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Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges

Mit dem Beginn des niederländischen Aufstandes war der Gegensatz zwischen dem alten und dem neuen Glauben zum kriegerischen Ausbruch gekommen, der nicht mehr erlosch. Wenn das Reich auch nicht unmittelbar dabei beteiligt war, da Karl V. den burgundischen Kreis ausdrücklich vom Reiche abgelöst hatte, so schlug er doch zuweilen über die Grenze; war doch das schon eine bedenkliche Tatsache, daß der Gegner Spaniens und Vertreter der Niederlande ein deutscher Fürst war und als solcher den Krieg gegen Philipp II. führte, und daß der Kurfürst von der Pfalz, Egmonts Schwager, die Aufständischen heimlich und durch seine Söhne unterstützte. Daß der Frieden erhalten blieb, lag zum Teil an der Schläfrigkeit der protestantischen Fürsten im Reich, vor allem aber an der kaiserfreundlichen Politik des mächtigsten unter ihnen, des Kurfürsten von Sachsen. August, der sein Land infolge der Enteignung seiner ernestinischen Vettern schön abgerundet vorfand und nun wie ein pfennigtreuer Gutsherr und Hausvater für das wirtschaftliche Wohl seiner Untertanen sorgte, dachte nicht daran, weitere Erwerbungen zu machen, sondern das Gewonnene festzuhalten und auszubauen. Er wußte, daß Karl V. mit der Möglichkeit gerechnet hatte, den beraubten Kurfürsten Johann Friedrich gegen Moritz auszuspielen; ebenso konnten Karls Nachfolger sich des rachsüchtigen Sohnes des Verstorbenen bedienen, wenn er, August, ihren Unwillen auf sich zöge. Dieses Verhältnis bestimmte von nun an die sächsische Politik: die neugeschaffenen Kurfürsten waren durch Moritzens vom Kaiser autorisierten Tigersprung an den Kaiser gebunden.

Die spanische Verwandtschaft machte sich zunächst bei der österreichischen Dynastie wenig geltend. Ferdinand I., obwohl er die Kinderjahre in Spanien zubrachte, wurde im Laufe seiner Regierung bewußt und unbewußt zu einem deutschen Fürsten, der im Interesse seines Sohnes gemeinsam mit ihnen die von Karl gewünschte Nachfolge Philipps bekämpfte. War er auch nicht so bedeutend und anziehend wie sein Bruder, so hat er doch durch seinen maßvollen, besonnenen Charakter in schwieriger Zeit erfolgreich gewirkt und das auseinanderfallende Reich zusammengehalten. Sein Sohn Maximilian hatte, wie es scheint, jenes berückende Etwas, jenes aus dem großen Mischkrug des Südostens aufschwebende Aroma, das man später als österreichisch oder wienerisch bezeichnete. Er wußte Katholiken und Protestanten so zu bezaubern, daß sie die Lösung des unlösbaren deutschen Schicksalsknotens von ihm erwarteten. Die Protestanten sahen in dem Erzherzog den künftigen protestantischen Kaiser, unter dessen Führung sich das ganze Reich dem neuen Glauben zuwenden würde. Indessen war Maximilian, wenn auch evangelisch, doch nicht eigentlich ein Gegner des Katholizismus, sondern des Papismus; er glaubte evangelisch zu sein, wenn er einen gereinigten Katholizismus bekenne, zu einer durch ein Konzil zu reformierenden Kirche hielte. Die Augsburger Konfession von 1530, die sogenannte Invariata, die bewußt den Gegensatz zum alten Glauben abgeschwächt hatte, wollte er als Norm für die Protestanten angesehen wissen. Ohne Wirkung konnte es auch nicht bleiben, daß er mit einer Tochter Karls V. verheiratet und mit seinem Vetter Philipp von Spanien in steter Verbindung war.

