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Bild: Hermann Kaulbach

Trotzkopf.

Trotzkopf

Auch das kleinste Bübchen schon will gelegentlich einmal zeigen, daß es zu den Herren der Schöpfung gehört, indem es versucht, seinen Willen gegen den der anderen durchzusetzen; Klein-Friedel, obgleich er kaum erst drei Jahre zählte und noch nicht einmal Höslein trug, machte keine Ausnahme davon. Er hatte über alles in der Welt seine eigene Meinung, die er, wenn's nötig schien, kräftig verfechten konnte mit Weinen und Schreien, Zappeln und Strampeln. Da sich aber große Leute dadurch nicht umstimmen lassen, weil sie eben besser wissen, was den kleinen Leuten gut tut oder schlecht, so pflegte in solchem Falle für ein ganzes Weilchen der Sonnenschein aus Friedels rundem, rosigem Apfelgesicht verschwunden zu sein.

Auf das große Unwetter mit Sturm und Regengüssen folgte graues, trübes Stimmungswetter; Bübchen verkroch sich in irgend einen Winkel und blieb meist so lange für gutes Zureden taub, bis Vater und Mutter den alten, bekannten Kinderfreund ein Wörtchen mitsprechen ließen, den sie sich längst, des Trotzkopfs wegen, als Gast ins Haus gebeten hatten, und der für gewöhnlich hinter dem Spiegel saß, von wo er Friedels Tun und Treiben scharf beobachtete.

Heute hatte unser Friedel wieder einmal solchen grauen Tag, wo die üble Laune regierte. Vater hatte den Braunen vors Spazierwägelchen gespannt und war mit der Mutter und Friedels älterem Bruder im Sonntagsstaat zum Jahrmarkt in die Stadt gefahren. Der Kleine wollte durchaus mit, hatte ihm doch Bruder Max gestern so viel von den bunten Jahrmarktsfreuden erzählt, von Honigkuchen und Zuckerstangen, Karussell und Würfelbuden. Aber all sein Bitten half nichts; die Eltern sagten, Friedel sei noch zu klein, um mitgenommen zu werden in das Menschengewühl, das auf solchem Jahrmarkt herrscht. Auch das Vertrösten aufs nächste Jahr und alle Versprechungen für mitzubringende Herrlichkeiten, wenn er brav sein würde, halfen nichts. Weinend sah er dem abrollenden Wäglein nach, und als die gute Großmutter, die mit ihm daheimblieb, trösten wollte, lief er davon und kletterte auf die Holzbank im Winkel der Wohnstube. Da saß er grollend und schmollend, seinen trüben Gedanken nachhängend.

Einmal fiel sein Blick geradeaus auf den Spiegel, hinter dem die Rute hervorsah, als wollte sie sagen: »Ich sehe alles!« Da wendete er sich schnell ab und schaute in die andere Ecke.

Großmutter ließ den Kleinen ruhig laufen; sie wußte schon, daß in solcher Stimmung nichts mit ihm anzufangen war, und meinte auch, die eigene böse Laune sei Strafe genug für ihn. Da klopfte es plötzlich an die Tür und Bäschen Leni trat mit fröhlichem Gruß in die stille Stube. Sie war schon frühmorgens in die Stadt gewandert, kam nun mit gefülltem Henkelkorb zurück und wollte im Vorbeigehen Friedel und seiner Großmutter, die auch die ihrige war, guten Tag sagen. Sonst waren Leni und der Kleine sehr gute Freunde, er hing an ihren Rockfalten, sobald sie eintrat; heute aber begrüßte er sie nicht, rührte sich nicht aus seinem Trotzwinkel, antwortete auf keine Frage und versteckte das Händchen, statt es der Base zu reichen.

»Ei Friedel,« sagte Leni erstaunt, »was hast denn?«

»Laß ihn gehn,« meinte die Großmutter, »er ist brummig!«

»O wie schad'! Und ich hab' ihm doch grad' vom Zuckerbäcker so ein schönes Hundel mitgebracht!« Dabei hob sie das Tuch vom Korb und holte einen prächtigen Lebkuchenhund mit weißem Zuckerguß hervor. »Schau mal, Friedel!«

Aber Friedels Augen wanderten nur traurig zu dem süßen Leckerbissen hin, er rührte sich nicht.

»Magst nicht, Friedel?«

Er streifte verlegen das Schuhchen vom rechten Fuß, daß es polternd zu Boden fiel.

»Ach,« sagte Leni, »das tut mir leid! Ich wollt' dem Friedel eine Freud' machen, aber mir scheint's, den treff ich nicht daheim. Der da sitzt, das ist ja ein garstiger, fremder Bub aus Trotzhausen, der kennt mich nicht und ich mag nichts von ihm wissen. Dem schenk' ich das Hundel nicht.«

Und sie legte es wieder in den Korb und stand auf, um fortzugehen. »Behüt Gott, Großmutter! – Dem Bub da sag' ich nicht erst adieu, bekomm' doch keinen Dank!«

Damit ging sie zur Tür. Aber ehe sie draußen war, zupfte sie eine kleine Hand an der Schürze, und als sie sich umwendete, sah sie in Friedels verlegen lachendes Gesicht.

»Base Leni, der Friedel ist wieder da, der böse, fremde Bub ist fort.«

»So,« sagte Leni, »das freut mich doch wirklich. Hier, Friedel, ist auch das mitgebrachte Hundel! Wie gut, daß ich's für dich aufgehoben hab'! Laß dir's schmecken, es ist beinah so gut wie eins vom Christkindl!«


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