Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Feuersäule sank und stieg …

Immerfort.

Die Panik unter Gabaras Wüstenräubern mußte sehr groß sein …

Hätten sie gewußt, daß es sich lediglich um brennbare Erdgase handelte, die aus einer Felsspalte emporquollen und nur in Zwischenräumen stoßweise emporgedrückt wurden, wären sie wohl kaum so vorsichtig gewesen, einen sofortigen Angriff zu unterlassen.

Daß sie ihn unterließen, war unser Glück.

Sie hatten uns hier einen regelrechten Hinterhalt gelegt, der alte schlaue Kunde Gabara hatte trotz des Nachttrunks seine besonderen Vorbereitungen getroffen, und sein ihm ebenbürtiger Sprößling hatte geschauspielert wie ein gewiegter Botschafter einer friedlichen Großmacht mit drei Milliarden Rüstungsetat.

Wir mußten zunächst die Dromedare gegen Schüsse von oben irgendwie sichern. Die Tiere bockten und wollten sich nicht niedertun. Die Felsen wieder waren nicht hoch genug, auch die Köpfe der Dromedare zu decken, also mußten oben noch Steinbarrikaden errichtet werden. Wir waren auf engem Raum zusammengedrängt, wir hofften, daß vom Sumpf her irgendwie Hilfe erscheinen würde, denn von selbst konnten sich die Erdgase nicht gerade im kritischen Moment entzündet haben. Dies hatte zweifellos jemand von den bisher unsichtbar gebliebenen Bewohnern dieses wasserreichen ostafrikanischen Dschungels getan. Weshalb zeigte sich niemand von ihnen?!

Der gute Reginald war in scheußlich gereizter Stimmung. Habirus höhnisches Grinsen entlockte ihm erneute Drohungen – der Sohn des Heiitsch lachte ihn nur aus, jetzt erst entblößte er sein wahres Gesicht. Auf ihn machte die flackernde Gassäule keinerlei Eindruck, er war zu zivilisiert, um noch an Dämonen, böse Geister und den Hokuspokus der Priester seines Stammes zu glauben.

»Ihr werdet alle sterben«, sagte er kalt. »Niemand wird die Nachricht von eurem Tode in die Siedlungen bringen, unter uns gibt es keine Verräter, und die, die dort in den Sümpfen hausen, werden wir nun auch fangen und ersäufen.«

Sussik, wie stets in bedrohlicher Lage ein mustergültiger Kamerad, hatte mit Lizzie und mir die Steinbarrikaden errichtet. Mehmed raufte jetzt auf meinen Befehl Gras aus, wir fertigten aus dürrem Holz und Gras Wurfkugeln an, die wir brennend überall dorthin schleuderten, wo hohe Grasstellen dem Gegner das Anschleichen ermöglicht hätten. Das Flugfeuer griff bei dem frischen Nachtwind sehr rasch um sich und erfaßte auch Teile der Steppe. Wir hier in der Schlucht konnten nur an der Färbung des Himmels erkennen, wie weit der Brand sich nach Süden ausdehnte.

Wir verstärkten unsere kleine Festung, wir wagten uns ins Freie und schleppten vom Wasserrand Dornen herbei, wir machten uns auf eine Belagerung gefaßt, aber wir hofften auf Lady Jane, die sicherlich ebenfalls hierher kommen würde. Ich vermutete mehr denn je, daß sie die Lage der geheimnisvollen Farm besser kannte, als sie dies in ihrem Briefe eingestanden hatte.

Allmählich trat dann auch bei uns wieder Ruhe ein. Die Tiere taten sich nieder, sie hatten sich an wechselnde Beleuchtung und den Donner der Gasexplosionen gewöhnt. Diese ließen an Heftigkeit nicht nach. Die Flammenfontäne hatte durchschnittlich fünfzehn Meter Höhe, ihr Durchmesser betrug gut zwei Meter, die Entfernung von unserem Schlupfwinkel etwa hundertfünfzig Meter. Der Platz, an dem sie emporschoß, war von sehr dichtem Papyrusgebüsch, Dornendickichten und Bäumen umgeben. Unbedingt gab es dort eine Felseninsel im Sumpf, und die Gase mußten seit undenklichen Zeiten aus einem Loche hochgequollen sein, bis dann eben in dieser Nacht ein Wissender sie entzündet hatte.

Wer?!

