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Edmund Hall stieg mit Madame d'Ora alle die unendlichen Treppen des Hauses hinab; an den Fahrstuhl dachten sie nicht. Begleitete Herr Mc Carthy sie eine Strecke hinab wie eine endlose Schraube von törichtem Geschwätz? Hall stand an einer Stelle still und streifte mit schneidender Höflichkeit einen Menschen, der schwatzte, von seinem Ärmel ab. War das der kleine Methodist? Jemand setzte Hall einen Hut auf den Kopf. Sie blieben allein und kamen auf die Straße hinaus, in das grelle Tageslicht. Der Menschenstrom schlug sofort unsanft um sie zusammen. Es war ein Alltag in seiner brutalen Gewöhnlichkeit. Alle Leute waren unverändert, gleichgültig, nichtsahnend, – aber welche durchdringende Beweiskraft lag nicht allein in dem Umstand, daß sie waren! Nicht ein oder zwei Wunder, sondern tausende von billigen, einigermaßen gleichgekleideten und so ziemlich gleichartig beschäftigten Personen, die sich durcheinander bewegten! Es tröstete gewissermaßen, daß einzelne sich umwandten und den beiden nachsahen, es rührte Hall, daß die Augen von einigen den seinen noch begegneten. Er wurde ruhiger, sein Bewußtsein sing wieder an zu arbeiten. Er sah Leontine an, die ein paar Schritte von ihm entfernt, neben ihm ging.
In alten Zeiten pflegte sie sich gegen ihn zu drängen, wenn sie zusammengingen, und das hatte er ihr jahrelang nachgetragen, ohne sich jemals entschließen zu können, es ihr zu sagen. Jetzt kam sie ihm nicht mehr zu nahe, was für einen Grund mochte das haben? War sie endlich selbst hautlos genug geworden, um die Einsamkeit andrer zu schonen? Mein Gott ja. Da ging sie und sah in ihrem armen, verkohlten Gesicht aus, als ob die klaffenden Wunden der ganzen Welt ihr großes, singendes Herz zerschnitten und zerrissen hätten. Jetzt gab es nur eins, was ihr gut tat: Ruhe.
Sie sprachen kein Wort miteinander. Hall handelte in einer Art Geistesabwesenheit; zeitenweise wußte er, was er getan hatte. Aber sein Äußeres machte einen sehr gefaßten Eindruck, und er benahm sich nach jeder Richtung hin völlig vernünftig. Sie gingen zu dem Mann, bei dem Hall sein Automobil stehen hatte, und nach einer kleinen Weile fuhren sie in besonnenem Tempo über die Brooklyner Brücke. Madame d'Ora sitzt zu Halls Linken, eine Decke über sich gebreitet und eine lederne Mütze auf dem weißen Haar. Sie sah ein wenig krank aus; wer sie ansah, hätte glauben können, daß sie beim Fahren ängstlich sei.
Als sie durch die belebten Straßen in Brooklyn gekommen waren, beschleunigte Hall die Fahrt, und sie fuhren landeinwärts. Eine lange Strecke jagten sie mit allen fünfundzwanzig Pferdekräften der Maschine; die starke Bewegung, der Luftzug und die Abkühlung taten ihnen beiden wohl. Gegen fünf Uhr gelangten sie an den Strand jenseits von Long Island, da wo sie schon einmal vor ein paar Monaten gewesen waren. Leontine sah Edmund lächelnd an, als er den Wagen anhielt, sie freute sich, daß er sie hier hinausgeführt hatte, sie kannte den Ort. Sie setzten sich in das Gras auf den niedrigen Strand, gegen den kleine, klare, träge Wellen plätscherten. Am Horizont waren drei, vier Dampfer sichtbar. Ohne zu zögern nahm Hall Leontinens Arm und wickelte das Taschentuch ab. Das Blut in der Wunde war geronnen. Und während er nun unverwandt die geschwollene und angetrocknete Wunde betrachtete, erzählte er ganz ruhig, was das Schlimmste war. Leontine zuckte nur ganz leise zusammen, als sie hörte, daß sie tödlich angesteckt war. Ihre Augen wurden unklar und sie errötete ganz bis an den Hals hinab, aber sie lächelte:
»Das macht nichts, Edmund,« sagte sie auf ihre ehrliche Weise. Leben war ja für sie gleichbedeutend mit Hoffen. Selbst jetzt. »Es ist wohl nicht so schlimm. Ich bekomme also die Hundetollwut. Aber das kommt ja nicht gleich so auf einmal, nicht wahr?«
»Es kann Monate währen, aber auch nur Tage – es kann auch in wenigen Stunden zum Ausbruch gelangen. Ich fürchte – –«
»Das macht nichts,« entgegnete sie mit einer Miene, »als verfüge sie über alle Reichtümer der Welt. Ich wäre auch ohnedem heute noch gestorben, Edmund.«
»Wie meinst du das?«
Sie nickte leise in geheimnisvoller Laune.