Der starke Familienzusammenhang der Habsburger bewährte sich, als Philipp II., nachdem er dreimal Witwer geworden war, als Bewerber einer Tochter Maximilians II. auftrat; von da an war der deutsche Kaiser vollends gelähmt in den Dingen, die das spanische Interesse betrafen. Zur Zeit, als der niederländische Aufstand ausbrach, erinnerte Kurfürst Friedrich von der Pfalz den Kaiser an die frühere Zeit, wo er in guter Hoffnung gestanden, Maximilian werde das durch den Heiligen Geist in ihn gepflanzte und angezündete Fünklein keineswegs erlöschen, sondern nach dem Befehl und Willen Gottes fortgelangen lassen; aber gerade von dem Pfälzer ließ sich Maximilian ungern mahnen, denn er haßte die Calvinisten, die Friedensstörer, und mißbilligte sehr die kaum verheimlichte Hilfe, die der Kurfürst und seine Söhne den niederländischen Rebellen leisteten. Acht Jahre später bat Friedrich noch einmal den Kaiser, sich der Sache der armen bedrängten Christen mit mehr Ernst anzunehmen. »Mit Ew. Maj. handle ich rund, wie ich zu tun schuldig bin, und gemein es mit derselbigen gut«, schrieb er, »verhoffe eine getreue aufrichtige Warnung von einem alten erlebten Churfürsten werde Ew. Maj. nit übel aufnemen, dieweil Ew. Maj. nunmehr so wol als ich ein gut alter erreicht, dises leben aber zergenklich ist …« Im folgenden Monat starben beide, erst der Kaiser, dann der Kurfürst. Hatte Maximilian die Protestanten enttäuscht, so mußten sie ihm doch zugestehen, daß er einen kaiserlichen Standpunkt über den Parteien einzunehmen bestrebt gewesen war. Sein in Spanien erzogener Sohn Rudolf hätte wohl im Sinne seines Oheims Philipps II. regiert; aber seelische Zerrüttung und Zerwürfnisse mit seinen Brüdern ließen ihn unsicher hin und her schwanken und schließlich sogar die Protestanten begünstigen. Unter ihm und seinem Bruder Mathias, leergelebten Schatten der Väter, breitete sich der neue Glaube in ganz Österreich, Böhmen und Ungarn aus. Das Privilegium der Glaubensfreiheit wurde zwar nur den Ständen erteilt, das heißt dem Adel und den königlichen Städten; aber mittels derselben genoß es auch die Bevölkerung. Durch diese Zugeständnisse wurden die Stände, die überall mit den Fürsten um die Macht rangen, in ihrer Unabhängigkeit sehr gestärkt. Ohnehin war der Adel in den östlichen Ländern, besonders in Böhmen und Ungarn, sehr begütert und einflußreich, während die Städte weniger bedeuteten als im Westen. In Böhmen wurde das Institut der Defensoren eingerichtet, die die Verpflichtung hatten, darüber zu wachen, daß die religiöse Freiheit nicht beeinträchtigt werde. Ein solcher Schutz war deshalb nötig, weil die Privilegien den Herrschern nur durch die Verhältnisse abgerungen waren; weder Rudolf noch Mathias meinten es mit den erteilten Begünstigungen ehrlich, lauerten vielmehr auf einen Anlaß, sie zurückzunehmen. Nach dem sogenannten Majestätsbrief war in Böhmen den Herren, Rittern und königlichen Städten das Bekenntnis freigegeben: die Frage, ob bei geistlichem Gebiet ein königliches Obereigentum anzunehmen sei oder nicht, war offengelassen. Die Protestanten nahmen ein solches an und waren damit im Rechte; aber die mittelalterlichen Verhältnisse waren so fließend, daß fast in allen Fällen Beispiele für die entgegengesetzte Auffassung beigebracht werden konnten. Von katholischer Seite wurde das königliche Obereigentum über geistliche Güter bestritten, und die geistlichen Inhaber derselben hielten sich deshalb für berechtigt, den Evangelischen die Ausübung ihres Gottesdienstes auf ihrem Gebiet zu verwehren. Dieser Streitpunkt drohte in zwei Fällen zu einem feindlichen Zusammenstoß zu führen.

