Jean Paul
Grönländische Prozesse
Jean Paul

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IIII.
Über Weiber und Stutzer

Ein Brief

Liebster Freund!

Es giebt zweierlei Freunde. Das Herz der einen gleicht den wilden verwachsenen Höhlen, in die man vor zufälligem Regen flüchtet, und das Herz der andern einem lachenden Sommerhaus, welches schöne Tage zum Tempel der Freude einweihen. Sie verhalten sich zu einander, wie Regen- und Sonnenschirm, wie Winter- und Sommerkleid. Zu welcher Klasse ich Sie zähle, werden Sie bald erfahren, wenn Sie aus dem folgenden erfahren, welchen ich iezt brauche. – Ich habe mich in den Stand der heiligen Ehe begeben, das heist unlakonisch also: ich habe den Sodomsapfel, stat blos meine Hofnung an seiner schönen Oberfläche zu weiden, aus thierischem Hunger angebissen und zur Belohnung Staub in demselben, das Werk eines frühen Wespenstiches, angetroffen; das heist, ich habe die hungrige Voreiligkeit meines Magens die angenehme Täuschung meines Auges vernichten lassen, und wie ein Kind mit dem glänzenden Kleister einer Puppe, die mir blos zum Spiele gegeben war, meinen neugierigen Gaumen beleidigt, das heist, ich habe mir die Flügel des Amors mit dem Bande des Hymen fest zusammenbinden lassen, und bin nun schläfrig nach der Mahlzeit; das heist, ich bin aus einem Dichter ein Mensch geworden, oder figürlich, eine widernatürliche Verwandlung verdamt den Schmetterling, den flüchtigen Gast der Blumen, zum Schiksal der trägen Raupe, die lebenslang an Einem Kraute nagt, oder die Schmerzen des Auges bezahlen das Vergnügen, das die Nase in dem künstlichen Rauche fand; das heist endlich, das hizige Fieber (so nenne ich den Enthusiasmus) ist von dem Wasser ausgelöscht, nach welchem es so lechzte! Und wenn es nur dies hiesse; aber bei mir heist es mehr! Mein neuer Stand lehrte mich Dinge kennen, deren Ungereimtheit selbst im Traume sich verriethe, und deren Möglichkeit man blos einer bittern Erfahrung einräumt, und die angenehme Bezauberung meiner Unwissenheit löste ein Unterricht auf, dessen Mittheilung meinen Brief füllen sol. –

