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Kasperltheater

»Frau Muhme,« sagt Krämers Lisbeth, »ich bitt'.
Man spielt heut Komödie, kommen Sie mit?«

»Freilich,« meint Nachbars Kathrinchen,»ei,
Beim Theatergehn bin ich gleich dabei!

Nur muß es in Mantel und Kappe sein,
fürs Theater machen sich alle Leut' fein.« –

»Frau Nachbar, ich denke, das Publikum
Guckt sich nicht viel nach uns beiden um,

Doch ich nehme mein neues Tuch um den Kopf.
Dann sieht man nicht meinen verwirrten Zopf!« –

Und die beiden eilen zur »Goldenen Kron'«,
Dort wartet das Kasperltheater schon.

Zwei Leut' sitzen da im »ersten Rang«
Gemächlich auf der vordersten Bank,

Der Schorsch und die Traud mit dem Puppenkind;
Sie rücken ein wenig zusammen geschwind.

»Ei, liebe Bekannte, das hat man gern!«
Und die drei Damen umringen den Herrn.

Nun kommt's Julchen auch noch, und der herzige Schatz
Schleppt sich selber heran seinen Logenplatz,

Denn je weiter nach vorn man sein Stühlchen zieht,
Umsomehr man vom ganzen Spektakel sieht. –

So, jetzt kann's losgehn! – »Herr Nachbar, seht an,
Das Kasperle ist doch ein närrischer Mann!

Den Riesenmund schaut nur! – Und wie er lacht!
So herrlich hab' ich mir's kaum gedacht.

Wer ist denn der andere wohl? Ach so,
Das ist der König Salomo!« –

Da kommt, bepackt mit der Bücherlast,
von der Gasse herauf noch ein später Gast.

Es fehlen nur fünf Minuten an Zwei,
Doch die Schule mag warten, ganz einerlei!

»So was sieht man selten!« denkt der Fritz
Und nimmt sich auch einen Zuschauersitz.

Grad' tritt der bunte Hanswurstl auf,
Und der gehörnte Teufel darauf.

Wie sie lachen und zanken und schwatzen! nicht,
Man meint's kaum, daß nur das Hannchen spricht?

O, wenn nur nicht gar so schnell ein End'
Die lustige Puppenkomödie fänd'!

Doch jetzt kriegt das Kasperl noch Schläge zum Schluß,
Dann ist wirklich vorbei der Hochgenuß.

»Ihr Kinderleut', das Theater ist aus,
Sagt schönen Dank und trollt euch nach Haus!«

Da schleicht sich der Fritz als erster davon, –
Wär er doch nur erst in der Klasse schon,

Und des Herrn Lehrers Schelten vorbei! –
O weh! die Turmuhr schlägt dröhnend halb Drei!

Nun wird es ihm wie dem Kasperl ergehn,
Es gibt Schläg' und er muß an der Türe stehn.

Bild: Hermann Kaulbach

Kasperltheater.


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