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Stadtwappen

Schwäbisch-Hall

Natur hat diese Stadt gewiegt und Kunst sie gebildet. An zwei Abhängen, die der Kocher durchbricht, steigt sie anmutig prächtig hinauf, auch wo sie groß wirkt noch traulich wie die Landschaft, der sie verschwistert ist. Jenseits erhebt sich wie ein Fabelbau die ritterlich-kirchliche Komburg, und dahinter der Einkorn, einst Träger einer Wallfahrtskirche, jetzt ein dunkelgrün bewaldeter Kegel. Hier ist Burg, Strom, Insel, Felsarchitektur, auf, nieder, Winkel und Bogen, alles so glücklich benutzt und ineinander gewachsen, daß es wie ein lobpreisender Auszug deutscher Welt vor dem überraschten Wanderer liegt.

Die freigebige Natur, die jedem Ort etwas verleiht, womit er sich nährt und woran er erwächst, schenkte hier zur Schönheit Nutzen in einer Salzquelle, die schon in geschichtsloser Zeit von Tieren und Menschen aufgesucht wurde. Sie gehörte zum Gebiet der Grafen von Westheim, und diese, die zugleich Grafen des Kochergaues waren, haben wohl zuerst Versuche planmäßiger Salzbereitung angestellt. Die königlichen Beamten, denen der Betrieb anvertraut wurde, vermutlich Adlige der Umgegend, lebten nach der Überlieferung in sieben Burgen, die im Jahre 1718 bis auf eine noch alle vorhanden waren. Der große Brand von 1728 ließ nur noch eine übrig, die sogenannte Keckenburg, ein Fachwerkbau auf steinernem Untergeschoß. Der Ertrag der Quelle wurde in 111 gleiche Teile geteilt, die verpachtet wurden, und man unterschied Obereigentum, Lehn genannt, und Nutzeigentum oder Erb, dessen Besitzer Erbsieder hießen. Mit dem Beginn des 14. Jahrhunderts war die ursprünglich königliche Quelle ganz im Besitz der Erbsieder. Sie bildeten den reichsten und vornehmsten Teil der Bürgerschaft, aus deren Mitte der Rat besetzt wurde.

Jetzt ist die Haal, der Platz, wo die Quelle gefaßt ist, verödet. Mit Eröffnung des Steinsalzwerks Wilhelmsglück wurde die alte Quelle von Hall, die der König von Württemberg durch Ankauf sämtlicher Aktien erworben hatte, aufgegeben und wird seitdem nur noch zu Solbädern benutzt. Das in gutem Geschmack erbaute Solbad liegt auf der baumbeschatteten Insel Unterwöhrd, die durch Stege und Brücken mit den verschiedenen Stadtteilen verbunden ist. Diese Brücken mit ihren Türmen, ihrem Holzdach, die Ufermauern, die Gebüsche, die kleinen, zutraulich übers Wasser geneigten Giebelhäuser setzen sich bei jeder Wendung zu neuen, unaussprechlich anziehenden Bildern zusammen. Das unerschöpfliche Durcheinanderspielen der Linien wirkt so, als wären die Winkel und Plätze und Häusergruppen weniger zur Benutzung als zur Lust eines müßigen Riesenkindes hingestellt, das sich mit wunderlichen Bausteinen die Zeit vertreibe. Von bösartig lauernden und furchtsam zusammengeschrumpften Häusern umringt steht der Malefizturm da; hier hauste vielleicht der Henker mit Folterzeug und Schwert, und aus diesen verwegenen Schornsteinen konnte man vielleicht nachts auf ihren Besen die blanken Hexen fahren sehen. An das Badtörlein beim Josenturm duckt sich ein kleines gequetschtes Haus mit einem spitzen Hut, wie ein Zauberer ihn tragen möchte; im Süden der Stadt unweit des malerisch reizvollen Weilertores erstreckt sich ein Stück Stadtmauer neben dem Henkersturm. Hier ist es, fern von den Lichtern und der Bewegung der Stadt, wenn der Abend fällt, feucht, einsam und schaurig; aber selbst die Stätten düsterster Erinnerung sind durch den Genius des Ortes ins Märchenhafte, oft Drollige gerückt. Überaus anheimelnd sind die spielzeughaften Häuser, die am Rosenbühel behutsam zum gewaltigen Neuen Bau hinaufklettern. Gemütlich und doch zugleich, seiner Bedeutung gemäß, eine Hoheit darstellend, empfängt uns die Mitte der Stadt, der Markt. Vom stillen Haalplatz durch die Haalstraße hinaufsteigend, kommt man zur Rückseite des Rathauses, an dessen Seiten Treppen zum Marktplatz hinaufführen. Dieser erste Aufstieg ist Vorbereitung eines zweiten: zur Michaeliskirche, die den Markt bekrönt, leitet eine breitausladende Freitreppe, die in den wesentlich mittelalterlichen Platz ein neues festliches Raumgefühl glücklich einführt. Auf beiden Seiten begrenzen ihn herrschaftliche Giebelhäuser, der Kirche gegenüber schließt ihn das Rathaus ab, das nach dem großen Brande von 1728 errichtet wurde, ein Barockbau von heiterer Pracht, der Umgebung angemessen mehr anmutig als imposant. Reizend belebt den Platz ein großer rechteckiger Brunnen, dessen Rückseite geschmückt ist durch drei Heroengestalten unter gotischem Baldachin: Simson mit dem Löwen, Sankt Michael mit dem Drachen und Sankt Georg mit dem Lindwurm. Das wehrhafte Mittelalter hatte eine Vorliebe für die kämpfenden Göttersöhne, Vorbilder des Kampfes gegen die Heiden sowohl wie gegen das Böse. Ein schmiedeeisernes Gitter mit kunstvollen Verschlingungen faßt den Brunnen ein, zu dem rechts der Pranger hinzutritt, ein hübsches Bauglied und zugleich ein Instrument der Justiz. Aus der Mitte des Brunnens speit ein abenteuerliches, steinernes Ungetüm Wasser.

