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Der Schmalkaldische Krieg

Sieben Jahre nachdem Butzer die Wittenberger Konkordie zustande gebracht hatte, begab es sich, daß der Zürcher Buchdrucker Froschauer Luther eine von Zürcher Theologen herausgegebene lateinische Bibelübersetzung zuschickte. Er hatte vermutlich, den menschlichen Gepflogenheiten entsprechend, einen Dankbrief erwartet; anstatt dessen schrieb Luther, Froschauers Geschenk möge aus gutem Herzen gekommen sein, aber da es eine Arbeit der Zürcher Prediger sei, mit denen er keine Gemeinschaft haben könne, sei es ihm leid, daß sie sollten umsonst arbeiten und noch dazu verloren sein. »Sie sind genugsam vermahnt, daß sie sollen von ihrem Irrtum abstehn und die armen Leute nicht so jämmerlich mit sich zur Hölle führen.« Die Schweizer waren empört, Bullinger, Zwinglis Nachfolger, machte seinem Zorn über Luther Butzer gegenüber Luft. Was würde, schrieb er, der große Reuchlin dazu sagen, daß die Hochstraten und Pfefferkorn in Luther wieder erstünden. Butzer war ebenso wie Melanchthon erschrocken und tief bekümmert. Mit Vorwürfen oder Vorstellungen, schrieb er dem Landgrafen, sei bei Luther nichts auszurichten, er würde nur noch heftiger ausbrechen; »ich kenne den Mann«, setzte er hinzu. Trotzdem zürnte er weniger ihm als den Zürchern, die Luther gereizt hätten; man müsse diesen großen, von Gott auserwählten Mann so nehmen, wie Gott ihn gegeben habe. Was er am meisten fürchtete, war, daß Luther von allen deutschen Reformatoren Unterschrift unter eine Verfluchung der Zürcher fordern werde; es war schon ein Gewinn, daß das nicht geschah. Doch verfaßte er ein »kurzes Bekenntnis vom heiligen Sakrament«, in dem er sich unmißverständlich von den verteufelten, der Höhe zugehörigen Zürchern trennte. Sie vergalten es ihm mit einer womöglich schärfern, weil persönlichen Antipathie.

Wehe denen, die sich Einigung zum Ziel gesetzt hatten. Der Kaiser bemühte sich um die Einigkeit der Deutschen, Butzer um die Einigkeit der Protestanten, beide umsonst. Butzer sah die Vergeblichkeit seines Kampfes und kämpfte entschlossen weiter, denn etwas anderes gab es nicht; das Dasein der Protestanten hing davon ab. Der Nürnberger Frieden war ihnen nur auf begrenzte Zeit verliehen und nur den damaligen Anhängern der Augustana, nicht denen, die seitdem das Evangelium angenommen hatten, noch denen, die es künftig annehmen würden. Ihren Glauben ausbreiten, das wollten aber die Protestanten, daran wollten sie nicht gehindert sein. »Die Protestanten sind seltsame Leute«, sagte ein kaiserlicher Botschafter zum Bürgermeister Welser von Augsburg, »sie wollen ein Fürstentum nach dem andern unter sich bringen und dennoch haben, man solle ihnen Frieden zusagen.« Die größten Schwierigkeiten verursachte die Frage der Kirchengüter: die Altgläubigen bestanden auf ihrer Rückgabe, die Protestanten wollten nicht nur die schon eingezogenen behalten, sondern sie überall an sich nehmen, wo künftig ihr Glaube zur Herrschaft käme. Es hätte schließlich hingehn mögen, wenn zum Beispiel ein Kurfürst von Köln das Evangelium angenommen und dann abgedankt hätte: dann hätte es einen Ketzer mehr im Reich gegeben; aber wenn er sich, wie der Hochmeister von Preußen getan hatte, zum erblichen Fürsten machen, seine Untertanen zu seinem Glauben bekehren und alle Geldquellen seines Territoriums für seine Regierung in Anspruch nehmen wollte, das würde bedenkliche Folgen für die Katholiken haben, konnte ihnen nicht gleichgültig sein.

