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2. Kapitel.
Im Lande des Schnees.

Der Unterricht auf der Fährte mußte mehrmals wiederholt werden, ehe die jungen Hunde genau verstanden, was von ihnen verlangt wurde. Auch erzählte ihre Mutter ihnen täglich von den tapferen Taten der Bernhardinerhunde; denn es war die Aufgabe der Mutterhunde des Hospizes, ihren Jungen beizubringen, daß sie das Vertrauen, das die guten Mönche ihnen schenkten, durch Gehorsam, Treue und Liebe vergelten müßten.

Die Monate Juli und August, die Sommerzeit des Hospizes, vergingen rasch, und Prinz Jan und Rollo wußten, daß es bald wieder Winter sein würde. Der erste heftige Schneesturm wehte anfangs September über die Berge, während Prinz Jan und Rollo warm und geborgen neben ihrer Mutter schliefen. Am folgenden Morgen war die Sonne nicht zu sehen, und als die Hunde in den Hof sprangen, die dunklen Wolken und das dichte Schneegestöber gewahrten und den heulenden Wind hörten, wußten sie, daß nun der Winter eingesetzt hatte und es bald schwere Arbeit für sie geben würde.

Jan und Rollo zitterten vor Aufregung, wenn sie sahen, wie die älteren Hunde hinausgeführt wurden, oder wenn ein Mönch in das Erdgeschoß kam, wo alle Hunde sehnsüchtig warteten. Sie sprangen dann auf, wedelten mit den Schwänzen und hofften, auch zur Arbeit abgeholt zu werden. Ihre Mutter beschwichtigte ihre Ungeduld, indem sie mit ihnen redete.

»Zuweilen,« sagte sie, »werdet ihr draußen einen weißen Hügel finden. An ihm dürft ihr niemals vorbeigehen, ohne daß ihr hineingrabt, um zu sehen, ob nicht jemand darunter liege. Ihr habt schon gelernt, einem Aufgefundenen Gesicht und Hände zu belecken, um ihn aufzuwecken. Wenn ihr ihn nicht so weit aufrütteln könnt, daß er imstande ist, aufrecht zu stehen oder seine Arme um euren Hals zu legen, müßt ihr zum Hospiz eilen und Mönche herbeiholen. Ihr rettet möglicherweise so ein Leben und erhaltet dann vielleicht ein Halsband oder eine Medaille, wie sie Barry bekommen hat. Auch wird den Reisenden, die im großen Saale sitzen, erzählt werden, wie ihr euch eurer Vorfahren würdig gezeigt habt.«

»Erzähle uns doch von dem großen Saal,« bat Rollo, indes Jan seiner Mutter einen leichten Stoß mit der Schnauze gab, um sie dazu zu ermuntern. Beide hatten von ihr, von Bruno und von den anderen Hunden, schon vieles über den großen Saal gehört, doch wurden sie es nie überdrüssig, wenn davon erzählt wurde. Nun lagen sie beisammen, dicht an den weichen Körper ihrer Mutter geschmiegt, und diese begann: »Im großen Saale befinden sich viele schöne Bilder, die von den Reisenden, welche von unseren Hunden gerettet worden sind, geschickt wurden. Zuweilen wird auch einem Hunde, der ein Leben gerettet hat, ein prachtvolles Halsband geschenkt. Die allergrößten Auszeichnungen aber sind die Medaille, die Barry erhielt und Barrys schönes Denkmal aus Marmor, das ihr in der Nähe des Hospizes schon gesehen habt. Euer Vater erwarb sich ein Halsband. Die Männer, die er rettete, wußten, daß er es nie tragen würde, aber sie baten, es möchte über dem Kamin im großen Saale aufgehängt werden. Ich hoffe, eines Tages werden auch Halsbänder von euch, Jan und Rollo, dort hängen. Und nun springt fort und spielt,« schloß sie ihre Erzählung und gab jedem einen leichten Stoß mit der Schnauze.

»Obgleich ihr heute nicht hinauskönnt, müßt ihr euch doch umhertummeln, denn das macht euren Rücken und eure Beine stark. Wenn ihr nicht kräftig seid, werdet ihr vom Hospiz hinweggesandt, um nie wiederzukommen. Das ist ein trauriges Los für einen Bernhardiner; ich möchte nicht, daß es einem von euch zuteil würde.«

Trotzdem es so kalt und stürmisch war, sprangen die beiden jungen Hunde auf die Füße und liefen durch die halbgeöffnete Tür, die in den Hof führte. Jan lief voran und Rollo ihm nach. Sie jagten mehrmals rund um den Hof, einander stets ausweichend, bis es Rollo gelang, den buschigen Schwanz seines Bruders zu erfassen. Dessenungeachtet rannte Jan weiter und zerrte Rollo hinter sich her durch den Schnee. Rollo überkugelte sich mehrmals, klammerte sich aber desto fester an, bis Jan sich umdrehte und über ihn herfiel. Sie balgten und tummelten sich nun, bald der eine oben, dann der andere, und glichen so einer riesigen gelben Spinne, die mit acht stämmigen, haarigen Beinen wild in der Luft umherfuchtelte. Endlich streckten sie sich keuchend auf den Boden hin; ihre blaßroten Zungen hingen aus den offenen Mäulern, aber ihre Augen zwinkerten sich lustig an.