Dies schöne Reich beherrscht die Michaeliskirche. Da alle Salzquellen in der heidnischen Zeit als heilig galten, kann man annehmen, daß auch in Hall schon in Urzeiten ein Gott verehrt wurde, vielleicht Wodan, den gewöhnlich der Erzengel Michael verdrängte. Im Jahre 1156 wurde die Kirche durch den Bischof von Würzburg geweiht in Anwesenheit eines Sohnes Friedrich Barbarossas, des zwölfjährigen Herzogs Friedrich von Rothenburg, der in jungen Jahren vor Rom an der Pest starb. Diese romanische Kirche wurde im Jahre 1427 als zu klein abgebrochen, die neue war erst hundert Jahre später vollendet. Von der alten sind nur die vier unteren Stockwerke des Turms übriggeblieben und die Vorhalle. Auf einer Konsole an der Mittelsäule, die sie stützt, steht im langen Gewande ein schöner Dämon, der Erzengel Michael, der das Schwert gegen den sich aufbäumenden Drachen richtet. Seine hochaufgestellten Flügel gleichen zornigen Flammen; seine Gestalt sowie die dunkle Vorhalle überhaupt hat etwas altertümlich Geheimnisvolles. Anders ist der Eindruck des Inneren: licht, leicht, majestätisch, die Seele zu befreiendem Aufschwung emporhebend. Die beiden mit dem Mittelschiff gleichhohen Seitenschiffe setzen sich in einem Kapellenkranz um den Chor fort, der länger als das Schiff und um mehrere Stufen über dasselbe erhöht ist. Es ist von großer Wirkung, daß der Blick inmitten der Kirche noch höher hinauf und tiefer ins Weite geführt wird. Der Reichtum an Altären, Grabdenkmälern und allem sonstigen Zubehör gibt dem Raum die sinnliche Fülle und das Wohnliche. In einer Seitenkapelle befindet sich ein heiliges Grab, das dem von Gmünd verwandt ist; der göttliche Leichnam ist hier bewegter und schöner, aber weniger feierlich. Herrlich ist das Triumphkreuz über dem Hochaltar mit dem überlebensgroßen Christus, einem Werk des Ulmer Meisters Michael Ehrhardt. Zwischen der Menge geschnitzter Altäre und heiliger Bilder blickt überraschend von der Nordwand des Mittelschiffs das Porträt einer vornehmen jungen Dame in die Kirche, auf dem schön geformten Antlitz ein spöttisch überlegenes, herablassendes und doch anmutig liebenswürdiges Lächeln. Sie stammt der Umschrift nach aus dem Geschlecht der Bonhöffer, die als Goldschmiede aus Holland einwanderten und im 17. und 18. Jahrhundert zu hohen Stellungen gelangten.

Vor der Kirche wurde einst auf ummauertem Platze unter einer Linde das alte Gaugericht gehalten, und noch im Jahre 1462 wird ein »freyheimlich Gericht« dort erwähnt. Im Anfang des 16. Jahrhunderts wurde die Linde gefällt und die Mauer abgetragen. Als ein Überbleibsel des königlichen Gerichts ist auch das Kampfgericht anzusehen, eine sehr altertümliche Einrichtung, die noch lange in Hall bestanden hat. Ritter, die keinen ordentlichen Richter finden konnten, durften in Hall miteinander kämpfen, bis der Sturz des einen dem andern erlaubte, das Gottestodesurteil auszuführen.

