Jean Paul
Grönländische Prozesse
Jean Paul

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»Der Monarch sizt doch nur mit dem Hintern auf dem Throne« sagt Montaigne, und der Dichter sizt doch nur mit eben diesem Gliede auf dem Pegasus, sag' ich, und seine Gesänge sind doch nur Werke der untern Selenkräfte, sagt endlich ein Philosoph. Ungeachtet meine Materie mir iezt die glüklichste Gelegenheit in die Feder spielt, die Röthe der deutschen Schamhaftigkeit durch schmuzige Zweideutigkeiten zu prüfen; so wil ich doch der Sitlichkeit den Vorzug vor der Mode lassen, und ungeachtet ich (wie alle deutsche Schriftsteller) für schöne Augen schreibe, so will ich doch der keuschen Ohren schonen. Nur erlaube man dem Künstler, das für ein anatomisches Lehrbuch in Kupfer zu stechen, was der Mahler für das Kabinet eines Reichen freilich nicht mahlen solte. – Wenn der Pfau reden könte, sagt Voltaire,Les oreilles du Comte de Chesterfield. Mit diesem Einfalle wil Voltaire der Philosophen spotten, die den Siz der Sele dahin verlegen, wo sie ihre schäzbarsten Wirkungen zu äussern scheinet. so würde er seine Sele in den Schwanz sezen; ich glaube es nicht, denn der Dichter, welcher ebenfalls auch mir mit seinen untern Selenkräften bunte und prächtige Farben schlagen kan, sezt die seinige in den Kopf. So wie man fast das Gehirn des Potfisches Sperma ceti nante; so getraue ich mir zu erweisen, daß die Musen nicht auf dem Gipfel des Parnasses, mit dem ich den Dichter iezt vergleiche, sondern im Thale desselben wohnen und daß man dem Poeten durch dieselbe Grausamkeit den Gesang rauben könne, durch die man ihn den Farinelli's giebt. Wenigstens würde er nachher den Kapaunen gleichen, die Eier ausbrüten, aber nicht befruchten können; d. h. er würde Verse ediren, aber nicht machen, oder von einem Original zu einem Nachahmer herunter sinken. Die Ursache verlarvt sich oft so unkentbar in ihre Wirkung, daß ich iedem den Unwillen über mein schändliches Paradoxon verzeihe. Nicht immer ist man der Lerche, die man hört, so nahe, daß man sie siehet. Allein in wem steigt nicht oft die dunkle Vermuthung auf, daß die Verse und die Sünden des Dichters, wie die Weissen und die Schwarzen aus den Lenden desselben alten Adams herstammen. Überhaupt fragen die Bewohner von dem Berge Parnas wenig nach den Gesezen des Berges Sinai: sie sind alle heterodox und sie schiessen nur so lange keine Epigrammen auf den alten Glauben, als eine Klopfstokkische Harfe ihre Finger unterhält; sie lieben in dem Prediger ihres Orts nichts als seine Töchter; sie machen ihre Verse meist am Sonntage, nicht blos weil sie da keine Kollegien besuchen, sondern auch weil da ieder Unpoet eine Predigt hört oder liest; ihre Epigrammen übertreten das achte, ihre andern Gedichte das sechste Gebot; die Polizei hassen sie beinah so innig als die Kritik; sie kleiden nicht blos ihre geistigen Kinder, sondern auch sich selbst nach englischer Mode und ihr Busen ist so offen wie ihr Herz; sie mischen in ihre Hippokrene so viel Wein, daß ihr pindarischer Unsin zum prosaischen Unsin derer herniedersteigt, die ihnen einschenken; wie sonst Missethäter zu den Statüen, so fliehen sie zu den Namen heidnischer Götter, um sich vor einer christlichen Andung ihrer Fehler zu retten, die Sünden des alten Adams bürden sie dem kleinen Amor auf, und beten den Teufel unter der Gestalt eines Fauns an. – Daß der poetische Sin mit dem sechsten Sin in demselben Stokwerke nämlich parterre logirt, erhelt aus der Stärke, die sie einander mittheilen. Die Venus ist nicht blos am astronomischen, sondern auch am mythologischen Himmel die Gespielin des Phöbus; Ehe dieser Bräutigam seine Kammer verläst, hat sie schon ausgeschlafen, und wenn er in dieselbe wieder eingegangen, ist sie noch munter. Die dritte und lezte Rolle spielt nicht selten der Merkur.Der Kritiker verzeihe mir, daß er hier an den Merkur des Astronomen und Chemisten zugleich denken mus. – Daher dieienigen, welche die Dichtkunst nicht gern herabsezen möchten, die Liebe desto mehr erhöhen; so schüttet z. B. Hippokrates das Satgetraide der Menschheit unter dem Dache auf d. h. er sezt die Samengefässe in die Ohren. – Daher findet man beide durch ähnliche Symptomen verschwistert; und zu dem Ausspruche

