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Der Krieg im Reich

Der Krieg war in Böhmen beendet, nicht aber, soweit er das Reich betraf. Maximilian hatte sich als Lohn für seine Hilfe erstens die Übertragung der pfälzischen Kur auf die bayrische Linie ausgebeten, zweitens das pfälzische Land. Als Sicherheit für die aufgewendeten Kriegskosten nahm er das unterworfene Oberösterreich in Verwaltung, das er dem rechtmäßigen Herrn zurückzugeben versprach, wenn ihm die Pfalz eingeräumt würde. Auf die Unterpfalz erhob außerdem Spanien Anspruch; es wollte sie mit dem Elsaß zu einer durch einen spanischen Prinzen zu regierenden Provinz zusammenfassen. Um den flüchtigen Pfalzgrafen seines Landes berauben zu können, mußte der Kaiser ihn zunächst ächten; aber es war fraglich, ob er das ohne die Zustimmung der Kurfürsten bewerkstelligen könne und ob sie zustimmen würden. Johann Georg von Sachsen und sein Hofprediger Hoë hätten es dem Calvinisten gegönnt; aber es war vorauszusehen, daß von den anderen dieser oder jener sich des Standesgenossen annehmen würde. König Nobel war wieder einmal in großer Verlegenheit zwischen seinen Brauns und Isegrims. Bei dem abgeschlossenen Charakter Maximilians war keine Aussicht, daß er sich erweichen oder etwas abfeilschen lassen würde. So entschloß sich denn Ferdinand den Akt der Ächtung, von dem er wußte, daß er etwas absonderlich Veraltetes hatte wie der päpstliche Bann, mit dem alten Gepränge in der Wiener Burg zu vollziehen; er ächtete gleichzeitig den Markgrafen von Jägerndorf, den Fürsten von Anhalt und den Grafen von Hohenlohe, die dem Pfalzgrafen kriegerischen Beistand geleistet hatten. Dies eigenmächtige Vorgehen des Kaisers machte keinen guten Eindruck im Reich; vollends mit der gänzlichen Beraubung auch der Erben des Pfalzgrafen waren selbst die Katholiken nicht einverstanden. Den Gesetzen nach wären bei öffentlichen Vergehen eines Fürsten seine Rechte auf etwa schuldlose Nachfolger übergegangen. So weit indessen ging die Teilnahme doch nicht, daß ein Reichsstand mit den Waffen für den Vertriebenen eingetreten wäre: die Union, deren Aufgabe es am ersten gewesen wäre, löste sich auf, nachdem die Reichsstädte sich zurückgezogen hatten. Der Krieg wäre erloschen gewesen, die Pfalz widerstandslos der bayrischen und spanischen Eroberung preisgegeben, wenn nicht Mansfeld, der mit seinem Heer noch Pilsen und einige andere böhmische Orte besetzt hielt, die Sache des Geächteten zu verteidigen beschlossen hätte. Dieser stolze Bettler wollte das Unternehmen, an das er sein Talent und seine Kraft gesetzt hatte, nicht im Augenblick des Verlustes aufgeben. Das Heer war sein einziger Besitz; es war eine bessere Rechnung mit demselben das Spiel noch einmal zu wagen, als es unentlohnt zu entlassen. So trat er in den Dienst des ebenso besitzlosen Friedrich, der weder König von Böhmen noch Kurfürst von der Pfalz mehr war. Zu ihm gesellte sich ein anderer Heerführer, vielleicht durch sein Beispiel gelockt, Christian von Braunschweig, protestantischer Bischof von Halberstadt, Bruder des regierenden Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Ihn bewog, wie er angab, Zuneigung für seine Base Elisabeth, Friedrichs Gattin, mehr aber wohl sein Haß der katholischen Partei und seine Lust am Wagnis und Abenteuer. An Kühnheit war er Mansfeld gleich; was ihn charakterisierte und was seinen Taten und Untaten einen persönlichen Reiz verleiht, war ein Hang zu knabenhaften Streichen, wilder Humor und stolzer Übermut. Eine Münze ließ er prägen mit der Umschrift: »Gottes Freund, der Pfaffen Feind«, eine andere, nachdem ihm der Arm abgenommen war, mit der Umschrift: » altera restat«, wenn er dem Kaiser schrieb, er führe das Kommando über ein Reiterregiment in der Pfalz, zu seinem Bedauern erfahre er, daß das dem Kaiser nicht angenehm sei, hätte