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Stadtwappen

Regensburg

Da, wo die Donau den nördlichsten Punkt ihres Laufes erreicht hat und sich zwischen Hügeln und Fluren nach Südosten wendet, gründete Kaiser Mark Aurel eine starke Festung, die nach dem Flusse Regen, der sich hier in die Donau ergießt, den Namen Castra Regina erhielt. Diese Anlage, die für die Ewigkeit erbaut schien, versank, nachdem sie durch bajuvarische Germanen zerstört war, unter dem Schutt der Jahrhunderte; aber wie alles Sterben Verwandlung ist, so lebte auch dies Gebilde unterirdisch weiter, strömte sein eigentümliches Wesen aus seinen Quadern in die neuen Mauern, die sie zu tragen bestimmt wurden, aus den Tempeln seiner Götter in die des Alleinen, die darüber erstanden. Soweit die Völkerwanderung nach Italien hineinflutete, hat sie unverwischbare Spuren hinterlassen, soweit die Römer nach Norden vordrangen, haben sie dem Boden ihren Stempel aufgeprägt. Römisches Heidentum weht unsichtbar über den einst römischen Stätten und schwingt fort in den Gemütern der dort Lebenden. Die Luft ist in Wahrheit erfüllt von Dämonen, die sich untereinander bekämpfen und um die Macht über die Menschenseele ringen.

Die Mauern von Regensburg umfingen einst fünf unmittelbare Reichsstände, die das Recht der Vertretung auf den Reichstagen und in weltlichen Dingen nur den Kaiser, in geistlichen Dingen nur den Papst über sich hatten. Das war nicht anders, als wenn man Panther, Löwen und Tiger in einen Käfig sperrte; doch fraßen sie sich nicht gegenseitig auf, vielleicht weil jeder sich von der Kraft der andern überzeugt hatte und daher seine Rechte achtete, strichen nur mit verhaltenem Knirschen und gesträubtem Fell aneinander herum. Insofern, als vier dem geistlichen Stande angehörten, war die Stadt, der fünfte Reichsstand, etwas benachteiligt, und es ist zu verwundern, und nur gewissen, für sie günstigen Umständen zu verdanken, daß sie sich zu so hoher Blüte aufschwingen und durch Jahrhunderte darin erhalten konnte.

Die beiden Stifter, Ober- und Niedermünster, traten als Frauenklöster am wenigsten hervor. Beide gehen in die älteste Zeit zurück: Niedermünster erhob sich über dem Grabe des heiligen Erhard, eines der legendarischen Männer, die dem noch halb heidnischen Lande das Christentum brachten. Obwohl schon vor den Karolingern bestehend, verehrte das Stift als seine eigentliche Gründerin die Herzogin Judith, Mutter Kaiser Heinrichs II., des Heiligen, der der Abtei im Jahre 1002 die Freiheit der königlichen Klöster verlieh. Es war jedoch, ebenso wie Obermünster, kein eigentliches Kloster und seine Bewohnerinnen keine Nonnen, sondern Kanonissen. Diesen Charakter wahrten sich die Frauen selbst dem heiligen Wolfgang gegenüber, der in frommem Eifer die adeligen Damen unter eine strenge Regel stellen wollte. Der Abtei Obermünster stand als erste Äbtissin die Königin Hemma vor, die Frau König Ludwigs des Deutschen, der das damals schon bestehende Kloster durch Tausch erwarb und es dadurch zur Reichsabtei erhob. Kaiser Konrad III. schenkte der derzeitigen Äbtissin bei Gelegenheit einer Belehnung sein Szepter, das er sich bei feierlichen Gelegenheiten vorantragen ließ. Vergeblich bemühte sich einer der Regensburger Bischöfe die beiden Stifter unter seine Gewalt zu bringen. Auf einem Reichstage erklärten mehrere Fürsten, daß Veräußerung von Fürstentümern ohne den Willen der Betreffenden unzulässig sei.

Bedeutender als die beiden Frauenstifter und älter und denkwürdiger als selbst der Dom ist die Abtei, die den Namen des heiligen Emmeran trägt, der zur Zeit der Agilolfinger, wahrscheinlich am Ende des 7. Jahrhunderts, den Märtyrertod erlitt. Er wurde in der Kirche des heiligen Georg beigesetzt, die außerhalb der römischen Mauer stand, und von der man annimmt, daß sie über einem Herkulestempel errichtet sei; gewiß ist, daß unter dem späteren Kreuzgang Gräber aus römischer Zeit gefunden worden sind. Im Anschluß an die Georgskirche wurde ein Kloster gebaut, dessen Äbte bis auf die Zeit des heiligen Wolfgang die jeweiligen Bischöfe von Regensburg waren. Kaiser Adolf erhob das inzwischen zu großem Reichtum und Ansehen gestiegene Benediktinerkloster im Jahre 1295 zu einem gefürsteten Reichsstift. Es war eine Art Akademie oder Universität, wo Kunst und Wissenschaft gepflegt wurden; Bücher, Bucheinbände, Miniaturen, kunstgewerbliche und künstlerische Arbeiten aller Art gingen daraus hervor.

