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Zweites Kapitel

Hall blieb allein zurück. Er ging langsam auf dem ganz kurzen Ende des Decks auf und nieder, als suche er in seinem Gedächtnis nach irgend etwas. Es war jetzt ziemlich dunkel, aber der Himmel leuchtete in kalter Klarheit. Die See hatte sich ein wenig beruhigt. Ein Heizer, der in Schweiß und schwarzem Öl gebadet war, kam aus einem Loch hervor und wandte sich tief atmend nach dem Horizont um, wo ein leichter Schimmer den Mond verkündete. Dann drehte er die Ventile besser in den Wind. Hall stand still und versuchte, dem weißen Blick des Heizers zu begegnen, aber sie hatten einander nichts zu sagen, und der Heizer kroch wieder hinab und ließ eine kleine eiserne Luke über seinem Kopf zufallen. Hall ging ganz vorne auf die Kommandobrücke, die gleichsam in einem Altan endete, wo man fast frei in der Luft stand, haushoch über der See. Der Schaum da unten glitt leise dahin in großen marmorierten Figuren, kühl und leise. Alles war dunkel. Wie das Schiff bebte, und wie sich die ganze nervöse Masse trotzdem ruhig ihren Weg bahnte!

Es kam jemand die Treppe hinauf, Hall wandte sich mit einem Ruck um und sah einen großen Damenhut mit nickenden Federn, er zog sich weiter auf das Deck zurück, richtete seine Schritte nach einem der großen Schornsteine, wie um sich dahinter zu verbergen, blieb aber stehen.

»Komm doch und hilf mir die schreckliche Treppe hinauf, Edmund,« ertönte eine Stimme halb ängstlich und halb keck. Die Stimme an sich war tief und schön wie ein Cello, von wundervoller Wärme im Klang.

»St!« sagte Hall kurz und machte eine Bewegung mit der Hand. »Der Kapitän geht oben auf der Brücke!«

Madame d'Ora blieb oben an der Treppe laut keuchend stehen und sah sich um.

»Nein, wie frisch es hier weht! Warum bist du nicht zum Essen hinuntergekommen? Der Kapitän kann uns hier nicht hören.«

»Freilich kann er es,« entgegnete Hall kühl. »Schrei doch nicht so laut. Ich weiß, daß er französisch versteht.«

»Beruhige dich, mein Freund. Ich werde flüstern.«

Sie blieb stehen, ohne die Arme zu rühren und drang mit ihrem Blick förmlich in ihn hinein, während ihre Worte, die einen hoffnungsvollen Klang gehabt hatten, die Luft mit Getön erfüllten.

»Was willst du?« fragte Hall und wollte sich losreißen.

»Nichts, nichts Ernsthaftes, du,« sagte sie noch tiefer und mit einem fast unhörbaren, dunklen Klang von Trauer. »Haben wir uns nun nicht lange genug fremd gestellt, Edmund? Was hast du nur einmal, was ist geschehen? Ich sehne mich danach, mit dir zu reden. Was bedeutet – – –«

»Ich will dich nicht kennen,« rief Hall aus und schnob vor Wut. »Es ist aus zwischen uns, und zwar schon lange, wie du sehr wohl weißt. Du weißt auch weshalb. Wenn du die Absicht hast zu zeigen, daß du mich kennst –«

»Ich habe gar nicht die Absicht, lieber Edmund. Du mußt doch wirklich einräumen, daß ich während der vier Tage, die wir jetzt an Bord gewesen sind, übermenschliche Beherrschung gezeigt habe. Nicht mit einer Miene habe ich verraten, daß ich dich kenne. Als ich sah, daß du so tatest, als hättest du mich nie mit Augen gesehen, wußte ich natürlich, daß ich mich zurückzuhalten hatte. Ich finde ja freilich, du müßtest wünschen, daß die Rollen, die wir spielen, vertauscht wären, das würde weniger ungalant sein. Wenigstens mußt du mir doch den Grund erklären, weshalb du so zurückhaltend bist. – Edmund, es ist nicht freundlich von dir, mich so zu empfangen, jetzt, wo wir allein sind. Ich bemerkte, daß du nicht zu Tische hinunterkamst, da beeilte ich mich, fertig zu werden, um die Gelegenheit, mit dir allein zu sein, zu benutzen. Man kann sich ja an Bord eines Schiffes nicht rühren. Geniert es dich, hier mit mir zu sprechen, wo niemand uns sieht?«