Sie kennen meinen alten Vetter, der die iezige Welt, ungeachtet sie nun meistens für ihn abgestorben, doch durch seine Brille in keinem falschen Lichte sieht, und die menschlichen Thorheiten zu sehr verachtet, um die alten den neuen vorzuziehen. »Nichts ist einfältiger, sagt er immer, als mit der alten Welt eitel sein, um es nicht mit der neuen zu sein, wie nichts unerträglicher, als mit der Demuth prahlen. Die Leute, die durch unmodische Narheiten über modische siegen, gleichen denen, die durch alte Schäden gegen den Anfal epidemischer Krankheiten sicher gestellt sind.« Diesen alten Vetter fragt' ich, wie vornehm und wie alt meine zweites Selbst sein müsse. »Wie alt? nicht sehr alt! Denn nur ein unreifes Weib ist zur Ehe, wie unreife Gurken zum Essen, reif. Zwar lassen beide sich durch Essig und Salz für den Gaumen zubereiten; aber nicht ieder liebt das Eingemachte, nicht ieder giebt sich die Mühe der Zubereitung, und mancher verlangt seinen Sallat früher als im Winter. – Die Parzen spinnen neben unserm Lebensfaden auch das Band der Freundschaft, das uns almählig so gar mit den Gegenständen unsres Hasses verbindet, und wir würden mit dem Teufel selbst Brüderschaft trinken, wenn er sich auf dieser Erde öfters und nicht blos im Finstern sehen liesse. Was Wunder, wenn daher ein Mädgen sich in den Proteus der Mode verliebt, gesezt er erschiene auch in der Gestalt eines Affen wie sonst, oder eines Schweines wie iezt? Was Wunder, wenn es mit seinem Puze, anfangs der Nahrung einer kleinen Eitelkeit und darauf einer unschuldigen Liebe, seinem Stolze und seiner Bulerei fröhnet; wenn es durch den täglichen Genus der Schmeichelei zum Ekel gegen kältere Achtung verwöhnet, die wohlfeile Befriedigung einer stolzen Schwachheit in dem angenehmem Siege derer findet, deren Kompagnie Amor täglich mit neuen Rekruten vermehrt? Auf tugendhaften Widerstand rechne ich wenig, weil ihn die Zeit besiegt. Die Geburten stuzerischer Zungen machen endlich das beste Herz, wie der Korb gewisser Vögel kahle Felsen, für Unkraut urbar, und irgend ein Flek im Stundenglas der Zeit nimt doch endlich die Farbe des aufrollenden Sandes an. Wählen Sie daher, wie ich schon gerathen; denn obgleich freilich iunge Herzen, vermöge ihrer Weichheit, gleich dem weichen Bernstein, am leichtesten modische Insekten aufnehmen, so hindert doch noch keine Verhärtung, den winzigen Gast los zu werden. – Da übrigens das erste Jahr der Ehe, wie mich dünkt, das lezte Jahr der Erziehung eines Weibes ist; da ferner die Schöne, deren Mund wegen ihrer Jugend den Zügel des vierten Gebots noch kent, einen angenehmem, seidnen Zügel weniger unleidlich finden wird, so erhelt die Richtigkeit meines Raths auch ohne den Zusaz, daß eine iunge Schöne endlich dem Mann manche Schamröthe über Thorheiten erspare, zu welchen das Ehebette – der Altar der Thorheit – und die Schlafmüze, die Schellenkappe des Weisen, veranlassen. Daß ich Ihnen das entgegengesezte Extrem nicht anpreisen werde, werden Sie schon aus dem Misklange vermuthen, den weibliches Alter und mänliche Jugend mit einander formiren. Das heiss' ich, wie die Kaufleute und Fuhrmänner, die alte schmuzige Schlafmüze mit einem neuen schönen Hute bedekken, oder wie buhlerische Matronen, den durch die Kunst veriüngten Kopf auf einem alten, welken und krummen Rumpf herumtragen – Wie vornehm? fragen Sie; gar nicht vornehm, antwort' ich, vorausgesezt, daß Sie ausser den genanten Übeln das vermeiden wollen, der Sclave einer vormaligen Mannesrippe zu werden. Denn nur in den geringeren Ständen sind die Männer Männer, aber in den höhern sind es die Weiber, und in Rüksicht der Raubvögel ist es ohnedies ausgemacht, daß die Weibgen grösser als die Mängen sind. Auch bellet ein Schoshund ieden an, den ein Jagdhund in Frieden läst; nicht zu gedenken, daß der eine seinen Müssiggang mit Konfekt bezahlet haben wil, und der andere die blossen Knochen seiner fetten Beute nicht verschmähet« – Sie werden selbst einsehen, daß mein kluger Vetter weniger weltklug als altklug gerathen, und daß zufolge seines ersten Raths, ein weibliches Kind mein zweites Selbst geworden wäre. Sein zweiter veranlasse die Thorheit, daß ich in Mädgen geringern Standes die Erziehung übersah, mit welcher stolze Mütter sie zu der künftigen Verbindung mit einem reichen Opfer ihrer Eitelkeit, ausrüsten und zu einem Hunger nach Thorheiten reizen, den der Aufwand des Reichen kaum sättigt. Denn kurz, auf eine solche Tochter wirkte mein Geld und mein Rock so sehr, daß sie mir ewige Liebe schwur, nachdem ich sie nicht oft auf den Knien darum gebeten hatte, daß sie sie mit vielen Küssen versiegelte, nachdem ich sie vorher mit Bezahlung vieler Galanteriewaren versiegelt hatte, und daß sie sie sogar in einigen lyrischen Gedichten besang, die sie in einer edlen Ergiessung des Herzens, aus sehr wenigen Blumenlesen zusammenstoppelte. Aber näher zur Schilderung meines zweiten Selbsts, welches ich unter dem Namen seines Geschlechts schildern werde.