Vielleicht gibt es keinen Fleck in Regensburg, der das Gemüt des Besuchers so ergreift, wie der Vorhof und die Vorhalle der Emmeranskirche. Die niedrige Mauer des Vorhofs, über die das volle Grün von Baumzweigen hereinhängt, und an der eine Galerie von zierlichen romanischen Säulen zwischen höheren Pfeilern sich hinzieht, geleitet uns zum Eingang der Halle. Vom Giebel darüber leuchtet die Farbigkeit eines Freskogemäldes sanft in das Licht des Tages. Von den Grabsteinen, die längs der Halle aufgerichtet sind, geht überirdischer Friede aus: wir werden selbst die Verklärten, die, aus Gräbern geweckt, wie die Träumenden in das ewige Paradies eingehen. Hier befindet sich der Grabstein des bayrischen Geschichtsforschers Aventin, der im Jahre 1534 in Regensburg starb, als er Frau und Kinder, die er hier zurückgelassen hatte, nach der neuen Heimat abholen wollte. Alle Denkmale überragt die große Kreuzigungsgruppe, die der Reichsmünzmeister, Martin Lerch, zur Sühne eines begangenen Frevels, stiftete.

Das Reich des Bischofs, des mächtigsten unter den geistlichen Ständen, erstreckte sich im Norden der jetzigen Stadt an der alten römischen Mauer entlang; das Tor eines Torturms der römischen Festung, die Porta Praetoria, starrt mit schwarzen Quadern gigantisch aus der verputzten Wand des bischöflichen Brauhauses hervor. Von der Pracht des Palastes, der allmählich entstand und sich mit vielen Nebengebäuden ausbreitete und einen großen Raum nördlich des Domes ausfüllte, ist nicht mehr viel vorhanden. Der Name der Schwibbogenstraße erinnert daran, daß die auf beiden Seiten liegenden bischöflichen Häuser durch drei Bogen verbunden waren, damit bei etwaigen Streitigkeiten zwischen Bischof und Stadt eine unbehinderte Verbindung bleibe. Vom alten Dom zu St. Peter ist nur der sogenannte Eselsturm übriggeblieben, der sich dem nördlichen Querschiffarm des neuen anschließt; es wird angenommen, daß er als ein Glockenturm neben der Kirche gestanden habe, wie das bei der alten Kapelle und bei der Stiftskirche von Obermünster der Fall ist. Dieser sehr alte, vielleicht schon vor Karl dem Großen unter den Agilolfingern gegründete Dom brannte, bereits baufällig, im Jahre 1272 vollständig nieder. Bischof Leo von Thundorf, in dessen Regierung das Ereignis fiel, legte drei Jahre später den Grundstein des neuen Domes und wurde nachmals zwei Jahre später darin begraben. Seine Fertigstellung erlebte er nicht, sowenig wie sein Nachfolger; Jahrhunderte bauten daran, viele Bischöfe und viele Baumeister kamen und gingen, bis er im Jahre 1524, zu einer Zeit, als schon die ersten Schauer der Reformation in Regensburg umgingen, vollendet war. Auch dann aber nicht ganz: die Westtürme erhielten ihre durchbrochene Spitze erst im Jahre 1869, und der Turm auf der Vierung, der im Plan vorgesehen war, ist niemals in Angriff genommen. So ist es mit allen großen Werken und großen Taten: mögen sie auch dem Geiste einzelner entkeimen, Gefährten und Widersacher, ganze Geschlechter nehmen daran teil und ungeladen ein dämonischer Meister, der Zufall.

Wem sich jetzt bei untergehender Sonne der Blick auf die Westfront mit den Türmen auftut, der steht erschüttert davor. Aus der ungeheuren Felsenpyramide ringt sich Bewegung: Säulen und Pfeiler erwachen und stemmen sich titanisch gegen die überwältigende Last. Von Aposteln, Propheten und Märtyrern, unter zierlichen Baldachinen gekrönt, wachsen sie aufwärts, immer schlanker werdend, als spürten sie die Masse weniger, die sie tragen müssen. Dazwischen begeben sich, in Nischen geborgen, heilige Geschichten: ein Engel beugt sich über den eingekerkerten Petrus und führt ihn hinaus; die Wächter schlafen. Eine unerschöpfliche Legende christlicher Heroen entfaltet sich, höher, höher hinauf, wo kein Menschenauge mehr das edle Werk unterscheidet. Bogen reiht sich an Bogen, leicht, als wär es zum Spiel, schießen die Säulen empor, stürmisch flutet der energische Wille zum Himmel, kaum trägt er noch an der steinernen Masse, die durchglüht sich öffnet, zittert, lebt. Zum Zeichen, welcher Art die Kraft ist, der dies gelang, schwebt inmitten der Glorie des Lichts das Kreuz mit Christus, dem Überwinder. Von seinem stummen, hochentrückten Leibe schwingt sich die Botschaft, als ob ein Chor von Posaunen sie bliese, über den Markt ins Gewimmel: »In der Welt habt ihr Angst und Not; aber seid getrost, ich habe diese Welt überwunden.« Der ganze Körper der Kathedrale bis zu dem wundervollen Chor, den die Strebepfeiler brüderlich stützend umgeben, singt mit an dem großen Mysterium von der Verschmelzung des Geistes mit dem Fleisch und seinem Sieg über das Fleisch. Das Innere beschwichtigt die erregte Seele. Dieser breite, majestätische, fast wohnlich anmutende Raum, in den magisches Licht durch farbige Glasfenster hineinflutet, ist das Haus des ewig Unerforschlichen, wo der Mensch nicht mehr kämpft, sondern anbetet und Erbarmen aus dem Abgrund der Liebe erfleht.