»Ach nein, ach nein,« seufzte Hall. »Ich sollte mich wohl geschmeichelt fühlen. Jetzt guckt man unsere leeren Stühle da unten an und weiß Bescheid. Madame geruhen also, einen neuen Glücklichen zu schaffen – –«

»Edmund!«

»Dein Ruf an Bord ist nicht der beste!«

»Jetzt bist du nicht aufrichtig,« sagte Madame d'Ora ruhig. »Du weißt ja selbst nicht, was du sagst.«

»Ja, mir ist es freilich ganz einerlei,« sagte Hall vor sich hin. Er schwieg, und sie schwiegen lange, bis Madame d'Oras rauhe Kehltöne wieder erklangen, ganz, ganz leise.

»Ich bin so traurig gewesen, Edmund. Jeden Tag, weil ich dir nicht nahen durfte. Mit jemand muß ich doch sprechen,« fuhr sie heiser fort. Hall wandte sich um und sah sie hart an.

»Flirten, meinst du! Du bist leicht. Ein Plebejer darf kommen und mir von deinen Extravaganzen erzählen. Ist dein Geschmack so schlecht geworden, oder ist es ein letztes Raffinement, daß du jetzt Betstunden mit einem Mormonen abhältst?«

»Du kannst dich ja ausdrücken, wie es dir beliebt,« sagte Madame von oben herab. Hall schnob vor Wut.

»Geh und laß mich in Frieden!«

Sie schwiegen eine Weile, und Madame d'Ora stand da, in die Dämmerung hinaussehend, sie lächelte schwermütig. Aber sie war noch immer die Sorglose, Unberührte, als sie wieder sprach:

»Was hast du eigentlich an Herrn Evanston auszusetzen – außer daß du ihn nicht kennst – und wie kannst du nur auf den Einfall kommen, zu sagen, daß er ein Mormone ist? Herr Evanston ist Missionar in Indien und China gewesen. Er erzählt köstliche Geschichten von Tigern und Fakiren und andern wilden Geschöpfen. Er ist selbst so ein unbezahlbar Gieriger, er ähnelt einem wilden Schwein mit allen den Borsten auf dem Kopf. Er grunzt hungrig, wenn man seinem Käfig oder seinem Walde nahe kommt, denn er hat ja so einen unsichtbaren Dschungl um sich. Du bist selbst immer ein Bewunderer von dergleichen Urwäldern in Menschengestalt gewesen.«

»Er ist ein gefährlicher Affe,« sagte Hall gereizt, »nimm dich in acht, daß du ihn nicht herausforderst! Locke ihn nicht von seinem Baum herab!«

»Er ist ein großes Kind, dieser Evanston,« sagte Madame d'Ora und lachte unbeschreiblich harmlos. »Ich mag ihn leiden. Was willst du damit sagen, daß ich herausfordere, wie, Edmund?«

»Wie magst du nur so tun, als wüßtest du nicht, was ich meine?« sagte Hall nervös. »Ich hasse es zu sehen, wie du deine aufsehenerregenden Kostüme auf Deck spazieren führst, Leontine! Hier auf diesem armseligen Schiff, wie kannst du nur, was gibt dir die Kraft dazu? Den ersten Tag, als du hier warst, machtest du dich daran, deinen Ruhm mit einer wahren Weltausstellung von Kleidern, einem ornithologischen Museum von Hüten auszuposaunen! Und in vollster Kriegsmalerei! Du weißt, ich kann diesen Marzipanduft nicht vertragen. Du riechst auf mehrere Ellen weit eßbar, das ist doch gräßlich! Und dann eines Tages vertauschst du die große Toilette mit einem schlichten Stück Leinwand, – daß du dich bewegen kannst, daß du nur ein Glied zu rühren vermagst zwischen allen den geblähten Nüstern um dich her, das ist mir ganz unfaßlich …«