Als sie Bruder Antons Stimme hörten, blickten sie rasch auf und sahen, daß zwei Fremde bei ihm waren. Die Hunde waren an Besuche gewöhnt, denn während des Sommers kamen viele Fremde, um das Hospiz und die Hunde zu besehen, im Winter aber nur, um Schutz gegen die Stürme zu suchen.

»Komm, Rollo,« rief Jan, als der Mönch und die beiden Männer die Stufen hinabstiegen, »da ist Bruder Anton. Laß uns ihm zeigen, wie schnell wir laufen können! Ich wette, ich komme zuerst an!«

Kaum hatte Jan es gesagt, so rasten die jungen Hunde wie toll zu dem Mönche und den zwei Fremden hin. Einer der Herren, der ältere, trug einen langen Pelzrock; der andere war ein viel jüngerer Mann mit freundlichen grauen Augen. Jan gewann die Wette, aber er war so ins Laufen gekommen, daß er nicht zeitig genug stillstehen konnte und gegen den jungen Mann anrannte. Dieser lächelte und bückte sich, um ihn zu streicheln. Jan wandte sich und berührte die Hand mit seiner Schnauze; dann lief er zu Bruder Anton hin, als dieser alle Hunde zu sich rief.

Es war eine Freude zu sehen, wie sie mit stolzerhobenen Köpfen über den Hof schritten; ihre klugen und freundlichen Augen strahlten, und die kräftigen Muskeln bewegten sich unter den gelbbraunen Fellen. Es schien, als ob jeder einzelne sich bewußt sei, daß die Ehre ihrer Vorfahren in allen Fällen bewahrt werden müsse.

Bruno hinkte langsam herbei. Jans Mutter ging ruhig neben ihm, und hinterher kamen Jupiter, Juno, Mars, Vulkan, Pluto und Leo mit andern Hunden im gleichen Alter wie Jan und Rollo. Zuletzt kamen die Hündinnen mit den allerjüngsten kleinen Hunden. An einer bestimmten Stelle standen alle still. Der Herr im Pelzrock, der sich etwas abseits von Bruder Anton und dem jüngeren Mann befand, lockte die Hunde, aber sie wedelten nur mit den Schwänzen und kamen nicht herbei.

»Sie müssen näher zu ihnen herantreten,« sagte der Mönch. »Die Hunde wissen, daß sie nicht zu Ihnen dürfen, denn das erste, was ein junger Hund lernt, ist, daß er die Grenze nicht überschreiten darf.«

Der Herr begab sich zu Bruder Anton und seinem Begleiter, und die Hunde standen umher, während der Mönch mit den Fremden sprach.

»Sie scheinen jedes Wort, das Sie sagen, zu verstehen,« sagte der ältere Herr.

»Jawohl,« entgegnete Bruder Anton mit sanfter Stimme; »sehen Sie nur ihre intelligenten Augen an. Sie sind lebende Beispiele des Gehorsams, der Treue und der Aufopferung. Kein einziger dieser Hunde würde zögern, das Leben seines bittersten Feindes zu retten. Das ist ihr Erbteil seit fast tausend Jahren.«

»Der natürliche Instinkt ist von großer Bedeutung,« bemerkte der jüngere Mann, in die Gesichter der Hunde blickend, »aber die Geduld, mit der Sie die Hunde abrichten, hat denselben sehr hoch entwickelt.«

»Die älteren Hunde helfen uns mit den jüngeren,« fuhr der Mönch fort, dessen Hand auf Jans Kopf ruhte. »Jeden Morgen schicken wir vier Hunde hinaus, zwei junge mit zwei älteren. Zwei von ihnen folgen dem Wege, der auf italienischer Seite nach Aosta führt, und die beiden andern gehen auf der schweizerischen Seite in der Richtung nach Martigny. Keiner von ihnen kehrt zurück, ehe die letzte Rettungshütte erreicht worden ist, wo sie nachsehen, ob jemand dort wartet. Es ist nichts Ungewöhnliches für die Hunde, bei schweren Stürmen die ganze Nacht auszubleiben. In vielen Fällen haben sie zwei Tage und zwei Nächte ohne Obdach und ohne Futter ausgeharrt, obgleich sie jederzeit hätten heimkehren können.«