Der Dom, obwohl des Bischofs Kirche, gehörte dem Geiste nach der Stadt an, die in dem Jahrhundert, wo zumeist an ihm gebaut wurde, die erste Macht in Regensburg geworden war. Der gotische Stil bezeichnet die germanische Idee im Kampfe mit der romanischen, die Freude am Kampf, die Lust an der Freiheit, das reizbare, flammende, unerbittliche Gewissen. Es ist der Stil des erwachenden Gedankens, der die Mauern durchbricht, um ins Unendliche zu greifen. Jahrhunderte freilich hatten vergehen müssen, ehe die Bürgerschaft aus dunklen und sehr bescheidenen Anfängen zu einer den geistlichen Körperschaften ebenbürtigen Macht herangewachsen war. Die Bischöfe hätten sie auch wohl kaum aufkommen lassen, wenn nicht noch zwei Ansprecher dagewesen wären, die nach ihrem Besitz trachteten, nämlich die Herzöge von Bayern und die Kaiser. Die Stammesherzöge von Bayern, die Agilolfinger, die die alte Lagerstadt der Römer besiedelt und zur Hauptstadt erhoben hatten, standen unter der Oberhoheit der fränkischen Könige, die sich aber erst fühlbar machte, als die Karolinger sich der Herrschaft bemächtigten. Karl der Große setzte den Agilolfinger Thassilo ab und wurde vom bayrischen Volke als König und Herzog anerkannt. Dadurch wurde Regensburg aus der Hauptstadt des Donaugaus zu einer Hauptstadt des Reichs, wo sich die Karolinger mit Vorliebe aufhielten. Ludwig der Deutsche hat Spuren dauernder Anwesenheit und Wirksamkeit hinterlassen; es wird nämlich von ihm berichtet, daß er zum Bau der Kirchen, die er gründete, Quadern der alten Römermauer benutzte, weshalb man, wo solche sich finden, etwa am Glockenturm von Obermünster oder an der Alten Kapelle, auf seinen Namen schließen kann. Seine Gemahlin Hemma, die erste Äbtissin des Stifts Obermünster, liegt dort oder in der Kirche St. Emmeran begraben. In St. Emmeran stellte eine spätere Zeit einen Grabstein mit ihrem Bilde auf, einen Kopf von unbeschreiblich anziehender, schwermütiger Lieblichkeit; in der Obermünsterkirche bezeichnet ein Stein aus rotem Marmor, eine Arbeit der Renaissancezeit, ihre vermeintliche Ruhestätte. Karl der Dicke wählte Regensburg zu seiner eigentlichen Residenz und die beiden letzten Karolinger, Arnulf und Ludwig das Kind, sind in St. Emmeran begraben. Von den königlichen Palästen, die diese Fürsten bewohnten, ist nichts übriggeblieben, wenn nicht der Ursprung des sogenannten Herzogshofes so weit zurückliegt.

Kaum war das Geschlecht der Karolinger versiegt, so griffen die bayrischen Herzöge wieder zu: Markgraf Arnulf widersetzte sich dem neugewählten König Konrad, worauf dieser im Jahre 914 Regensburg eroberte. Ein Kampfmittel benutzend, dessen sich die deutschen Fürsten leider nur zu oft bedienten, entfloh Arnulf zu den Ungarn, den Reichsfeinden, und vorher seinen eigenen. Zwei Jahre später eroberte er Regensburg zurück und befestigte es, damit es ihm nicht wieder entrissen werden könnte, sehr stark, indem er auch den östlichen Stadtteil mit St. Emmeran in die Altstadt einbezog und ummauerte. Er hatte sich so gut geschützt, daß eine zweite Belagerung Konrads mißglückte. Dessen Nachfolger, der Sachsenkönig Heinrich, schloß mit dem mächtigen Bayern einen Vertrag, worin dieser seine Zugehörigkeit zum Reich, König Heinrich aber auch seine Selbständigkeit anerkannte. Auch er ist in St. Emmeran begraben, und sein Haus starb bald nach ihm aus. Einige Jahrzehnte später setzte ein anderer Herzog von Bayern, Heinrich II., der Zänker, dieselbe Politik fort, griff sogar nach der Königskrone; aber die Ottonen überwanden ihn und entsetzten ihn des Herzogtums. Nachdem er es von Otto III. zurückerhalten hatte, regierte er bis zu seinem Tode in Frieden. Von Gandersheim, wo er als Gast bei seiner Schwester Gerberga, der Äbtissin des dortigen Klosters, starb, wurde seine Leiche nach Regensburg gebracht und in St. Emmeran beigesetzt. Seinen Königstraum verwirklichte sein Sohn, der als Heinrich II. Kaiser wurde und das Herzogtum Bayern zugleich in seiner Hand behielt.