»Ich hätte mich doch heute abend ertränkt.«
Sie wandte ihr Gesicht ihm zu und sah ihn vergnügt an. Ihre blauen Augen lachten in ihren Höhlen.
»Warum hättest du dich ertränkt, Leontine?«
»Ach!«
Sie warf den Kopf leichtsinnig in den Nacken. Sie strich ihm die Mütze vom Kopf und fuhr mit ihren Fingern durch sein Haar, das fast weiß war. Sie war so zufrieden.
»Warum? Ich könnte mancherlei Gründe haben. Ich wollte ins Jenseits hinüber, natürlich. Glaubst du nicht, daß es dich interessiert hätte, wenn ich in den Sitzungen als Geist erschienen wäre? – – – Aber jetzt – – –«
Er schloß die Augen geblendet wie vor einem glühenden Eisen.
»Bist du böse, daß ich Mirjam ergriff?« fragte sie schnell. »Ich konnte es nicht lassen, Edmund. Ich war so eifersüchtig. Aber glaubst du nicht, daß es doch gut war, daß ich es tat? Sonst hätten sie dich wohl dahin gebracht, dir das Leben zu nehmen. Ich bin fest überzeugt, daß er dadrinnen stand, bereit dich zu erdrosseln. Aber wir wollen nicht mehr darüber reden. Jetzt ist es ja alles vorbei.«
»Ja. Ja, jetzt ist es vorbei.«
Nach einer Weile fragte Hall:
»Was machen wir jetzt?«
»Das weiß ich wirklich nicht,« antwortete sie lachend. »Du pflegst ja Getränke in deinem Wagen zu haben, findest du nicht auch, daß wir etwas genießen sollten? Wir haben ja Zeit genug. Ich brauche mich nicht zu ertränken, da ich doch sterbe, und du hast niemand, nach dem du dich sehnen kannst, da wollen wir es uns gemütlich machen.«
Sie schüttelte ihren verwelkten Kopf, sah mit Entzücken die kleinen, gemächlichen Wellen an. Der eine Arm lag lahm in ihrem Schoß. Hall erhob sich und holte eine Flasche Rheinwein aus dem Wagen.
»Der ist ja warm!« rief sie bedauernd aus, als sie getrunken hatte.
Sie saßen lange schweigend da.
»Leontine,« sagte Hall grübelnd und mit großer Anstrengung, »Leontine, ich trat meine Reise nach Europa in diesem Frühling doch mit der Hoffnung an, dir zu begegnen …«
»Wirklich, lieber Edmund?«
»Ja. Jetzt weiß ich es. Aber ich wußte es damals nicht. Ich ging in London umher und grämte mich.«
»Gingst du dahin, wo wir gewohnt hatten?«
»Ja, das tat ich.«
»Edmund, warum wolltest du dir an jenem Tage auf dem Schiff das Leben nehmen? Ich habe nie gewagt, dich danach zu fragen. War das auch, weil du mich liebtest?«
»Nein, Leontine,« antwortete er langsam. »Ich war nervös und überanstrengt … ja … ja.«
Er grübelte lange, mit ganz friedlichem Gesichtsausdruck. Plötzlich war es, als werde ihm etwas klar, er sah sie lebhaft an.