Reginald und ich beobachteten das unheimliche Phänomen, und er meinte schließlich in seinem gedrechselten Kathederenglisch: »Ich halte es vom wissenschaftlichen Standpunkt aus für ausgeschlossen, daß sich im Lorian-Sumpf Menschen ansiedeln könnten. Diese Sümpfe erstrecken sich der Karte nach genau von Nord nach Süd über hundert Kilometer weit, der Guasasso-Niro bildet ihren einzigen Abfluß, noch keinem ist es bisher geglückt, in diese Wasserwildnis einzudringen, und schon die Malaria allein würde jeden Europäer daraus vertreiben. – Abelsen, Sie sind stets allzu phantastisch veranlagt, Sie schließen nun aus den Rauchsäulen und dem einen Einbaum, den Sie sahen, auf das Vorhandensein bebaubaren Bodens inmitten der Sümpfe … Das ist, verzeihen Sie, Utopie!«

Der harte Knall einer Vorderladerflinte, die irgendwo oben am Schluchtrande abgefeuert worden war, beendete diese zwecklose Auseinandersetzung.

Ein Hagel von Bleikugeln prasselte gegen die Barrikade, und Sussik und Lizzie, die oben auf dem größten Felsblock lagen, erwiderten den Schuß durch eine kleine Salve aus den Repetierbüchsen. Dann wurde alles wieder still. Nur von den blanken Tümpeln her erscholl das wütende Schnauben und Gurgeln gereizter Flußpferde, die hier ein wahres Dorado gefunden hatten. Krokodile stießen ihre abscheulichen Brüllrufe aus, Vogelschwärme kreisten aufgeregt in der Luft, und im äußersten Schluchtwinkel keifte eine große Pavianherde.

Solange noch der Mond am Himmel blieb, hatten wir weder von Mensch noch Tier etwas zu fürchten. Selbst Wasserbüffel, und auch die gab es hier, hätten uns nichts anhaben können. Bedrohlich wurde die Lage erst um die dritte Morgenstunde, dann traten hier stets Nebel auf, das wußten wir von den langen Stunden in der Boma her, wenn wir auf photographisch wertvolle Objekte gelauert hatten.

Mit Reginald war in solchen Fällen wie diesem nichts anzufangen. Er war lediglich Gelehrter, er überließ es stets mir, uns irgendwie herauszuhauen. Ich beriet mich mit Mehmed Said. Der alte Fellache hatte so manches erlebt, er verbarg hinter steifer Würde ein mutiges Herz und eine rasche Auffassungsfähigkeit.

Daß wir Habiru als Geisel bei uns hatten, galt ihm nichts. »Gabara kennt uns, Mr. Abelsen. Er weiß, daß wir seinen Sohn nicht töten werden, falls wir angegriffen werden. Er rechnet auf unser vornehmeres Gefühl, und er hat recht damit.«

Sein Blick schweifte nach der Gasfontäne hinüber. » Die muß viele Meilen weit sichtbar sein. Lady Jane wurde im Nordosten beobachtet, und wir befinden uns hier am Nordwestrand der Sümpfe … Vielleicht …«

Und dann schwieg er.

Die Untätigkeit, das Abwarten gingen mir gegen den Strich. Längstverklungene Erinnerungen an den gellenden rauhen Jagdruf der Araukaner wurden in mir wach. Was hätte wohl Coy in diesem Falle getan?!

Das da am Gallegos waren eisenharte, unbarmherzige Helden gewesen. Etwas von ihrem Geiste flog mir wieder zu …

»Sussik, 'rauf mit dem Habiru auf den großen Felsen!! Binden wir ihn der Länge nach an der Barrikade fest!!«

Reginald protestierte entsetzt.

Wir gerieten nicht zum ersten Mal aneinander.

Mehmed pflichtete mir höflich bei:

»Sir Forrester, der alte Gabara muß sehen, daß wir nicht spaßen!!«

Habiru lächelte verächtlich, als Sussik und ich ihn über die Steine schoben und die Riemen dann straffzogen.

Und der Geist, der dort in den Pampas am Gallegos das harte Dasein erträglich gestaltet hatte, der uns damals durch Eisschlünde und Schluchten und brandende Wogen begleitet hatte, riet mir, noch härter zu sein. Wir durften den Nebel nicht abwarten.

Ich kroch ebenfalls über die Steine und setzte mich vor Habiru nieder, formte die Hände zum Schallrohr und brüllte in die Steppe hinein:

»Gabara, zeige dich!«

Ihn noch weiter mit dem höflichen »Sie« zu beehren – ich dachte nicht daran!

