Jean Paul
Grönländische Prozesse
Jean Paul

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Der Gedanke der Unsterblichkeit verzukkert also dem Schriftsteller sein ieziges bitteres Leben. Dies bringt mich auf die Betrachtung, daß Autoren nicht nur für ihren Magen, sondern auch für ihre Ohren schreiben, und Lorbern brechen, nicht nur um damit den Geschmak einer Rindfleischsuppe zu verbessern, sondern auch um sie um die Schläfe zu winden. Und dieser Endzwek ist auch erreichbarer als der vorige. Denn das Publikum bezahlt weniger karg als der Verleger, weil dieser die Belohnung in Geld und ienes sie in Wind auszahlt. Übrigens steht der kritische Ablas iedem für Geld, künftige Gegendienste u. s. w. feil, wie ich weiter unten von den Rezensenten zeigen werde, ieder wunderliche Heilige wird zum Gegenstande der Anbetung kanonisirt, und es giebt iezt der Unsterblichen eine solche Menge, daß man nur die neuesten kent und die übrigen schon vergessen hat. Die heutigen Journale, die Archive des schriftstellerischen Ruhms, sind daher nichts als eine Zusammenhäufung von Abbildungen der besten, deutschen Köpfe und ihrer Gaben, die endlich vom Ruhme der Kritiker selbst gekrönt wird – eben so ist ein Thurm in Ispahan, der aus lauter Ziegenköpfen, deren Hörner auswärts stehen, gebauet ist, und dessen Spize der Kopf des Baumeisters macht. – Hat dich der Zirkel deiner Bekannten einmal mit Bewunderung umräuchert, ein Klubb bartloser Rezensenten zum Erben des Nachruhms erkohren, oder gar ein Trup Nachahmer zum Führer einer gehörnten Herde ausgeblökt, und, was am meisten ist, ein Schok Weiber für den Kizel ihrer Thränendrüsen mit der Verewigung beschenkt: so glaube fest, dein Name sei der Zeit gewachsen, so troze dem Tadel unbekanter Klugen, so verachte die sichtbaren Zeichen deiner nahen Sterblichkeit, so füttere durch deine Fruchtbarkeit die gefrässige Vergessenheit sat, damit sie wenigstens etliche deiner Geburten verschone, und widerkäue in Gedanken deinen Ruhm, das Urtheil einer klügern Nachwelt hoffend, um deinen Muth in Verbreitung des Unsinns zu stärken, gleich der pythischen Priesterin, die sich durch gekäute Lorbern zur Raserei in heiligen Versen, erhob. Zwar hindert der unächte Kritiker die Beruhigung deines Ehrgeizes, durch unnüze Drohungen; allein im Grunde hindert er sie nur so lange, als das vorübergehende Gefühl deiner Schwäche ihm beifält, als dein Stolz ihn nicht widerlegt. Doch wil ich einige Perioden hin durch seine Sprache reden, um ihn hernach in der deinigen besser zu widerlegen. »Stolze Insekten, spricht dieser Herold der deutschen Schande, die ihr euch im warmen Stral der Abendsonne ein ewiges Leben träumt, oder auf dem Kothe, eure Wiege und eure Nahrung, den spielenden Glanz eurer Fliegeldekken bewundert, wie leicht kan euch der nächste Frost zerstöhren! Die heutigen Gözen des Tags riechen nach dem Weihrauch ihrer Verehrer; aber wie die Hunde bei verändertem Wetter stinken, so wird die kleinste Verbesserung des Geschmaks sie in den Abscheu der deutschen Nase verwandeln, und gleich einem Lichte wird ihr Ruhm kleiner werden, ie länger er glänzet. An diesem Ruhme werden sich die Zähne künftiger Mäuse wezen, und die Würmer – der Nachtrab des Todes – werden die gepriesnen unsterblichen Produkte noch früher als ihren sterblichen Schöpfer verdauen. Die Behältnisse des iezigen poetischen Feuers werden die Tobakspfeifen der Nachwelt anzünden, und den Pfeffer des Enkels umkleiden. Vorausgesezt, daß noch ein so später Tod sie verewigt, vorausgesezt, daß die Nachwelt sie durch die Spezereien der Rezensenten als Mumien, oder durch den scharfen Spiritus der Satire als seltne Misgeburten überkomt. Die Zeit wird dan die Flekken dieser Bücher, wie des Seehunds seine, vergrössern, und iedes Jahr ihnen in einer neuen Runzel das Zeichen seines vorigen Daseins zurük lassen. Die iezt streichenden Almanachs und übrigen Poetereien werden, gleich den streichenden Heringen, durch das Fortschwimmen im Flusse der Zeit immer magrer werden, die hinrauschenden Jahre den Kleister modischer Verschönerung abspülen, und die Sense der Zeit die iezigen Blümgen wegmähen.