Homines homines faciunt in Paralysi

kan man hinzufügen, auch die Dichter die Gedichte: denn das Dichten ist, wie der Zorn, eine kurze Wuth. – Daher wächst der Lorber auf dem Boden, dessen Kräfte er nicht mit der Myrthe zu theilen braucht, mit frischem Zweigen der Zeit entgegen. So nährt, nach Bako, der zurückgehaltene Harn der Vögel ihr Gefieder und der Unrath düngt den schimmernden Federschmuck; woraus folgt, daß der Pfau den Stolz auf seinen Schwanz nicht blos durch das Andenken an seine Füsse, sondern auch an die Nahrung und Nachbarschaft des ersten überwinden könne, so wie den Poeten ins künftige nicht blos seine zerlöcherten schwarzen Strümpfe, sondern auch seine plüschenen Hosen das γνωθι σεαυτον buchstabiren lehren werden. – Ich wil übrigens durch meine Behauptung dem Kopfe nicht gänzliche Unthätigkeit beim Dichten zugemuthet haben; dieses Glied entwirft den Plan, dessen Ausführung das Genie übernimt »die Speise komt oft aus einem Lande, und die Brühe aus einem andern« sagt Addison, aber in einem andern Sinne. Nur hab' ich den Kopf der Erwähnung unwerth geachtet, weil ich das Kolorit der Zeichnung weit vorziehe. Der dürre Plan eines Gedichts komt vielleicht dem gesunden Verstande nahe, aber nur die Belebung desselben durch Worte und Metaphern verräth das Poetische. So ähnlicht dem Pferde nichts mehr als das Gerippe eines Esels,Man sehe die Abbildungen von Pferde und Eselgerippen in Büffons Naturgeschichte. Aus dieser Ähnlichkeit entsteht auch die Geneigtheit einiger Naturkündiger, den Esel für ein ausgeartetes Pferd zu halten. aber überzieht das kluge Skelet mit Fleisch, und vergesset die Kehle und die Ohren nicht, so steht das leibhafte Thier da, auf dem alle Gleichnißmacher, wie sonst die Könige, so statlich reiten. – Noch widerbellet der Überzeugung meines Lesers ein Einwurf, dessen Ausrottung vielleicht zu einer kleinen Ausschweifung gerathen wird. Der Leser nämlich ist vielleicht an die spanische Scheidewand zwischen unserm Kopf und unserm Herzen zu wenig gewöhnt, um einen Sänger der platonischen Liebe, der antiplatonischen fähig zu halten. Er vergist vielleicht ferner den Antheil des Körpers an unsrer Moralität und kleidet die bessern Kinder desselben in so schimmernde Namen, daß sie sich ihres Vaters schämen. Das leztere ist der Inhalt des folgenden Absazes; und das erstere des nächsten. Her A. verdankt nicht seinem Beichtvater, sondern seinem Arzte die Wiederherstellung seiner Frömmigkeit: sein Herz besserte sich mit seinem Unterleibe und ein Tobaksklystier öfnete den leztern dem Nachtstuhl und das erstere den Freunden. Her B. führt die Menschenfeindlichkeit mit Purganzen ab und leitet Mixturen in den Stal des Augias, um besser verdauen und lieben zu lernen. Der volblütige Her C. schreibt das Aufhören seiner Gewissenbisse nicht den Bissen hungriger Blutigel, sondern dem h. Geiste zu; allein selbst die Lanzette des Barbiers öfnet ihm vergebens die Thür des Himmelreichs, wenn er nicht anfängt, den unter der Gestalt von Lagerbier versuchenden Teufel zu fliehen und das Wasser zum Heil seiner Gesundheit und Seligkeit zu trinken, so wie man in der christlichen Kirche (zu verschiednen Zeiten) die Kranken mit Öl gesund und selig salbte, und gleich den koptischen Christen die Taufe zur blutigen Beschneidung hinzuzufügen. Aus dem Bruder des Hern L. exorzisiren Prügel die Raserei und sein wunder Rükken liest dem Gehirn ein Privatissimum über die Logik. Warum sezen doch bei dem wilden Hern D. die Anfälle der Güte so lange aus? – ein Flus ist ihm vors Ohr gefallen; daher predigen fünf Schafdärmer und viele Hare eines Pferdeschwanzes ihm die Menschlichkeit umsonst. Warum schrieb ich gestern mit so weniger Begünstigung der Phantasie, unsrer herlichsten Selenkraft? meine Aufwärterin that mehr Wasser in den Kaffe als gewöhnlich; heute stahl sie mir von einem Lothe nur ein halbes, daher ich denn bei diesem halben Bogen auf den Beifal aller Kunstrichter rechnen kan... Und nun nehmet die Liebe, die den Menschen zum Got und diesen Got, wie der Got Jupiter, zum Thier macht. Deine himlische Venus, lieber Jüngling, die sich, nach deiner gestrigen Schilderung, nicht nur mit Morgenröthe schmükte, auf deren Frisur nicht nur die goldnen Nägel des Himmels stat der Harnadeln glänzten, deren Reize nicht nur ein aus Sonnenstrahlen verfertigtes Neglige umhülte, deren Kehle nicht nur in seraphischen Trillern zitterte, deren Körper nicht nur schöner als eine Göttin; sondern auch deren Sele heiliger als ein Engel war – diese Venus kanst du heute nicht mehr lieben, ihre Tugend, die selbst ihren Reizen die Bewunderung halb entzog, hat heute ihre Almacht über dich verlohren? »Ja! denn nicht zu gedenken des Fontanels am rechten Beine etc.« ich verstehe dich, ihr ganzer Körper ist tugendhaft, aber das rechte Bein ist lasterhaft. Und die Stoiker sagen ia, daß Eine lasterhafte Fuszähe nicht nur die Tugenden der neun andern, sondern auch der übrigen Glieder unwirklich mache. – Die Eidschwüre einer ewigen Treue zerschneidet vielleicht die Sense des Todes nicht, aber wohl ein scharfes Messer, und derjenige hört gewis auf zu werthern, den man kombabusirt.