Hall beugte sich erregt vor und fauchte:

»Aber das muß ich dir zugeben, deine Gestalt verträgt noch jede beliebige Entblößung oder Überladung …«

Madame d'Ora zog ihr Gesicht zurück, sie hatte dagestanden und siegesgewiß gelächelt, aber sie zitterte. Als sie sprach, klang es, als habe sie eine Stimme aus alten Zeiten wiedergefunden, eine zuversichtliche Betonung: »Rede doch keinen Unsinn, Edmund! Du batest mich doch selber, ich möchte mich ein wenig originell kleiden, weißt du das nicht mehr? Natürlich, damit man dich beneiden sollte, Edmund. Sind wir etwa nicht mehr jung?«

Hall schwieg, und sie ließ ihn schweigen. Er starrte in die See hinaus, wo die Wellen immer kraftloser wogten. Der Mond war am Horizont aufgestiegen, und bei seinem Licht sah Madame d'Ora, wie sich die Züge in Halls Antlitz beruhigten. Aber als er sprach, lag kein Friede in seiner Stimme, nur Müdigkeit und Kälte:

»Da wir nun einmal miteinander reden, – was willst du hier? Warum kann ich keine Ruhe vor dir haben?«

Sie zuckte zusammen, machte eine ängstliche Bewegung auf ihn zu, antwortete aber in leichtem Ton:

»Ich wußte nicht, daß du hier an Bord seiest, ich kann doch auch Lust haben, mich ein wenig umzusehen?«

Hall seufzte tief.

»Singst du noch?« fragte er.

»Ja. Was sollte ich sonst wohl tun, Edmund. Ich habe noch immer Erfolg. Das weißt du natürlich recht gut, aber nun bist du ärgerlich. Ja, ich habe meine Kunst. Und dann wollte ich auch gern mal nach drüben. Ich habe vorläufig ein großes Engagement in New-York.«

Sie schwiegen.

»Der Kapitän steht oben auf der Brücke und horcht,« sagte Hall endlich, sonderbar sanft und niedergeschlagen, als sei er im Begriff, einzuschlafen, wo er stand. Er sah nicht, wie Madame d'Ora ängstlich nach Luft schnappte.

»Laß ihn doch, Edmund,« rief sie klagend aus. »Man darf gern wissen, daß ich dich wiedergefunden habe, Edmund.«

Sie ging dicht an ihn heran und sprach vertraulich, während ihre Bewegung sich legte.

»Es ist doch lächerlich, daß wir hier nun über vier Tage nebeneinander hergegangen sind wie zwei Menschen, die sich völlig fremd sind, die sich nie gesehen haben. Ich bin ein wenig besorgt um dich gewesen … alle die andern Passagiere glauben auch, daß du sie auffressen willst, sie sitzen da und sehen dich von der Seite an, mir ist oft ganz unheimlich zumute gewesen. Du siehst wirklich gar nicht gut aus, Edmund! Deine Augen sind wohl schlecht, du trägst ja eine fast schwarze Brille. Hör' einmal, setz' dich hierher auf die Bank. Findest du es nicht tapfer von mir, daß ich gar nicht seekrank gewesen bin?«

»Ja, Gott weiß, du bist ein Musterkind,« entgegnete Hall kurz. Er setzte sich, stand aber gleich wieder auf und lachte:

»Nie vergesse ich den Tag in Cherbourg, als du in deiner ganzen Glorie die Schiffstreppe hinaufgestiegen kamst – mit Hutschachteln und Blumensträußen und tausend Paketen, Kammerzofe und Kanarienvögeln im Bauer – – – Daß sich Gott erbarm'! Ich hätte es voraussehen können. Ich war sehr bedenklich, ob ich nach Europa gehen sollte, denn ich kenne dich ja als ausgedehnte Karawane, in die hineinzufallen man schwerlich vermeiden kann. Und nun willst du nach Amerika gehen! Ich hatte mich doch sicher geglaubt, wenn ich das Meer zwischen dich und mich legte.«

»Ja, ja …. Edmund,« sagte Madame d'Ora wehrlos.

»Ich verließ ja Europa seiner Zeit um deinetwillen,« sagte Hall wie jemand, der jetzt keine Nachsicht mehr walten lassen will.