«Doch wird man diese verwelkten Blümgen auch einmal für kritische Ochsen, als Heu zum Wiederkäuen brauchen können. So sagt der Kritiker; natürlich, daß ihm kein Autor glaubt, weil ieder blos sich glaubt. Wie leicht läst sich das Zischen der Misbilligung, über die Stimme des eignen Beifals und über die Hofnung eines bessern Urtheils verschmerzen! Und diese Hofnung ist nicht ungegründet. Denn die billigere Nachwelt wird unfehlbar dem Verdienste der heutigen Autoren die iezige Verachtung mit doppelter Bewunderung vergüten, und diese vortreflichen Schriftsteller werden erst unsterblich werden, wenn sie gestorben sind. So schwellen in Persien die todten Körper auf; so stinkt der Same des Korianders auf der Pflanze, und gewint nach der Trennung von derselben Wohlgeruch. Erst im Grabe werden sie dem Feuer ihres Genies freien Wirkungslauf lassen können, wie die Bomben erst in die Erde fallen, ehe sie die feurigen Werkzeuge des Todes um sich schleudern; erst aus ihren modernden Köpfen wird der Lorber, gleich den Haren, hervorspriessen, eben so grünet das Mos auf den faulenden Köpfen der hölzernen Esel vor den Stadthoren. Wie der weisse Schleim, womit der Wurm in der Perlenmuschel die Öfnungen seiner Schale stopfet, nach und nach zur Perle reift, ebenso wird der Nervensaft der oftgedachten Schriftsteller, der für schlechte Zwekke und oft blos für die Verbesserung zerrissener Kleider verschwendet wird, mit der Zeit in den glänzenden Gegenstand der künftigen Bewunderung sich verwandeln und zu den aufgereihten Perlen der übrigen Genies sich fügen. Denn vielleicht, daß das Geschlecht der Kenner nicht ausstirbt, die nur Bücher, welche die Würmer angefressen, schmakhaft finden – und so fehlt den Produkten der heutigen Autoren zur Unsterblichkeit nichts als eine lange Vergeßenheit und die Zähne der Würmer; wie die Produkte des Rindviehes, die Käse, sich durch Alter und Milben dem Gaumen empfehlen. Auch die Wilden finden faulende Fische am wohlschmekkendsten. Ja noch mehr, künftige Kritiker werden die Geburten der iezigen Köpfe zu Lehrern ihren Zeitverwandten distilliren, wie der Chemiker aus verfaultem Urin leuchtenden Phosphor schaft; und ihre Dinte wird die vermoderten Reliquien der Genieinsekten zum neuen Leben erwekken, wie aus einer mit Rindsblut besprizten Krebsasche neue Krebse auferstehen.Mit dieser Auferwekkungskraft ist der unschäzbare Verfasser des Annulus Platonis begabt, welcher annulus 1781 schreib ein tausend siebenhundert und ein und achzig herauskam, und in welchem annulus der alchymistische Unsin, wie der Papagei in dem Ringe seines Bauers sich wieget. Von der Kunst solcher Kritiker hat also die heutige scheinbare Dumheit nach ihrem Tode die Verwandlung in Weisheit zu gewarten – eben so schuf sich Virgil aus einem toden Ochsen einen ganzen Schwarm von Bienen, eben so macht man aus dem wässerichten Gehirn des Potfisches Lichter – Gesezt aber auch, euer Ruhm hinkte eurer Schande auf zu langsamen Stunden nach; gesezt alle Eingänge zum Tempel der Ehre wären verschlossen, so steht doch jedem noch diese Hinterthüre