Gleichzeitig bestand Kriegsgefahr im Westen des Reiches. Im Jahre 1609 starb der letzte Sproß des Cleveschen Fürstenhauses, der geisteskranke Johann Wilhelm. Daß die Nachfolge von zwei protestantischen Fürsten in Anspruch genommen wurde, dem Kurfürsten von Brandenburg und dem Pfalzgrafen von Neuburg, beunruhigte die Katholiken, namentlich Spanien, das gerade an den Grenzen der Niederlande die Ausbreitung des Protestantismus nicht leiden wollte. Beide Teile rüsteten, die Protestanten gewannen die bereitwillige Unterstützung Heinrichs IV. von Frankreich. Da, es war im Jahre 1610, wurde Heinrich IV. ermordet, und Frankreich zunächst aus den kriegerischen Ereignissen ausgeschaltet. Die beiden Prätendenten, Brandenburg und Pfalz, bemächtigten sich einstweilen gemeinsam des verwaisten Landes, und der Kaiser, mit näherliegenden Irrungen beschäftigt, ließ es geschehen. Vier Jahre später, 1614, erneute sich die Kriegsgefahr. Die possedierenden Fürsten, wie man sie nannte, entzweiten sich, worauf Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg katholisch wurde und eine Schwester des Herzogs von Bayern heiratete, der Kurfürst von Brandenburg zum Calvinismus übertrat. Es war ein groteskes Ereignis, das die häßliche Verquickung politischer und kirchlicher Tendenzen beleuchtete; die Prätendenten, die das Ganze gemeinsam innehatten, von denen aber doch jeder das Ganze wollte, suchten beide Hilfe bei den entschlossensten Vertretern der feindlichen Parteien, selbst mehr oder weniger überzeugt, daß der rechte Glaube sie überwunden habe. Noch einmal gelang es doch, den Ausbruch der Feindseligkeiten zu verhindern. Unheimlich war die Stimmung im Reich, wie wenn vor dem Gewitter die Landschaft in fahler Glut erstarrt, die Bäume schwarz wie Lanzen gegen den Himmel stechen. Haßerfüllt standen sich die Parteien gegenüber; aber das unbestimmte Bewußtsein, was für ein unermeßliches Blutvergießen entstehen würde, wenn einmal die Schwerter aus der Scheide gezogen wären, lähmte im letzten Augenblick den Willen zum Angriff. Der Krieg war da, er hing in schweren Wolken schon herab auf das Reich. Wer hätte den frevelhaften Mut, das Band zu zerreißen, das ihn zurückhielt? Der Reichstag des Jahres 1613 hatte eben gezeigt, daß dies Organ der Einheit unwirksam geworden war; denn trotz der vermittelnden Bemühungen des Kanzlers Khlesl war ein gemeinsamer Reichstagsabschied nicht zustande gekommen. Die Katholiken wollten die auf der Säkularisation geistlicher Stände beruhende Ausbreitung des Protestantismus, die sich seit dem Religionsfrieden von 1555 vollzogen hatte, nicht anerkennen. Bedenkt man, daß seitdem zwei Erzbistümer, zwölf Bistümer und zahllose Klöster in die Hände von Protestanten gekommen waren, so begreift man die Erbitterung der Katholiken, aber auch den festen Entschluß der Protestanten, sich nicht wieder entreißen zu lassen, was ihren Besitzstand so außerordentlich vermehrt hatte. Der Zahl nach hatten die Protestanten das Übergewicht, in den Organisationen des Reiches die Katholiken, weil der Kaiser die Protestanten zwar im Besitz der geistlichen Fürstentümer gelassen hatte, nicht aber im Besitz der dazu gehörigen Stimmen auf dem Reichstage. Noch mehr bedeutete es, daß die Gesinnung der Protestanten, die anfangs beherzt angegriffen hatten, schwächlicher, nachlässiger, die der Katholiken entschlossener geworden war.