Das Kind meines Pinsels mag mit dem Kopfe zuerst auf die Welt kommen. Man fängt vom unbedeutendsten gerne an, und wenn dem von Apelles gemahlten Kopfe der Venus noch kein Mahler einen eben so schönen Rumpf geben konte, so beweist dies nur, daß die Verschönerung des geringsten Gliedes der Göttin die Kunst ausser Stand gesezt, ihren wichtigem Gliedern eine verhältnismäsige Vortreflichkeit zu geben. Eine schöne Frau hat nicht nöthig, klug zu sein: denn ihre Schönheit sezt sie in den Besiz aller der Volkommenheiten, die kaum ihr feurigster Anbeter an ihr findet; sie ist also äusserst verständig. Wer wolte auch eine dumme Rede im Munde eines schönen Frauenzimmers für eine dumme Rede halten, wer an einem weiblichen Geschöpfe die Schönheit rühmen, ohne über den Verstand desselben in Entzükkung zu gerathen, ia ohne diesen, der nicht wirklich ist, höher zu schäzen, als iene, deren Wirklichkeit eben zur Lüge verleitete? Trachtet, ihr Schönen, am ersten nach der Schönheit, das übrige wird euch alles zufallen. Zwar sind die Weiber geschaffen, zu gefallen, aber nicht zu denken; zwar kan man, wenn Pope vom Menschen (eigentlich vom Manne) sagt: er trit auf, um sich einmal umzusehen und zu sterben, von der Frau sagen: sie trit auf, um sich einmal sehen zu lassen und zu sterben – allein eben deswegen.

