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Stadtwappen

Limburg

Limpurg ein edle Stad
Im Land die schönste Kirche had.

Glorreich thront sie verschmolzen mit der Burg, ein vollendetes Menschenwerk zwischen den Elementen; dienend trägt sie der Fels, schützend umrauscht sie der Strom, Winde und Gestirne kränzen sie. Von der alten steinernen Lahnbrücke hinaufblickend, nimmt das Auge sie auf wie Musik: der Stein wird Mauer, die Mauer wird Gestalt, die Gestalt Harmonie. Die sieben Türme der Kathedrale sollen die sieben Sakramente bedeuten; der große Turm über der Vierung, heißt es, stelle den Mittelpunkt des Glaubens, das Sakrament des Abendmahls dar. So schweben die ewigen Mysterien des Lebens als ein triumphierender Akkord zwischen Himmel und Erde.

Über zwei untergegangenen Kirchen erhebt sich der Dom als die dritte, die Burg, wie die Sage will, über den Trümmern eines römischen, von Drusus errichteten Kastells. Die Grafen des Niederlahngaus, die die Burg bewohnten, waren die jeweiligen Gründer der Kirchen, von denen die erste in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts durch den Erzbischof Hatto von Trier dem heiligen Georg geweiht wurde. Die zweite gründete hundert Jahre später, mit einem Stift sie verbindend, der Gaugraf Konrad Kurzbold, dessen Grabmal der Dom bewahrt. Es ist so außerordentlich schön, daß man, indem man es betrachtet, den Dom für einen Schrein halten möchte, aufgebaut, um diese Reliquie einzufassen. Die steinerne Bahre, auf der der Tote liegt, ist von leichter Anmut, dem Jugendbild angemessen, das sie trägt. Das Antlitz des Gaugrafen ist schmal und hat einen strengen, fast asketischen Zug bei aller Lieblichkeit; das Antlitz eines vornehmen Jünglings, der um hoher Ziele willen nicht ohne Schmerz und Selbstüberwindung viel verzichtet hat.

Aus sehr edlem Geschlechte stammte Kurzbold, denn er war der Vetter Konrads I., der zwischen den Karolingern und den Ludolfingern regierte. Sein Vater hieß Eberhard, seine Mutter Wiltrud. Er genoß nicht nur die Gunst seines königlichen Vetters, sondern auch Ottos I., und verdiente sie durch seine Treue und seine Taten. Für diesen Kaiser kämpfte er gegen die rebellischen Herzöge Eberhard von Franken und Giselbert von Lothringen, bis jener bei Andernach fiel und dieser ertrank. Von Kurzbolds Stärke werden Wunder berichtet; er soll einen Löwen, der aus dem Käfig entsprungen war und auf Kaiser Otto eindrang, mit einem Schwerthieb getötet und einen riesigen Slawen, der ihn herausforderte, mit der Lanze durchbohrt haben. Die Überlieferung, die ihm den Beinamen Sapiens, der Weise, gab, beweist, daß seine Geisteskraft der des Körpers nicht nachstand. Er war unverheiratet und soll Frauen und Äpfel, die süßen Dinge, gemieden haben; es besteht ja der Glaube, daß außerordentliche Kräfte Keuschheit zur Voraussetzung haben. Es ist nicht wahrscheinlich, daß der Gaugraf Kurzbold so ausgesehen hat, wie das Grabmal, ein Werk des 13. Jahrhunderts, ihn aufgefaßt hat; so aber sahen die späteren Generationen ihre Helden, in solcher Form stellte sich ihnen adlige Tugend ihres Volkes dar.