offen. Denn nämlich, obgleich der Parnas durch die Umgrabung und Umwühlung von tausend schriftstellerischen Händen, unendlich an Fruchtbarkeit gewinnen mus; so ist doch ausgemacht, daß ihm durch die Verwesung aller dieser Glieder eine noch grössere zuwachsen müsse, wie man an einigen Orten die Weinberge nicht ohne Nuzen mit Ochsenklauen düngt. Wenn nun der Tod des Schriftstellers der Literatur frommet, so komt er auch dem Ruhme desselben zu statten – und so nährt die Verwesung seinen Lorber, so wurzelt auf seinem Grabe seine Unsterblichkeit. – Auf diese Weise ist jeder Schriftsteller seiner Verewigung versichert, und die Menge seiner Tadler beweist nur seine Untadelhaftigkeit, und ihr Sieg über das Leben seines Ruhms seine Vorzüge: denn je mehr Träger, desto vornehmer die Leiche. – Ja jede Schande sezt Ehre voraus; wer hängt, ist über die Erde erhaben. Und oft macht diese Schande berühmt und gros; eben so lassen die Rezensenten das Tadelhafte einer Schrift mit grössern Buchstaben drukken, eben so wird eine Mutter durch eine Misgeburt und ein Verbrecher durch den Pranger bekant. – Zu den obigen Gründen für die Verewigung der heutigen Schriftsteller fält mir eben ein Beyspiel aus den neuern Zeiten ein. Nämlich: wer hätte sich ie die Möglichkeit träumen lassen, daß Dichter des dreizehnten Jahrhunderts dem geschmakvollen Gaumen des achtzehnten behagen können, wer je den Minnesängern ihre iezige Auferstehung weissagen mögen? Und doch hat der Geschmak unter Friedrich und Joseph, die bestäubten Musen unter den schwäbischen Kaisern geplündert. Dieser lobenswürdige Fleis nun, der in den Bibliotheken, den litterarischen Gottesäkkern, nach altem Unrath scharret, wird auch auf unsere Nachkommen erben. Dann werden die künftigen Freunde des grauen Unsins, die jezigen Freunde desselben belohnen und zweite A-Z werden die poetischen Reliquien unserer Zeit für den Geschmak ihres Publikums verbessern, und sie von den verstorbenen Schönheiten säubern, – eben so kämte D. Kunastrokius Eselsschwänze klar, und rupfte die tauben Hare mit den Zähnen aus.Siehe Tristram Shandi's Leben. 1. Theil 7. Kapitel.

Allein nicht alle schreiben, um Ehre zu erhalten; einige auch, um sie andern zu nehmen. Von diesen nun, die der Neid zu ungerechtem Tadel begeistert, deren Ehrgeize fremde Schande schmeichelt, und die man kurz unter den Namen der Rezensenten befasset, von diesen weiter unten!

Das dichterische Feuer steht dem Schriftsteller nicht immer zu Gebote, und das Genie fällt eben so oft in Ohnmacht, als ein Frauenzimmer. – Dieser Ermattung nun helfen verschiedene künstliche Reizungen ab. Der Schöpferkraft des Weins verdanken wir manchen gereimten Unsin, und dem Schaume desselben manche Venus. Die Poeten und die Hunde nämlich verliehren ihren Verstand auf entgegengesezte Arten. Der Mangel an Getränken macht die Hunde närrisch, wütend oder dichterisch; allein nur der Überflus daran spricht den Dichter von seinem Verstande los, und spornet ihn über die träge Vernunft hinweg. Diese Hize des Weins stört den Unsin der Phantasie aus seinem Winterschlafe, und wekt die buntschekkigte Brut der Träume aus ihrem Schlummer; – aus allen Winkeln des Gehirns kriechen verborgene Einfälle hervor, jede Ähnlichkeit, jede die Stammutter einer Familie von Metaphern, samlet ihre unähnlichen Kinder um sich, und gleich einer wandernden Mäusefamilie, hängt sich ein Bild an den Schwanz des andern; – alle Saiten des hohlen Kopfes tönen zu einem gleichzeitigen Misklang, das Gedächtnis wirft seine gestohlnen Schäze aus, und wie Heu durch die Nässe, erhizt sich der zusammengeraubte Haufen von