»Du, ich bin immer Selbstmörder gewesen. Und zwar im Grunde aus Lebenslust – aus Ungeduld – Ungeduld! Das Leben ist so kurz. Ich habe mich verzehrt vor Sehnsucht, mehr zu besitzen, als mein Teil war, und das hat mich nur meine Zeit gekostet. Ich fing gestern an, und heute bin ich ein alter Mann. Ich tat ein Stück Arbeit in meinem Leben, nicht mehr als eins, und das nahm mir achtzehn Jahre. Es war ein Gedanke, der mir in einer Morgenstunde kam, in dem Bruchteil eines Augenblicks. Ach, die Angst hat mir tagtäglich den Blick verdunkelt. Unzählige Male habe ich geglaubt, ich sei tot, da das Ganze ja doch nichts weiter ist als eine Wanderung bergauf und an der andern Seite wieder bergab. Welch Unterschied besteht zwischen Newton und mir, weil er tot ist? Warum ist mein Dasein wirklicher als das seine? Es ist ja doch unwesentlich, daß ich nach ihm geboren bin, daß ich noch nicht tot bin. Das war es, was ich fühlte. Keine Zeit! Ich verschmähte das Cadeau von dreißig Erdumdrehungen. Ja, und dann war ich unglücklich in dich verliebt, Leontine.«
»Warst du es also doch!« lachte sie sanft. Sie gab sich einen Ausdruck heiligen Staunens.
»Monsieur reist nach Europa, um seine verlorene Geliebte aufzusuchen, und als es ihm gelungen ist, sie zu meiden, kehrt er zurück und wird nur durch die sehr zeitgemäße Dazwischenkunft besagter Geliebten vom Tode errettet. Monsieur versöhnt sich hübsch mit seiner einzigen Freundin in demselben Augenblick, als sein Herz an Bord in eine schöne junge Armenierin hineinfliegt, – nein, in den Schatten einer jungen Armenierin, – Edmund!«
Er senkte stumm den Kopf, saß lange da, als erwarte er einen Schlag.
»Sie haben uns angeführt,« sagte Leontine trocken nach einer Weile. »Sie haben uns gejagt und uns eingeholt.« Sie leerte ihr Glas, riß einige Grashalme heraus. Dann bemerkte sie:
»Gott weiß, ob du jemals etwas anderes gesehen hast, als daß sie nackend war! Ja, ja! Das muß dir wohl als Entschuldigung dienen. Ich muß mich damit trösten, daß du auf alle Fälle geliebt hast. Ich glaube, im Grunde hast du mich die ganze Zeit geliebt, Edmund. Aber ich war ja im Begriff, eine alte Jungfer zu werden. Ich weiß sehr wohl, daß ich dich gequält habe mit Wiederholungen, mit Zynismen, die ich ringsumher aufgesammelt hatte, indem ich deine Nerven verletzte, indem ich dich nicht verstand. Aber …«
Sie seufzte, als ob alles, alles jetzt aus ihr erschöpft sei. Er sah nicht auf. Das Wasser trieb leise plätschernd gegen den Strand. Es war ein so ganz gewöhnlicher Tag. Das Gras stand nach des Sommers Hitze mit versengten Flecken da, aber darin lag nichts Sonderbares. Der Himmel war wolkenlos. Die blaugrüne Fläche des Meeres hob sich vom Horizont ab, weder weiter entfernt noch näher als sonst. Es war das ein für alle Mal wohlbekannte Wasser, das gleichmäßig wogt, mag man es aus einer Vergnügungsfahrt durchfurchen, oder mögen schiffbrüchige Matrosen auf den Ruderbänken das Los ziehen, wer zur Nahrung für die übrigen geschlachtet werden soll.
Edmund und Leontine hatten lange geschwiegen. Sie saß da und hielt ihren schmerzenden Arm. Sie fing an, mit sich selber zu reden, erst flüsternd, dann nach und nach laut.
»So bekomme ich also Hundetollwut. Es ist dasselbe, als wenn ein toller Hund mich angesprungen und mich gebissen hätte, ein Hund, der sonst wedelt und gut ist. Aber er hat es von einem andern bekommen und kann nichts dafür. Er meint wahrscheinlich, daß er es los wird, wenn er die ganze Welt beißt. Es fängt damit an, daß … womit fängt es eigentlich an, Edmund?«
Er antwortete nicht.
»Ach, es fängt damit an, daß ich so durstig werde … ich bin durstig, Edmund!«
Er füllte ihr Glas, aber sie trank nicht, sie starrte vor sich hin, schüttelte ihre Ohren.