Es war ein folgenschweres Ereignis, als der Erzherzog Karl, einer der Söhne Kaiser Ferdinands I., die bayrische Prinzessin Maria, Tochter des Herzogs Albrecht V., heiratete. Eine Zeitlang war er zum Bräutigam der Elisabeth von England bestimmt gewesen, und er war damals bereit, ein weicher, nachgiebiger Habsburger, in betreff der Religion bedeutende Zugeständnisse zu machen. Maria war aus anderem Holze geschnitten. Sie besaß die unentwegte Tatkraft derjenigen Menschen, die die Welt von einem einzigen Standpunkt aus betrachten und keinen anderen gelten lassen. Obwohl sie in ihren Ansichten von den Jesuiten abhängig war, ließ sie sich doch nur insoweit von ihnen beherrschen, als es mit ihrem fürstlichen Ansehen übereinstimmte; bei einer etwaigen Spannung mußten die Jesuiten sich fügen. Als Gattin des Erzherzogs beschloß sie sofort, die Steiermark, sein Erbe, wieder katholisch zu machen, sei es durch Güte, sei es durch Gewalt. Karl würde sich niemals getraut haben, die der Steiermark gewährten Freiheiten zu verletzen; Maria sah darin kein Unrecht, wenn es zum Besten der Religion oder der fürstlichen Autorität geschah. Der Erzherzog gab nach und machte die Erfahrung, daß man mit Gewalt vieles, beinah alles erreichen kann, wenn man nur das Eigentum schont. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden die Untertanen von der Obrigkeit bald zu diesem, bald zu jenem Bekenntnis gezwungen, und mit wenigen Ausnahmen akkommodierten sie sich, wie man es damals nannte; nur einzelne zogen den Tod oder die Auswanderung vor. Den Adel zu unterwerfen, war freilich nicht so leicht. Ihre Grundsätze, die sich so sehr bewährten, prägte Maria ihren Kindern, namentlich ihrem ältesten Sohne Ferdinand ein, der als Nachfolger seiner kinderlosen Vettern Gelegenheit haben würde, sie im großen anzuwenden. Auch als Mutter durchaus Herrscherin, litt sie keinen Widerspruch und erfuhr keinen; auf einer Reise nach Italien im Jahre 1598 tat Ferdinand in Loreto das Gelübde, in seinen Erblanden alle Irrlehren auszurotten. Oft wiederholte er den Ausspruch, daß er lieber alle seine Länder und selbst das Leben verlieren würde, als eine Kränkung der Religion dulden. In eigentümlicher Weise waren die schroffen Grundsätze seiner Mutter auf die liebenswürdige Habsburgerei seines Vaters gepfropft. Ferdinand, auch äußerlich ein echter Sohn seiner väterlichen Familie, blond, blauäugig, mit hängender Unterlippe, war weich, gutherzig, ein Freund der Armen, im persönlichen Umgang so liebenswürdig, daß ihm selbst Gegner schwer widerstanden. Wenn es die Religion und zugleich seine Hoheit betraf, zögerte er nicht mit Grausamkeiten, gegen die selbst die Hartgesottenen Bedenken hegten.

Den böhmischen Aufstand, der im Mai 1618 ausbrach, begrüßte er als erwünschtes Ereignis, das ihm Gelegenheit gab, den übermütigen Baronen ihre Privilegien zu nehmen und sie in jeder Hinsicht zu bändigen. Daß seine Bewältigung gelingen werde, daran zweifelte er nicht. Was ihn so sicher machte, war nicht nur das angeborene Hoheitsgefühl der Habsburger und das Vertrauen auf Gott, zu dessen Geschäften es gehörte, seine Dynastie zu beschützen, sondern auch das Vertrauen auf Spanien und Bayern. Spanien hatte trotz der häufigen Bankerotte Geld, Bayern hatte Truppen. Herzog Maximilian von Bayern war nicht frei von der herkömmlichen feindseligen Eifersucht Bayerns auf Österreich, die zur Reformationszeit den mächtigen Kanzler Leonhard von Eck zu einer so seltsamen, zweizüngigen Politik bewogen hatte; aber das katholische Interesse war so mächtig in ihm, daß er sich, soweit dieses in Betracht kam, zum Bundesgenossen Österreichs machte. Der jesuitische Einfluß und der Wunsch, unabhängig von den Ständen zu regieren, die sich durch Protestantismus stärkten, bestimmten jetzt den Charakter der bayrischen Politik. Maximilian hatte mit seinem Vetter Ferdinand zusammen in Ingolstadt studiert und fühlte sich dem jüngeren, etwas fahrigen Habsburger überlegen, ließ aber davon nichts merken, streng gegen sich und verschlossen, wie er war. Er wollte Bayern groß und mächtig machen, aber nicht gegen, sondern durch Habsburg. Seine Grundsätze waren eins geworden mit seinem Willen; keiner von den Fürsten des Reichs konnte sich an Willenskraft und Zielbewußtsein mit ihm messen. Vergebens suchten die Protestanten Bayern und Österreich dadurch zu entzweien, daß sie Maximilian die Kaiserkrone anboten: er wies sie ohne Zaudern ab und versicherte Ferdinand, daß er nicht als sein Nebenbuhler auftreten werde. Ihm, der kein Schwärmer war, wird es kaum schwer geworden sein, der Schlangenversuchung zu widerstehen; er wollte nichts, was zu unabsehbaren Verwicklungen führen konnte, sondern etwas Erreichbares, und das mit unwiderstehlichem Willen.