verwelkten Blumen durch das Getränke. Nur auf diese Weise kan der Parnas mit einem Bedlam weteifern, nur durch das Einsaugen einer solchen Lauge kan der Unsin zu einer pindarischen Höhe aufschiessen. Darum waren auch alle geflekte Thiere dem Bacchus heilig; – wenn man nämlich das buntaustapezierte Gehirn eines Musensohns mit einem vielfarbigen Thierfelle vergleichen darf. Daher ist begreiflich, warum Bacchus seinen Hörnerschmuk bald an- bald ablegte; vorausgesezt, daß durch das vorige die Ebbe und Fluth des dichterischen Unsins begreiflich geworden. – Daher verehre ich neben den huldreichen Mäzenen, deren Verdienste der Magen dem Schriftsteller in die Feder sagt, niemand mehr als die Spinnen. Denn eben diese beschüzen mit ihren Geweben die Trauben vor den gefräßigen Mükken, und bewachen den Wein, den die Gönner an die Poeten verschenken. Auf diese Weise hängt an der Fruchtbarkeit des Hintern der Spinnen die Fruchtbarkeit genieartiger Köpfe; auf diese Weise nuzen dem Parnas unter allen Spinnen die natürlichen am meisten. – Daher verehre ich neben den huldreichen Mäzenen auch die Esel. Denn die Näscherei eines Esels veranlaste die Beschneidung der Weinstökke. Dafür errichteten ihm die Nauplier in Argien ein steinernes Ebenbild; und das hölzerne Ebenbild desselben von den Stadtthoren möcht' ich fast der Dankbarkeit der Dichter anempfehlen, da noch über dieses seine langen Beine ihr Ätherleben füglich abbilden. – Allein der Wein ist ein zu kostbares Mittel der Begeisterung, er ist öfter der Endzwek als der Vater der Verse, und manches Weinlied hat der Durst gemacht. Auch verraucht für die vorgesezte Anstrengung des Vielschreibers sein Einflus zu bald, den oft überdies die darauf folgende Lerheit im Kopfe, auf dem Papiere und in der Börse verbittert. Mit Vorbeigehung des edlen Gerstensaftes, und der übrigen Getränke, deren Einflus auf den langsamen Nervensaft schon durch gedrukte Zeugnisse verewiget worden, komm' ich daher auf die äussere Hize, die das Blut reichlicher nach dem Kopfe treibt, und der geistigen Fischerin einen reichen Fischzug von Ideen verspricht. Die Sonnenhize wekt nicht blos schlafende Fliegen, sondern auch schlafende Ideen aus ihrer Erstattung, und vereiniget in dem Kopfe wie in der Atmosphäre Dünste zu Blizen. Ihre Wärme zeitigt Früchte und Bücher, und leitet den Nervengeist nach dem Kopfe, wie den Saft der Erde nach den Gipfel des Baums. Zu Rom sollen in den Monaten der grösten Hize die meisten Mordthaten geschehen. Wenigstens aus den Lenden des Maies mag bei uns manches Almanachsgedicht entspringen. Dazu ist im Mai die Hochzeit der Natur; und die Jungferschaft der Musen wird doch nicht allein den Begierden des Dichters trozen und seine Verse überleben wollen? Der Hundsstern ists, unter dessen Wuth der Hund in gefährlichen Geifer und der Dichter in nüzliche Verse ausbricht, und der beide an die Menschen hezt. Im Winter ist ein warmer Ofen der Vice-Apollo. Er schmelzet unähnliche Begriffe in einem Vers zusammen, und nährt unbefiederte und dem Ei der dunkeln Idee kaum entschlüpfte Hirngeburten mit dem beschleunigten Zuflus gestohlner Ideen – so nistet die Schubuteule an den heissesten Orten, wo die Sonnenhize das Aas für ihre Jungen in Brei auflöset. – – Aber o ihr Stüzen des deutschen Wizes, wendet nie an die Begeisterung zu viele Kosten, und schwizt und trinkt nie zu oft, oder zu sehr, damit ihr beides lange könnet; sonst würdet ihr euer theures Loben der Verewigung aufopfern, sonst würde der Pegasus gleich dem gezähmten Krokodil, seinen Reiter verschlingen. –


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