»Ich bekomme Wasserscheu,« flüsterte sie. »Das ist das Sonderbarste.«
Plötzlich legte sie sich auf die Hände und auf die Kniee nieder.
»Und ich glaube ja, daß ich ein Hund bin, ich fange an, unruhig umherzulaufen …«
»Leontine!« rief er ängstlich.
Sie lächelte ihm zu, liebevoll, aber mit ein wenig verzerrten Zügen, sie blieb liegen und dachte nach. Dann kroch sie ein wenig vorwärts, wandte den Kopf um und sah ihn an:
»Ich will es nur einmal versuchen. Ich fürchte mich vor Wasser, ja, ich kann kein Wasser sehen …«
Sie krümmte ihren starken Rücken und machte einen Sprung auf allen Vieren, vom Wasser weg. Ihre beiden Kniee platzten mit einem ›Ratsch‹ durch das dünne Kleid, und im selben Augenblick sprach Todesangst aus ihren Augen, und sie sprang weiter. Sie zog den Kopf herunter, zwischen die Arme, starrte Edmund an:
»Wau!« bellte sie. »Wau!«
»Leontine, so komm doch her!«
Sie machte einen Sprung rückwärts.
»Wuff! Wau, wau! Hrrrr …«
Sie schleppte sich näher heran.
»Rrrrrrr …«
»Leontine!«
Da streckte sie die Kehle lang aus, und während ihr ganzes Gesicht leichenblaß wurde, brach sie in ein jammervolles Geheul aus, das immer wilder wurde, sie warf sich herum und lief eine Strecke weg, schüttelte den Kopf und blieb auf allen Vieren stehen.
»A-ah! Huh! A-ah! Huh!«
Sie erblickte das Automobil und lief an eins der Räder heran, schlug ihre Zähne in den Gummiring und rüttelte daran, so daß der ganze Wagen klirrte, knurrend blieb sie daran hängen. Ihr Haar löste sich auf und die weiße Mähne umwallte ihren Kopf. Da wollte Hall sie packen und ihr Vernunft zureden, sie aber sah ihn mit einem wahnsinnigen Blick an und rannte ihm unter den Händen weg; sie lief eine kleine Strecke, warf sich dann mit einem klagenden Geheul platt ins Gras, bohrte das Gesicht in den Erdboden.
Als Hall kam und sie aufhob, leistete sie keinen Widerstand, sondern wandte sich selbst um. Die Augen sahen vernünftig auf. Der weit aufgesperrte Mund war voll von Erde und kleinen Steinen. Er half ihr in eine sitzende Stellung, und sie spie die Erde aus, legte sich dann wieder hin und ruhte. Sie schwiegen. Endlich erhob sie sich auf die Kniee und sah Hall lächelnd an.
»Ich wollte es einmal ausprobieren,« stammelte sie.
Sie saß eine Weile da, grub dann plötzlich die Finger in den Rasen und stopfte wieder Gras und Erde in den Mund, knirschte mit den Zähnen darauf herum.
»Nein,« bat er, »nein, Leontine!«
Sie spie es zögernd aus.
»Es schmeckt gut,« sagte sie und nickte ihm überzeugend zu. »Ich habe übrigens schon lange alle möglichen Sachen gegessen, Kohlen und Asche, das kommt wohl daher, weil ich ein Kind haben soll … Ich wollte es dir eigentlich nicht erzählen, Edmund.«
»Sollst du ein Kind haben?«
»Ja, Edmund. Ich soll unsern kleinen Sohn haben. Aber nun wird ja nichts daraus.«
Er sank vor ihr zusammen, er kniete nieder. Als er sich immer nicht rührte, nahm sie seinen Kopf und legte ihn in ihren Schoß. Sie saß da und sah auf seine offenen Augen nieder, die von ihr wegstarrten.
»Warum weinst du nicht?« fragte sie mit einer unheimlichen Stimme, und als er sich nicht rührte, überkam sie selber das Weinen wie ein Stoß, sie weinte bitterlich, den gesenkten Kopf von all dem weißen Haar umwallt.
»Ach,« schluchzt sie und wirft das Gesicht zurück. »Ich bin unglücklich!«
Plötzlich hält sie inne mit dem Weinen und sitzt da und denkt nach.