Ein erster großer Zeuge des Aufschwungs der Stadt war die weitberühmte steinerne Brücke, zu deren Bau ein außergewöhnlich trockener Sommer den Anlaß gab. Mit gelassenem Kraftgefühl steigt sie, von sechzehn Bogen getragen, bis zur Mitte empor und wieder hinab bis an das gegenüberliegende Ufer, von der Vorstadt Stadtamhof, damals An der Stätte genannt, empfangen. Drei Türme bewachten sie, einer an jedem Ufer, einer in der Mitte. Der südliche war mit dem Reichsadler und dem Bildnis Heinrichs I. geschmückt und wurde, nachdem er bei der Erstürmung Regensburgs durch die Franzosen im Jahre 1809 beschädigt war, abgebrochen, der mittlere fiel einem Hochwasser zum Opfer. Einzig der Turm auf der Regensburger Seite ist übriggeblieben; er diente im Mittelalter als Schuldturm, wo die Zahlungsunfähigen gefangen saßen, bis sie aus milden Gaben so viel gesammelt hatten, um ihre Schulden tilgen zu können. Das vornehmste Wahrzeichen der Brücke ist ein auf einem Postament reitender nackter Jüngling von Stein, der nach der Stadt hinüberblickt, die Augen mit der Hand schützend, als ob ihn die Sonne blendete, eine anmutig natürliche und doch eigenartige Bewegung. Ein paar in Stein gehauene Kampfhähne mit der Jahreszahl 1580 sollen auf die Streitigkeiten deuten, die zwischen den bayrischen Herzögen und der Stadt wegen der Brücke entstanden. Herzog Heinrich der Stolze hatte zum Brückenbau geholfen und leitete daraus Rechte ab; die Stadt berief sich auf die Beiträge der reichen Kaufmannsgeschlechter, deren Interesse eine bequeme Verbindung mit dem anderen Ufer war. Hier trafen die Warenzüge und Gäste aller Art ein, darum entwickelte sich an dieser Stelle ein besonders geschäftiges Leben und entstanden mit der Zeit Gasthäuser, wie der Blaue Hecht, das Weiße Lamm und das Haus zum Walfisch. Einer der hübschesten Brunnen der Stadt befindet sich in dieser Gegend: auf dem viereckigen Trog, von geschmackvoller Gitterzier umrandet, erhebt sich eine zierliche Säule, die einen ritterlichen Jüngling mit mädchenhaftem Antlitz, Roland genannt, trägt. Er stützt sich mit der rechten Hand auf einen Schild und tritt mit dem Fuß auf einen Drachen, der einem Delphin gleicht.

Die Begehrlichkeit der bayrischen Herzöge, die von den Kaisern mit der Burggrafenwürde in Regensburg belehnt wurden, so daß sie nicht nur ihre eigenen Ansprüche vertraten, sondern auch die Rechte des Kaisers in der Stadt, bildete einen Damm gegen das Bestreben der Bischöfe, ihre Macht über ganz Regensburg auszudehnen. Sie mußten sich begnügen, mit den herzoglichen Burggrafen, als Vertretern des Kaisers, gemeinschaftlich zu regieren: herzogliche und bischöfliche Ministeriale bildeten einen Rat, Bischof und Herzog ernannten gemeinsam die Münzbeamten, es gab einen bischöflichen Richter, Propst genannt, und einen herzoglich-kaiserlichen, den Schultheißen. Seitdem sich der Rat im Jahre 1205 zu einer einheitlichen Körperschaft vereinigt hatte, bildete sich seine Selbständigkeit heraus. Er erwarb durch Kauf oder Verpfändung allmählich die wichtigsten Rechte, so zum Beispiel von den bayrischen Herzögen das Schultheißenamt. Die Hohenstaufenzeit begünstigte diese Entwicklung; denn die Stadt stand auf seiten des Kaisers, der Bischof war sein Gegner. Erzürnt über den Abfall des Bischofs Siegfried bestätigte Kaiser Friedrich II. im Jahre 1245 den Bayern von Regensburg alle ihre wirklichen und vermeintlichen Privilegien, insbesondere das Recht, Bürgermeister und Rat zu wählen, wozu sechs Jahre später eine Urkunde König Konrads kam, die allen Einwohnern Regensburgs, Geistlichen, Weltlichen und Juden befahl, sich den Anordnungen zu unterwerfen, die der Rat zur Verteidigung der Stadt treffen würde. Es half dem Bischof nichts, daß er das Privileg widerrufen ließ; zwei Jahre darauf trat Regensburg dem Rheinischen Bunde bei, dadurch seine Unabhängigkeit erweisend. Um diese Zeit kam es vor, daß Bischof und Herzog gelegentlich eines Streites über die Münze das Urteil des Stadtrats anriefen.