War Hall durch sein Salz in vieler Leute Munde, so kam es durch seine Münze in vieler Leute Hand. Die dort geprägten Haller oder Häller waren so verbreitet, daß der Name noch jetzt als Bezeichnung für eine kleine Münze verständlich ist. Das besonders feine Gepräge der Häller war vielleicht die Ursache, daß sie sosehr in Aufnahme kamen. Sie zeigten auf einer Seite das Kreuz, auf der anderen eine Hand, das Symbol der Macht, entweder auf Gott oder, wahrscheinlicher, auf den Kaiser deutend; später blieb eine Seite leer und Kreuz und Hand nebst Reichsadler füllten die andere. Nach einer Bestimmung Kaiser Wenzels durfte dies Gepräge nur in Augsburg, Nürnberg, Köln und Hall geschlagen werden. Von demselben Kaiser, der sich eine Zeitlang städtefreundlich zeigte, erwarb Hall das Münzrecht, das eigentlich ein kaiserliches Hoheitsrecht war, auf ewige Zeiten für sich. Unter den Münzmeistern, die eine hochangesehene Stellung einnahmen, fällt der Name Martin Lerch auf, der später nach Regensburg kam und dort, weil er im Zorn einen Knecht erschlagen hatte, das große Kruzifix im Vorhof von St. Emmeram stiftete.

Kreuz, Hand und Reichsadler gingen in das Wappen der Stadt über, dessen Farbe rot und gelb war, das Rot und Gold, das mit Schwarz verbunden zur Zeit der Freiheitskriege die Farbe des frei und einig zu erneuernden Reiches wurde. Die Haller rühmten sich nämlich des Rechts, den sogenannten Verlorenen Haufen zu stellen, der im Vordertreffen war und eine rotgelbe Fahne führte; von anderer Seite wird behauptet, diese Fahne sei keine andere als die Sturmfahne gewesen, die die Schwaben seit alters dem Reichsheer vorantragen durften.

Unter Friedrich I. wurde Hall eine Stadt, indem es Markt und Mauern erhielt, und es war infolgedessen gut staufisch. War auch Barbarossa selbst nie in Hall, so doch sein Sohn Heinrich VI. als Reichsverweser, der hier den neuen Herzog von Brabant belehnte, ferner Philipp von Schwaben, fünfmal Heinrich VII., der unglückliche Sohn Friedrichs II., und sechsmal Konrad IV. Die Haller gingen in der Hohenstaufentreue so weit, daß sie, weil sie Friedrich II. Zuzug leisteten, vom Papste mit dem Bann belegt wurden, und daß Prediger in Hall auftreten durften, die, nachdem durch Glockengeläut das Volk zusammengerufen war, auf dem Markte verkündeten, der Papst, die Bischöfe, Prälaten und Priester wären Ketzer, weil sie in Laster und Todsünde lebten, die Franziskaner und Dominikaner wären Irrlehrer, nur sie selbst sagten die Wahrheit, und wenn sie nicht gekommen wären, würde Gott die Steine haben reden lassen, damit der wahre Glauben nicht verlorengehe. Kaiser Friedrich und sein Sohn wären vollkommen und gerecht.

Niemals hat irgendein Kaiser grundsätzlich und dauernd die Städte begünstigt; wenn die Staufer einen Stand bevorzugten, so waren es die Ritter, deren Hilfe sie zu ihren Feldzügen benötigten, während die Städte zu voller Blüte und Leistungsfähigkeit im allgemeinen erst später kamen. So bereicherten die Hohenstaufen zwei Familien, die Hohenlohe und die Limpurg, beide Nachbarn der Stadt Hall, die dem eben sich entfaltenden Gemeinwesen durch die kaiserliche Gunst sehr gefährlich zu werden drohten.

Die Hohenlohe, die von Weikersheim ausgingen, gerieten durch die Begabung mit Öhringen, Waldenburg und Neuenstein in Halls unmittelbare Nachbarschaft. Diese Familie, die sich Jahrhunderte hindurch auf einer immergleichen Höhe von Tüchtigkeit und Gesundheit erhielt, brachte gerade um diese Zeit einige in Kampf und Verwaltung ausgezeichnete Männer hervor, unter denen Gottfried, ein unentwegter, tätiger Anhänger der Hohenstaufen, der bedeutendste war. Über den Zoll, das Geleitrecht und das Jagdrecht kam es zwischen den Nachbarn häufig zu Zwistigkeiten. Graf Kraft von Hohenlohe nahm einmal den Haller Patrizier Gilg Senfft, den er auf einem Gebiet jagend antraf, wo nach seiner Meinung ihm das Jagdrecht zustand, gefangen und warf ihn in Waldenburg in den Turm. Folgenschwerer und bedenklicher aber waren die Beziehungen zu den Limpurgern, die zur Hohenstaufenzeit auf Limpurg neben Hall auftauchten.