Sehr verschieden von Maximilian war Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz, den die Umstände dazu bestimmt hatten, jenem die Waage zu halten. Die böhmischen Stände hatten einen schweren Fehler begangen, indem sie zu Lebzeiten des Mathias sich bewegen ließen, einstimmig Ferdinand zum künftigen König anzunehmen, um, wie sie sich ausdrückten, den Gegensatz zur Wahlhandlung zu bezeichnen. Als nun Mathias starb und die Furcht vor Ferdinands katholischem Eifer überwältigend wurde, konnten sie sich nur dadurch von ihm befreien, daß sie ihn absetzten, und hatten doch selbst einen Präzedenzfall zugunsten des Erbrechts geschaffen. Da sie den vorsichtigen Sachsen nicht zum König bekommen konnten, richteten sie ihre Blicke auf die Pfalz, die seit Friedrich III. mit Sachsen um die Führerschaft der Protestanten gerungen hatte. Während das lutherische Sachsen friedliebend war und sich an den Kaiser anlehnte, war die calvinische Pfalz kriegerisch, angriffslustig, nur daß Friedrich V., jung und spielerisch, nicht zum Vertreter der von seinen Vorfahren eingeleiteten Politik geeignet war. Es war ihm nicht wohl zumute, als die Notwendigkeit, sich zu entscheiden, an ihn herantrat, und uns, die wir den Ausgang kennen, erscheint es als unbegreiflicher, fast verbrecherischer Leichtsinn von ihm und seinen Räten, daß sie eine Tat wagten, der die verfügbaren Kräfte so wenig angemessen waren. Der festen Zielsetzung und den bestimmt begrenzten Plänen der Katholiken standen die Protestanten schwächlich und zerfahren gegenüber. Den Lutheranern waren die Calvinisten unsympathischer als die Katholiken; es schien zuweilen so, als kämen ihnen die Katholiken wie etwas Höheres vor, als fühlten sie sich geschmeichelt, wenn der Kaiser und die geistlichen Kurfürsten mit ihnen auf die Jagd gingen und sie freundschaftlich wie ihresgleichen behandelten. Fast in allen Fürstenhäusern gab es wie in Sachsen einen Streitfall zwischen den verschiedenen Linien, der eine von ihnen veranlaßte, sich zum Kaiser zu halten in der Hoffnung, er werde zu ihren Gunsten entscheiden; so war es bei den Hessen, den Braunschweigern und den Wittelsbachern. Wie die albertinischen Sachsen den Vettern die Kur mißgönnt hatten, so mißgönnte sie Bayern der pfälzischen Linie. Auf die Union, das seit 1608 bestehende Bündnis der Protestanten, war so wenig zu rechnen, daß man sich nach ausländischer Hilfe umsehen mußte. Frankreich und England kamen hauptsächlich in Betracht; nun aber waren beide Mächte durch eine eigentümliche Wendung der Politik ihrer Häupter aus Feinden Spaniens Freunde Spaniens geworden, Jakob I., Sohn der Maria Stuart, so sehr, daß er sogar seinen Sohn und Thronfolger mit einer spanischen Prinzessin verheiraten wollte. Holland, das natürlich in Betracht gekommen wäre, hatte einen Waffenstillstand mit Spanien abgeschlossen, mit Dänemark und Schweden wurde fortwährend unterhandelt; allein der junge König Gustav Adolf war einstweilen durch eine kriegerische Auseinandersetzung mit Polen in Anspruch genommen, die die Katholiken, um diesen etwaigen Bundesgenossen ihrer Gegner auszuschalten, auf diplomatischem Wege zu verlängern suchten. Immerhin waren die Räte des jungen Pfälzers, namentlich der gebildete, liebenswürdige, immer durch große Pläne beschwingte Christian von Anhalt, dem er ganz vertraute, der Meinung, der König von England, mit dessen Tochter Friedrich verheiratet war, werde seinen Schwiegersohn nicht im Stiche lassen, wenn er sich einmal in die große Angelegenheit eingelassen hätte. In Böhmen waren die Verhältnisse in mancher Hinsicht denen in den Niederlanden ähnlich: auch in Böhmen