Was an tatsächlicher Macht diesem Aufschwung zugrunde lag, war die Unternehmungslust und Arbeit der Kaufleute und Handwerker und die Wehrhaftigkeit aller weltlichen Bewohner der Stadt. Eine große Anzahl edler Geschlechter, meist Ministerialen des Kaisers oder des Bischofs, bildeten jetzt die obere Schicht der weltlichen Bevölkerung. Ihre burgähnlichen Häuser waren durch hohe Türme ausgezeichnet, von denen einige sich erhalten haben und der Stadt ihren eigenartigen Charakter verleihen. Im Innern fast aller dieser Häuser gab es Kapellen, die jetzt, soweit sie noch vorhanden sind, als Warenlager oder Gaststätten dienen. Der jetzt höchste Turm ist der Goldene Turm an der Wahlenstraße, der ursprünglich der edeln Familie der Haymo gehörte. Als der Marktturm im Jahre 1706 abgebrannt war, verwendete der Rat den Goldenen Turm an dessen Stelle, und so wurden dort bis in die neuere Zeit Hochzeiten ausgeblasen. Der Baumburger Turm am Walmarkt, in dem seit 1762 eine Spenglerwerkstätte war, ist, gleichzeitig mit den alten Teilen des Doms entstanden, einer der ältesten und der besterhaltene. Das berühmte Haus zum Goliath ist das Stammhaus der Thundorfer, jener Familie, der Bischof Leo von Thundorf, der erste Erbauer des Doms, angehörte. Später besaß es der Mann der Margarete Tucher, die durch ihr von Peter Vischer angefertigtes Denkmal im Dom bekannt ist. Es stellt Christus dar, wie er von seiner Mutter Abschied nimmt, in harmonisch klassischer Form, die unter den gotischen Wölbungen befremdet. Der Name des Hauses knüpft sich an ein Gemälde, mit dem der geniale Michael Bocksberger es im 16. Jahrhundert schmückte. Mehrfache Erneuerung hat seine originelle Kraft sehr herabgemindert. Die Familie der Woller besaß das große Haus »Die Arch« an der Ecke der großen Hahnengasse und der Haid. Das große Eckhaus der Herren de Zandt, einer der reichsten Familien, wurde 1718 abgetragen. Ihr Stammhaus ist wahrscheinlich das Haus »Zum Pelikan« an der Ecke der Zandten- und Keplerstraße; sie führten einen Löwenkopf mit langen Stoßzähnen im Wappen. Lange Zeit waren die Auer das reichste und mächtigste Geschlecht in Regensburg. Sie hatten im Rat so sehr die Übermacht an sich gerissen, daß ein Teil der Patrizier selbst sich gegen sie auflehnte und, um es mit ihnen aufnehmen zu können, dazu schritt, eine Eidgenossenschaft mit den Handwerksinnungen einzugehen, die Aufnahme in den Rat verlangten, und infolge dieses Ereignisses auch erhielten. Die vereinte Kraft brachte es zuwege, daß der Bürgermeister Friedrich und das ganze Geschlecht der Auer aus der Stadt verbannt wurden. Friedrich bewohnte damals das Haus mit der Thomaskapelle am Römling, mit dem später die Namen Dürnstetter, Ingolstetter und Leublfing verknüpft sind. Nach der Vertreibung der Auer beschloß der Rat ein Gesetz, demzufolge künftig der Bürgermeister nicht aus einem einheimischen Geschlecht gewählt werden durfte. Bei diesem Gesetz befand sich die Stadt hundert Jahre lang wohl. Das letzte Glied des berühmten Geschlechtes, die 1483 verstorbene Anna von Marbach, hat einen Grabstein in der gotischen Dominikanerkirche.

Von diesen alten Adelsfamilien waren in der Mitte des 15. Jahrhunderts die meisten entweder ausgewandert oder ausgestorben. Eine neue Zeit bereitete sich vor, während die ritterliche unterging. Die Burg und das Schwert dienten den neuen Lebensgewohnheiten nicht mehr, die allmählich bequemer und gemütlicher wurden. Zu einer großen Erscheinung kam das Rittertum noch einmal in Kaiser Maximilian, allein mit einem Stich ins Wunderliche, wie es wohl geschieht, wenn irgendwo der Geist einer Zeit festgehalten wird und sich entfaltet, die schon von neuen Sternen gerichtet ist. Auch in Beziehung zu Regensburg trat Maximilian als der alte Reichskaiser auf. Die bayrischen Herzöge rüsteten sich wieder einmal zum Überfall auf die begüterte Stadt und nahmen zum Vorwande das im 13. Jahrhundert verpfändete Schultheißenamt, das sie nun auslösen zu wollen erklärten. Seltsamerweise hatten sie Anhänger in der Stadt, auch ein Beweis, daß die einst heiß erstrebte Reichsunmittelbarkeit nicht mehr als das selbstverständlich höchste Gut erschien. Nun aber verhängte der Kaiser nicht nur die Reichsacht über den Herzog, sondern er rückte mit einem Heer heran, um die Schuldigen zu strafen, wie einst zu König Konrads oder König Heinrichs Zeit. Und doch war es nicht dasselbe; denn Maximilian kam nicht nur als Kaiser, sondern auch und vielleicht sogar noch mehr als Herzog von Österreich, der nicht vergaß, daß Bayern einst einen Teil der Markgrafschaft des Ostens gebildet hatte. Für diesmal mußte Albrecht sich beugen; er gab der Stadt das Schultheißenamt zurück, behielt sich jedoch den Blutbann als einen Zipfel vor, an dem er die Stadt einmal wieder an sich ziehen könnte. Dem Kaiser genügte die Wiederherstellung des alten Verhältnisses nicht; um einem erneuerten Abfall vorzubeugen, so sagte er, drängte er der Stadt einen Vertreter auf, dem er den Titel eines kaiserlichen Reichshauptmanns gab. Die Stadt hatte sich das gefallen lassen; als aber nach dem Tode des neuen Beamten ein anderer erschien, Ritter Thomas Fuchs von Schneeberg, kam es zum Aufruhr, dem ein greises Haupt zum Opfer fiel. Der Ratsherr Wolfgang Lyskirchen, dessen Vater Hans, einem alten Kölner Patriziergeschlecht angehörig, sich erst vor einigen Jahrzehnten in Regensburg angesiedelt hatte, wurde, weil er zum Kaiser hielt, gefoltert und gehenkt. Im folgenden Jahre rächte ihn der Kaiser, indem er einige von den Aufrührern hinrichten ließ; unter ihnen befand sich ein kunst- und ehrenreicher Mann, Wolfgang Roritzer, der seit zwanzig Jahren als Baumeister am Dom tätig war. Sein Großvater, Meister Wenezla oder Wenzel, vielleicht aus Böhmen gebürtig, kam im Beginn des 15. Jahrhunderts nach Regensburg. Nach seinem Tode, der im Jahre 1419 erfolgte, wurde anfänglich Andreas Engel, der seine Witwe heiratete, sein Nachfolger, dann aber erhielt sein Sohn Konrad Roritzer das Amt und hatte es 27 Jahre lang inne. Dessen Söhne, Mathias und Wolfgang, wurden gleich ihm Dombaumeister und haben dauernde Werke hinterlassen. Mathias schrieb das Buch Von der Fialen Gerechtigkeit und ließ es in eigener Druckerei herstellen, soviel man weiß, der ältesten in Regensburg. Dort erschien auch die Schrift, in welcher Herzog Albrecht von Bayern sich wegen der Unterwerfung Regensburgs zu rechtfertigen suchte. Wolfgang ist der Schöpfer des graziös prächtigen Sakramentshäuschens im Dom; da die Arbeit unvollendet ist, scheint es, als habe der Tod, der den Meister so schrecklich antrat, ihm das Werkzeug aus der Hand genommen.