Ungeachtet dieses Überflusses an Verstand nun, wird iedes schöne Gesicht iezt der zweite Schöpfer seines Gehirns. Die deutschen Schönen wollen nämlich ihren Nachbarinnen nicht blos den Kopfpuz zu danken haben, sondern unter wizigen Koeffüren auch ein wiziges Gehirn tragen. Kurz, die Verbesserung der Oberfläche des Kopfes ist nun zur Verbesserung seines Innern ausgeschlagen. Kartenblätter waren die Vorboten der ernsthaften Buchdrukkerei. Der buntschäkigte Laufer kündigt den gravitätischen Hern an. Der Kantor präludirt zu einem Buschoral ein hüpfendes Scherzo. Sie würden schlecht rathen, wenn Sie diese Verbesserung der Venusköpfe auf die Rechnung nüzlicher und nöthiger Kentnisse schrieben. Weit gefehlt! Romane sind die Schminktöpfe weiblicher Selen, Romane nüzen dem Kopfe und dem Herzen wie die Sonnenschirme, mit denen die Schöne ihr Auge gegen das Licht, und ihre Füsse gegen das Anstossen auf einem ebenen Wege, verwahrt; und ich schlos sehr richtig von der Unbekantschaft meiner Frau mit der Ökonomie, auf ihre Belesenheit in belletristischen Schriften. Vielmehr hat leichter Wiz den schwerfälligen Verstand aus ihren Köpfen verscheucht, wie der lebhafte Fuchs mit seinem Harne den schläfrigen Dachs aus seinem Baue veriagt. Ja modische Schleifsteine haben so gar ihren Wiz bis aufs Heft abgeschliffen, der aber freilich gegen seine Schneide vortreflichen Glanz eingetauscht. Daß ich blos der Frau Wiz einräume, die ihn aus ihrer schöngebundnen Bibliothek zusammengeschart, die ieden dürren Gedanken, wie die Kinder ihre hölzernen Puppen, in verschiedene gestohlne seidne Flekgen kleidet und von deren Zunge die Quintessenz der vormittägigen Lektüre, wie von mancher Nase das Geistige des verdauten Tabaks, abtröpfelt, versteht sich von selbst. Und daraus läst sich auch verstehen, daß ihre Sele wie ihre Toilette durch unordentliche Mannigfaltigkeit und reichen Vorrath an nöthigen Reizen, verschönert wird, daß der Kopf so weit wie ihr Herz ist, und beide durch kurze Beherbergung der Bücher und Anbeter, und durch freundliche Aufnahme neuer Gäste, ihrem steinernen Ebenbilde gleichen. Aber noch mehr! Nun haben weibliche Kolonien den Musenberg eingenommen, und durch den Sturz der beneidenswerthen neun Königinnen für die Oligarchie eine Demokratie eingeführt. Nun löset die Feder die Nadel ab, die Leier des Orpheus entzieht die weiche Hand dem altväterischen Spinrade, und unsere Weiber kochen blos für das Publikum. Nun schwängern Stuzer sie stat der leiblichen, mit geistlichen Kindern, nun wächst der Lorber unter ewigem Puder, wie grüne Bäume unter dem ewigen Schnee der Alpen hervor, und verschönert die Architektur des Kams, und nun endlich vereinigt sich die Taube der Venus und die Eule der MinervaSonst war die Krähe der Lieblingsvogel der Minerva. Vielleicht hat sie ihren vorigen Rang der Eule wieder abgelaufen, und zum Besten der Damen über den Zorn der Minerva mit einer Zunge gesiegt, deren Beweglichkeit sie den Verlust der genanten Ehre kostete. auf demselben Schosse und freuen sich in Geselschaft der Schoskaze, des unerwarteten Triumvirats. Denn nun benachrichtigt iede Schöne das Publikum vermittelst einiger Reime vom Dasein ihrer Vapeurs, und die gefangene Luft, die ohne den Faden einer Ariadne das Labyrinth der Gedärme durchirret, fährt im Tone eines weinerlichen Adagio aus der dichterischen Pfeife in das Ohr des Publikums hinein. So bläst der Blasebalg seinen Überflus an Wind durch die Orgelpfeifen, in Gestalt der Andacht, dem Zuhörer ins Herz. Wenn sonst ein Mädgen zur verlohrnen Gesundheit wieder aufblühte, und lebendig den Händen des Fiebers und Arztes entkam, so zog die Endschaft dieses Übels kein neues nach sich. Nun hingegen besiegt iedes sein Fieber, und hinterläst der Nachwelt in einem Almanach entweder die dargestellte Empfindung des fieberischen Frostes, oder die gereimte Raserei der fiebrischen Hize. – Denn nun wandelt die Dichtkunst an der Spize der Liebe; die Manbarkeit langt bei den Mädgen in Gestalt des Genies an, und schlägt um ihre Schläfe in Lorbern aus, so wie sie bei den Jünglingen ihre überflüssigen Kräfte an die Erzeugung der Barthare verwendet. Was Wunder auch? da der häufige Genus von den Herzen der Stuzer, die Kehle der Poesie nothwendig begeistern mus. So füttert man die Stubennachtigal mit Rinderherzen – Die Franzosen hassen eine Tragödie ohne Liebe; wir iezigen Deutschen eine Liebe ohne Tragödie. Wenn daher der fünfte Akt die Liebe eines Mädchen mit einem tragischen Ende krönet, so giest es seine Thränen in irgend ein Kloak des deutschen Parnasses aus. Meine Frau meint daher, wenn ich mich noch bei Lebzeiten ihrer Muse zu einem seligen Ende verstünde, so würde sie mit vielem Vergnügen ein Stük Zypresse um meine Urne winden, und so gar dieses Zweiglein einem der Bündel zusammengelesener poetischer Zweige einverleiben lassen. Allein ob ich gleich ihr Vergnügen nicht zur Poesie erhebe, so zersprengt doch iedes kleine Misgeschik ihr Herz, und ist die Hebamme der poetischen Maus desselben. Natürlich hilft sie dem unförmlichen und ungelekten Klumpen von Gefühl dadurch auf die poetischen Beine, daß sie ihn eine zeitlang im Gängelband der Prose leitet. Und noch natürlicher, daß sie deswegen die iunge Geburt in einem Nähbeutel herumträgt, gleich gewissen Spinnen, die ihre Eier in einem seidnen Säkgen mit sich herumführen, oder dem Beutelthier, dem die Natur eine eigne Tasche für seine Jungen gebildet. – Vielleicht glauben Sie, iedes Reiten, und also auch das Reiten auf dem Pegasus, stehe einem Weibe nicht, und dieser könne höchstens mit einem Vorreiter vor dem Wagen der Venus hertraben. Die Weiber können nur besungen werden, nicht singen. Aber Sie irren sich. Der Got der Verse ist bei uns generis foeminini, und die Sonne nebst ihrem Kammermädgen, der Venus, beherschen die weibliche Welt. O des elenden Rezensenten, der die weibliche Hand nicht küste, die von einem Duodezbändgen entbunden worden, der die Flakons des Lobs für die Nase nicht öfnete, die sich von Wohlgerüchen grosgemästet, und der geschminkte Wangen mit seiner Dinte beschmuzte! Führen doch so gar in Zeilon weibliche Lastthiere ihre Ware ohne Verzollung ein! – Sie werden aus diesem allen sehen, daß meine Frau durch das, was sie weis, gehindert wird zu wissen was sie wissen solte. Wie läst sich aber einer solchen Blindheit, der Frucht einer solchen Aufklärung, abhelfen? fragt' ich meinen Vetter. »Durch Zanken, durch Zanken! Nur das Ohr mit täglicher Satire ermüdet! Streuen doch auch die isländischen Schäfer denen Schafen Salz in die Ohren, die durch häufiges Sonnenlicht blind geworden!« Schöner als wahr!


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