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Zwölftes Kapitel.

Tage waren seit dem Besuch Almares' vergangen, keiner von der Fazenda hatte sich seitdem bei Franco und Pedro sehen lassen.

Franco zeigte in letzter Zeit ein merkwürdiges Wesen. Eine innere Unruhe trieb ihn umher. So mußte Pedro jetzt für Zwei arbeiten; der Alte schien jedes Interesse an den Pferden verloren zu haben. Nun war es umgekehrt gegen früher; Pedro blieb bei den Pferden, und Franco verschwand abends, um erst am Morgen auf abgehetztem Pferd wiederzukommen. Wohin seine Ritte ihn führten, sagte er nicht, er sprach überhaupt nur noch das Nötigste. Pedro ließ ihn gewähren, er äußerte sich nicht zu des Alten seltsamer Art. Das schien ihm dieser hoch anzurechnen. Kein Brummen oder Schelten kam mehr von ihm; alles was Pedro tat, war gut, und Pedro war zufrieden.

Auch heute war Franco erst gegen Mittag wieder zurückgekehrt; weiß Gott, wo der Alte wieder gewesen war. So hatte er auch nicht den Cowboy gesehen, der morgens hier vorüber gekommen und mit Pedro zusammen sein Frühstück eingenommen hatte. Vieles hatte dieser erzählt; auch er war ein Weidereiter in Almares' Diensten und war sehr erstaunt, als er von Pedro hörte, daß dieser gern bei Franco wäre. Er sprach seine unverhohlene Verwunderung darüber aus. Pedro wehrte lachend ab und meinte, daß man gut mit Franco auskommen könne; man müsse den Alten nur zu nehmen wissen. Dann erzählte ihm der Cowboy, daß er von Viell, dem Verwalter, mit dazu ausersehen wäre, den Transport der verkauften Rinder an Senhor Ordonez zu begleiten. Interessiert hatte Pedro ihn danach ausgefragt.

Das wäre immer ein Vertrauensposten, hatte ein wenig von oben herab der Cowboy geäußert. Nur alte erprobte Leute wie er kämen dafür in Frage. Ungefähr fünfundzwanzig Meilen von der Fazenda entfernt träfen sie die Leute, die das Vieh von ihnen übernehmen würden. Der Redselige merkte nicht, daß er nach allen Regeln der Kunst von Pedro ausgehorcht wurde. Er plauderte und erzählte darauf los und verriet damit, daß Viell kein guter Menschenkenner in der Wahl seiner Vertrauten sein konnte.

Als Franco ankam, war der Cowboy schon wieder über alle Berge. Pedro verschwieg Franco diesen Besuch.

Von dem Alten fiel keine Äußerung, als Pedro nach dem gemeinsamen, einfachen Mittagsmahl sich erhob und ›Black Night‹ sattelte; er fragte ihn auch nicht nach seinem Vorhaben, als Pedro fortritt.

*

Es war Mittag, unbarmherzig sandte die Sonne ihre Strahlen; eine dünne Dunst- und Wolkenschicht breitete sich über allem aus, um sich auch über dem Vieh schwer zu ballen.

An der Spitze der fünfzig Stück zählenden Herde ritt der Vorreiter. Seit kurzer Zeit hielt er scharf Ausblick, gleich mußten sie auf die Leute stoßen, die das Vieh übernehmen sollten.

Er erhob die Hand und wies nach vorn; der Zug stockte. Dort tauchten jetzt Reiter auf, die sie hier haltend erwarteten. Zehn Leute kamen ihnen entgegen. Höflich nahm der erste Reiter beim Näherkommen seinen Sombrero vor dem Vorreiter ab.

»Ihr kommt von Senhor Almares? Wir sind von Senhor Ordonez gesandt!« redete er ihn an.

»Stimmt! Fünfzig Stück Vieh habe ich Euch zu übergeben. Bitte, zählt nach!« antwortete der Vorreiter.

Trotzdem sich die beiden schon Jahre kannten, hatten sie noch niemals andere Worte als diese mit einander gewechselt.

Schnell wurde das Vieh durchgezählt; dann ritten Almares' Cowboys zur Seite, und die Angekommenen nahmen ihre Plätze bei den Rindern ein. Ein nochmaliges höfliches Hin- und Hergrüßen, und die Herde setzte langsam ihren Weg unter ihren neuen Herren fort.

Froh der heißen Dunstwolke des Viehs entronnen zu sein, eilten die anderen heimwärts.

*

Eine Stunde später hatte sich die Richtung, in der die kleine Herde getrieben wurde, merklich verändert. Anstatt nach Osten, wo der Ort lag, dessen Eisenbahn nach Pernambuco führte, ging es jetzt nach Norden direkt dem Gebirge zu.

Paulo empfand es als besonderes Vertrauen von Seiten Miguel de Silvas, daß er diesen Trupp heute wieder führen durfte; zeigte es ihm doch, daß er es ihm nicht nachtrug, bei der furchtbaren Schlappe, die ein Teil der Bande vor kurzem erlitten hatte, mit dabei gewesen zu sein. Wie dieses eigentlich gekommen war, konnte sich Paulo immer noch nicht richtig erklären. Beim Rückzug von Pambu war es geschehen, als sie auf Befehl Silvas einen Ort aushoben. Ein einzelner Mann war mit fünfzehn von ihnen fertig geworden!