Schon 1521 auf dem Reichstage zu Worms hatte Alexander gesagt, es sei den Fürsten nicht so sehr um Luther wie um die Kirchengüter zu tun, und im Jahre 1537, als die Schmalkaldener Verbündeten tagten, sagte ihnen der kaiserliche Vizekanzler Dr. Held ins Gesicht, ihnen liege mehr am Kirchengut als am Glauben, obwohl doch nach dem Evangelium es nicht der Reichtum sei, der zur Seligkeit führe. Zwar antworteten die Beschuldigten, erst sie hätten die Kirchengüter ihrer wahren Bestimmung zugeleitet; aber sie konnten dabei kaum ein reines Gewissen haben, wenigstens die Fürsten nicht, von denen viele nach dem Ausdruck Luthers geizige Wänste waren, die an sich rissen, was ihre Juristen als herrenloses Gut bezeichneten. Selbst der Kurfürst von Sachsen schlug das Kirchengut zum Teil zu seiner fürstlichen Kammer und würde es noch mehr getan haben, wenn die Stände sich nicht eingemischt hätten, denen es unlieb war, daß der Landesherr sich auf diese Weise von ihnen unabhängig machte. Ulrich von Württemberg, der überhaupt in den kirchlichen Dingen als Autokrat auftrat, gebrauchte die eingezogenen Güter zur Schuldentilgung, einzig der Landgraf Philipp verwendete alles stiftungsgemäß für Kirche, Armenpflege und Schulwesen. Gegen Butzer äußerte er sogar einmal, es sei besser, man ließe viele Sachen, die man jetzt für Religionssachen ausgebe, fallen und bliebe allein auf der lauteren Religion, das heißt auf dem göttlichen Werk, dem Sakrament und der Liebe des Nächsten, und ließe die geistlichen Güter fahren. Butzer lehnte diese Ansicht ab, auf der vielleicht auch Philipp nicht dauernd bestanden haben würde; er meinte, wenn man die Religion wolle, müsse man auch die Instrumente der Religion behalten. Er hob hervor, daß der Landesherr ein Unrecht tun würde, wenn er das Geld zum Unterhalt der Kirche durch Besteuerung seiner ohnehin schon zu sehr belasteten Untertanen aufbringen wollte. Als Organisation ist nun einmal das Überirdische mit dem Irdischen verknüpft. Mehrmals versprach der Kaiser den protestantischen Ständen, daß sie bis zu einem künftigen Konzil in Glaubenssachen nicht vom Reichskammergericht verklagt werden sollten. Allein, da er sich nicht deutlich darüber erklärte, was unter Glaubenssachen zu verstehen sei, gingen die Prozesse wegen der Kirchengüter zum Schaden der Protestanten weiter. Das Reichskammergericht zählte das, was die Protestanten als Glaubenssachen angesehen wissen wollten, zu den Landfriedensbruch- und Spoliensachen. Die Protestanten halfen sich schließlich damit, daß sie das Reichskammergericht in bezug auf diese Sachen rekusierten; sie hätten es überhaupt rekusiert, wenn es ihnen nicht doch davor gegraut hätte, das einzige Organ der Reichseinheit zu zerstören. In den Augen des Papstes waren die protestantischen Stände Kirchenräuber und ohne weiteres der Acht verfallen.

Als Karl V. im Jahre 1540 wieder ins Reich kam, hatte er einen großen Schmerz erlebt: seine geliebte Frau, Isabella von Portugal, war gestorben. So groß war sein Schmerz, daß es des ernstlichen Zuredens seiner Räte bedurfte, um ihn vom endgültigen Eintritt in ein Kloster zurückzuhalten. Wenn er sich seitdem noch mehr als sonst in Schwarz kleidete, war das der Ausdruck tiefempfundener Trauer. Sehr zum Unterschied von den deutschen Fürsten, die oft kaum das Trauerjahr verstreichen ließen, bevor sie die Nachfolgerin der Verstorbenen heimführten, heiratete er nicht wieder. In Haltung, Tatkraft, gewissenhafter Pflichterfüllung hatte er nicht nachgelassen. Obwohl er damals schon mehrfach unter heftigen Gichtanfällen gelitten hatte, saß er unermüdlich zu Pferde, setzte sich jeder Witterung aus, untersuchte er alles, achtete er auf alles selbst. Seine ersten Siege hatten ihm seine Feldherren erfochten; später wurde er auch im Kriege der Führende. Er strebte seinem Großvater Maximilian nach und hat ihn übertroffen, zum Teil weil er reicher an Mitteln war, aber auch weil er sicherer und stetiger seine Ziele verfolgte. Seine größte kriegerische Tat war die Eroberung von Tunis, das ein Statthalter des Sultans eingenommen hatte; er setzte sie gegen vielfachen Widerspruch und unter großen Schwierigkeiten durch, um diesen Punkt nicht zu einer Verbindungsbrücke zwischen Frankreich und der Türkei werden zu lassen. Denn Franz I. scheute sich nicht mehr, nachdem er schon immer mit der Türkei zusammengearbeitet hatte, geradezu ein Bündnis mit dem Erbfeind der Christenheit einzugehen, ein Zeichen, wie die mittelalterliche Welt, die auf dem gemeinsamen Interesse der christlichen Nationen beruhte, auch ohne den Protestantismus sich aufgelöst hatte. Ernste Gemüter gerade unter den Protestanten