»Ich werde meinen Jungen nicht zur Welt bringen,« flüstert sie. »Nein, ich werde es nicht tun. Ich hatte mich dazu gefreut, ihn auf kleinen Beinen herumtorkeln zu sehen, mit ihm in den Park zu fahren, und …«
Ihre Stimme ward leiser, flüsternd sprach sie mit sich selber. Sie war so müde und kraftlos, daß sie die Worte kaum zu formen vermochte.
Endlich schwieg sie. Nach einer Weile fing sie an zu zittern. Hastig strich sie über Edmunds Haar.
»Es kommt wieder,« flüsterte sie. »Mir wird so sonderbar. Wuff!«
Sie bezwang sich mit Mühe, schloß den Mund ganz fest, aber es stieß in ihrer Brust. Sie versuchte zu lachen, aber das Lachen ward ein rauhes Röcheln. Sie zitterte vor Kälte. Und da sie keine Luft bekommen konnte, brach sie ein bitteres, angestrengtes Bellen aus:
»Ah – uf! Wau, wau! Wuff!«
Edmund richtete sich auf und stand da und sah sie an. Ihre Augen fingen an, wild zu blicken. Sie legte sich auf die Hände nieder, weinte trocken und qualvoll.
»Ich kann nichts dafür, Edmund. Ich glaube, mir fehlt eigentlich gar nichts. Ich bin nur so elend. Mein Herz will nicht mehr.«
Sie schnappte noch ein paar Mal nach Luft, schien es dann aufzugeben und blieb liegen, mit kurzem, ringendem Atmen.
»Willst du sterben?« fragte er.
»Ja.«
Sie erhob sich mit einem Sanglaut, saß auf den Knieen und sah ihn glücklich an. »Ja! Hab Dank, Edmund!«
Er ging an den Wagen und suchte in den Vorratskörben, die außen herunter hingen, fand ein Gewehretui und nahm die einzelnen Teile einer Doublette heraus, die er zusammensetzte. Die Läufe gaben einen Ton von sich wie im Schlaf. Er steckte zwei Patronen hinein. Leontine lag auf den Knieen im Gras und sah ihn an.
»Schieße mich nicht in den Leib,« bat sie. »Schieß mich ins Herz.«
»Schließe die Augen!« sagte er kühl. Sie schloß die Augen und lehnte das Gesicht lächelnd hintenüber. Er schoß sie aus geringer Entfernung in die linke Seite der Brust. Die Hagelladung ging quer durch sie hindurch, sie war augenblicklich tot, lag in einem Haufen da, der ein wenig zitterte und zuckte, bis er ganz still ward. Das weiße Haar verbarg ihr Antlitz.
Edmund öffnete das Gewehr und nahm die rauchende Kapsel heraus, er hatte nur den einen Schuß abschießen wollen, aber sie waren beide losgegangen. Er lud von neuem, versuchte, ob er den Hahn erreichen konnte, wenn er die Läufe gegen die Schläfe hielt und kam zu der Überzeugung, daß es am besten sei, die Waffe unter das Kinn zu halten. Da fiel sein Blick auf Leontine. Ein purpurroter Blutstrom quoll unter ihr auf und schlängelte sich wie ein großer, lebendiger Wurm durch das Gras.
»Au!« dachte er, sah zum Himmel empor, sah sich in dem entsetzlich öden Raum um. Er beugte sich herab und versuchte Leontine in die Höhe zu heben, um sie in Schutz zu bringen. Er konnte sie nicht unter offenem Himmel liegen lassen. Sie war zu schwer für seine Kräfte, aber er hob sie schließlich auf und legte sie in das Automobil. Er setzte sich und legte einen Hebel nach unten. Und die Maschine ging mit voller Kraft rückwärts, drehte sich herum, verlor die Balance an dem Abhang, stürzte und blieb liegen; die Räder sausten in der Luft herum. Hall wurde gewaltsam an den Erdboden geworfen, kam aber nicht unter den Wagen zu liegen. Nachdem er einige Minuten ohnmächtig gelegen hatte, stand er auf und sah sich um, ohne zu wissen, wo er war. In weiter Ferne sah er bewohnte Stätten und nun schleppte er sich vorwärts, um dorthin zu gelangen.