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Bild: Hermann Kaulbach

Am Ausguck.

Am Ausguck

Ei du kleiner Knirps, was gibt's denn durch das Guckloch zu schauen? Willst du aus der engen, bekannten Welt des elterlichen Gartens einen Blick hinaus tun in die weite, unbekannte Welt draußen?

Eben noch hat der Dreijährige sein Schwesterchen im Holzwäglein hin und her gefahren, bis es einschlief, dann ließ er's stehen und sah sich nach neuem Zeitvertreib um. Da lockten im Gras die weißen Gänseblümchen, die er so gern pflückte, aber heute mochte er nichts von ihnen wissen; lieber lief er noch hinter den weißen Schmetterlingen her, die in der sonnigen Luft herumgaukelten. Wenn er nur einen hätte fangen können, aber sie waren so viel flinker als Knirpschen.

Plötzlich klang's: »Gack – gack – gack!« hinter dem Bretterzaun, da muß man doch hinlaufen und nachschauen, was es gibt. Richtig, es kommen die kleinen, grauen Gänschen angewatschelt und die Gänsemutter hinterdrein. »Gack – gack! Schön Wetter heute!« sagt sie, als sie unsern Knirps am Guckloch bemerkt. »Das Wasser ist warm, die Kleinen sollen schwimmen lernen!« Und sie führt ihre Schar schnurgerade hinab zum Dorfteich.

»Wau – wau – wau!« Nachbars großer, zottiger Hund kommt in mächtigen Sätzen nachgesprungen. Die Gänslein drücken sich ängstlich zusammen, und Mutter Gans eilt, mit ihnen das Wasser zu erreichen. Etwas unsanft stößt sie ihre Kleinen hinein und folgt ihnen so schnell wie möglich. Da kann Karo nicht mit und bleibt ärgerlich am Ufer stehn, hat er sich doch vom Spiel mit den schüchternen Gänslein den schönsten Spaß versprochen. Langsam macht er kehrt und läßt den Schwanz hängen. Plötzlich muß er Knirpschen am Guckloch bemerkt haben, er stutzt, trabt heran und fängt wieder an zu bellen. Es klingt fürchterlich! Vor dem großen Nachbarshund hat der Kleine immer Angst, selbst wenn die Mutter dabei ist, der er doch, wenn's schlimm kommt, unter die Schürze kriechen kann. Da gibt's jetzt nur eins: Reißaus nehmen. Wenn auch der Zaun zwischen Knirpschen und Karo ist, man kann nie wissen, was geschieht. Aber sein Schwesterchen, das von dem Bellen erwacht ist und schreit, will der kleine Held doch nicht allen Schrecken preisgeben, er faßt die Deichsel des Wagens und zieht ihn schnell von dem gefahrdrohenden Zaun fort ins Innere des Gartens. Von dem Ausguck in die weite Welt aber hat er vorläufig genug und begnügt sich für heute mit den friedlichen Gänseblümchen und Schmetterlingen.


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