Die dritte Kirche gründete ein Isenburg aus der Familie, die im 12. Jahrhundert das Grafenamt im Niederlahngau hatte, und die vielleicht mit den Konradinern verwandt war. Sie waren Dynasten von Limburg bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, die Blütezeit der Stadt hindurch, die neben Kirche und Burg als dritte selbständige Macht entstanden war. Reichsfrei im eigentlichen Sinn war die Stadt allerdings nicht, wenigstens nur zu einem Drittel, während die beiden andern Drittel den Isenburgern unterstanden, so jedoch, daß Mainz und Hessen daran Mitbesitz hatten. Die Landesherrschaft bedeutete indessen durchaus nicht Untertänigkeit; denn mit der hohen Gerichtsbarkeit, die ausschlaggebend war, verhielt es sich so, daß die Isenburger zwar den Blutbann besaßen, die Stadt aber das Urteil fällte, die Dynasten also nur das Urteil der Stadt vollstrecken konnten. Die Stadt hatte ihr eigenes Siegel: drei Türme mit der Umschrift Sigillum civium in Limdurch. Juste judicate. Dicht an die Stadt grenzte das Gebiet der Grafen von Diez, eine Nachbarschaft, aus der sich häufig Streitigkeiten ergaben. Sie wurden endlich dadurch beigelegt, daß die Stadt und die Grafen ein Schutz- und Trutz-Bündnis miteinander abschlossen, wobei die Stadt die Isenburger Grafen, die Grafen von Diez den Kaiser ausnahmen.

Auf das Isenburger Grafengeschlecht fiel unverhoffter Glanz dadurch, daß Adolf von Nassau, der Gatte der Imagina, Tochter des Grafen Gerlach I., nach dem Tode Rudolfs von Habsburg zum römischen König gewählt wurde. Adolf war weniger Staatsmann als Ritterkönig, untadelig tapfer in der Schlacht, nach Abenteuern dürstend und nach Ruhm. Imagina war, wie es scheint, zur Nonne bestimmt und soll vom Grafen Adolf aus dem Kloster entführt worden sein. Ihr Bruder Johann, später der blinde Herr genannt, kämpfte an Adolfs Seite in der großen Schlacht bei Woringen, wo der Erzbischof von Köln dem Herzog von Brabant unterlag.

Eine Ritterschlacht war auch die von Göllheim, die Adolf von Nassau den Tod und seinem Gegner Albrecht von Habsburg den Sieg und die unbestrittene Krone brachte. Das Heer des Königs zog in die Schlacht mit dem Gesange: »In Gottes Namen fahren wir, Seiner Gnade geren wir«; das des Herzogs sang: »Sant Maria Mutter und Magd, All unsere Not sei dir geklagt.« Die beiden Könige suchten einander im Getümmel, Adolf von Nassau verriet sein weithin glänzender goldener Harnisch. Wie unzweckmäßig die schweren Rüstungen waren, zeigte sich in dieser Schlacht, wo sowohl der Bannerträger des Königs, einer von Isenburg, wie der des Herzogs, einer von Ochsenbein, in ihren Harnischen erstickten. Das Pferd des von Ochsenbein stürmte mit der Leiche des Reiters, der noch fest im Sattel saß und die Sturmfahne in der erstarrten Faust hielt, durch die Reihen der Kämpfenden. Beide Heere führten die gleiche Sturmfahne des Reichs, ein weißes Kreuz auf rotem Grunde.

Wie König Adolf sich vornehm erwiesen hatte, indem er mit Gnadenbeweisen gegen seine Verwandten, die treu zu ihm hielten, sparsam war, so sein Gegner Albrecht, indem er sich ihnen gnädig zeigte. Als er sich mit seiner Frau, Elisabeth, in Nürnberg aufhielt, wo sie gekrönt wurde, erschien dort Imagina, die Witwe des gefallenen Königs. Im Trauergewande kniete sie vor der geschmückten Königin nieder und ersuchte sie, bei ihrem Manne Fürbitte zu tun, damit er ihren bei Göllheim gefangenen Sohn Rupprecht freigebe, eine Bitte, die Albrecht nicht erfüllen konnte, weil der Königssohn dem Erzbischof von Mainz überlassen war. Er starb einige Jahre später in der Gefangenschaft. Imagina und Elisabeth sollten sich nach wenig Jahren noch einmal wiedersehen, als König Heinrich VII. die Leichen seiner beiden Vorgänger in Speier feierlich beisetzen ließ. Die Albrechts kam den Rhein hinunter, die Adolfs war bis dahin im Kloster Rosenthal verwahrt. Sie wurden unter dem Gesange: »Quomodo ceciderunt inclyti« – Was sind doch die Starken! – in die Gruft versenkt, wobei Heinrich VII. selbst Hand angelegt haben soll. Die Anhänger Adolfs fanden Genugtuung in der Tatsache, daß die Gegner ihres Königs eines üblen Todes gestorben wären: Albrecht ermordet, ein anderer sei rasend geworden, ein anderer ertrunken, der Erzbischof von Mainz auf seinem Stuhle sitzend tot aufgefunden, also allein, ohne Menschentrost gestorben.