Walter von Schüpf, dem wahrscheinlich Heinrich VII. die Aufsicht über die staufischen Güter anvertraute, erbaute auf einem Hügel oberhalb Hall die Burg, von der noch ein paar jetzt sorgfältig behütete Trümmer übriggeblieben sind. Wahrscheinlich war diese Familie, die sich von den alten fränkischen Herzögen ableitete, schon lange in der Kochergegend ansässig; sie hatten einen Streitkolben, die fränkische Heerspitze und den Schenkenbecher im Wappen. Die semperfreien Erbschenken von Limpurg hatten ursprünglich nur das Afterschenkenamt von der Krone Böhmen zu Lehen, erst durch die Goldene Bulle kam das Reichserbschenkenamt an sie und blieb bei ihrem Hause bis zu dessen Erlöschen. Den Titel semperfrey erhielten sie im 15. Jahrhundert, im 17. wurden sie Grafen. Bei allen Königs- und Kaiserkrönungen hatte der Älteste des Geschlechts das Amt zu verrichten, indem er vom Pferde stieg und den Becher voll mit Wasser vermischten Weins dem Neugekrönten zum Trinken reichte. Pferd und Becher erhielt er hernach geschenkt. Der Becher, aus dem Maximilian II. 1562 getrunken hat und den er dem Reichserbschenken Christoph schenkte, ist noch vorhanden. In schöner getriebener Arbeit ist der Triumph des Bacchus darauf dargestellt, während auf dem Deckel ein geflügelter Löwe oder Greif das böhmische Wappen hält. Zum letztenmal vollzog Graf Vollrath das Amt bei der Krönung Kaiser Josephs I. im Jahre 1690. Im Jahre 1713 starb die Familie im Mannesstamm aus. Im Kreuzgang des Ritterklosters Komburg, dessen Schirmherren sie sehr zum Leidwesen des Klosters wurden, hatten sie ihre Begräbnisstätte. Dort steht unter gotischem Baldachin aufrecht auf einem Löwen Schenk Georg I., gestorben im Jahre 1475, schlank, gerade wie ein Lichtstrahl, ganz gerüstet, die linke Hand am Schwert, in der rechten eine Lanze, die ihn um ein Stück überragt und die stolze Haltung der Figur betont. Alles, was das Rittertum an Kühnheit und Ehre besaß, ist in dieser Gestalt wie in einem Symbol ausgedrückt. Er ist von zehn Wappen umgeben und wird in der lateinischen Umschrift als des heiligen Reiches Erbschenk de sanguine ducum Francorum et Suevorum bezeichnet. Das schöne Denkmal Friedrichs V. aus derselben Zeit hat eine deutsche Umschrift: des hyligen Rychs Erb schenk Semper frey. Am Tag nach bartolme. Got Gnad im. Von diesem Friedrich wird eine liebliche Legende erzählt. Als er einmal bei Tüngen Hasen jagte, geriet eines der verfolgten Tiere in die dortige Kirche, sprang auf den Altar und schmiegte sich schutzsuchend an das Marienbild. Die Hunde, die dem Flüchtling in die Kirche nachgesetzt waren, blieben bescheiden vor dem Altar stehen. Als der Schenk das sah, nahm er das Häschen, trug es ins Freie und ließ es laufen, indem er sagte: »Zeuch hin, lieber Has, du hast Freiheit in der Kirche gesucht und gefunden; dieweil meine Hunde die Freiheit an dir gehalten haben, so will ich sie auch nicht brechen.« Das Grabmal seiner Frau Susanne von Thierstein befindet sich auch in der Schenkenkapelle.

Trotz aller Treue, die Hall den Hohenstaufen bewiesen hatte, fügte Konrad IV. der Stadt ernstlichen Schaden zu, indem er Walter von Schüpf die erbliche Schirmvogtei mit der Gerichtsoberhoheit über Hall verlieh, wodurch die Schenken das Recht erhielten, Schultheißen und Schöffen zu ernennen. Nicht damit genug, überließ er ihm auch noch einen Anteil an der Hallschen Steuer, also eine Art Finanzhoheit, und im Jahre 1255 mußte die Stadt förmlich anerkennen, daß sie verpflichtet sei, den Schenken zu dienen. Es schien damit aus der königlichen Stadt eine Limpurger Landstadt werden zu sollen. Aus eigener Kraft hätte Hall damals das ihm auf den Nacken gelegte Joch kaum abwerfen können, aber das Glück kam ihm zu Hilfe: Rudolf von Habsburg nämlich hob alle Akte seiner Vorgänger bis 1245 auf, wodurch sie Reichsgüter verschenkt oder in irgendeiner Form weggegeben hätten. Dadurch wurde der Grund zu Halls Reichsfreiheit von neuem gelegt. Die Einteilung des Reichs in Landvogteien, die Rudolf von Habsburg einführte, und wobei Hall zur Reichslandvogtei Wimpfen geschlagen wurde, versetzte es in die schwäbischen Kreise; aus dem fränkischen Hall wurde Schwäbisch-Hall.