Meine Äusserung über das moralische Verhalten der Gelehrten mus man nicht für einen Tadel derselben auslegen; sie ist vielmehr der Schleier einer Lobrede auf sie. Denn ihr Herz, welches Laster begeht, entschuldigt ihr Kopf dadurch, daß er sie verbietet. Bei einem heidnischen Philosophen muste vielleicht das Herz den Kopf akkompagniren; aber einem christlichen kan man unmöglich zumuthen, an die Tugend, die er unter die Hirnschale logirt, auch noch die zwo Kammern des Herzens zu vermiethen; so taufte man sonst den ganzen Körper, aber iezt nur den Kopf des Kindes zum Christen: Was hälf' es dem Gelehrten, die Laster verschreien, wenn er sie nicht lieben darf, und wer kan seine Treue gegen die keuschen Musen besser belohnen als eine Hure? Wenn seine linke Hand dem Nachbar im Schauspielhause das Schnupftuch maust, so bedenkt auch, daß seine rechte eine Tragödie gezeugt, die aus allen hundert Augen eines Argus Thränen lokken würde, und ein Manuskript, in dem man die Nachdrukker Diebe schilt, kan man mit gutem Gewissen an drei Verleger auf einmal verkaufen. Ein Theolog darf die zehn Gebote ungestrafter übertreten, fals er sie nur aus dem Hebräischen ins Deutsche vertiren kan, und wenn er der Freundin des Herkules seinen gelehrten Magen weihet, so wird sie auf die Feindin desselben keinen schelen Blik werfen, die nur das Herz bekommen.