Stift und Stadt Limburg standen damals, wie der Chronist es ausdrückt, in Ehren und Seligkeit. Mit dem Geschlecht der Isenburg neigte es sich dem Ende zu, obwohl es noch in täuschender Blüte prangte. Gerlach II. war Anhänger Friedrichs des Schönen und befreundet mit dem Erzbischof Baldewin von Trier, einem Bruder Heinrichs VII., von dem der Chronist sagt, daß er ein kleiner Mann sei und doch große Werke tue. Mit Baldewin, mit den Grafen von Nassau und Sayn und mit Giso von Molsberg schloß Gerlach einen Landfrieden, der dem Kaufmann sicheres Geleit verschaffen sollte. Gerlach war ein Dichter, der Klügste nach des Chronisten Meinung, in allen deutschen Landen. Er hätte auch, rühmt derselbe, nicht um hundert Gulden eines armen Mannes Hammel gegessen, ohne ihn bezahlt zu haben. »Er hatte gekoren und auserwählt die Tugend, die da heißt Gerechtigkeit, die für alle Tugenden geht, die war seine Handgetreue und Testamentirer.« Dichter und Heilige sind selten gute Staatsmänner; während Baldewin von Trier durch Fehden und Kriege sich bereicherte und mit dem Reichtum mehr und mehr Lehensleute an sich zog, nahm die Geldnot der Isenburger beständig zu und wurde schließlich so dringend, daß Gerlach sich im Jahre 1344 entschloß, die Hälfte von Limburg dem Erzbischof um 28 000 alte kleine Gulden zu verkaufen. Er verkaufte Limburg mit Zustimmung der Bürgerschaft »mit herrschaften, gerichten, dorfern, luden, juden, gulden, gevellen«. Die Bürger wurden verpflichtet, dem Erzbischof beizustehen gegen alle »ussgenommen ane allein daz römische riche, den stift von Mentze und den Landgraven von Hessen«, die, wie erwähnt, Mitbesitzer zweier Drittel der Stadt waren.

Stadt Limburg, obwohl nicht auf Handel, sondern auf Ackerbau eingestellt, war ein Gemeinwesen voll Kraft und Selbstbewußtsein. Einmal baute Philipp von Isenburg, Glied einer anderen Linie, eine Burg, die der Stadt für ihre Ruhe und Freiheit zu nahe schien, worauf sie sich mit Kuno von Falkenstein, der damals Domherr zu Mainz und Coadjutor von Trier war, verbündete, um die unbequeme Veste zu brechen. Als es zum Sturm kam, verlangte ein Amtmann des Erzbischofs von Trier von den Limburgern, sie sollten vorangehen. Da sagte der Bürgermeister von Limburg, Johann Boppe, sie wären da, um zu stürmen, aber die Gräben sollten nicht mit denen von Limburg allein gefüllt werden; sie wollten mit den Rittern und Knechten zugleich stürmen und würden nicht die Letzten sein. Das machten sie wahr, als man tat, wie sie verlangten.