waren über die Schamlosigkeit des französischen Königs entsetzt; Karl V. erschien als der Glaubensheld. Trotz dieses Sieges und obwohl es gelang, zum Teil durch die Bemühungen der Königin Eleonore, Franzens Gattin und Karls Schwester, einen Frieden zwischen den Monarchen zustande zu bringen, so daß sie zeitweise als brüderliche Freunde auftraten, blieb der Gegensatz bestehen und führte immer wieder zu kriegerischem Ausbruch; Franz wollte nicht auf die Eroberung, Karl nicht auf den Besitz Mailands verzichten. Fortwährend von Frankreich und der Türkei bedrängt, setzte Karl den Evangelischen gegenüber die entgegenkommende Politik fort, deren Ziel die vermittelnde Einigung war. Da die Protestanten von einem durch den Papst berufenen Konzil nichts mehr wissen wollten, bequemten sie sich zu dem vom Kaiser vorgeschlagenen Religionsgespräch, das der Ersatz oder Vorläufer eines Nationalkonzils sein sollte. Es begann im Jahr 1541 in Worms; Redner waren die altbewährten Fechter Melanchthon und Eck. Melanchthon war, um seine Schwäche vom Augsburger Reichstage vergessen zu machen, sehr unnachgiebig. Eck war der alte geblieben, höchstens in seinen Eigenheiten gesteigert, und brüllte so laut, daß man es drei Straßen weit hörte, zum Gelächter der die schöne Rede schätzenden Italiener. Bald nach dem nichts Gutes verheißenden Beginn verlegte der Kaiser das Gespräch nach Regensburg, wo er einen Reichstag eröffnete. Damals sah ihn der zum Unionsversuch beschiedene Martin Butzer. »Alles an ihm ist kaiserlich«, schrieb er, »Worte, Taten, Mienen, Gebärden, auch seine Freigebigkeit. Niemand, der nicht seine Elastizität und Schnelligkeit, seinen Ernst und seine Majestät bewunderte. Er vermöchte viel, wenn er ein Kaiser Deutschlands und ein Knecht Christi sein wollte.«

Obwohl in Regensburg als Vertreter des Papstes der reformfreundliche Venezianer Gasparo Contarini anwesend war, der hoffte, es werde möglich sein, den Katholizismus allmählich von innen heraus im lutherischen Sinne umzugestalten, ohne daß die Einheit der Kirche angetastet würde, gelang es nicht, das Unvereinbare zu vereinen. Sowohl der Papst wie Luther lehnten eine Verständigung durchaus ab. Der sehr enttäuschte Kaiser machte nunmehr den Vorschlag, beide Parteien sollten sich an das sogenannte Regensburger Buch halten, das heißt an diejenigen Artikel des Glaubens, in welchen im Laufe des Gesprächs Übereinstimmung erzielt war; in Hinsicht auf die nicht verglichenen sollten sie sich gegenseitig tolerieren. Der erste Vorschlag zur Duldung ging von Karl und den ihm nahestehenden Räten aus. Um das Gelingen desselben zu fördern, tat er einen höchst überraschenden Schritt: er schickte eine Gesandtschaft an Luther, den Geächteten, um ihn zur Annahme des Vorschlags zu bewegen. Es war der erste und einzige Augenblick, wo die beiden großen Gegner in unmittelbare und freundliche Beziehung zueinander traten. Der Kaiser täuschte sich nicht, wenn er Luther für duldsamer hielt als seinen Fürsten: er gab, wenn auch halb widerwillig, seine Zustimmung, zog sie aber nachher, von Johann Friedrich gedrängt, zurück. Der erzürnte Papst wollte von Duldung von vornherein nichts hören. Man könnte es begreifen, wenn der Kaiser, nachdem alle seine Versuche, eine gütliche Einigung herbeizuführen, von den Häuptern der Parteien zurückgewiesen waren, sich sofort kriegerischer Lösung des Problems zugewendet hätte. Allein die europäische Lage war so, daß er es für notwendig hielt, vorher Frankreich und die Türkei auszuschalten. Zunächst griff er den Herzog von Cleve an, mit dem er über den Besitz von Geldern in Streit geraten war.

Die Lage der Protestanten war um 1540 so günstig, wie sie noch nie gewesen war. Mit Ausnahme von Braunschweig-Wolfenbüttel, dessen Herzog streng katholisch und kaiserlich war, hatte ganz Norddeutschland das Evangelium angenommen, Köln und Pfalz waren im Begriff überzutreten, ebenso der Herzog von Cleve, der den Niederrhein beherrschte. Eine Zeitlang machte sich die Abneigung der Fürsten gegen die Zentralgewalt und der eifersüchtige Haß Bayerns auf Österreich so sehr geltend, daß ein protestantisch-katholisches Bündnis gegen den Kaiser möglich schien. Mit Bayern stand der Landgraf von Hessen jahrelang in geheimen Unterhandlungen, die ihm kaum ganz geheuer vorkommen konnten bei der unverhohlenen Falschheit des bayrischen Kanzlers Leonhard von Eck, dessen Äußerung erzählt wurde: wenn man schon Brief und Siegel nicht hielte, so wäre es doch in 60 Jahren alles vergessen. Aufrichtig waren nur sein Wille, Bayern trotz aller Intrigen mit den Protestanten beim alten Glauben zu erhalten, und sein Haß auf die Habsburger.