Die gegenseitige Befehdung und Eifersucht zwischen Hall und Limpurg hörte nicht auf, wenn auch Kaiser Rudolfs segensreicher Eingriff die Unabhängigkeit der Stadt wiederhergestellt hatte. Es gab jedoch auch Zeiten der Freundschaft, wo Schenken und Haller Patrizier in einem Schlößchen, das die Limpurger nahe bei dem die Stadt gegen ihr Gebiet abschließenden Tore erbaut hatten, zusammen pokulierten. Eines Nachts, im Jahre 1430, geriet bei einer solchen Gelegenheit der Schenk wegen des Jagdrechts mit seinen Gästen so heftig in Streit, daß er sie mir gezogenem Schwert bis ans Tor verfolgte. Daraufhin ließ der Stadtrat das Tor zumauern zum Ärger der Schenken, die dadurch einen großen Umweg zu machen gezwungen wurden. Auf ihre Klage soll Kaiser Sigismund geantwortet haben, daß seinethalb »seine lieben Söhne und Untertanen zu Hall ihre Tore alle zumauern und mit Leitern über die Mauern aus- und einsteigen möchten, es könne ihnen das niemand wehren.« Das Tor blieb vermauert, bis hundert Jahre später Schenk Erasmus die Burg mitsamt der Stadt Unterlimpurg den Hallern zum Verkauf anbot. Waren auch die Limpurger damals keine gefährlichen Nachbarn mehr, und war auch das »alt zerrissen grundlos Schloß« nichts wert, so erwarb die Stadt doch um 42 000 Gulden das Gebiet als erwünschte Abrundung ihres Landes. Das Tor wurde geöffnet, die Stadt hatte über die Ritter gesiegt; aber als die Schenken ausstarben, war auch die Herrlichkeit der Städte vorüber.

Halls dritter Nachbar war das Stift Komburg. Ursprünglich war es eine Burg, die sich ein Graf von Rotenburg am Ende des 11. Jahrhunderts erbaut hatte. Von seinen vier Söhnen, Einhard, Burkhard, Rugger und Heinrich, wurden zwei von der damals das Abendland bewegenden kirchlichen Strömung ergriffen und verwandelten die Burg in ein Kloster, dessen Ruf sich bald so verbreitete, daß ein mainzisches Ehepaar, das in seinem Hause einen Schatz entdeckte, denselben zur Vollendung der drei steinernen Türme der Klosterkirche stiftete. Der dritte Abt des Klosters, Hartwig, hat seinen Namen dadurch denkwürdig gemacht, daß er den berühmten Kronleuchter schenkte, der jetzt den edelsten Schmuck der ziemlich liederlich barockisierten Kirche bildet. Seltsam spukte in dem reichsunmittelbaren Kloster der Rittergeist fort, aus dem es hervorgegangen war. Verschiedene Äbte legten gern den Harnisch an und lagen mit ihren Nachbaren in Fehde, so Konrad von Münkheim und Gottfried von Stetten. Im Anfang des 13. Jahrhunderts wurde die Bestimmung gemacht, daß keiner als Konventuale aufgenommen werden sollte, der nicht edel von Vater und Mutter sei. Die adligen Mönche führten ein weltliches, verschwenderisches Leben, wovon die Folge war, daß das Kloster aus den Zahlungsschwierigkeiten und unangenehmen Verwicklungen nicht heraus kam. Nach langen Kämpfen wurde es endlich in ein weltliches Chorherren- oder Ritterstift verwandelt, als welches es bis zur Säkularisation im Jahre 1803 bestanden hat. Seine wertvolle Bibliothek, die reich an Inkunabeln ist, enthält eine niederländische Handschrift des Reineke Fuchs. Die reichgegliederte Gebäudemasse, die der Berg hoch über das Tal hinaushebt, als wolle er ein gelungenes Meisterwerk weithin sichtbar machen, ist überraschend wirkungsvoll. Die mit Türmen besetzte Mauer umgibt den Gipfel wie ein Kronreif, aus dem die alten Kirchtürme mächtig hervorragen. Die Vereinigung zweier Hauptmächte des Mittelalters, der Kirche und des Rittertums, kommt hier zu monumentaler Erscheinung.

Den schlimmsten Nachbar, denjenigen, der es zuletzt verschlingen sollte, bekam Hall, als Eberhard I. von Württemberg, von den Zeitgenossen der Recke, von seinem respektvolleren Volke später der Erlauchte genannt, seine kleine Grafschaft auszudehnen unternahm. Damals schritten die Kaiser noch gegen das Bestreben der Fürsten, sich einen Territorialstaat zu bilden, strafend ein; aber sie verfuhren dabei so wenig folgerichtig, daß Albrecht dem Eberhard die Landvogtei von Niederschwaben übertrug, wodurch vierundzwanzig Städte, darunter Hall, unter seinen Schirm, und das hieß soviel wie unter seine Gewalt, kamen. Gegen den landgierigen Grafen bildete sich jedoch ein Landfriedensbund, in dem neben verschiedenen Herren zweiundzwanzig Städte vertreten waren, und in dem Kriege, den Heinrich VII. anführte, verlor er seine ganze Grafschaft. Es kam die Zeit der großen und einflußreichen Städtebündnisse, wo eine Entwicklung möglich schien, die derjenigen der schweizerischen Eidgenossenschaft ähnlich gewesen wäre; indessen ein Enkel Eberhards I., Eberhard der Greiner, machte ihr durch den Sieg bei Döffingen ein Ende, den der Alternde mit dem Tode seines Sohnes zahlen mußte.