Was von denen gilt, die die Tugend in Prose loben, gilt noch mehr von denen, die es in Versen thun. Diese leztern gehen mit dieser Göttin wie die Katholiken (nach der Versicherung kluger Katholiken) mit den Bildern gewisser Heiligen um; sie behängen sie mit goldnem Schmuk, allein sie beten sie nicht an. Auf dem Kopfe eines Poeten liegt Puder und Pomade; an seinen Füssen klebt Staub und Korb; nur der Flug entfaltet an ihm, so wie an den Vögeln, den beweglichen Schimmer seines Gefieders, und er gleicht dem Vogel Greif durch die Adlersflügel, die ihn für den Bewohner der Lüfte erklären, und durch die vier Füsse, die ihn mit den Thieren der Erde verbrüdern. Das kleinste Nachdenken giebt uns die Entschuldigung desselben an die Hand. Er mus Menschen kennen lernen; allein das Studium derselben versüßt er sich oft durch die Nachahmung derselben: – Ferner rächt sich die Natur an einer übermenschlichen Erhöhung immer durch eine thierische Erniedrigung und die Arbeit und die Erhohlung schweifen immer über entgegengesezte Gränzen aus. Daher bricht die Tugend des Dichters auf seinem Pegasus den Hals, und wenn das Pferd sich in die Höhe bäumt, sinkt der Reiter. Ich kenne selbst einen grossen Dichter, der sich von der Besingung der platonischen Liebe durch die Freuden des sechsten Sins erholte. Nie werd' ich den Flug und das Götliche der Ode vergessen, die sein trunkner Enthusiasmus am Abend seines Hochzeittages sang; kaum steigt die Lerche höher, wenn sie sich begatten wil. – Ja oft unterbricht das Murren der ungeduldigen Natur die Harmonie der Sphären und das wilde Schwein erschüttert unten durch das Reiben seines geilen Rükken den Baum, auf dessen Gipfel ein Vogel nistet und singt; verzeihet daher, liebe Mitchristen, dem armen Musensohn, der wie die Mönche den fastenden Tag auf die prassende Nacht gründet und den alten Adam anzieht, wenn er die Hosen ausgezogen. Kaum hab' ich iezt z. B. meinen Satir auf einige Zeit entlassen, so komt der Teufel in der Gestalt eines Pavians (diese zwei gleichen meinem gehörnten Schosthier ziemlich) und wil mich versuchen. Allein ich veriagte ihn gleich mit Dinte, wie der sel. Doktor Luther, d. h. ich fahre fort, die Sinlichkeit meiner Kollegen zu entschuldigen. An der Ebbe und Fluth ihrer Sünden hat die Ebbe und Fluth ihres Reichthums den meisten Antheil. Die Wilden in Brasilien erzählen von der Schlange Curururyyva, daß sie ihren Leib, so bald sie ihn mit Speisen angefült, den fleischfressenden Vögeln überlasse, die ihn bis zum Skelet abnagen, welches darauf ihr Lebensgeist, der sich sonst in ihrem Kopfe und iezt im Kothe aufhält, zur vorigen Schönheit, Gestalt und Grösse belebe.Onomatologia historiae naturalis etc. 3. Band. S. 538. Kaum traute ich bey der ersten Durchlesung dieses Mährgens meinen Augen; ich sah' in der abergläubigen Lüge eine schöne Allegorie verstekt, und vergas über den Genus des Wizes beinahe, daß die Wilden in Brasilien weder den Dichter A. noch B. ia vielleicht auch nicht den Hern C. kennen, der zum Besten seiner Nase in der Welt umherstreift. – »Aber der lasterhafte Autor reist ia so das Werk seines tugendhaften Kindes wieder nieder.« Warum folgt man denn dem Beispiel nicht als den Lehren? Der Baum, über dessen Wurzel du stolperst, trägt ia auch die Zweige, woraus du einen Stab zum Schuze deiner Füsse schnizen kanst. – Aber ich entschuldige ia Gelehrte und Dichter gar zu gut; sie opfern der Tugend doch nichts als Verstand oder Einbildungskraft und gleichen den Kamtschadalen, die ihrem Got verdorbne Köpfe und Schwänze von Fischen darbringen.

Es bleibt also dabei, vortrefliche Musensöhne, (um wieder zum Eingange des Labyrinths zurükzukehren) herkulische Lenden sind immer mit einer herkulischen Kehle gepart; wenigstens fliegen die Vögel nicht nur mit den Flügeln, sondern auch mit dem Schwanze.