Aus der verschütteten Geschichte von Limburg ragt der Name Johann Boppe wie ein Turm. Es ereignete sich einmal, daß der Erzbischof von Trier, Kuno von Falkenstein, und Johann II., letzter Graf von Limburg, einen Schöffen der Stadt, der Johann Hartleib hieß und aus Nauheim war, gerichtlich belangen wollten. Offenbar war ihnen viel daran gelegen, sich des Mannes zu bemächtigen, denn sie kamen mit starkem Geleit in die Stadt, darunter der Erzbischof von Köln, die Grafen von Sayn, Reinhold von Westerburg, Dietrich zu Runkel und andere Ritter. Einer von diesen, Herr Dietrich zu Walpod, begann die Verhandlung, indem er die versammelten Schöffen fragte, wofür sie die Herren hielten, und welches nach ihrer Meinung ihre Herrschaft, ihre Freiheit und ihr Recht wäre. Die Schöffen gingen hinaus, berieten sich, kamen wieder herein und antworteten durch den Mund ihres Worthalters, Johann Boppe, der mit Würde und Festigkeit folgendermaßen sprach: »Wir bekennen, daß unser Herr von Trier ist unser gekaufter Herr nach Laut und Anweisung solcher Briefe, die darüber gegeben und gesiegelt sind. Wir bekennen und halten unsern Jungherrn von Limburg für unseren rechten geborenen Herrn, der zu der Herrschaft von seinen Eltern, unseren Herren seligen, geboren ist.« Nachdem er so der gestellten Falle mit seiner Antwort begegnet war, die, nett und rund das Rechtsverhältnis bestimmend, keine Handhabe zum Angriff bot, wurde eine weitere Frage gestellt, auf die nach der üblichen Beratung Johann Boppe den Bescheid gab: die Herren hätten das Gericht über Hals und Haupt, aber sie dürften keinen Bürger von Limburg greifen, wenn die Schöffen nicht zuvor darüber geurteilt hätten. Die nächste Frage war, ob die Herren einen, der zu Limburg Gewalt brauchte, nicht greifen dürften, damit er nicht flüchtig werde, bis die Schöffen sich versammelt hätten. Die Antwort Johann Boppes lautete: Nein, zuvor müßten die Schöffen urteilen. Nun wiederholten die Herren ihre Frage so: wenn man einen verdächtigte, daß er Gewalt begangen hätte, was der den Herren schuldig wäre? Johann Boppe antwortete: »Liebe Herren, wir, die Schöffen zu Limburg, erkennen und sprechen kein Urteil auf Gedanken.« »Und nit mehr sagt«, fügt der Chronist, der den Vorfall berichtet hat, stolz hinzu. Unter den Schöffen waren außer Johann Boppe und jenem bedrohten Johann Hartleib ein Holzhusen, ein Borgenit, ein Knappe, ein Priol, ein Mulich, ein Wiße, ein auf der Schoppen und der alte Johann Sibolt.

Deutlich treten hier die von der späteren Zeit so verschiedenen mittelalterlichen Verhältnisse hervor, die auf erworbenen Rechten und gegenseitigen Verpflichtungen beruhten. Der mächtige Erzbischof von Trier und der angestammte Landesherr von Limburg getrauten sich nicht, einen Limburger Bürger, der offenbar einem der Ihrigen, vielleicht einem Ritter, vielleicht in gerechter Gegenwehr, Gewalt angetan hatte, zu verhaften, um sich an ihm zu rächen, und als die Schöffen es geschickt vermieden hatten, sich durch unbesonnene Äußerungen eine Blöße zu geben, die etwa gerechtfertigten Anlaß zu einem Eingriff gegeben hätte, traten sie sehr verwundert über die Klugheit der Bürger den Rückzug an. Sie sahen sich an, berichtet der Chronist, als wollten sie sagen: »Der Has ist uns entgangen, den wir wähnten han gefangen.« Ebensowenig würden sie damals gewagt haben, eine nicht bewilligte Geldabgabe anders als bittweise zu verlangen.