In allen diesen Fehden fand der zahlreiche hallsche Adel Gelegenheit, sich zu betätigen. Als ein Hund von Wenkheim im Jahre 1438 in Rothenburg o. d. Tauber turnierte, war er von dreißig Edlen von Hall begleitet; und doch hatte damals schon ein großer Teil der Patrizier die Stadt verlassen. Die Unzufriedenheit der vom Regiment ausgeschlossenen Handwerker führte zu drei sogenannten Zwietrachten, deren Folge die gänzliche Auswanderung der Geschlechter war. Bei der zweiten Zwietracht, die im Jahre 1340 stattfand, änderte Ludwig der Bayer zugunsten der Handwerker die Verfassung, so daß künftig zwölf Edelleute, sechs Mitterbürger und acht Handwerker im Rat vertreten sein sollten. Auch ein Nichtadliger sollte das Amt des Städtmeisters, so hieß in Hall der Bürgermeister, bekleiden dürfen.

Entrüstet über die kaiserliche Entscheidung wanderten etwa fünfundzwanzig bis dreißig adlige Familien aus und ließen sich zum Teil in Straßburg nieder, wo eine Straße nach ihnen Haller Gasse benannt wurde. Immerhin blieben noch hundertundvierzehn adlige Familien zurück, die auch verfassungsgemäß das Übergewicht hatten.

Im Anfang des 15. Jahrhunderts wurde ein hervorragender Mann, Hermann Büschler, Städtmeister, der, aus mittelfreiem Stande hervorgegangen, vom Adel ungern gesehen wurde. Als er um Aufnahme in die Trinkstube der Patrizier nachsuchte, wurde sie abgeschlagen, obwohl seine Frau aus altadligem Geschlecht, eine Hornberger aus Rothenburg war; als geladener Gast, wurde ihm geantwortet, sollte er willkommen sein, nicht als berechtigtes Mitglied. Als nun Hermann Büschler mit verschiedenen des Rats eine bürgerliche Trinkstube gründete, wendeten sich die Geschlechter an den Schwäbischen Bund und setzten mit dessen Hilfe durch, daß die Trinkstube geschlossen und eine Veränderung der Verfassung im aristokratischen Sinne eingeführt wurde. Nachdem alle Versuche Büschlers, dies Verfahren auf dem Rechtswege zu bekämpfen, durchkreuzt worden waren, floh er aus Hall, um persönlich vor den Kaiser zu gelangen. Ein Rad um den Hals, Asche auf dem Kopf, ein Schwert in der Hand, so sei er, erzählt man, in Frankfurt am Main bis zum Kaiser vorgedrungen. Man wollte ihn in seinem närrischen Aufzuge nicht vorlassen, allein Maximilian, der öfters in Hall gewesen war, erkannte ihn wohl wieder und hieß ihn sprechen. Indem er seine Sache vortrug, soll Büschler gesagt haben, er wolle sich gerne dem Feuer, dem Rade, dem Strang, dem Schwert unterwerfen, wenn er strafbar sei. Vielleicht war dem Kaiser die Persönlichkeit Büschlers sympathisch, der außerdem eine gerechte Sache vertrat; Maximilian schickte eine Kommission nach Hall, die anordnete, daß die Verfassung Ludwigs des Bayern wiederhergestellt werde. Diese Verfassung hinderte nicht, daß sich wieder eine Oberschicht bildete; aber der alte Adel, der Jahrhunderte hindurch die Geschicke der Stadt geleitet hatte, verschwand gänzlich und für immer. Die Adelsheim, Crailsheim und Theurer waren schon nach der ersten Zwietracht aufs Land gezogen, nach der zweiten und dritten folgten ihnen die Backenstein, die Bebenburg, Erbküchenmeister des Reichs, die Berler, oft Reichsschultheißen von Hall, die Clingenfels, Egen, Geyer, Gottwollshausen, Münzmeister, Ottendorf, Lamparter von Ramspach, Sturmfeder und Eschelbach. Zum Teil starben sie bald aus. Der Städtmeister Simon Berler, der das Haupt der Adelsverschwörung gewesen war, soll ruhelos im Land herumgewandert und in Armut gestorben sein. Der letzte Büschler starb im 18. Jahrhundert wahnsinnig im Arbeitshause.

Man kann es als einen Vorzug ansehen, daß durch die Auswanderung des Adels die Bevölkerung vereinheitlicht wurde, andererseits bedeutete sie einen Verlust und nicht nur durch das Sinken der Steuerkraft, was sich ziemlich bald wieder ausglich. Der Adel, so herrschsüchtig er im Inneren war, war er es auch nach außen, im allgemeinen stets auf das Ansehen, die Erweiterung, den Glanz der Stadt bedacht, und dadurch, daß er in den Waffen geübt, und nicht durch Erwerbsarbeit behindert war, in der Lage, große Pläne auszuführen. Gewiß waren auch die Zünfte wehrfähig und stets zur Verteidigung der Mauern bereit, auch ihnen lag das Wohl der Stadt am Herzen, auch aus ihrer Mitte gingen tüchtige und unternehmende Männer hervor; aber sie waren doch ihrer Natur und Aufgabe nach behutsam und sparsam, ein unentbehrliches Gegengewicht gegen den verwegenen Übermut des Adels, einseitig ohne ihn. Die kurzsichtige Überhebung und Herrschsucht des Adels hatte die unheilbare Spaltung herbeigeführt.