Indessen, auch ohne Bayern waren die Protestanten an Zahl stark. Butzer war überzeugt, wenn sie einmütig und fest am Reichstage aufträten, würden sie ihre Forderungen durchsetzen: Aufhebung des Wormser Ediktes und des Augsburger Reichstagsabschieds und Einstellung der Prozesse am Reichskammergericht, gerechtere Besetzung desselben. Aber weder Einmütigkeit noch Festigkeit war zu erreichen. Die Fürsten konnten es nicht lassen, die Städte zu kränken, deren sie doch ihres Geldes und ihrer guten kriegerischen Ausrüstung wegen durchaus bedurften: Sie schoben ihnen die größte Last der Bundesbeiträge zu, behandelten sie als ihnen untergeordnet, sprachen ihnen wohl gar die Reichsstandschaft ab und unterdrückten nicht einmal immer ihr Gelüsten, sich die in ihrem Gebiet liegenden Reichsstädte zu unterwerfen. So bedrängte der Herzog von Württemberg Eßlingen. Aber auch die Städte waren nicht unbedingt zuverlässig. Abgesehen davon, daß diejenigen, welche nach den kaiserlichen Ländern handelten, auf diese Beziehungen Rücksicht nehmen wollten, hielten es namentlich die vornehmen Geschlechter und reichen Kaufleute in hergebrachter Weise mit dem Kaiser, der der Grund ihrer Freiheit war und sie bei ihrer Freiheit schützte, während sie Ursache hatten, den Fürsten zu mißtrauen. In den Zünften, die die eigentliche Stütze der evangelischen Gesinnung waren, trat dieser Gesichtspunkt zurück; aber die Regierungen befanden sich, soweit sie protestantisch waren, in einem quälenden Zwiespalt. Von den Fürsten verfolgte jeder ein besonderes Interesse, das ihn zu einem anderen in Gegensatz brachte. Johann Friedrich, dessen natürliche Schwerfälligkeit durch vieles Trinken noch vermehrt wurde, der wie ein gereizter Stier immer nur den einen Punkt sah, auf den er gerade losstürzte, bemächtigte sich einiger Landesteile, auf die sein Vetter Moritz, Herzog von Sachsen, gleichfalls Anspruch erhob, und erbitterte dadurch diesen, der ihn ohnehin nicht leiden konnte. Nur ein einziger war kühn, tätig, willens, durchzuführen, was er für zweckmäßig erkannt hatte, bereit, sich für seinen Glauben einzusetzen, das war Landgraf Philipp von Hessen. Mit der Reinheit und Sachlichkeit eines Kindes hatte er als Jüngling das Evangelium ergriffen, sich die evangelischen Gedankengänge gründlich angeeignet und brannte darauf, für sie zu kämpfen; und dieser einzige lähmte sich selbst und den Bund, dessen Nerv er war, gerade jetzt durch seine verhängnisvolle Liebesangelegenheit. Mit Entsetzen sah Martin Butzer die Folgen der Verwickelung, an der er selbst bei seinen nahen Beziehungen zum Landgrafen beteiligt war: während der Reichstag und das Religionsgespräch in Regensburg tagten, näherte sich Philipp dem Kaiser, der über diesen unverhofften Fang hoch erfreut war. Vergebens warnte, flehte Butzer: Philipp war seiner Liebesleidenschaft ebenso ehrlich und entschlossen hingegeben wie seinem Glauben. Diesen gab er nicht preis; aber er verpflichtete sich, dem Herzog von Cleve nicht beizustehen und keine ausländische Macht, weder Frankreich, noch England, noch Dänemark in den Schmalkaldischen Bund aufzunehmen, wogegen der Kaiser ihn vor etwaiger Bestrafung wegen Bigamie sicherte. Die Schuld an diesem Bündnis schrieb er seinen fürstlichen Glaubensgenossen, namentlich dem Kurfürsten von Sachsen zu; hätte der treu zu ihm gestanden, wäre er dieses Schrittes überhoben gewesen.

Der Feldzug Karls gegen den nun vereinzelten Herzog von Cleve verlief rasch und glücklich. Die Stadt Cleve, beim fünften Sturme genommen, brannte vollständig ab, erschreckt kapitulierte Jülich, der Herzog mußte sich unterwerfen. Karl verzieh ihm und verheiratete ihn mit einer Tochter seines Bruders Ferdinand, nachdem die geplante französische Heirat aufgehoben war. Der Reformation eines großen wichtigen Gebietes war Einhalt geboten. Der Sieg des Kaisers machte Eindruck auf die Stände, die im folgenden Jahre (1544) auf dem Reichstag zu Speyer sich um ihn versammelten. Daß Franz I. im Bunde mit der Türkei war, schadete ihm auch bei den Protestanten, von denen viele geneigt gewesen waren, bei ihm Schutz gegen den Kaiser zu suchen; sie bewilligten außer einer Türkenhilfe eine ansehnliche Hilfe gegen Frankreich, so daß Karl in der ungewöhnlichen Lage war, einen Reichskrieg gegen Frankreich zu führen. Diese Bereitwilligkeit vergalt er mit weitgehenden, mit erstaunlichen Zugeständnissen: er erkannte die bis jetzt vorgenommenen Säkularisationen an, versprach, am Kammergericht protestantische Beisitzer zuzulassen, und verhieß für die Zukunft ein freies Konzil im Sinne der Protestanten, auf welchem die religiösen Fragen erledigt werden sollten. Bis dahin sollte zwischen allen Ständen Frieden und Freundschaft herrschen. Der Papst war über dies Verhalten des