»Wie kannst du das nur sagen!«

»Ich bin um deinetwillen gereist.«

»Wir hatten uns doch die letzten beiden Jahre ehe du reistest gar nicht gesehen,« wandte Madame d'Ora matt ein. »Gequält habe ich dich doch in der Zeit nicht, Edmund.«

»Nein, deine Person war zu jener Zeit freilich anderwärts engagiert,« sagte Hall zorniger … »Nun, glaub' mir, es ist mir ganz einerlei. Es genierte mich auch nicht so sehr, wie ich mir den Anschein gebe, als ich dich dort in Cherbourg mit deinem ganzen Troß heranmarschieren sah; ich entsinne mich dessen vielmehr wegen der groben Komik, die über dem ganzen Auftritt lag. Es fehlten nur deine Hunde, ein Automobil, ein Himmelbett oder ein lenkbares Luftschiff, dann wäre der Triumphzug vollständig gewesen. Ich selber muß wohl auch zu dem Tableau beigetragen haben, als Vordergrundfigur mit meinem langen Gesicht!«

Er schwieg, sehr erregt. Madame d'Ora fühlte, wie er litt.

»Ich kann es dir anhören, daß du dich nicht wohl fühlst,« sagte sie leise. »Ich kenne das aus alten Zeiten, Edmund. Es tut mir so leid. Damals begriff ich auch nie so recht, was du dir eigentlich so zu Herzen nahmst. Mein Fehler war wohl, daß ich dich nicht genügend verstand. Aber ich fühlte mit dir, Edmund. Das tue ich jetzt auch, ich kann nicht anders.«

»O, Leontine!« rief Hall aus und lachte kopfschüttelnd, »weshalb mißhandle ich dich jetzt? Du bist ja doch unverletzlich.«

»Setze dich, Edmund,« bat sie, und er setzte sich müde neben sie. Die Glocke unten auf der Back glaste klanglos im Winde. Die Zwischendeckpassagiere vorne hatten sich aufgestellt, um den Mond zu betrachten, einige von ihnen sangen.

»Höre sie singen!« sagte Hall schmerzlich versonnen. »Wie kann es nur sein, daß wenn primitive Menschen lustig sein wollen, sie Klagelieder singen müssen? Hör nur, wie sie in Not sind!«

»Ja, Edmund.«

Madame d'Ora saß da und wurde schöner und schöner in ihrem Gesicht, während sie Hall, der den Kopf tief vornüber sinken ließ, unverwandt ansah; ihre Augen glichen zwei Lichtern. Die Zwischendeckpassagiere fuhren fort, ihre mißtönende Melodie zu singen, die noch eine lange Zeit weiterklang. Dann sagte Madame d'Ora sanft:

»Was für eine kleine Tasche ist das, die du da hast, Edmund? Du trägst sie fast immer in der Hand, wie ich bemerkt habe. Hast du etwas sehr Wichtiges darin? Mir deucht, du zuckst zusammen, Edmund … Du bist doch nicht etwa mit irgend einer Kasse durchgebrannt?«

Hall lachte unnatürlich und tastete nach ihrer Hand, die sie auf seine Schulter gelegt hatte.

»Nein, du Liebe! Wie ähnlich es dir sieht, auf den Einfall zu kommen!«

»Entweder bist du krank, oder auch dich friert, Edmund,« sagte Madame d'Ora bestimmt, – »komm her mit deinen kalten Händen. So! Wir können hier ganz gut beide unter meinem Abendmantel sitzen. So, du. Nun ruhig, ganz ruhig!«

»Du hast dich seither nicht verändert, Leontine,« flüsterte Hall nach einer Weile, dann fühlte er, wie Ruhe über ihn kam. »Leontine, du bist noch immer so warm. Du bist warm gewesen, und dein Herz hat ununterbrochen, Tag und Nacht, gepocht, seit wir zuletzt zusammen waren – wenn es auch nicht für mich schlug.«

»Bist du dessen, was du sagst, wohl so ganz sicher,« entgegnete sie mit einem so warmen Klang weiblicher Hochherzigkeit, daß es ihm in die Seele drang. »Aber nun gehört mein Herz dir ja wieder.«

»Leontine!«

»Sitze ganz still, Edmund, ganz still. Was willst du mit der Tasche da, sie steht ja ganz gut. Erzähle mir doch, was für wichtige Sachen du darin hast.«

»Ein Paar Hanteln, ein altes Hufeisen, ein Uhrgewicht,« antwortete Hall näselnd wie im Halbschlaf.