Sein Hervortreten als worthaltender Schöffe ist das letzte, was von Johann Boppe erzählt wird; vielleicht ist er nicht lange danach gestorben. Er hatte einen Sohn und eine Tochter, die ihrerseits drei Töchter hatte. Als sie Witwe geworden war, verheiratete sie sich wieder mit Heinrich von Staffeln, dessen drei Söhne die drei Töchter seiner zweiten Frau heimführten. Ueber dieser seltenen Familienverbindung stand kein guter Stern, denn alle drei Ehen wurden bis auf die des jüngsten Paares nach kurzer Zeit durch den Tod getrennt. Daraus, daß das Vermögen Johann Boppes an die von Staffeln fiel, ist zu schließen, daß männliche Erben nicht übrigblieben. Die Tochter des Sohnes wurde die Frau des Tilemann Elken von Wolfenhagen, eines Klerikers des Mainzer Bistums, der Stadtschreiber in Limburg wurde. Da er die höheren Weihen nicht empfangen hatte, konnte er sich verheiraten.

Es schickt sich gut, daß ein Ort von solcher Monumentalität wie Limburg bedeutende Chronisten hervorgebracht hat. von hier blickte Tilemann Elken wie von einem Adlerhorst in die weite deutsche Welt, und er sah, als hätte er eines Adlers Augen, das ihm Verwandte, das Große und Herrenmäßige. Seine Schilderungen von Menschen sind erstaunlich, besonders wenn man sie mit denen anderer geistlicher Geschichtschreiber vergleicht, für die Anhänglichkeit an die Kirche der einzige Maßstab der Größe war. Bei Tilemann ist fabulierende Lust an auffallenden Begebenheiten, Interesse für ausgeprägte Charaktere und Charakterköpfe und Sinn für Poesie, Neben dem Großvater seiner Frau, von dem er mit zärtlicher Verehrung sprach, bewunderte er den Erzbischof von Trier, Kuno von Falkenstein, mit dem vereint die Limburger manche Ritterburg brachen. Er schildert ihn ausführlich als einen herrlichen, großen und starken, wohlproportionierten Mann mit einem großen Kopf voll krausen Haars, mit breitem Gesicht, dicken Lippen, einer breiten, in der Mitte eingedrückten Nase, hoher Stirn und großem Kinn. »Und stund auf seinen Beinen,« schrieb er, »als ein Löwe und hatte gütliche Geberde zu seinen Freunden. Und wann daß er zornig war, so paußten und flodderten ihm seine Backen und stunden ihm herrlich und weislich und nit übel. Dann der Meister Aristoteles spricht: non irasci in quibus oportet insipientis esse.«

Von seinem Landesherrn Gerlach III. rühmte er, daß er scharf von Reden und Rat, rasch und heiter sei. Mit Wohlgefallen beschrieb er die jeweils üblichen Kleidermoden und zeichnete die Lieder auf, die grade gesungen wurden. Die besten Lieder der Welt in Wort und Melodie, denen keine anderen gleichkämen, habe ein aussätziger Barfüßermönch gemacht, der auf einer Insel im Main gelebt habe, und er führt seine Verse an: »Mai, Mai, Mai, du wonnigliche Zeit – Männiglichen Freude giebt – ohne mir; was meinet das?«

Nach Tilemann Elken schrieben in Limburg Johann Gensbein, Georg Emmel und Johann Mechtel Chroniken. Der letztere war zu Pfalzel bei Trier geboren, wurde in Eltz bei Limburg Pfarrer und hatte um das Ende des 16. Jahrhunderts eine Kanonikarstelle im Limburger Georgenstift, wo er Muße fand, seiner Lieblingsbeschäftigung, historischen Studien, nachzugehen. Er schrieb nicht wie Tilemann Elken zu einer Zeit, wo Burg, Stift und Stadt in Freuden und Ehren standen, sondern zur Zeit des Niedergangs, der Verarmung und verminderten Selbständigkeit. Nachdem der braune, schwarzlockige Gerlach III. gestorben war, dem seine kinderlose Frau drei Wochen später in den Tod folgte, mußte sein jüngerer Bruder Johann, der für den geistlichen Stand bestimmt und Domherr von Köln und Trier war, sich entschließen, die Herrschaft zu übernehmen, wozu die Erlaubnis des Papstes glücklich erwirkt wurde. Er war seinem dunklen und raschen Bruder ganz ungleich, sein Haar war gelb wie Goldfäden, so berichtet Tilemann, er war gütlich im Sprechen und in Scherz und Ernst weise. Erst nach zwanzig Jahren entschloß er sich zu heiraten, blieb aber kinderlos, so daß nach seinem Tode das ganze Limburger Gebiet an Trier fiel.