Die letzten 50 Jahre vor der dritten Zwietracht waren für Hall eine Zeit der Blüte, die sich in monumentalen Bauten ausdrückte. Damals entstanden das große Bollwerk, von dem nur der Pulverturm unterhalb des Bahnhofs übriggeblieben ist, der Brunnen am Fischmarkt, die Michaelskirche, das Spiral am Markt und die schönen Patrizierhäuser in der Oberen Herrengasse. In den Grundstein der Kirche schloß man ein Glas voll roten Weins, ein Glas mit Korn, einen rheinischen Goldgulden, einen hällischen Reichstaler und einen hällischen Pfennig, eine Bleitafel mit der Jahreszahl und den Namen des regierenden Kaisers und der amtierenden Ratsherren. An den Namen Hermann Büschlers, der es ursprünglich zum Schutze gegen Limpurg erbaute, knüpft sich das Büchsenhaus oder der sogenannte Neue Bau, der die Stadt von ihrem höchsten Punkte aus beherrscht. Die Schmucklosigkeit des vorderen Giebels, dessen einzige Zierde das kaiserliche und das hällische Wappen bilden, läßt ihn um so gewaltiger erscheinen. Das Haus wurde beim Übergang an Württemberg Staatseigentum, aber später von der Stadt zurückgekauft und soll jetzt zur Abhaltung von Festen und Tagungen eingerichtet werden; ein der stolzen Lage auf dem Felsenvorsprung und der herausfordernden Massigkeit entsprechender Zweck findet sich nicht.

Auch mit kaiserlichen Besuchen, an denen es Hall nie gefehlt hat, wurde die Stadt in diesem Zeitraum mehrfach beehrt. Friedrich III., der sich, aus Wien durch Mathias Corvinus vertrieben, einstweilen von seinen Reichsstädten versorgen ließ, kam im Jahre 1485 nach Hall. Als auf einem abschüssigen Wege Kühe vor seinen Wagen gespannt werden mußten, sagte er mit habsburgischem Humor: »Seht, die Kühe müssen das Römische Reich führen!« Vier Jahre später kam sein Sohn Maximilian, gleichfalls umgänglich und gutgelaunt, aber frisch und unternehmend, um bei einer Versammlung des Schwäbischen Bundes gegenwärtig zu sein. Er nahm am Palmsonntage an der Prozession teil, und als er bemerkte, daß der hölzerne, auf Rädern laufende Palmesel durch die Stadtbüttel gezogen wurde, sagte er: »Haben die Herren von Hall sonst niemand, das Bild Christi zu führen, als die Schergen?« was den Anlaß gab, daß zwei Ratsherren an die Stelle der Büttel traten, bis die Reformation den ganzen Brauch aufhob. Im November des Jahres 1495 zog der Kaiser spät abends mit 350 Pferden ein, um die Huldigung entgegenzunehmen, die am folgenden Tage auf dem Markt durch Rat und Bürgerschaft geleistet wurde. Am Nachmittage fand auf Maximilians Wunsch ein Tanz der Geschlechter auf dem Rathause statt. Bei einem folgenden Besuche stieg der Kaiser bei Michael Senfft ab, der im Schwabenkriege den Haller Zuzug geführt und sich so ausgezeichnet hatte, daß der Kaiser ihn nach der Schlacht mit einem Pferde beschenkte. Damals soll es vorgekommen sein, daß ein fahrender Bettler den Kaiser als seinen Bruder ansprach, weil sie beide von Adam abstammten. Der Kaiser soll ihm einen Kreuzer gegeben und gesagt haben: »Gang hin und heiß dir einen jeden Bruder von Adam her einen Kreuzer geben, so wirst du reicher werden, als ich bin!« Ein heikler Besuch in veränderter Zeit war der Karls V., von dem die evangelische Stadt Hall fürchtete, er werde ihr Zwang in Glaubenssachen antun. Er kam mit 800 Pferden und einem Gefolge, das, wie er selbst, einfach und ganz und gar in Schwarz gekleidet war, weil er um seine verstorbene Frau Juana trauerte; auch die Ratsherren, die ihm entgegenritten, trugen sich schwarz. Vier Ratsherren hielten den schwarzen damastenen, mit goldenen Adlern bestickten Baldachin über ihn, während er einzog, Herolde trugen ihm einen goldenen Adler und ein goldenes Schwert voran. Im Haufe Hermann Büschlers am Markt, das noch steht, stieg er ab, nahm den goldenen, mit Dukaten gefüllten Pokal entgegen, den man ihm überreichte, und gab dann seiner gnädigen Gesinnung gegen die Stadt Ausdruck. Beim Essen, das am anderen Tage in der Frühe stattfand, gab es unter anderem: Weinbeeren, Maien in Schmalz gebacken, Eier doppelt übereinandergestürzt, gedämpfte kleine Rübchen, gebackene Schnitten, Torten, Erbsensuppe, dürre Forellen, Stockfisch, blaue Karpfen, heißen Hecht, gebratene Birnen, Reis mit Mandelmilch, Fladen und Konfekt. Dazu nahm der Kaiser dreimal einen Schluck Wein aus einem venezianischen Glase. Nach dem Essen, es war um elf Uhr, fand die Huldigung statt. Dabei ereignete es sich, daß, als die anwesenden Ratsherren zwei Fenster aushoben, wo der Kaiser und der Kanzler standen, vermutlich damit er besser sehen und gesehen werden könne, und einem der Herren das schwere Fenster aus der Hand gleiten wollte, daß der Kaiser, um es zu verhindern, zugriff. »Dies Stück der Demut,« sagt der Chronist, »hat allen Menschen wohlgefallen.« Nach erfolgter Huldigung verabschiedete sich Karl, indem er dem Städtmeister und einigen Ratsherren die Hand gab, und brach nach Crailsheim auf, von den Hallern bis an die Grenze ihres Gebiets geleitet. Dort erwartete ihn der Markgraf Georg von Brandenburg, begrüßte die Majestät und sagte zu denen von Hall: »Da hat euer Geleit ein End.« Nachdem sie erwidert hatten: »Ja!« sagte er weiter: »So hebt meines an,« womit die Zeremonie beendet war. Bis Hall hatten die Hohenlohe das Geleit gehabt.