Die Persönlichkeit des in seinen Unternehmungen sowenig glücklichen Kaisers Maximilian übte eine solche Macht aus, daß die Stadt Regensburg seinen Tod abwartete, um eine Tat zu vollziehen, die ihm mißfällig gewesen sein würde. Es begab sich nämlich eine Abordnung des Rats, zu der auch der berühmte Maler Albrecht Altdorfer, damals Bauherr des Rats, gehörte, in die ummauerte Judenstadt und eröffnete den Vertretern der Judenschaft, daß sie binnen acht Tagen die Stadt gänzlich und für immer zu verlassen habe. Wie in allen Städten, gab es auch in Regensburg eine starke antisemitische Bewegung, die im Reichtum und den Geldgeschäften der Juden ihre Ursache hatte. Viele Bürger waren ihnen verschuldet; war ihnen doch sogar einmal von Böhmen aus eine besonders kostbare Reliquie, ein Partikel vom Kreuz Christi, verpfändet, das ursprünglich dem König Ottokar II. von Böhmen gehört hatte und später von einem Regensburger Bischof ausgelöst und dem Domschatz einverleibt wurde.

Nach dem Abzuge der Juden wurde die ganze Judenstadt, die den Platz zwischen Dom und Obermünster einnahm, samt der in der Mitte liegenden Synagoge zerstört und dem Boden gleichgemacht. Vorher fertigte Altdorfer zwei Aufnahmen von der Synagoge an, die noch vorhanden sind, während ein ihm zugeschriebenes Bild von der Schönen Maria verlorengegangen ist. Da, wo die Synagoge gestanden hatte, erbaute man eine hölzerne Kapelle und schmückte ihr Inneres mit einem Altar und einem Bilde der Madonna mit dem Kinde, für welche man ein Gnadenbild in der Alten Kapelle als Muster benutzte. Auch vor der Kirche wurde eine Maria mit dem Kinde aufgestellt, ein Werk des Baumeisters Michael Ostendorf, Nachfolger des unglücklichen Roritzer.

Das aufsehenerregende Ereignis der Judenvertreibung lockte eine Menge Menschen herbei und führte zu wunderbaren Heilungen Kranker vor dem Marienbilde, so daß ein Wallfahrten entstand, dessen Ergebnis an Geld den Bau einer neuen Kirche ermöglichte. Diese Kirche, an der der Bischof vergeblich einen Anteil zu erkämpfen suchte, prächtig zu gestalten, ließ sich der Rat sehr angelegen sein; sie sollte wohl ein Gegenstück zum Dom werden. Bekannte Meister, darunter Hans Behaim zu Nürnberg, legten Baurisse vor; genehmigt wurde endlich der Vorschlag des Hans Hueber, der sich in Augsburg durch Arbeiten in den modernen Renaissanceformen einen Namen gemacht hatte. Wie großartig die Kirche gedacht war, kann man an dem reizenden, im Rathause aufgestellten Holzmodell studieren; was wirklich entstand, ist immerhin sehr eindrucksvoll und eigenartig durch die gelungene Vermischung von Gotik und Renaissance. Als wesentlich neu springt einem sofort die zentrale Anlage des Baus ins Auge; sie verkündet sichtbar die auch im politischen und sozialen Leben sich vorbereitende Zentralisierung. Als Prediger an die neue Pfarrkirche berief der Rat den Balthasar Huebmaier, einen fanatischen Mann, der besonders zur Vertreibung der Juden gehetzt hatte; da er früher in Ingolstadt an der Kirche zur Schönen Maria gepredigt hatte, wünschte er, daß der Name auf die neue Kirche übertragen würde, was auch geschah. In seinem ruhelosen Fanatismus wurde er später Wiedertäufer und wurde als solcher in Wien verbrannt.