er es vorher gewußt, würde er das Kommando abgelehnt haben, jetzt könne er nicht mehr zurück, der Kaiser möge ihm das nicht übelnehmen, er hoffe, ihm später einmal seinen Degen anbieten zu können; so glaubt man die jungen Augen bei diesen herausfordernden Naivitäten blitzen zu sehen. Kein Flehen der Mutter, deren Liebling er war, hielt ihn zurück, von der Gefahr verlockt, sprengte er davon, fast immer unglücklich im Gefecht, aber niemals entmutigt. Mansfeld und der Braunschweiger wären miteinander vielleicht dem Gegner gewachsen gewesen; aber ein Zusammenwirken zweier eigenwilliger Generale war, wie so oft in ähnlichen Fällen, nicht möglich. Auch verhinderte die Schwierigkeit der Ernährung die Ansammlung von Massen; das oft seltsame Hin- und Herziehen der Heere erklärt sich daraus, daß, nachdem eine Gegend ausgesogen war, eine andere möglichst unberührte aufgesucht werden mußte. Ein dritter Beschützer der unglücklichen Sache war Markgraf Georg Friedrich von Baden, ein aufrichtiger Protestant, den die Sorge um das gefährdete Bekenntnis antrieb. Damit nicht, im Fall er geächtet würde, seine Güter und Rechte seinem Hause abgesprochen würden, übergab er, ehe er auszog, die Regierung seinem Sohne. Er hatte sich vor Jahren im Türkenkrieg hervorgetan und verfügte über ein verhältnismäßig großes, gut ausgerüstetes Heer, in dem einige tausend reformierter Schweizer mitkämpften; in der Schlacht bei Wimpfen am Neckar wurde er von Tilly und den Spaniern vollständig geschlagen. Nachdem Friedrich von der Pfalz, um die Versöhnung mit dem Kaiser zu ermöglichen, Mansfeld und Christian aus seinem Dienst entlassen hatte, schien wiederum der Krieg beendet zu sein. Denn wenn die beiden Abenteurer auch ihr Wesen auf eigene Faust weitertrieben, erst den Holländern gegen Spanien Hilfe leisteten, dann Niedersachsen beunruhigten, war doch vorauszusehen, daß die ligistische Armee unter Tilly mit ihnen fertig werden würde. Inzwischen aber hatten die ausländischen Gegner Spaniens und Österreichs sich zum Widerstande gesammelt.

Da aus der spanischen Heirat nichts geworden war, schloß sich Jakob I. der antispanischen Politik seines Volkes an und verbündete sich im Jahre 1625 im Haag mit Holland und Dänemark zur Bekämpfung Spaniens und zur Wiedereinsetzung seines Schwiegersohnes, des Pfalzgrafen, in seine Länder und Rechte. Frankreich nahm seine frühere antihabsburgische Politik wieder auf, zum Teil dadurch gereizt, daß Spanien ins Veltlin eingedrungen war und die bündnerischen Pässe in seine Gewalt bekommen hatte. Zwar schloß sich Frankreich dem englisch-holländischen Bunde nicht offen an, unterstützte aber die Sache, die er vertrat, heimlich mit Geld. Für die kriegerische Leistung kam außer Mansfeld und Christian, die nunmehr in den Dienst der Verbündeten traten, neben Gustav Adolf von Schweden Christian von Dänemark in Betracht. Man einigte sich auf ihn, der mit Jakob I. verwandt war und als Herzog von Holstein und Inhaber der Stifte Bremen und Schwerin eine Basis im nördlichen Deutschland hatte. Auch stellte er günstige Bedingungen, da er, eifersüchtig auf Schweden, einer Einmischung desselben und etwaiger Festsetzung an der deutschen Küste vorbeugen wollte. Christian leitete seinen Eintritt in die antikaiserliche Opposition dadurch ein, daß er sich zum Obristen des niedersächsischen Kreises ernennen ließ, was freilich nicht alle Stände guthießen, da es der Kaiser als Kriegserklärung von seiten der Kreisfürsten auffassen mußte. Er war ein Fürst tätigen Geistes, der alles großartig auffaßte und betrieb, Entdeckungsreisen in den äußersten Norden unternahm und gern sein Land zu der wirtschaftlichen Bedeutung Hollands erhoben hätte. Als Kriegsmann hatte er im Kampfe mit Schweden Ansehen erworben, und die Stände seines Landes waren bereit, ihn im Kriege reichlich zu unterstützen.