Kaisers, wodurch er ihn beiseite schob, als habe er gar nicht mehr mitzureden, so aufgebracht, daß er ein Breve erließ, in dem er Verwahrung gegen die Reichstagsbeschlüsse einlegte, Karl mit Friedrich II. verglich und ihm, wenn er nicht in sich gehe, mit strengen Maßnahmen drohte. Das künstliche diplomatische Geflecht zwischen den europäischen Mächten hatte sich so wunderlich gedreht, daß die protestantischen Stände Frankreich den Krieg erklärten und mit dem Kaiser im Einverständnis waren, während zwischen dem Kaiser und dem Papst ein Krieg drohte. Calvin und Luther antworteten auf das Breve des Papstes, als sei es ihr Haupt, das er angegriffen hatte, Calvin, indem er die Tugenden des Kaisers rühmte, Luther, indem er einen Kübel voll Grobheit über den Papst ausleerte und alle Feindseligkeiten aufzählte, die jemals von Päpsten gegen Kaiser ausgeübt worden waren. Um zwischen den Kaiser und die Protestanten einen Zwiespalt zu bringen, tat Paul III. einen Schritt, gegen den er selbst sowie sein Vorgänger sich immer gesträubt hatten: er eröffnete im Dezember 1545 in der zum Reiche gehörenden Stadt Trient das längst verheißene Konzil. Die Protestanten waren sich darüber einig, daß sie sich einem vom Papst berufenen Konzil nicht unterwerfen konnten, und legten Verwahrung dagegen ein; der Kaiser, der stets das Konzil verlangt hatte, konnte es nun, da endlich ein Papst der Forderung nachkam, nicht ablehnen. Das Allheilmittel, an das zu glauben man übereingekommen war, erwies sich als wertlos. Man hatte immer vom Konzil geredet, während man glaubte, die Abneigung der Päpste würde es nicht dazu kommen lassen; nun war es da und machte nur die Unversöhnlichkeit der Spaltung deutlicher offenbar.

Der Deutschen bemächtigte sich das Gefühl, daß es zum Kriege kommen müsse. Hatte der Kaiser sie überlistet? Hatte er sie durch großherzige Einräumungen von Frankreich getrennt, um sie dann, eine lange gehegte Absicht ausführend, zu überfallen? Vielleicht, wäre er nicht durch die europäische Lage beschwert gewesen, hätte er eher Gewalt gebraucht; aber, wie es nun einmal war, zog er eine gütliche Vermittlung vor, die ihm um so eher möglich schien, als er meinte, es komme nur auf einige Reformen und Milderungen an, wie viele Katholiken gleichfalls sie wünschten. Mehrfach war ihm von seinen Räten und auch von italienischen Staatsmännern geraten, den Kirchenstaat zu säkularisieren; war es doch offenbar, wie sehr die Päpste durch ihr weltliches Fürstentum von ihrer eigentlichen Aufgabe abgezogen wurden und die ärgerlichsten politischen Verwicklungen ausrichteten. Allein Karl ging darauf nicht ein, sei es, daß er die Schwierigkeit der Ausführung einsah, sei es, daß er nicht außerhalb der Grundformen des mittelalterlichen Weltreiches denken wollte und konnte. Er hätte damit wahr gemacht, was man ihm vorwarf, daß er die Universalmonarchie anstrebe, oder er hätte ein unabhängiges Italien schaffen oder leiden müssen; beides war unmöglich. Im Bewußtsein, daß er das Papsttum erhalten mußte, wenn er Kaiser bleiben wollte, erstrebte er mit allen Kräften eine Einigung, bei der naturgemäß, da Erhaltung des Papsttums Voraussetzung war, die Protestanten am meisten nachgeben und verlieren mußten. Dazu würden sie um so weniger zu bewegen sein, je mehr sie sich durch neue Anhänger verstärkten, und eben das war in letzter Zeit eingetreten. Auf den Kurfürsten Albrecht von Mainz, der zuerst mit dem neuen Glauben geliebäugelt hatte und zuletzt ein katholischer Eiferer geworden war, folgte Sebastian von Heussenstamm, der die Wahl mit Hilfe Philipps von Hessen erlangt hatte und dem Protestantismus zuneigte. Pfalzgraf Friedrich, der alte treue Anhänger des Hauses Habsburg, der 1544 seinem Bruder Ludwig in der Kur gefolgt war, nahm mit seiner Gattin in Heidelberg das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Als auch Brandenburg übertrat, waren drei weltliche Kurfürsten evangelisch; als nun noch der Kurfürst von Köln seinen Übertritt vollzog, war die Stimmenmehrheit im Kurfürstenkollegium bei den Neugläubigen. Vielleicht gab es nach dem Tode der kursächsischen Brüder unter den evangelischen Fürsten keinen, der so lauter im Glauben, ohne weltliche Nebenzwecke war wie der alte Hermann von Wied. Anfangs gut katholisch war er im Bestreben, sein Land zu reformieren, das heißt es von Mißbräuchen und Aberglauben zu reinigen, zur Kenntnis der evangelischen Gedanken gekommen, und hielt daran fest, nachdem sie ihm als wahr und gut erschienen waren. Er war entschlossen, lieber sein Fürstentum zu verlieren, als seinen Glauben aufzugeben. Dieser Glaubenswechsel war für Karl äußerst gefährlich; denn dadurch rückte das Luthertum wieder, wie vor dem Clevischen Kriege, gegen die Niederlande vor, wo es ohnehin viele