Zur Zeit der Judenvertreibung und des kirchlichen Neubaus widerhallte schon Europa von den ersten Schlägen der Reformation. Unergründliche, zwiespältige Umwälzung! Etwa 1000 Jahre lang hatte die Zusammenfassung der romanischen, germanischen und slawischen Völker, vornehmlich der ersten beiden, gehalten. Ein Reich war entstanden, das nicht wie das alte römische von einem Mittelpunkt aus regiert wurde, sondern in dem das Leben der Völker, wenn auch die Deutschen die Mitte bildeten und zuerst eine Vorherrschaft, später nur einen Vorrang hatten, auf Zusammenwirken und gegenseitiger Verständigung beruhte, die allerdings meist erst durch Kämpfe erzielt wurde. Vergeblich hatten Päpste und Kaiser nach Alleinherrschaft, wie man später sagte, nach der Universalmonarchie gestrebt: die Vielheit der regsamen selbstbewußten Kräfte stellte immer wieder einen Ausgleich her. Nun aber zerriß das elastische Netz, in dem Verschiedenartiges so bewunderungswürdig verflochten war, daß die Germanen sich dem Einfluß eines römischen Papstes, die Romanen sich der Macht eines deutschen Kaisers unterwarfen. Die Städte, schon im 14. und 15. Jahrhundert so protestantisch wie sie gotisch waren, lagen oft um der Kaiser und der Reichsfreiheit willen mit ihren geistlichen Herren in Streit, hielten aber doch recht und schlecht miteinander haus; nun rissen sie sich los. Luther, wie sehr er auch in mittelalterlicher Weltanschauung lebte und wie wenig er auch die Wissenschaft überschätzte, denn er war, wie kein anderer Reformator, durchdrungen von der Zwiespältigkeit und Paradoxie der letzten Dinge, hatte doch so viel wissenschaftliche Art zu denken, daß er in die abgegriffenen, dünngewordenen Symbole hineinschaute und grade, weil er wußte, daß sie nicht bedeuten, sondern sind, sie erklärte. Es war nicht seine Schuld, daß sie dünn geworden waren, und auch nicht seine Schuld, daß keine Erklärung sie auf die Dauer retten konnte. Die Künstler fingen an, nicht mehr nur heilige Gegenstände und nicht nur für die Kirche zu malen; Altdorfer teilte, wenn er Legenden darstellte, seinen Zauber weniger dem religiösen Vorgang als der in ihn hineinrauschenden Natur mit. Nachdem das Netz an einem Punkte gerissen war, fiel alles auseinander und die bisher oft gegeneinander, aber doch noch zusammenwirkenden Kräfte standen vereinzelt einander kampfbereit und unversöhnbar gegenüber: Kaiser, Papst, Fürsten, Bauern, Ritter und Städte.

Die vornehmen Geschlechter Regensburgs bekannten sich größtenteils zu der neuen Lehre und hielten in ihren Kapellen den Gottesdienst in der neuen Weise, allen voran die Herren von Stauff von Ehrenfels zu Beratzhausen, Verwandte der Argula von Grumpach, der Freundin Luthers.

Im Anfang des 17. Jahrhundert starb diese mächtige Familie mit Bernhard von Stauff aus. Ihr Freihaus, der Staufferhof an der Obermünsterstraße, wo zuerst protestantischer Gottesdienst stattfand, brannte gegen Ende des 19. Jahrhunderts ab und an seiner Stelle wurde das Gasthaus Zum grünen Kranz errichtet. Auch viele Geistliche schlossen sich Luther an, besonders die Klosterleute, die von jeher die strenge Zucht ihrer Orden unwillig ertragen hatten. Im Minoritenkloster, wo die Wissenschaft immer gepflegt worden war, waren im Jahre 1543 nur noch vier Mönche, von denen zwei der neuen Lehre anhingen; der Rat richtete dort eine Buchdruckerei ein, aus der die ersten protestantisch-religiösen Bücher hervorgingen. In das Augustinerkloster, das stets unter dem Schutz der Stadt gestanden hatte, verlegte der Rat im Jahre 1524 die städtische Lateinschule und stellte dort einen von Melanchthon empfohlenen Lehrer an. Die auf sumpfigem Grunde erbaute Augustinerkirche wurde 1838 wegen Baufälligkeit abgerissen, bei welcher Gelegenheit ein Teil des Grabsteins von Albrecht Altdorfer zum Vorschein kam, der hier neben seiner Frau begraben wurde. Besonders starken Anklang fand die neue Lehre bei den Dominikanern, die trotz öfterer Reformen schlechte Disziplin zu halten gewohnt waren; der Prior Moritz Fürst entfloh mit der Äbtissin des Klosters Arlesberg, Käthchen Hinzenhausen, und nahm sie in Nürnberg zur Frau. Bis zum Jahre 1626 hatten Protestanten und Katholiken die Kirche gemeinsam inne, dann räumten sie die Protestanten infolge eines Vergleichs. Die Sakristei der Dominikanerkirche bewahrt einen Becher für die Johannes-Minne aus dem 13. Jahrhundert; er trägt als Umschrift die Worte: Trinchd Sent Johans min.

Daß die Bürgerschaft insgesamt protestantisch war, braucht kaum erwähnt zu werden. Trotzdem gelang es der Stadt, mit den habsburgischen Kaisern in gutem Einvernehmen zu bleiben. Im Anschluß an den Kampf Bayerns und Österreichs um Regensburg, der zur Zeit Kaiser Maximilians stattgefunden hatte, begab sich die Stadt nach mancherlei Kämpfen im Jahre 1521 auf ewige Zeit in Österreichs Schutz. Ein innigeres Band als dieses sollte Karl V. mit Regensburg verbinden, da er sich hier in die schöne Barbara Blomberg verliebte und von ihr mit einem Sohn beschenkt wurde. Das hübsche Gesicht des gefeierten Siegers von Lepanto, dem die charakteristischen Eigentümlichkeiten der Habsburger fehlen, trägt vermutlich die Züge der Mutter. Ihre Eltern, Wolfgang und Sibylle Blomberger, besaßen zu jener Zeit ein Haus an der Kramgasse, wo Don Juan d'Austria geboren sein mag. Ihm war nach einem Leben von Bitterkeit unter dem eifersüchtigen Auge seines Stiefbruders, Philipps II., Königs von Spanien, ein großer Sieg, Ruhm durch die ganze Christenheit und früher Tod beschieden. Karl V. pflegte in Regensburg im Gasthaus Zum Goldenen Kreuz abzusteigen, einem mit Turm und Kapelle versehenen großen Hause, dessen erste bekannte Besitzer die Weltenburger waren. Nachdem es durch verschiedene Hände gegangen war, wurde es im 16. Jahrhundert ein Gasthaus. Es beherrscht mit seinem gut erhaltenen, mit Zinnen versehenen Turme noch immer den Haidplatz, wenn es auch durch Umbauten das charakteristische Gepräge des Mittelalters verloren hat. Sonst wohnten die Kaiser meistens im Bischofshof; dort starb Maximilian II. im Jahre 1576 während eines Reichstages, und dort stieg im Jahre 1613 Matthias ab, nachdem er unter einem Baldachin von gelbem Seidendamast, der noch im Rathause aufbewahrt wird, feierlich eingezogen war. Er legte damals mit seiner Gemahlin Anna den Grundstein zu einem Kapuzinerkloster.