Angesichts des sich im Norden erhebenden Feindes empfand es Kaiser Ferdinand bitter, daß er über kein eigenes Heer verfügte. Das ligistische, von Tilly geführte, stand unter dem Befehl Maximilians von Bayern; die Abhängigkeit von seinem ernsthaften Vetter drückte ihn mehr und mehr. Geld, sich ein Heer aufzurichten, hatte er nicht; auch in dieser Hinsicht war er auf den sparsamen Maximilian angewiesen. Da machte ihm ein böhmischer Edelmann das Anerbieten, aus eigenen Mitteln eine Armee für den kaiserlichen Dienst zu werben. Albrecht von Waldstein oder Wallenstein, von dem es ungewiß ist, ob er deutschen oder böhmischen Ursprungs ist, dessen Mutter aber sicherlich eine Böhmin war, und dessen Familie seit dem 13. Jahrhundert dem böhmischen Heeresstande angehörte, war von seinen Eltern im protestantischen Glauben erzogen, geriet aber nach deren frühem Tode unter den Einfluß der Jesuiten und wurde katholisch. Wie auch andere, die durch Zufälle zum Glaubenswechsel gedrängt wurden, war er gegen beide Bekenntnisse gleichgültig, überhaupt von Natur nicht religiös veranlagt. Nicht einmal das unbestimmte Gefühl der Abhängigkeit von einer höheren geistigen Macht, noch weniger das Gefühl der Verpflichtung gegen dieselbe, scheint ihn jemals bewegt zu haben; um so mehr bedeutete ihm das Schicksal, von dem er glaubte, daß es durch Kundige in den Sternen zu lesen sei. Seine kriegerische Laufbahn begann er in den Kämpfen gegen die Türken und gegen Venedig. Als der böhmische Aufstand ausbrach, trat er sofort für den Kaiser ein, und zwar mit einer Rücksichtslosigkeit, die selbst in jenem wilden und zügellosen Lande auffiel. Schon seine erste Ehe mit einer älteren Witwe scheint der junge Mann um des Reichtums willen geschlossen zu haben, den sie ihm zubrachte. Bei den Güterkonfiskationen nach der Schlacht am Weißen Berge, wo wertvolle Besitzungen an Ferdinands Günstlinge verschleudert wurden, bereicherte er sich noch mehr; er gehörte nun zu den reichsten Magnaten Böhmens. Auf die Herrschaft Friedland verlieh ihm Ferdinand den Herzogstitel.

War Wallenstein raubsüchtig und machtgierig, so unterwarf er doch seine unbändigen Triebe einer großen Idee und überragte dadurch einen Mansfeld weit. Er wollte Macht, aber er wollte eine wohltätige, vernünftige Macht schaffen, die von ihm unabhängig dauern würde, wenn sie auch zunächst für ihn und durch ihn wirken sollte. Seine planende Seele, die magisch zum allergrößten Ziele gezogen wurde, richtete sich auf die Begründung der Kaisermacht. Man kann annehmen, daß er Ferdinand zu klar durchschaute, als daß er ihn für die Stellung, die ihm vorschwebte, geeignet hätte halten können; andererseits wird er kaum an die Möglichkeit gedacht haben, sich selbst zum Kaiser zu machen. In geheimnisvoller Weise war er dennoch eins mit seiner Idee, mit dem zu schaffenden Kaisertum; er war der Mittelpunkt, von dem aus sich das Traumbild gestaltete. Seltsam, daß der Fremdling im Reich, denn als solchen muß man ihn trotz der damaligen Verbundenheit Böhmens mit demselben ansehn, mit so mächtigem Drang und Verständnis das Schicksal der deutschen Nation ergriff. Auch war es weniger die mittelalterliche Überlieferung, die ihn bewegte, als das Beispiel Frankreichs und Spaniens, denen die Zusammenfassung der Macht in der Hand des Königs eine so augenscheinliche politische Überlegenheit verschaffte. Gerade weil er ein Fremder war, unterschätzte er den Widerstand, der in den eigentümlichen Verhältnissen des Reiches lag und den selbst Karl V. nicht hatte überwinden können. Und wie sehr waren durch die Reformation, oder durch den Widerstand, den Karl V. ihr geleistet hatte, die zentrifugalen Kräfte gestärkt! Allerdings waren gerade dadurch auch die Umstände für Wallenstein günstiger, als sie vor 75 Jahren für den großen Kaiser waren. Dieser Krieg war nicht wie ein anderer, den vielleicht eine Schlacht oder die Eroberung eines wichtigen Platzes beenden konnte; er war wie eine Krankheit an einem zerrütteten Körper, die man weiterwüten läßt, weil man sie nicht bekämpfen kann. Auflösung und Fäulnis erzeugten Heere, die wie Schimmel die Erde überzogen und die einst fruchtbar grüne verdarben. War eins vernichtet, so liefen die hungrigen Soldaten irgendeinem Werber zu, aus den verwüsteten Dörfern retteten sich heimatlose Männer und Frauen unter einer beliebigen Fahne. Was war einem Manne, der befehlen konnte, unmöglich? Das Schwert herrschte zwischen dem Verfall, nicht das Recht und das Herkommen. Es hieß, Wallenstein habe zum Kaiser gesagt, 20 000 Mann getraue er sich nicht zu ernähren, wohl aber 50 000. Das war für jene Zeit eine gewaltige Armee. Ferdinand, der wie sein Ahnherr Maximilian ein Streuhütlein war, hätte nicht 20 000, geschweige denn 50 000 Mann im Felde ernähren können; aber 50 000 konnten besser als 20 000 sich erzwingen, was sie brauchten. Wallenstein liefen die meisten zu; er war streng, oft grausam, aber er war großartig, ein Herrscher. Nach dem Bekenntnis fragte er nicht, Protestanten waren bei ihm ebensowohl gelitten wie Katholiken. Es mochte ihm eine Einigung zwischen den Bekenntnissen vorschweben, wie Heinrich IV. sie für Frankreich ermöglicht hatte. Dieser überlegene Standpunkt war dem Kaiser und den katholischen Fürsten nicht nur fremd, sondern anstößig.

