Adolph Freiherr Knigge
Benjamin Noldmann's Geschichte der Aufklärung in Abyssinien
Adolph Freiherr Knigge

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Zwölftes Kapitel

Nachricht von dem, was in den ersten Regierungsjahren des neuen Landesvaters vorging.

Wir haben am Ende des neunten Kapitels gehört, daß die abgöttische Verehrung, welche man in den ersten Monathen der neuen Regierung dem jungen Könige erwiesen hatte, nach und nach der kältern Überlegung wich. Und diese kältere Überlegung lehrte die Abyssinier bald, wieviel sie bey der Veränderung gewonnen oder verloren hatten. Kaum war der erste Taumel der Feyerlichkeiten vorüber und der Gang der Geschäfte wieder in die gewöhnliche Ordnung gekommen, als der junge Despot sich durch einige willkürliche Verordnungen ankündigte, die jedermann furchtsam und muthlos machten. Er führte das Kniebeugen und das alte sclavische Ceremoniell wieder ein, beschränkte die Freyheit der Presse, verstattete nicht mehr jedem aus dem Volke freyen Zutritt zu seiner Person, sondern schloß sich mit seiner französischen Buhlerin und seinen Lieblingen in dem Palaste ein, lebte dort in Völlerey und Unthätigkeit, erschien dann nur einmal in der Woche, und zwar, nach alter abyssinischer Weise, verhüllt, von Trabanten umgeben, in dem Zirkel seiner verachtungswerthen Günstlinge, wovon die Niederträchtigsten in alle Departements eingeschoben, den verdienstvollen Männern vor und an die Seite gesetzt und zu Geschäften gebraucht wurden, wovon sie nichts verstanden. Diese machten dann den Negus mißtrauisch gegen seine treuesten Diener, welche er nicht mehr hörte, nicht mehr um Rath fragte, sondern sie kalt und rauh behandelte. Es wurden Einrichtungen gemacht, die nicht in die Landes-Verfassung paßten, alle natürliche Freyheit einschränkten und sehr drückend für die Unterthanen waren. Er nahm keine Gegenvorstellungen an; sein Wink war strenger Befehl; sein Wille die Ursache; die geringste Weigerung oder auch nur ein bescheidner Einwurf war hinreichend, den würdigsten Mann um Bedienung und Freyheit zu bringen. Es schlichen Ausspäher, Auflaurer und Horcher in allen öffentlichen und Privathäusern herum und sammelten jedes Wort auf, das einem Manne in guter oder böser Laune entwischte. Dann wurde auf einmal ein sorgloser, unschädlicher Mann durch Wache des Nachts aus seinem Bette geholt und, ohne öffentlichen Proceß, seiner Bedienungen entsetzt oder eingekerkert oder des Landes verwiesen oder verschwand, ohne daß man wußte, wohin. Zuweilen wurde bey Todesstrafe verbothen, von gewissen Dingen oder von gewissen Personen zu reden. Gab jemand einmal seinen Freunden ein fröhliches Mahl oder vergnügte sich in seinem Hause mit Musik und Tanz oder kaufte sich ein schönes Camel, so wurde dies dem Negus hinterbracht. Es hieß, dem Manne sey zu wohl, und es wurde ihm ein Theil seines Gehalts genommen. Allgemeine Muthlosigkeit herrschte nun, niemand trauete dem Andern; Geselligkeit, heitre Laune und Gastfreundschaft verschwanden, und wer einen guten Bissen essen wollte, verschloß sich in sein Cabinet.

