentreffen mit dem ›reitenden Tod‹ dachte.

Bevor sie auf den Hof der Fazenda einritten, bat Luiza plötzlich: »Senhora Ordonez, würden Sie über das Erlebte schweigen? Ich kenne meinen Vater, er würde mir niemals wieder gestatten, allein auszureiten. Außerdem kann ich mir noch kein Bild von dem machen, was wir erleben mußten.«

Gnädig nickend gab Mercedes ihre Zustimmung; sie zeigte nicht, wie froh sie über diesen Vorschlag war.

Tapfer verbiß sie nun ihren Schmerz. Ungesehen gelangten sie unter Luizas Führung in das Haus.

Als sich später alle um den Kaffeetisch versammelten, konnte keiner den Frauen ansehen, welches furchtbare Erlebnis hinter ihnen lag. Nur mußte Luiza mehrere Male von ihrem Vater erst angerufen werden, ehe sie der Unterhaltung folgte. Mit schon wieder spöttischem Lächeln beobachtete Mercedes dies. Und als sich einmal ihre Augen trafen, wandte Luiza die ihrigen errötend ab.


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