Ketzer gab, und würde sie überfluten, ohne daß er es würde hindern können. Nur die Gewalt konnte das Vordringen der Protestanten aufhalten. Sollte es aber zum Kriege kommen, so mußte er den Augenblick ergreifen, wo sich alles zu seinen Gunsten schickte. Frankreich hatte versprochen, die Protestanten im Reich nicht zu unterstützen, auch mit der Pforte hatte er Frieden geschlossen. Allerdings hatte er fast das ganze Reich gegen sich, ein Gebiet, das reich war an geübten Soldaten; aber seine Spanier waren ihnen gewachsen, und er kannte die Unfähigkeit der Schmalkaldener, sich zu einigen. Seine Brust hob sich im Vorgefühl, die Rebellen zu seinen Füßen zu sehen. »Er wollte«, sagt er in seinen Denkwürdigkeiten von sich, »tot oder lebendig Kaiser in Deutschland sein.« Zunächst setzte er seine diplomatische Kunst ein, um die Gegner zu teilen. Dem Herzog Wilhelm von Bayern machte er Aussicht auf die pfälzische Kur und eine habsburgische Frau für seinen Sohn; dafür blieb er still, unterstützte nur ihn mit Geld. Zwei Hohenzollern, den Markgrafen Albrecht Alcibiades von Kulmbach-Bayreuth und den Markgrafen Hans von Küstrin, gelang es ihm, in seinen Dienst zu ziehen; aber ein noch edleres Wild fing er ein. Moritz von Sachsen, der kürzlich seinem Vater Heinrich gefolgt war, hatte sich schon im Türkenkriege ausgezeichnet und sich dem Kaiser wert gemacht. Er war seinem Vetter Philipp, der zugleich sein Schwiegervater war, ähnlich an Schönheit, Klugheit und Unternehmungslust; aber er hatte nichts von dessen Geradheit, von seiner Wärme und Herzlichkeit in den menschlichen Beziehungen, nichts von seinem Glaubenseifer. Die herkömmliche Feindschaft gegen die ernestinischen Vettern erfüllte ihn ganz, sie suchte vollends nach Betätigung, als Johann Friedrich nicht nur die Stifte Naumburg und Merseburg einzog, sondern auch Schutzherrschaft über das Erzstift Magdeburg geltend machte. Erbitterung und Hoffnung, die Beute dem verhaßten Vetter zu entwinden, trieben ihn auf die Seite des Kaisers. Vielleicht hatte Anteil an dem Abfall die Anziehungskraft, die Karl V. persönlich auf junge Fürsten ausübte. Macht wirkt magisch, doppelt, wenn sie mit Überlegenheit besessen und ausgeübt wird. Karl alterte wie Luther früh; aber nicht im Sinne geistiger oder körperlicher Erschlaffung. Er machte die langen anstrengenden Reisen von einem seiner Länder ins andere zu Pferde, zu Schiff, zu Schlitten, um seinen Pflichten nachzukommen, er handelte immer nach großen Gesichtspunkten, er kannte seine Räte und Offiziere durch und durch und verwendete sie nach ihren Gaben. Auch die deutschen Fürsten beurteilte er richtig, er durchschaute ihre Schwächen und hatte Verständnis für ihre Vorzüge; er konnte bis zu einem gewissen Grade traulich mit ihnen verkehren und reden, seit er in den späteren Jahren sich an die deutsche Sprache gewöhnt hatte. Ihr großes überschwengliches Saufen, wie die Tadler es nannten, war ihm widerwärtig, und es kam vor, daß er sie ersuchte, sich zu mäßigen. Wie gemein erscheinen neben ihm seine beiden Nebenbuhler, Franz I. und Heinrich VIII., die zwar begabt waren, aber in der Hauptsache ihre hohe Stellung benützten, um sich zügellos ihren sinnlichen Leidenschaften hinzugeben. Es war ihm immer gegenwärtig, daß er nicht sich allein, sondern das Reich und die höchste Würde der Christenheit darstellte. Es ist begreiflich, daß er junge Menschen bezauberte. Er seinerseits war empfänglich für die Huldigung der Jünglinge, die seine Söhne hätten sein können, wenn er sie auch zugleich oder in erster Linie bei seinen politischen Berechnungen verwendete. Moritz von Sachsen entschädigte ihn dafür, daß es ihm nicht gelang, den Schmalkaldischen Bund zu sprengen. Um das zu erreichen, gab Karl an, er führe keinen Glaubenskrieg; er wolle nur die Ungehorsamen strafen. An Gründen dazu fehlte es nicht, waren doch die gewaltsame Zurückführung Ulrichs von Württemberg in sein Land und die Vertreibung des Herzogs Heinrich von Braunschweig, beides von Philipp von Hessen durchgesetzt, offenbare Landfriedensbrüche. Indessen auch wenn der Papst nicht gleichzeitig erklärt hätte, er verbinde sich mit dem Kaiser, um die Häresie auszurotten, hätten die Protestanten sich doch nicht irreführen lassen: sie wußten, daß es um ihren Glauben und die mit ihm verbundenen weltlichen Interessen ging und hielten in der Hauptsache fest zusammen. Hessen und Kursachsen, die hauptsächlich Betroffenen, rüsteten mit Nachdruck, und die übrigen Bundesglieder leisteten ihre Beiträge, auch die oberdeutschen Reichsstädte erklärten zu des Kaisers Enttäuschung, für das Wort Gottes Gut und Leben einsetzen zu wollen. An der Spitze eines starken Heeres erklärten Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Sachsen dem Kaiser feierlich