Desto üppiger und wollüstiger aber lebte das Kebsweib des Negus mit seinem Anhange. Paläste und Lustschlösser wurden für diese mit ungeheuren Kosten erbauet oder gekauft oder den Eigenthümern abgenöthigt, und nichts glich der Pracht, die in ihrem Putze und Hausrathe herrschte. Unersättlich waren die Begierden des abscheulichen Weibes, in dessen räuberischen Händen Glück und Unglück von Millionen edler Menschen lag. Nun gab es kein andres Mittel, als diesen Götzen anzubeten und ihm Geschenke zu bringen, wenn man etwas erlangen wollte. Ihr Vorzimmer wimmelte von den Großen des Reichs, denen sie mit Übermuth und Spott begegnete; Generale mußten ihr den Fußschemel nachtragen; ehrwürdigen Greisen äffte sie vor dem versammelten Hofe die körperlichen Schwachheiten ihres Alters nach und machte sie zum Gegenstande des allgemeinen Gelächters. Sie beherrschte despotisch ihren Negus, gab ihm nicht die Erlaubnis, mehr Weiber zu nehmen, ja! nur eine einzige freundlich anzublicken, und wenn er mit ihr und einem paar Günstlingen allein war, dann trieb sie muthwillige französische Scherze mit ihm und nöthigte ihn zu kindischen Spielen, die sonderbar mit der Majestät des Throns contrastierten, worauf man so strenge hielt.

Nach dem Beyspiele der königlichen Buhlerin waren auch die von ihr beschützten Lieblinge nicht unthätig zu Vermehrung ihrer Gewalt und ihres Vermögens. Auch sie ließen sich Güter schenken, welche Andern gehörten; auch sie ließen sich bestechen, um durch ihr Vorwort einen Schurken auf einen Platz zu stellen, auf welchen ein redlicher Mann Recht hatte, Ansprüche zu machen. Justiz wurde verkauft, ja! man mußte dafür bezahlen, daß man von seinen Nachbarn in Ruhe gelassen würde.

Bey dieser abscheulichen Wirthschaft konnte es freylich mit den Finanzen nicht besser aussehen als mit der Moralität. Die ungeheure Verschwendung, die am Hofe herrschte, erschöpfte die Cassen; man nahm seine Zuflucht zu allen Mitteln, welche in solchen Fällen angewendet zu werden pflegen; man forderte Abgaben von allen, auch von den nöthigsten Bedürfnissen des Lebens; man erfand Auflagen, wovon in Abyssinien noch kein Beyspiel war, und trieb diese mit einer grausamen Strenge ein, die die Menschheit empörte.

So standen die Sachen, als ein verderblicher Krieg mit dem Könige von Nemas, das Werk, die abyssinischen Unterthanen zu Grunde zu richten, vollendete. Dieser Krieg hatte einer elenden Grenz-Streitigkeit wegen seinen Anfang genommen; beide Monarchen wurden von schelmischen Lieblingen regiert, die voraussahen, daß sie dabey im Trüben fischen könnten, und daher das Feuer anbliesen, das außerdem leicht zu dämpfen gewesen wäre. Man verwarf also von beiden Seiten alle Vergleichs-Vorschläge und rüstete sich zum Feldzuge. Die beiden Könige brauchten ja nicht mitzugehen, sondern konnten sich's bey Weibern und Flaschen wohl seyn lassen, indes ihre Unterthanen die Ehre hatten, sich die Hälse zu brechen.

Nun wurde durch ganz Abyssinien eine gewaltsame Werbung vorgenommen; einzige Söhne, die Stützen ihrer Familien, Greise und Knaben mußten mit in den Krieg. An die Spitzen der Regimenter und des ganzen Heers aber wurden die Günstlinge der Buhlerin gestellt, die weder militärische Kenntnisse noch Muth besaßen, aber desto besser die Kunst verstanden, sich zu bereichern. Der Ausgang dieses Kriegs war leicht vorauszusehen. Die Soldaten stritten mit Unlust, liebten ihre Anführer nicht, wurden schlecht behandelt, dabey betrogen und durch die Unwissenheit der Generale aufgeopfert; am Ende des dritten Feldzugs erfolgte ein für Abyssinien sehr nachtheiliger Frieden, durch welchen, ohne die ungeheuren Summen zu rechnen, die der Krieg gekostet hatte, mehr verlorenging, als vor demselben der König von Nemas je in Anspruch genommen hatte.

Allein wie verhielten sich denn der Herr Minister Joseph von Wurmbrand und der Balomaal Benjamin Noldmann bey diesem Allen? – Das werden wir im nächsten Kapitel erfahren.


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