Keinem erzählte Paulo, daß er noch oft darüber nachgrübelte und noch heute nicht den Schock ganz überwunden hatte, den ihm dieses Abenteuer eingebracht.

So war es weiter nicht verwunderlich, daß er unwillkürlich zusammenschreckte, als sich ihnen plötzlich ein einzelner Reiter aus der Richtung näherte, in die sie das Vieh trieben.

Ein Gefühl des Unbehagens überfiel Paulo, das sich verstärkte, als er sah, wie langsam sich der Reiter näherte. War es damals nicht genau so gewesen?

Mit blitzenden Augen sah er dem Reiter entgegen, plötzlich zuckte er mit bleichem Gesicht zurück. Er riß sein Pferd so heftig herum, daß der Gaul eine halbe Umdrehung auf seinen Hinterfüßen stehend vollbrachte. Im gleichen Augenblick stockte der Zug.

»Kameraden,« gellte Paulos Stimme »da vorn kommt ›der reitende Tod‹! Was sollen wir tun?« Er vergaß im Augenblick völlig, daß er der Anführer der Leute war.

Alle verhielten ihre Pferde; entsetzt starrten sie ihn an.

Es war den Männern, als griffe eine eiskalte Hand an ihr Herz; so packte sie Paulos angstverzerrtes Gesicht; ein lähmendes Entsetzen ergriff sie.

»Ein einzelner Mann und wir sind zehn!« schrie plötzlich der kleine Anjez. »Vorwärts, nehmen wir ihn an!« Mit diesen Worten wollte er sein Pferd antreiben, als ihn eine Stimme zurückhielt.

»Anjez, bist Du wahnsinnig?!«

Anjez stutzte; unschlüssig sah er von einem zum anderen. Paulo nahm begierig das Wort auf: »Ist es nicht besser, wir retten uns und erhalten uns damit Silva, als uns hier herunterputzen zu lassen. Laßt das doch einen unserer Führer austragen, wir sind diesem Manne doch nicht gewachsen!!«

Die Zeit drängte, immer näher kam der Reiter; nun konnte man schon genau seine schwarze Tracht erkennen. Paulo warf sein Pferd entschlossen herum und eilte nach Westen fort; ihm folgten seine Leute, bis auf zwei. Anjez blieb zurück, und bei ihm hielt Blaine.

»Feiglinge!« schnob Anjez und warf den davonpreschenden Kameraden einen verächtlichen Blick nach.

»Wir machen uns fertig!« sagte Blaine; seine Stimme vibrierte leicht.

Sie rissen ihre Revolver aus den Gürteln; langsam hob Anjez seine Waffe.

»Er hat keine Waffe in den Händen!« hörte Anjez neben sich flüstern.

Er ließ sich nicht stören, vorsichtig zielend zog er ab. Kurz vor den Hufen des Pferdes grub sich die Kugel ein; nun feuerte Blaine, doch seine Kugel irrte seitwärts vom Reiter ab. Seine Hand mußte gezittert haben.

In diesem Augenblick hob der Mann vor ihnen die Hand. Eine metallharte Stimme erreichte sie.

»Um Euch tut es mir leid, denn Ihr seid wenigstens tapfer. – Folgt Euren Kameraden!«

Ein fast wahnsinniges Lachen ertönte von Anjez' Lippen, die Zähne fest auf einander beißend, feuerte er sinnlos vor Wut sein Magazin leer.

Keiner sah, daß der Reiter eine Bewegung machte, plötzlich erklang ein Schuß – hart und klatschend. Anjez wankte und rutschte vom Pferde; noch einmal tönte die Waffe des schwarzen Reiters, und auch Blaine stürzte vornüber fallend ab.

Die Colts des ›reitenden Tods‹ hatten gesprochen! – Lefty hatte sich in Wahrheit diesen Namen verdient!

Ruhig steckte er seine Revolver ein. Regungslos war sein Gesicht, als er heranritt und seine Opfer betrachtete.

Wie sein Vater fühlte er: Er hatte nicht gemordet, vielmehr nur verbrecherische Menschen ausgerottet, deren Tod für die Mitwelt keinen Verlust bedeutete.

Er erhob die Hände zum Munde, und es erscholl der Ruf der Wildgans. Gelassen blieb er bei der unruhig gewordenen Herde halten, bis sich aus der Richtung, aus der er gekommen, ein Reiter näherte, der am Zügel noch ein zweites Pferd mit sich führte.

Scheu streiften dessen Blicke die am Boden Liegenden, um dann bestürzt das völlig gleichgültige, ja fast zufriedene Gesicht Leftys zu mustern.

»Kommt, Carlos, wir wollen hier gleich die Umwandlung vornehmen.« Freundlich und ruhig klang seine Stimme.

Carlos nickte stumm; im Augenblick war er außerstande zu antworten; etwas schnürte ihm die Kehle zu. Als er nun Lefty ansah, überfiel ihn plötzlich ein unheimliches Gefühl; er konnte diesen Mann nicht mehr verstehen; deshalb begann er Furcht vor ihm zu empfinden; ein Gefühl, das er noch niemals gekannt hatte.


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