Wallenstein war ein geborener Herrscher und ein Staatsmann, nicht ein mit zahlreichen Fäden an die Vergangenheit gebundener Kaiser. Die jahrhundertalte Verknüpfung des Kaisertums mit dem Papsttum, das Netz der Beziehungen zu den Fürsten, das alles bestand für ihn nicht; aber auch der Raum, den er ins Auge faßte, war ein anderer als der, welcher für die Kaiser der letzten Jahrhunderte in Betracht gekommen war. Um den deutschen Norden hatten sich die Habsburger wenig bekümmert; Wallenstein, den das Geschick zur Bekämpfung des Dänenkönigs nordwärts führte, sah die Ebenen voll wallenden Korns, sah die trotzigen Städte und die fleißigen Menschen, sah das Meer. Auch Tilly war im Norden, erstürmte hier und da eine Stadt, tat was ihm aufgetragen war, und dachte sogar daran, sich hier ein kleines Fürstentum auszusparen; Wallenstein entwarf ein neues Deutschland. Es war groß an ihm, daß er das, was er plante, gleich angriff. Daß der besiegte Christian von Dänemark sich nach Mecklenburg zurückgezogen hatte, nahm er zum Vorwand, um die Herzöge dieses Landes abzusetzen und sich vom Kaiser mit Mecklenburg belehnen zu lassen. Er hatte nun ein Fürstentum am Meere. Den Dänen jagte er auf seine Inseln zurück, ihn fürchtete er nicht. Sorge machte ihm nur der König von Schweden, Gustav Adolf. Vielleicht konnte er ihn dadurch unschädlich machen, daß er ihn dauernd durch Polen beschäftigte; inzwischen galt es eine Flotte zu schaffen. Damit kam er allerdings zunächst nicht über den Titel eines Generals des Ozeanischen und Baltischen Meeres hinaus, den er sich vom Kaiser verleihen ließ; aber was sich sonst anbot, um Deutschlands Stellung zur See zu stärken, benutzte er. Schon längst wünschte Spanien, sich mit einem nordischen Küstenstaat zur Verdrängung Hollands vom Meere zu verbünden. Wallenstein ging eifrig auf diesen Plan ein: eine Gesandtschaft begab sich nach Hamburg mit dem Vorschlag zur Gründung einer spanisch-hansischen Gesellschaft, die den Handelsverkehr mit Spanien auf hansischen Schiffen übernehmen sollte. Damit der Name Spaniens nicht Argwohn errege, sollte die Gesellschaft allein unter kaiserlicher Oberhoheit stehen. Aber es zeigte sich nun, wie fremd und verdächtig auch der Name des Kaisers in diesen Gegenden war. Hamburg hatte erst kürzlich, um sich gegen die Nachstellungen Dänemarks zu sichern, die Anerkennung seiner Reichsfreiheit vom Kaiser erbeten und sie auch bestätigt erhalten; trotzdem erschien der katholische Kaiser wie eine Macht, vor der man auf der Hut sein müsse. Auch die heilsamsten, berechtigtsten und würdigsten Ideen können sich nicht durchsetzen, solange die Wirklichkeit noch die Gestalt anderer, einst herrschender Ideen trägt, die sich in anderer Richtung bewegten, so daß die neue, wo sie sich auch bilden will, auf festen Widerstand stößt.