kam zu dem Gegensatz der Bekenntnisse der nationale und der ständisch-monarchische. Wie in den Niederlanden, gab es auch in Böhmen einen katholischen, königstreuen Adel, so daß von einer einheitlichen Opposition keine Rede sein konnte; aber in zwei Punkten unterschied sich die Lage in Böhmen sehr zuungunsten von der niederländischen, daß nämlich hinter den Führern keine so zum äußersten Widerstande bereite Bevölkerung stand und daß unter den Führern kein Wilhelm von Oranien war. Graf Mathias Thurn, ein Deutscher, der nicht einmal der böhmischen Sprache mächtig und auch nicht in Böhmen begütert war, war hitzig und mutig, aber kein überlegener Kopf und im Felde nicht glücklich. Der gesamte protestantische Adel Böhmens, fast durchgehends von ehrlichem Glaubenseifer erfüllt und stolz auf seine ständischen Rechte und aristokratische Unabhängigkeit, war nicht imstande, das Land zum Aufstande zu organisieren. Trotzdem glaubten sie, daß die Stunde ihnen günstig sei, und der Zustand der österreichischen Ländermasse war so, daß sie es glauben konnten. Dem Beispiel der Böhmen folgend erhoben sich überall die protestantischen Stände, Ungarn und die Erblande wankten. Die Böhmen inkorporierten Länder Mähren, Schlesien und die Lausitzen, dazu Glatz, Elbogen und Eger, letztere zum Reich gehörig, nur durch Pfändung an Böhmen gekommen, waren überwiegend protestantisch und zum Widerstand entschlossen. Viele waren der Meinung, daß es mit Habsburgs Macht und Glück am Ende sei. Ferdinands Lage wäre in der Tat verzweifelt gewesen, wenn nicht Spanien und Maximilian mit den Truppen der Liga, dem Bunde der katholischen Reichsfürsten, ihm zur Seite gestanden hätten. Der ligistische Feldherr, Joh. Tserclaes von Tilly, aus einer Lütticher Familie stammend, hatte sich in den niederländischen Feldzügen und gegen die Türken Erfahrung und Ansehen erworben; er rühmte sich, nie Wein getrunken, nie eine Frau berührt und nie eine Schlacht verloren zu haben. Neben seiner militärischen Tüchtigkeit zeichneten ihn Zuverlässigkeit und Uneigennützigkeit aus.

Ihm hatten die Böhmen außer dem Grafen Mathias Thurn den feurigen Christian von Anhalt und Ernst von Mansfeld entgegenzustellen. Mit diesem tritt zum erstenmal einer jener abenteuernden Krieger auf, die wie fremde Dämonen in die aufgewühlte Zeit einbrechen. Zwischen den um ihren Glauben Kämpfenden stehen sie glaubenslos, kalt, selbstherrlich, ohne Volk, ohne Vaterland, ohne irgendeine andere Zügelung der nackten Begierde als die Ehre. Der Ehre gaben sie selbst den Inhalt: sie hinderte sie nicht, das gegebene Wort zu brechen, ihren Herrn oder ihre Richtung zu wechseln, nur der persönliche Mut mußte über dem Zweifel bleiben. Daß sie die Gefahr liebten, in den Schrecken des Krieges wie der Salamander im Feuer sich heimisch fühlten, im Griff des Todes nicht erblaßten, das war ihr Kennzeichen und ihre Würde. Mansfeld war der natürliche Sohn jenes Grafen Mansfeld, der beim niederländischen Aufstande als Statthalter von Luxemburg zu Spanien hielt; sein Ziel war, als rechtmäßiger Erbe des Vaters anerkannt zu werden, und da ihm das von Spanien nicht gewährt wurde, ging er zu den Protestanten über. Während er die Sache der Böhmen verfocht, stand er fast ununterbrochen in verräterischen Unterhandlungen mit dem Feinde; wieweit es ihm damit Ernst war, wußte er vielleicht selbst nicht immer. Die Möglichkeit, das Glück, wo es auch sei, zu ergreifen, wollte er sich offenhalten. Die größte Schwierigkeit bestand für Mansfeld in noch höherem Grade als für die meisten Heerführer der damaligen Zeit in der Geldnot, die in Böhmen besonders groß war. Die