Matthias war der letzte von den Kaisern, die in dem Zwiespalt, der durch den mächtigen Aufstieg der neuen Lehre entstanden war, auf Reichstagen und Kurfürstentagen zu vermitteln suchten; immer stärker wurde der Widerstreit der Kräfte und führte zu dem entsetzlichen Kriege, der das alte Reich in Stücke schlug. Regensburg sah den für seine Zukunft so bedeutungsvollen Kurfürstentag, auf welchem Ferdinand II. nach der siegreichen Schlacht am Weißen Berge bei Prag, den Herzog Maximilian von Bayern für ihn errungen hatte, dem Pfalzgrafen Friedrich die Kurwürde nahm, um sie auf Bayern zu übertragen. Im Jahre 1630 folgte der verhängnisvolle Reichstag, auf dem der Kaiser sich dazu entschließen mußte, Wallenstein der Eifersucht der Fürsten zu opfern. Bei dieser Gelegenheit wurde die Kaiserin Eleonore im Dome gekrönt.

Zu demselben Reichstage traf ein größerer Mann als die versammelten Potentaten und Herren ein, Johannes Kepler, ein unscheinbarer Reisender, der hoffte, die rückständigen Geldsummen zu erhalten, die er aus der Zeit, wo er im Dienst Kaiser Rudolfs stand, zu beanspruchen hatte. Anstatt dessen fand er in Regensburg den Tod. Er nahm sein Quartier in einem Hause, das an das turmbewehrte Haus Zum blauen Hecht, schon seit dem 16. Jahrhundert Gasthaus, angrenzt. Vielleicht drang von der Donau her der Lärm des geschäftigen Hafens bis an sein Krankenlager und spielte fremdartig in seine letzten Gesichte und Gedanken. Er wurde auf dem Friedhof der Protestanten bei dem ehemaligen Kloster Weih St. Peter begraben, das im Schmalkaldischen Kriege behufs besserer Befestigung abgebrochen war. Das Grab, an der Mauer gelegen, wurde bei der bald danach erfolgenden Belagerung verschüttet, und konnte, als man später danach forschte, nicht mehr aufgefunden werden.

Bald flutete eine protestantische, bald eine katholische Welle über Regensburg hin. Im Jahre 1635 wurde der unglückliche Schaffgottsch, als Anhänger Wallensteins, in Regensburg gefoltert und enthauptet, im selben Jahre Ferdinand III., weil in Frankfurt die Pest herrschte, im Regensburger Dom gekrönt. Bei Gelegenheit eines späteren Reichstages nahm er teil an einer Fronleichnamsprozession; es war derselbe, den der verwegene Banér, unversehens vor die Stadt rückend, mit seinen Kanonenschüssen erschreckte.

Mit dem Ende des Kriegs war des Reichs und Regensburgs große Zeit dahin; aber wie für das Reich, wurde auch für Regensburg ein Gerüst gezimmert, sie von allen Seiten stützend, so daß es einem oberflächlichen Blick erscheinen konnte, als stünden sie noch in Glanz und Kraft. Im Jahre 1664 wurde Regensburg zum Sitz des beständigen Reichstages ernannt, nachdem der Magistrat vor Kaiser Leopold I. im Bischofshof, die Bürgerschaft auf dem Platze vereidigt war. So war Regensburg wieder eine Art Kapitale des Reichs geworden; aber Reich und Kapitale erstarrten in ihren Klammern, indes neue Mächte sich reckten und breit machten. Das letzte Geschäft des Reichstages war, unter dem Drucke des französischen Kaisers und seiner Kreaturen den Reichsdeputationshauptschluß zu unterschreiben, durch welchen die weltlichen Reichsstände, das heißt die Fürsten, für die auf dem linken Rheinufer verlorenen Länder durch geistliches und reichsstädtisches Gebiet entschädigt wurden. Regensburg fiel wie Frankfurt an den Koadjutor des letzten Erzbischofs und Kurfürsten von Mainz, den Freiherrn von Dalberg. Das war aber nur der Übergang zu dem nach damaliger Auffassung noch härteren Schicksal, dem neuen Königreich Bayern einverleibt zu werden. Im Jahre 1810 wurde Regensburg förmlich erst Frankreich, dann von Frankreich Bayern übergeben. In dem langen Kampfe Österreichs und Bayerns um die Stadt Regensburg hatte Bayern endlich gesiegt. Von diesem Zeitpunkt an verschwand der Protestantismus rasch aus Regensburg, und es wurde eine katholische Stadt. Aus der Tiefe der Erde heraus herrschten wieder die römischen Quadern.


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