Bald sollte sich zeigen, was für verhängnisvolle Folgen in der Tat die Stärkung der kaiserlichen Macht jetzt hatte. Nachdem Wallenstein und Tilly ganz Niedersachsen dem Kaiser unterworfen und den König von Dänemark zum Frieden gezwungen hatten, dachte die katholische Partei daran, diese Lage zu ihren Gunsten auszubeuten, indem sie sich der geistlichen Güter bemächtigte, die seit 1555 von den Protestanten eingezogen waren. Wenn der Kaiser auch nicht ohne Bedenken war, weil er voraussah, daß er sich durch diese Maßregel die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, deren Anhänglichkeit ihm so nützlich gewesen war, zu Feinden machen würde, entsprach sie doch überwiegend seinen Wünschen und Interessen: die Stifte Magdeburg und Halberstadt, deren Inhaber geächtet waren, übergab er seinem Sohne, dem Erzherzog Leopold Wilhelm. Nach langwierigen Vorarbeiten wurde im März 1629 das Restitutionsedikt erlassen. Wallenstein, obwohl er für nötig und möglich hielt, sämtliche Fürsten der kaiserlichen Zentralgewalt zu unterwerfen, und persönlich mit Abneigung oder Verachtung auf sie herabsah, billigte doch das Edikt nicht, welches den größeren Teil der Nation, deren ängstliche Halbheit bisher dem Kaiser zugute gekommen war, zu entschlossenen Feinden des Kaisers machen würde. Aber eben dieser Wallenstein mit seiner Klugheit, seinem Hochmut, seiner Gewalttätigkeit und seinen undurchsichtigen Plänen war den katholischen Fürsten, besonders dem neuernannten Kurfürsten von Bayern, verhaßt. Sie haßten den Emporkömmling, der sich in ihre Reihen drängte, der ihre Unabhängigkeit bedrohte. Daß er den Kaiser mächtig gegen die Protestanten gemacht hatte, war ihnen recht, nicht daß er es ihnen gegenüber sei. Es versteht sich, daß Ferdinand diesen General, der ihn zum Herrn seiner Feinde gemacht hatte und zum Herrn im Reich machen wollte, nicht gern entließ; auch war er sich seiner Verpflichtung ihm gegenüber einigermaßen bewußt. Aber er war Maximilian von Bayern nicht minder Dankbarkeit schuldig, überhaupt besaß er nicht so viel Kühnheit, um sich der Stellung zu bemächtigen, die Wallenstein ihm zudachte. Er hatte nichts von einem Revolutionär; wenn er Gewaltsamkeiten ausübte, tat er es von den Jesuiten geleitet, und auf ihr Gewissen führte er Gebote der Kirche aus. Die Vorwürfe, die die Fürsten gegen Wallenstein vorbrachten, waren nicht ganz ungerecht: sicherlich sog sein großes Heer das Land aus, hausten die Soldaten wie Wüteriche gegen Freund und Feind, war seine Kriegführung oft wunderlich, sein Verweilen und Zögern und Hin- und Herziehen schien oft dem erforderlichen Zweck nicht zu entsprechen. Dem ließ sich entgegnen, daß der Zweck schließlich doch erreicht wurde, daß auch das ligistische Heer das Land bedrückte, daß niemand den Pelz waschen könne, ohne ihn naß zu machen. Allein es handelte sich nicht um Gründe, sondern darum, ob der Kaiser den Mut hätte, mit Wallenstein einen Staatsstreich zu wagen, und den hatte er um so weniger, als er gerade jetzt seinen Sohn zum Nachfolger gewählt zu sehen wünschte. Wie oft hatte dieser väterliche Wunsch die Kaiser gegen die Wahlfürsten schwach gemacht! Wider Erwarten empfing Wallenstein in Memmingen die Abgeordneten des Kaisers, die ihn von seiner Absetzung in Kenntnis setzten, höflich und ruhig. Er konnte ruhig sein, da sein Rächer schon zur Stelle war: während die Kurfürsten in Regensburg tagten, um den Kaiser zu entwaffnen, im Juli 1630, landete Gustav Adolf an der pommerschen Küste.

Wie weit überlegen Wallenstein den Fürsten war, zeigte sich auch darin, daß er von Anfang an die Einmischung Gustav Adolfs vorausgesehen und zu verhindern gesucht hatte. Er wußte Bescheid um diesen König des Nordens, den die in Regensburg versammelten Kurfürsten ignorierten. Er ahnte, daß der glimmende Krieg erst jetzt hoch aufflammen würde.