Finanzverwaltung war elend, die Opferwilligkeit gering. Die Regierung suchte sich durch Konfiskationen zu helfen, die sie über reiche Katholiken verhängte, und beschritt damit einen bedenklichen Weg, ohne dauernd Hilfe zu schaffen; die dadurch gewonnenen Summen wurden sofort von den Bedürfnissen des Augenblicks verschlungen. Erfolge, die greifbar nahe schienen, entgingen Mansfeld durch Meuterei der Soldaten, die ihren Sold verlangten. Es ist charakteristisch für die Zeit, daß, während das Notwendigste, die regelmäßige Besoldung der Soldaten, nicht zu erreichen war, an den Höfen sinnlose Verschwendung herrschte. Auch Friedrich, so ungesichert seine Lage war, richtete sich prunkvoll in Prag ein, sehr verschieden von dem sparsamen Herzog von Bayern, dessen Truppen auf pünktliche Entlohnung rechnen konnten. Sehr bald wurde es den Böhmen klar, daß sie keinerlei Nutzen von dem pfälzischen König hatten. An sein starres Bekenntnis gebunden, führte er sofort den Calvinismus ein und ließ die altehrwürdigen Kunstwerke von den Mauern des Domes herunterreißen, um ihm die frostige Strenge aufzuzwingen, die er für gottgefällig zu halten gelehrt war. Mit Schmerz und Entrüstung sahen die Utraquisten dieser Gewaltsamkeit zu, die ihnen ebenso widerwärtig war wie der Fanatismus Ferdinands und warme Anhänglichkeit an den deutschen König nicht aufkommen ließ. Hätte er wenigstens die Kampffreudigkeit und Unbeugsamkeit der Calvinisten gehabt! Aber die Niederlage am Weißen Berge unterhalb der Mauern Prags entmutigte ihn dermaßen, daß er den Widerstand aufgab und mit seiner Familie und einem Teil der Führer des Aufstandes entfloh.

Der entscheidende Sieg des Kaisers war dem Herzog von Bayern und Tilly zu verdanken. In unglaublich kurzer Zeit, einer Stunde, war er erfochten; die ausgezeichnete Tapferkeit des jungen Grafen Thurn, Sohnes des Mathias, hatte die Flucht der Ungarn nicht aufwiegen können. Wenn sich Mansfeld auch noch hielt, konnte Ferdinand sich doch als Herr Böhmens betrachten, und er schritt dazu, die Unterwerfung des Landes so durchzuführen, wie sie ihm von Anfang an vorgeschwebt hatte. Wie nicht selten Herrscher, die persönlich gutmütig und nicht soldatisch sind, kannte er, nachdem der Sieg ihm die Macht gegeben hatte, keine Grenzen in ihrer Betätigung. Während der strenge und selbstbewußte Herzog von Bayern eine gewisse Schonung anempfahl, damit die Besiegten nicht zur Verzweiflung getrieben würden, während wenigstens einer der königlichen Räte, der Kanzler Lobkowitz, das Recht der Stände nicht ganz aufgehoben wissen wollte, bestand Ferdinand auf mindestens 25 Hinrichtungen, bei denen nur das Vierteilen nachgelassen wurde, auf unbegrenzten Güterkonfiskationen und Aufrichtung eines absolutistischen Regiments. Durch Beten und Wallfahrten gestärkt, schwelgte er im Triumph. Mit den Gütern der Verurteilten wurde der treugebliebene Adel und der katholische Klerus ausgestattet. Die Bevölkerung kam der Regierung durch massenhafte Übertritte zum Katholizismus entgegen. In den Niederlanden hatte der eigentlich wirksame Aufstand erst mit Albas Schreckensregiment begonnen. Der Unterschied war der, daß in Böhmen hauptsächlich der Adel getroffen wurde, dort das gesamte Volk, und daß es eine durch Handel reich gewordene, gebildete, republikanisch selbstbewußte Bevölkerung in Böhmen nicht gab. Die religiös-nationale Begeisterung hatte sich wohl in dem Hussitenkriege erschöpft. Der grausame Eingriff Ferdinands in die geschichtliche Entwicklung Böhmens entzündete den Widerstand des Landes nicht, sondern erstickte ihn vollständig.


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