den Krieg, was er mit ihrer Ächtung beantwortete. Allein den großartigen Vorbereitungen entsprachen die Taten der Evangelischen nicht; es war, als ob eine Verblendung die Heerführer befallen hätte. Sie unterließen es, den von den Niederlanden und Italien her heranrückenden kaiserlichen Truppen den Weg zu verlegen und mit ihrer weit überlegenen Macht den in Regensburg fast ungedeckten Kaiser zu bedrängen, eine Entschlußlosigkeit, die sich daraus erklären läßt, daß das Bewußtsein, gegen ihren Kaiser zu fechten, die Fürsten lähmte. Beide hatten sich ungern und erst spät, als die Absichten Karls nicht länger verkannt werden konnten, zum Angriff ein Herz gefaßt. Trotz der seltsamen Ratlosigkeit seiner Feinde hatte der Kaiser, der in der Gegend von Ulm stand, noch keinen entscheidenden Vorteil errungen; da schlug wie ein vernichtender Blitz der Verrat des Herzogs Moritz in die Reihen der Verbündeten: er überfiel das Land seines Vetters als Vollstrecker der kaiserlichen Acht, indem er erklärte, daß dadurch die Rechte des Hauses Sachsen besser gewahrt würden, als wenn ein fremder Fürst es täte. Es ist anzunehmen, daß sein Vorgehen auf einer von Anfang an mit dem Kaiser getroffenen Verabredung beruhte. Schon öfters war mit dem Beginn der Reformation der Gedanke aufgetaucht, der Kaiser könne den Ernestinern, unter deren Schutz Luthers Rebellion sich vollzogen hatte, die Kurwürde nehmen; möglicherweise hatte lange schon eine solche Möglichkeit den jungen ehrgeizigen Albertiner beschäftigt. Die Aussicht, Johann Friedrichs Land und Würde an sich bringen zu können, ließ ihn jedes sittliche Bedenken hintansetzen; er redete sich ein, nur das zu tun, was sonst ein anderer täte. Freiheit des Bekenntnisses für sein Land ließ er sich gewährleisten. Gleichzeitig mit Moritzens Einfall in Kursachsen erklärte der Kaiser förmlich die Übertragung der Kur auf die albertinische Linie. Schwungvolles, straffes Handeln hätte die Verbündeten immer noch retten können; anstatt dessen herrscht Zerfahrenheit auf allen Seiten. Johann Friedrich verließ den Süden, um sein Land zurückzuerobern, was ihm auch dank der Treue seines Volkes gelang, Philipp von Hessen folgte ihm; die preisgegebenen oberdeutschen Städte wußten keinen anderen Rat, als sich gegen Sicherung ihres Glaubens dem Herrscher zu unterwerfen. Karl begnügte sich mit großen Geldbußen und der Demütigung der stolzen Kommunen; auch Jakob Sturm von Straßburg, der das Recht des neuen Glaubens so schneidig durchgekämpft hatte, mußte die Knie beugen. Obwohl furchtbar unter der Gicht leidend, zog der Kaiser, nachdem der Süden beruhigt war, gegen Sachsen und erreichte Ende April 1547 die Elbe bei Mühlberg, wohin Johann Friedrich sein Heer geführt hatte in der Hoffnung auf Beistand von den protestantischen Böhmen. Auch hier wieder wurde von seiten der Evangelischen das Naheliegende und Notwendige unterlassen; in diesem Falle, dem Feinde den Übergang über die Elbe zu wehren. Teils sächsische Schiffsbrücken benützend, teils durch eine Furt überschritt das gesamte kaiserliche Heer den Strom, verfolgte die nach Torgau zu Fliehenden und nahm den Kurfürsten gefangen. Der Kaiser hatte einen vollständigen Sieg errungen, den ein Erfolg der Protestanten im Norden nicht abschwächen konnte; auch Landgraf Philipp unterwarf sich auf Gnade und Ungnade, nachdem ihm die Vermittler, der Kurfürst von Brandenburg und der neue Kurfürst von Sachsen, Philipps Schwiegersohn, zugesagt hatten, daß er nicht in Gefangenschaft gehalten werden sollte. Es lag dem Kaiser daran, diesen Fürsten, der so unzuverlässig, so übermütig, so respektlos war, für immer unschädlich zu machen: er mußte eine bedeutende Strafsumme zahlen, alle festen Plätze mit wenigen Ausnahmen ausliefern, vom Schmalkaldischen Bunde zurücktreten, jeweils Türkenhilfe leisten und das Reichsgericht anerkennen. Daß der Kaiser die beiden letztgenannten Bedingungen allen auferlegte, ist ein Zeichen, wie wichtig diese Punkte ihm waren. In Halle, wo der Kaiser sich aufhielt, wurden dem Landgrafen, nachdem er den Fußfall geleistet hatte, die Todesstrafe, die der Geächtete eigentlich verdient hätte, und ewiges Gefängnis förmlich erlassen. Auf den Abend war er mit den beiden Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen vom Herzog von Alba zu Tisch geladen. Als sie aufbrechen wollten, forderte ihm Alba das Schwert ab und behielt ihn als Gefangenen zurück. Fast mehr als er selbst erschraken die beiden Kurfürsten, die sich für seine Freiheit verbürgt hatten. Sie hatten des Kaisers Verhalten, der nichts Bindendes versprochen, überhaupt eine bestimmte Äußerung über etwaige Gefangenschaft des Landgrafen vermieden hatte, in einem für sie günstigen Sinne ausgelegt und fühlten sich nun Philipp gegenüber entehrt.