Ohne die französischen Gelder, die seit der neuesten durch Richelieu herbeigeführten Wendung in der Politik Frankreichs für ihn flüssig geworden waren, hätte Gustav Adolf sich nicht in diesen Krieg gestürzt, zu der keine Stimme aus Deutschland ihn berief, der ihn aufs neue von seinem Lande trennte und ihm eine noch nicht zu berechnende Gegnerschaft gegenüberstellte; denn er war König, für sein Land und Volk verantwortlich, pflegte die Mittel zu seinen Unternehmungen sorglich zu berechnen und dachte nicht daran, seinem Volke Opfer zuzumuten, ohne ihm einen Gewinn in Aussicht zu stellen. Ein solcher war eine etwaige Festsetzung an der deutschen Küste und die Herrschaft über das Meer. Aber wie sehr ihn das auch lockte, ebensosehr stark war der Antrieb, dem bedrängten Glauben zu Hilfe zu kommen. Sein Vater war als Protestant, im Gegensatz zu seinem katholischen Vetter, König von Schweden geworden, sein Bekenntnis war zugleich die Grundlage seines Regiments; aber er hatte das Glück, ohne Zwiespalt zu sein: das, wofür einzutreten der Vorteil ihm gebot, war zugleich seine Überzeugung. Er zweifelte nicht, daß er von Gott berufen sei, den reinen Glauben zu retten, er fühlte sich von einem überirdischen Feuer beseelt und seine Taten gerechtfertigt. Daß er sein Leben für seinen Glauben einsetzte, riß die Menschen hin, die so lange keinen Helden erlebt hatten. Selbst Katholiken bewunderten den großen Ketzer insgeheim. Fünfzig Jahre früher war Wilhelm von Oranien ein Befreier gewesen, und die Niederländer hatten ihm angehangen, als wären sie behext. Aber abgesehen davon, daß jener Kampf nur einen kleinen Teil des Reiches berührt hatte, hatte Wilhelm von Oranien als Diener Philipps II. lange Zeit Verstellung üben müssen und hatte überhaupt keine so unzweideutige Haltung und kein so frei ausströmendes Wesen wie Gustav Adolf. An diesem blonden Manne mit den strahlenden blauen Augen und dem schwingenden Schritt war lauter Kraftgefühl, Freudigkeit, Zuversicht und Offenheit. Sicherlich wollte er nicht anders als die Waldemar und andere Könige des Nordens mit Deutschland um die Herrschaft über das Meer ringen, und vielleicht dachte er sogar an eine evangelische Kaiserkrone, die wenigstens den deutschen Norden an ihn gefesselt hätte; aber das wäre ja der Sieg des wahren Glaubens gewesen, den der habsburgische Kaiser verfolgte. Er konnte das Mißtrauen und die Zurückhaltung der deutschen Fürsten nicht begreifen; desto besser verstand ihn das Volk. Für die Bibelkundigen war er der Löwe aus Mitternacht, der, welcher unverletzt mitten durch die Feinde geht, wenn zehntausend zu seiner Rechten und hunderttausend zu seiner Linken fallen.

Konnte Gustav Adolf auch den Fall und Untergang der alten Kanzlei Gottes, der ruhmvollen Stadt Magdeburg, nicht hindern, so konnte er ihn doch durch die Schlacht bei Breitenfeld rächen: Dieser folgenreiche Sieg über den nie besiegten Tilly wird einer neuen, durch Gustav Adolf eingeführten Schlachtordnung zugeschrieben, die hauptsächlich in einer größeren Beweglichkeit des Heeres bestand, zum Zweck, daß Fußvolk und Reiterei sich gegenseitig unterstützten. Tilly wußte das Fußvolk nur nach alter Weise in dicht zusammengedrängten, schwerbeweglichen Haufen zu verwenden. Den Sieg bei Leipzig oder Breitenfeld erfocht Gustav Adolf schon als Verbündeter Sachsens. Johann Georg, der dem Kaiser treu geblieben war, obwohl ihn das Verhalten desselben gegen die Lutheraner in Böhmen reizte, wurde durch das Restitutionsedikt zum Anschluß an den König von Schweden bewogen. Wieder mußte Ferdinand in der Burg von Wien vor einem Feinde zittern, diesmal vor einem mächtigen, entschlossenen, und ohne Schutzwehr. Die ligistische Armee hing mehr von Maximilian als von ihm ab, um sich eine eigene zu schaffen, fehlte ihm das Geld; so blieb ihm nichts anderes übrig, als durch weitgehende Zugeständnisse den beleidigten Wallenstein zurückzukaufen. Wallenstein, der nun wieder die Bühne des Krieges betrat, war ein anderer als zuvor. War er auch niemals eines Sinnes mit dem Kaiser gewesen, so hatte er doch an Kaisers Statt gedacht und