Der letzte Kaiser, den die Stadt Hall einziehen sah, war der den Protestanten freundlich gesinnte Maximilian II.; er kam einmal mit der ganzen Familie, der Kaiserin, den Prinzen und Prinzessinnen, ein anderes Mal mit der Kaiserin. Der letzte Krieg, an dem die Haller sich beteiligten und der ihnen teuer zu stehen kam, war der schmalkaldische; der Kaiser ließ sich die verscherzte Gnade mit vielem Gelde abkaufen.

Reformator der Stadt war Johannes Brenz, nicht aus Hall, sondern aus Weilderstadt gebürtig, wo sein Vater Stadtschultheiß war. Auf der Heidelberger Universität befreundete er sich mit einigen jungen Hallern, die ihn seiner der neuen Lehre geneigten Vaterstadt empfahlen. Brenz war unbedingter Anhänger Luthers. Sehr jung, mit zweiundzwanzig Jahren, wurde er Prediger an der Michaelskirche und Ausgangs- und Mittelpunkt der reformatorischen Bewegung. Er war ein Mann von unbeugsamer Überzeugungstreue, tatkräftig, gewissenhaft und furchtlos, durch seine Sittenstrenge manchem unbequem. Als er im Jahre 1548 dem Stadtrat zuredete, das sogenannte Interim nicht anzunehmen, verlangte der Kaiser seine Auslieferung, was einem Todesurteil gleichkam. Der Rat mußte schwören, von dem kaiserlichen Auftrage nichts verlauten zu lassen. Es wird erzählt, daß durch einen seltsamen Zufall einer der Ratsherren, Philipp Büschler, das Ratszimmer erst betreten habe, als der Eid schon geleistet gewesen sei. Er habe eilig auf einen Zettel die Worte geschrieben: fuge fuge Brenti cito citius citissime! und habe einen Boten damit zum Pfarrer geschickt. Brenz soll gerade mit Frau und Kindern beim Mittagessen gewesen sein, als er abgerufen wurde und von dem im Hofe wartenden Boten den Zettel empfing. Ohne noch einmal ins Haus zurückzukehren, ging er sofort dem nächsten Stadttor zu. Unterwegs, so heißt es, begegnete ihm der kaiserliche Kommissar und fragte, wohin er gehe? »In die Vorstadt zu einem Kranken,« antwortete Brenz; worauf ihn der Kommissar für den folgenden Tag zum Mittagessen einlud. »So Gott will,« soll Brenz erwidert haben. Er fand zunächst ein Asyl bei demselben Schenken Erasmus, der einige Jahre vorher die Limpurg der Stadt verkauft hatte. Seine damals schon schwindsüchtige Frau sah Brenz nicht wieder. Mit seinem Sohne starb die Familie aus.

Der Dreißigjährige Krieg verwüstete Hall weniger als viele andere Orte, kostete der Stadt aber dreieinhalb Millionen Gulden und ein Drittel der Bevölkerung. Es ist zu verwundern, wieviel eine Stadt, die kaum jemals mehr als 8000 Einwohner hatte, leisten konnte. Allerdings verfügte sie über ein ansehnliches Gebiet mit drei Städten, 21 Pfarrdörfern und Weilern und Höfen und 20 875 Einwohnern. Als Hall an Württemberg überging, brachte es Schulden von beinah anderthalb Millionen Gulden mit, aber auch einen Schatz an unvergänglicher Schönheit und kostbarer Erinnerungen.


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