»Wie magst du dich nur mit dem alten Eisenkram herumschleppen?« fragte Madame d'Ora verwundert und ein wenig unheimlich berührt. »Mein Gott, wie schwer die Tasche ist! Und was für einen gräßlichen ledernen Gürtel mit einem Haken daran hast du um!«

Im selben Augenblick begriff sie den Zusammenhang, verstand, daß Hall hatte sterben wollen. Sie blieb sitzen, ohne sich vom Fleck zu rühren, lehnte nur den Kopf zurück und sah zu den Sternen auf. »Ach, Edmund!« hauchte sie kaum hörbar in die Luft hinauf und dann fing sie an zu weinen. So saß sie lange da. Endlich atmete sie tief auf und so vorsichtig, daß Hall es nicht merkte.

»Wie glücklich ich bin, daß wir uns getroffen haben, Edmund,« flüsterte sie bebend.

»Ja, das war ein sonderbarer Zufall!« antwortete Hall geistesabwesend.

»Ich wußte sehr wohl, daß du auf dem Schiffe seiest,« sagte Madame d'Ora und erstickte lachend einen tiefen Seufzer.

»Das wußtest du?«

»Ja, und da fuhr ich mit, Edmund. Ich sah in einer Zeitung, daß du in Europa auf Besuch warst, und ich fand heraus, daß du mit dem ›Bacharach‹ gehen wolltest. Ich habe mich so nach dir gesehnt, Edmund … Edmund!«

Hall fuhr in Zuckungen aus dem Schlaf auf.

»Du hast doch nicht geschlafen?« flüsterte sie liebevoll. »Wie ich dich jetzt wiederkenne, Edmund, du kannst nur schlafen, wenn ich bei dir bin. Hast du nicht gut geschlafen, seit wir uns trennten? Hast du gerechnet und studiert und nimmer geruht?«

Er antwortete mit einem schwachen Laut in der Kehle, und sie fielen sich um den Hals und saßen lange schweigend da.

»Hörst du, da spielt jemand die Mundharmonika?« flüsterte Madame d'Ora. »Das ist die Melodie, die wir so oft in Paris gehört haben. Weißt du noch die Abende, wenn die Tauben Sacré-Coeur umschwärmten? Wie alt sind wir jetzt, Edmund? Geht es dir gut in Amerika? Ich habe von dir gelesen, du bist groß und erfindest neue Dinge …«

»Leontine, du weinst!«

»Ja, ich weine. Es war gut, daß ich mitreiste.«

»Ja,« murmelte Hall.

»Wie stark du geworden bist,« flüsterte er nach einer Weile. »Trinkst du wohl zu viel, Leontine?«

Sie antwortete nicht, sondern weinte und trocknete ihre Augen. Dann rückte sie vorsichtig fort und bat:

»Edmund, laß mich einen Augenblick aufstehen. Bleibe du nur ruhig sitzen, Edmund!«

Sie bückte sich schnell, ergriff die Tasche und ging damit an die Schiffsreling. Im selben Augenblicke ward ein lauter Sprung auf den Deckplanken hörbar, und aus irgend einem Versteck, in dem er sich verborgen gehalten hatte, tauchte ein Mann auf. Es war Thomas Mason, er stürzte auf Madame d'Ora zu.

»Ah!« schrie Hall und sprang von der Bank auf. Die drei standen einander ganz schweigend gegenüber und sahen sich an. Mason streckte eine Hand aus und zeigte auf die Tasche. Aber Madame d'Ora übergab sie ruhig an Hall. Durch das Skylight klang die Musik von unten aus dem Salon deutlich herauf.

»St!« sagte Madame d'Ora mit großer Selbstbeherrschung. »Da sind sie alle!«


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