gehandelt. Die großartigen, umwälzenden Pläne von damals hegte er nun nicht mehr, doch war er auch jetzt nicht ohne ein bedeutendes, vernünftiges Ziel. Den Kaiser berücksichtigte er dabei wenig, er dachte an das Reich und den Frieden, der auf eine billige Vermittlung zwischen den kämpfenden Parteien zu begründen wäre. Würde der Kaiser, wie vorauszusehen war, nicht darein willigen, da er es auf Unterdrückung der Protestanten absah, so würde man ihn zwingen. Wie eine solche Befriedung Deutschlands zustande kommen sollte, darüber wechselten die Ansichten je nach der Kriegslage. Zunächst mußte Wallenstein im guten oder im bösen mit Gustav Adolf fertig werden. Es scheint, daß ihm die Möglichkeit durch den Kopf ging, gemeinsam mit dem schwedischen König, dem einzigen ihm gewachsenen Gegner, eine neue Ordnung in der Mitte Europas aufzurichten; aber er blieb sich doch wohl bewußt, daß zwei Herrscherwillen sich nicht leicht in einen gießen lassen. Es mußte zwischen ihnen zum Entscheidungskampfe kommen. Beiden wurde diese Notwendigkeit klar; aber es war, als ob sie beide die zerstörende Begegnung hinauszuschieben suchten. Überhaupt schien das Auftreten Wallensteins eine verwirrende Wirkung auf Gustav Adolf auszuüben, wie wenn der spitze Blick eines Zweiflers auf einen Traumentrückten fällt. Es kam eine Stockung in seine Eroberungen, seine Bewegungen wurden langsamer; die Wallensteins waren immer zögernd und umwegig. Zwei Monate lang lagen sich die beiden Heere mit zahlreichem Troß bei Nürnberg einander gegenüber. Denn die Soldaten führten Frauen und Kinder mit, es gab Feldschulen, in denen die Kinder unterrichtet wurden, bis sie groß genug waren, um eine Waffe zu führen und sich unter die Krieger zu mischen. Als die Schwierigkeit, solche Menschenmassen zu ernähren, übergroß wurde, entschloß sich Gustav Adolf, das gut verschanzte Lager Wallensteins anzugreifen, und es wurde einen Tag lang erbittert gekämpft, ohne daß es zu einer Entscheidung kam. Dann wandte er sich nach Süden, um Bayern zu decken, und Wallenstein zog gegen Sachsen. Bei der Unzuverlässigkeit Johann Georgs hielt es Gustav Adolf für nötig, zu seinem Schutze heranzueilen: er mußte fürchten, daß der Kurfürst sich wieder dem Kaiser anschlösse. So kam es im November 1632 zu der Schlacht bei Lützen, in der die Schweden siegten, aber ihren König verloren. Gustav Adolf pflegte sich wie irgendein Soldat in das Gewühl der Schlacht zu begeben und da einzugreifen, wo etwa die Reihen wankten; er wurde verwundet und starb in den Armen seines Pagen Leubelfing, eines Nürnberger Patriziersohnes, der, während er seinen sterbenden Herrn zu decken suchte, selbst tödlich getroffen wurde.

So war denn das große Licht, das den Protestanten wie ein Wunder aufgegangen war, erloschen. Wallenstein, von dem einzigen Gegner befreit, den er gefürchtet hatte, konnte nun verborgene Pläne ausführen. Den Absichten des Kaisers zu dienen, machte er nicht Miene. Nach dem unglücklichen Siege der Schweden wäre es ihm wahrscheinlich, wenn er schnell gehandelt hätte, möglich gewesen, die gebesserte Lage der Kaiserlichen entscheidend zu bestätigen; allein er bezog Winterquartiere in Böhmen und schien sich überhaupt dort festsetzen zu wollen. Anstatt sich gegen den Feind zu wenden, der sich unter der diplomatischen Leitung des schwedischen Kanzlers Oxenstjerna und der kriegerischen Bernhards von Weimar gesammelt hatte, verhandelte er mit ihm. Er unterhandelte mit Sachsen, mit Brandenburg, mit Schweden, mit den böhmischen Emigranten, bald dies, bald jenes bald diesem, bald jenem verheißend. Welches war seine eigentliche Absicht? Wollte er sich zum König von Böhmen machen? Wollte er die Schweden aus Deutschland vertreiben? Wollte er im Verein mit den Schweden einen Frieden diktieren? Niemand durchschaute ihn, der sich niemandem anvertraute; er schwankte wohl selbst. Sein Gichtleiden hatte in den letzten Jahren sehr zugenommen, er hatte viel Schmerzen und mußte sich meistens in einer Sänfte tragen lassen. Es ist anzunehmen, daß die Krankheit seine Entschlußkraft lähmte; aber auch durch seine Lage war er