Einst hatte die Stadt als eine ebenbürtige Macht sich mit den Erzbischöfen verbündet, um Friedensstörer oder beeinträchtigende Gegner zu bekämpfen. Viele Fehden hatte die Stadt allein geführt, so mit dem Ritter Johann von dem Steine, mit dem Ritter Emerich Rudel von Reiffenberg, mit dem Knappen Rüdiger von Wanscheid, mit dem Grafen Gerhard VI. von Diez. Rasch und roh war die Bevölkerung, aber voll Kraft. Corz Noide, ein Bürgermeister von Limburg, führte einst in Person einen Dieb auf der Mauer zum Katzenturm. Als sie bei der Dietzer Pforte waren, sprang der Dieb, den Bürgermeister mir sich reißend, die Mauer hinunter. Der Bürgermeister starb nach acht Tagen, der Dieb wurde sofort gehängt, weil er sonst ehrlich gestorben wäre.

Warum, fragte sich oft der nachdenkliche Schilderer seiner Zeit, Johannes Mechtel, ist die blühende Stadt so sehr herabgekommen? Es möchte sein, daß das Stift zu einem Teil den städtischen Reichtum aufgesogen habe, da die Patrizier nicht müde wurden, es mit Altären und Stiftungen zu begaben; dann sei der Adel nach dem Aussterben der Isenburger weggezogen und habe der Stadt Limburg ihre verfallenden Mauern und die Namen ihrer Höfe überlassen. Er führt den Westerburger, den Ottensteiner Garten an, die Gärten der Spechten von Bubenheim, der Diez, der von Staffel, der Reiffenberger, der Kronberger, der Wanscheid, der Walderdorff: leere Häuser, verwildernde Stätten. Die Sage bildete sich, daß angesehene Geschlechter nach Frankfurt gezogen wären und dadurch den Aufschwung Frankfurts bewirkt hätten, wovon noch das Haus Lympurg in Frankfurt, das Gesellschaftshaus der vornehmen Frankfurter neben dem Römer, Zeugnis ablege. Andere Familien wären verarmt und unter die Bürger gesunken; aber doch, wenn der Chronist die Menge der einst in Limburg blühenden reichen Geschlechter bedenkt, so kann er nicht fassen, wohin sie alle mit Gut und Blut gekommen sein sollen? Er führt noch viele Namen von altem edlen Klange an; ist es wahr, wie man sagt, daß sie nach einem großen Brande ausgewandert sind? Es will ihn bedünken, daß es damit nach dem Laufe der Natur oder nach dem Worte der Schrift gegangen sei, daß der Mensch aufgehe und hinfalle wie eine Blume; so wären auch diese gestorben und verdorben. »vor Zeiten waren sie an Stamm und Namen, von Ehren und Gut berumt und weit bekant, jetzo seint nit wol die malzeiten irer haus und hof zu finden.«

So viel ist gewiß, daß in der Umgegend von Frankfurt schwerlich eine andere Stadt durch Handel hochkommen konnte, und daß anderseits eine auf Ackerbau angewiesene Stadt verarmen und bedeutungslos werden mußte, als die Nation von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft überging.

An die starken, stolzen und wilden Zeiten Limburgs erinnern nur noch der Dom und die Burg und die steinerne Brücke, unter der die Lahn sich um den Fuß des Felsens biegt.


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