Auf dem Reichstage zu Augsburg, den Karl nach Beendigung des Krieges berief, trat er als wahrer Kaiser auf, wie er im Beginn seiner Regierung es sich vorgenommen hatte. Schwäche und Verrat der Protestanten hatten es ermöglicht; aber das meiste hatten dazu getan sein diplomatisches Geschick, seine Beharrlichkeit, seine unermüdliche Tatkraft. Er ließ den Sieger in seinem Auftreten spüren, ganz konnte er das Triumphgefühl, das ihn beseelte, nicht unterdrücken und wollte es wohl auch nicht. Unschön stach dagegen ab das Benehmen der drei weltlichen Kurfürsten, die sich den üblichen Gastereien hingaben; Moritz belustigte sich außerdem durch Liebeshändel. Zeigte sich Karl als strenger Herrscher, so daß er einen Obersten, der dem König von Frankreich Truppen zugeführt hatte, während des Reichstags enthaupten ließ, eine Warnung an die Mietlinge Frankreichs, verfuhr er doch in bezug auf die Religion nicht so durchgreifend, wie der Papst und viele Altgläubige von ihm erwarteten. Paul III., der gottlose Farnese, wie seine Feinde ihn nannten, hatte bereits im Sommer seine Truppen zurückgezogen aus Wut, daß der Kaiser den unterworfenen Städten den Glauben gelassen hatte. Dann verlegte er das Konzil, das bereits die evangelische Lehre mit Stumpf und Stiel verdammt hatte, von Trient nach Bologna, was den Kaiser erzürnte. Allerlei italienische Händel, Übergriffe des eroberungssüchtigen Papstes betreffend, führten zu einer solchen gegenseitigen Erbitterung, daß Paul III. sich wieder mit Frankreich einzulassen begann. Die Forderung des Kaisers, das Konzil nach Trient zurückzuverlegen, lehnte er ab und gab ihm dadurch Anlaß, die Ordnung der religiösen Fragen selbst in die Hand zu nehmen. Zunächst berief er einen Ausschuß aus den Ständen, der es zu keinem Beschluß brachte; Bayerns Kanzler Leonhard von Eck verlangte schlechtweg Wiederherstellung des katholischen Glaubens in ganz Deutschland. Wieder gab Uneinigkeit dem Kaiser Ursache, als Diktator zu handeln. Er ging dabei immer noch von der Idee der Vermittlung aus, benützte die vorhergegangenen Unionsversuche und berief zu Vorschlägen den Naumburger Domherrn Julius von Pflug, der schon mehrfach die katholische Partei im vermittelnden Sinne vertreten hatte, und den Brandenburger Pfarrer Agricola, Luthers einstigen Freund und Feind, der eine schwärmerische Verehrung für den Kaiser gefaßt hatte. Das Buch Interim, das entstand, ließ allerdings den Protestanten nicht viel mehr als die Priesterehe und das Abendmahl in beiderlei Gestalt, auch das nicht unbedingt und nur bis zur endgültigen Entscheidung durch das Konzil. Die Evangelischen waren tief enttäuscht, da nur ihnen etwas auferlegt worden war, während sie gehofft hatten, auch von den Katholiken würde ein Nachgeben verlangt werden; immerhin war ein Beschluß zur Reformation des Klerus gefaßt worden, namentlich die Bildung der Geistlichen und die Vereinigung mehrerer Pfründen in einer Hand betreffend, Punkte, die zu den ein Jahrhundert alten Beschwerden gehörten. Wie schmerzlich sie auch betroffen waren, es blieb den Besiegten nichts übrig, als sich zu fügen. War doch ein protestantischer Pfarrer, Agricola, bei der Abfassung des Interim tätig gewesen, und erklärte doch Melanchthon, seit Luthers Tode das Haupt der Protestanten, er sei bereit, was er nicht billige, schweigend zu ertragen. Er habe ja früher, schrieb er einem Freunde, durch Luther eine beinah schimpflichere Knechtschaft ertragen. So tief hatte sich in seine Seele eingegraben, was er durch Luthers Übermacht gelitten hatte, daß er sich nicht scheute, das Gedächtnis des großen Mannes zu kränken, dessen Werk in diesem Augenblick zerstört wurde.


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