Beinahe hätte ich meine Abhandlung ohne die Erwähnung des Kopfes beschlossen, dessen Besiz der körperliche Autor allerdings mit dem Zeugnis des Friseurs belegen kan. Ich wil also iezt den Fleischer nachahmen; dieser giebt den ungeniesbaren Kopf als Zulage hin, und macht ihn durch das fette Hinterviertel verkäuflich. Solte mir iemand vorwerfen, meine Abhandlung verfalle durch den zweiten Kopf, der ihren Schwanz macht, in eine zu sichtbare Ähnlichkeit mit iener Schlange mit zwei Köpfen und keinem Schwanze; so vergist er offenbar, daß der Bericht der neuesten Reisebeschreiber den angeblichen zweiten Kopf des Thiers zu einem wahren Schwanz herabsezze. Der Kopf eines Gelehrten verschaft ausser den kleinen Vortheil, daß er für den Doktor- und Magisterhut einen Träger, und für den Physiognomisten einen genievollen Schedel abgeben kan, keinen andern, als diesen, daß er die langen Ohren trägt und nährt. Sobald das Publikum diese leztern Gliedmassen gehörig mit Lob und Wind füttert, so entsprechen sie der freigebigen Hand durch einen erstaunenswürdigen Wachsthum, den überdies das Alter nicht unterbricht. So trägt z. B. mein Gefatter Smerdis ein Par Ohren, die beinahe noch länger sind als der Oktavband, den er wider die langen Bärte der Alten auf Pränumerazion herausgegeben. Doch dieses alles werd' ich in Gesners Traktat de antiqua asinorum honestate nächstens besser entwikkeln, welches ich für mein eignes Werk ausgeben und durch den Zusaz der entgegengesezten Lesart von antiqua für unsre aufgeklärten Zeiten nuzbarer machen werde. Dieses Werk werden unzählbare Zeichnungen langer und meist origineller Ohren schmükken, deren Beschaffenheit ich den Köpfen berühmter Gelehrten bei Überreichung meines Stambuchs, soviel es Lorberkranz und Schlafmüze gestatteten, abgesehen. Ich bitte daher ieden Bürger der gelehrten Republik, dem es um den Wachsthum der Akustik zu thun ist, mir einen Schattenris von seinem Ohr gegen künftiges Ohrenfutter zukommen zu lassen. Die Tolhäuser werden freilich wenige Zeichnungen liefern; aber die Akademien desto mehrere. – Von den schriftstellerischen Augen hab' ich nichts zu sagen; man weis ia, daß die Nachteule, die gut hört, schlecht sieht; – Vom Gehirn noch weniger; denn ich zweifle an seiner Existenz eben so sehr als mancher Anatomiker (und ieder Eheman) an der Existenz des Hymen. Der Mangel desselben verträgt sich so gut am Gelehrten mit der Menge der Kentnissen als an den Insekten mit der Menge der Augen. Aus dem allen folgt, daß man der Redensart »der Mensch hat Kopf« künftighin die Wendung geben könne »er hat Magen.«

So hab' ich denn die Philosophie vom Himmel gerufen und den Körper in seine alten Rechte eingesezt. Nun verdankt der Autor ihm nicht blos die Gesundheit, sondern auch die Unsterblichkeit; so wie die Schlange sonst von beiden das Sinbild war.

Ich würde dieser Abhandlung ein dreifaches Register beigefügt haben, wenn ihr gedankenvoller Inhalt nicht iedes entbehrlich machte. Denn ein Inventarium darf nur die Bücher vergrössern, die ausser den gestohlnen Schäzen keine enthalten und nur ein gehirnloses Rükgrad sol sich in einen zierlichen Schwanz verlängern. So wie die französischen Schönen unter dem Frauziskus II. zwar ihren Hintern mit Kleidern vergrösserten, aber doch auch zugleich ihr Gesicht verlarvten: so kan man den riesenmässigen Hintern eines Buchs, d. h. das Register mit nichts als der Kleinheit seines zusammengeplünderten Vordertheils entschuldigen. – Solte übrigens, in den Augen der Kenner, meinem physiologischen Beitrag dichterischer Flug zu häufig mangeln: so schreibe man das Prosaische auf die Rechnung meiner Täuschung, noch ein Barde zu seyn. Man wird nämlich wissen, daß Zierrathen der Philosophie weit besser als der Dichtkunst passen, und so wie die Deutschen ihre Schilde mit Verschönerung überluden, ihrer Kleidung hingegen alle Verzierung mit der Wuth des Martin im Mährgen von der Tonne versagten, eben so schikt sich für das philosophische Schild der Minerva wohl rednerischer Bombast, aber weder für ihren Kopfpuz noch die andern Dekken ihrer Reize. Aber ich habe beinahe mein obiges Versprechen, die Abhandlung zu schliessen, vergessen.


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