mannigfach gebunden. Die Armee, die ihn mächtig machte, war, wie sehr sie ihm auch anhing, doch des Kaisers Armee; es war fraglich, ob sie sich gegen den Kaiser würde gebrauchen lassen. Ob die Gegner es aufrichtiger mit ihm meinten als der Kaiser, war auch ungewiß. Wenn die Schweden ihm mißtrauten, sagte er sich, täten sie es mit Recht, denn er fühlte als Reichsfürst, und sie vom deutschen Boden zu verjagen blieb sein eigentlicher Wunsch. Der Kaiser auf der anderen Seite mußte endlich einsehen, Wallenstein sei nicht sein Diener und könne seine eigene Armee benutzen, um ihn zu vergewaltigen; auch Wallensteins treueste Freunde am kaiserlichen Hofe gaben das zu. Die unaufrichtige Verbindung zwischen Ferdinand und Wallenstein mußte sich auflösen; so zweideutig schleichend, wie die Beziehungen von Anfang an gewesen waren, ist es begreiflich, daß es durch Verrat und Mord geschah. Als Wallenstein die Probe machte, ob die Offiziere ihm unbedingt, auch gegen den Kaiser, folgen würden, mußten sie sich entschließen. Ritterlich wäre es von den abfallenden gewesen, sich offen zu bekennen; anstatt dessen verließen sie ihn heimlich, unter Vorwänden. Den ihm treugebliebenen befahl der Kaiser, sich des geächteten Generals lebend oder tot zu bemächtigen. In Eger, wohin er sich im Februar 1634 gewendet hatte, um sich nun, da die Trennung vom Kaiser vollzogen war, mit den Schweden zu verbinden, wurde er samt seinen Anhängern ermordet.

Die Aussicht auf den Frieden war damit fürs erste geschwunden. Denn es war kein Überragender mehr da, der einem möglichen Ende zugestrebt hätte. Es gab nun eine Anzahl größerer und kleinerer Mächte, von denen jede auf ihre Entschädigung oder Rettung bedacht war, und dazwischen die Abenteurer, die bald dieser, bald jener Partei anhingen und aus dem Greuel der Zerstörung ein Geschäft machten. Wie wenig das Grundsätzliche mehr die treibende Kraft des Krieges war, zeigt sich darin, daß das Restitutionsedikt zwar nicht gesetzlich, aber doch tatsächlich aufgehoben war, ohne ihn aufzuhalten. Der Kurfürst von Sachsen allerdings schloß mit dem Kaiser den Frieden zu Prag, zu dem allen, auch den Schweden, der Beitritt offenstehen sollte. Die Schweden aber, denen ihre Ansprüche nicht zugestanden worden waren, zogen es vor, den Krieg mit Hilfe Frankreichs fortzusetzen, dem sie das erst noch zu erobernde Elsaß mit Hagenau und Breisach versprachen. Daß der schwedische Kanzler deutsches Land verhandelte, begreift man; nicht, daß deutsche Fürsten sich herbeiließen, einen so schimpflichen Vertrag zu unterzeichnen. Weniger bedrängt, sind sie weniger zu entschuldigen als die, welche hundert Jahre früher Metz, Toul und Verdun abtraten. Das Glück der kaiserlichen Waffen – denn der Sohn des Kaisers trug einen glänzenden Sieg über Bernhard von Weimar bei Nördlingen davon, der ihm den Weg nach Schwaben öffnete – veranlaßte Frankreich, auch mit den Waffen in den Krieg einzutreten. Von den deutschen Fürsten hatten es Herzog Bernhard von Weimar und Landgraf Wilhelm von Hessen verschmäht, dem Prager Frieden beizutreten. Bernhard von Weimar, der nach dem Fall Gustav Adolfs den Sieg bei Lützen herbeigeführt hatte, betrachtete sich als Nachfolger des Königs. Er war als Ernestiner ein geborener Rebell und hatte sich gleich anfangs dem König Erretter angeschlossen, wenn auch nicht ohne Vorbehalt; er fühlte sich deutsch und wollte nicht leiden, daß deutsches Gebiet von Deutschland abgerissen würde. Gezwungen in französischen Dienst zu treten, da er sich ohne französisches Geld nicht hätte halten können, war er fest entschlossen, das schöne, an blühenden Städten und Dörfern reiche Elsaß, das nacheinander Spanien und Frankreich begehrten, nicht den Fremden zu überlassen, sondern als eigenes Fürstentum in Besitz zu nehmen. Sein früher Tod entriß ihn den schweren Kämpfen, die sich daraus ergeben haben würden. Die Einnahme Breisachs, das die Kaiserlichen mit äußerster Anstrengung verteidigt hatten, war sein letzter Erfolg. Das Elsaß für Deutschland zu erhalten, blieb nun keine Aussicht mehr.


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