Kein Schuß fiel.

Aber droben hinter einem versengten, noch glühenden Busch erhob sich die stolze Gestalt des Heiitsch der Räuber-Gallas.

»Gabara, falls ihr nicht sofort in euer Lager zurückkehrt, wird Habiru erschossen! Ich gebe dir Bedenkzeit. Beeile dich mit deinem Entschluß.«

Gabara bildete in den weiten Steppen nordwärts des Guasasso-Flusses als Stammeshäuptling in allem eine Ausnahme.

Er kam ganz langsam die Schluchtwand herab – sein Gesicht ward in Pausen durch die hochschießende Flammensäule grell beleuchtet. Drohende Falten zeigte dieses dunkelbronzene Antlitz.

Er, der alles verhöhnte, was irgendwie von England her als Bedrohung seiner Willkürherrschaft zu deuten gewesen wäre, mußte diese Situation als tiefste Demütigung empfinden.

Er blieb dicht vor dem Felsen stehen, er schaute flüchtig auf die Büchse, die ich halb auf das Knie gestützt hatte, er war ohne Waffen gekommen.

»Mr. Abelsen, Sie werden meinen Sohn sofort herausgeben«, sagte er ohne jedes Anzeichen von Erregung. »Wir werden in das Lager zurückkehren und weit nach Norden ziehen. Wir wünschen nicht mit den Leuten der Sümpfe zu kämpfen … Wir wollen in Frieden mit ihnen leben.«

Ich war geradezu verblüfft. Ich musterte seine Züge – was ich vorhin für drohende Falten eingeschätzt hatte, waren nur die tiefen Kerben einer unbestimmten, schlechtverhehlten Angst.

So hatte ich Gabara noch nie gesehen.

Er sprach weiter, bevor ich noch antworten konnte.

»Mr. Abelsen, es gab eine Zeit, in der ich mich gegen die Leute des Sumpfes aufzulehnen suchte, in der ich erkennen mußte, daß dort auf den fernen Inseln dieser Wasserwildnis der Tod in vielfacher Gestalt lauert. Sie haben uns das große Rindersterben geschickt, sie haben unsere Dromedare hinsiechen lassen – bis wir die Sümpfe mieden. Es ist nichts Neues für mich, daß eine solche Flammensäule emporschießt – es war stets eine Warnung für mich. Ich will mit ihnen im Frieden leben, Mr. Abelsen … Ich lüge nicht, ich wollte auch dies alles verheimlichen, ich weiß mehr, als ihr glaubt. – Zwischen uns möge die alte Gastfreundschaft wieder aufleben – ich schwöre es!« Er streckte mir die gespreizte rechte Hand entgegen, schloß sie langsam und öffnete sie abermals …

»Lebt wohl, gebt mir meinen Sohn zurück!«

Er wandte sich langsam um und stieg langsam die Böschung wieder empor.

Ein Galla aus der großen freien Steppe hält eine Zusage, die er auf solche Art bekräftigt. Es sind Räuber, aber ihre Ehrbegriffe sind in mancher Beziehung unanfechtbar.

Ich nahm Habiru die Fesseln ab.

Wenn schon das Verhalten seines Vaters mich in Erstaunen gesetzt hatte: des Sohnes Benehmen erschien noch unergründlicher. Er reichte mir die Hand …

»Mr. Abelsen, mein Vater hat vielleicht schon zu viel eingestanden, aber er ist alt und weise. Möge Miß Lizzie wohlbehalten dorthin gelangen, wo sie nur noch Sandhügel und vielleicht das Skelett eines Dromedars vorfindet.«

Dann glitt er am Felsen hinab – Sussik führte sein Dromedar ins Freie, gab ihm seine Waffen, und Habiru entfernte sich still und ernst wie einer, der keinerlei Haß mehr zu hegen wagt.

Reginald war natürlich auch mit dieser Lösung nicht zufrieden.

»Abelsen, das war meines Erachtens ein ganz grober Fehler – verzeihen Sie schon …«

Wir hatten nicht auf die Wasserseite unserer Festung geachtet.

Eine helle, heitere Männerstimme sagte hinter uns: »Es war durchaus kein Fehler … Sie gestatten: Percy Mac Oldyn heiße ich, und der alte Gabara hält mich für den leibhaftigen Teufel … Sehe ich wirklich so aus?!«

* * *

 


 << zurück weiter >>