»Unser Führer zeigte uns die Hütte,« unterbrach ihn der ältere der beiden Herren. »Die Fußstapfen der Hunde bezeugen, daß sie kurze Zeit zuvor dagewesen waren. Wir folgten ihren Spuren, bis sie sich im Schnee verloren. Zum Glück war der Sturm nicht früher losgebrochen.«

»Die Hunde hätten Sie gefunden, Herr Pixley,« erwiderte der Mönch. »Seitdem wir einen Fernsprecher im Hospiz haben, werden wir jedesmal benachrichtigt, wenn Reisende von Martigny oder Aosta aufbrechen, und wieviele unterwegs sind. Wenn sie dann nicht zur rechten Zeit hier ankommen, oder wenn ein Sturm losbricht, schicken wir sogleich die Hunde aus. In früheren Zeiten, als wir noch keinen Fernsprecher hatten, war es für uns viel schwieriger, da wir niemals wußten, wieviele arme Menschen gegen das Unwetter ankämpften. Die Hunde schienen es auch zu begreifen und blieben auf der Fährte, bis sie glaubten, alle gefunden zu haben.«

»Ich hätte diesen Ausflug hierher nicht unternommen,« sagte Herr Pixley, »wenn man uns nicht versichert hätte, es sei zu früh für einen heftigen Sturm. Es ist waghalsig, nicht mutig, diesen Bergen während der Winterzeit trotzen zu wollen. Ich kann mir nicht denken, daß Menschen so unbedacht sein können, es zu versuchen; aber wahrscheinlich gibt es doch solche?«

»Während des Winters reisen nur arme Bauern über den Paß,« war Bruder Antons Antwort. »Sie kommen von Italien herauf, um Arbeit in den Weinbergen Frankreichs oder der Schweiz zu suchen. Ende des Sommers kehren sie dann auf demselben Weg zurück, denn mit der Eisenbahn wäre es eine lange und teure Reise, die ihren gesamten Jahresverdienst kosten würde. Die ganze Familie reist zusammen, und oftmals ist das jüngste Kind noch in den Armen der Mutter.«

»Man sollte meinen, sie würden den Sommer abwarten, um der Gefahr zu entgehen.«

»Nur der liebe Gott weiß, wann ein Sturm im Paß des Großen St. Bernhard losbrechen wird,« sagte Bruder Anton. »Selbst im Sommer, wenn im Tale unten ein warmer Regen fällt, schneit es hier oben stark, und viele Reisende werden vom Schnee überrascht. Nachdem im September der Winter wirklich eingesetzt hat, ist der Schneefall oft sieben bis zehn Fuß tief, und die Schneemassen türmen sich gegen die Mauern des Hospizes bis zum dritten Stock auf.«

»Ich hatte die Absicht, mir Bern anzusehen,« sagte Herr Pixley darauf, »aber nach dieser Probe Ihres Winterwetters habe ich mich entschlossen, in meine Heimat, Kalifornien, zurückzukehren. Mir gefallen die Schneestürme nicht. Dort haben wir deren keine, wie Sie wohl wissen.«

»Ja, ich weiß es,« nickte Bruder Anton, »aber ich hoffe, Sie werden eines Tages nach Bern reisen und sich unsern Barry ansehen. Sein Fell ist ausgestopft und wird im Berner Museum aufbewahrt. Sie kennen doch seinen Lebenslauf? Er hat zweiundvierzig Menschenleben gerettet und starb im Jahre 1815, kurze Zeit nach dem schrecklichen Sturm, der das Leben fast aller Hospizhunde forderte. Nur drei Bernhardiner überlebten jene Tage: Barry, Pluto und Pallas. Einige der Hunde krochen nach Hause und starben bald darauf als Opfer der Kälte und der Erschöpfung; die andern liegen unter viele Meter tiefem Schnee begraben, aber alle starben den Heldentod.«

»Ein ruhmvolles Leben,« entgegnete der jüngere Herr, welcher Jans Kopf streichelte, während die andern sich unterhielten. »Ich entsinne mich, als kleines Kind einmal ein Bild in einem Buche gesehen zu haben, das einen Bernhardiner darstellte, der einen Mann aus dem Schnee herausgräbt. Gestern abend erkannte ich das Gemälde, das im Speisesaal über dem Kamin hängt, als jenes Bild aus meiner Kindheit.«

»Das Gemälde ist das Geschenk eines berühmten Künstlers,« erklärte der Mönch. »Früher trugen die Hunde kleine Sättel und ein warmes Tuch, aber die Last war zu schwer, und deshalb wurden die Sättel abgeschafft. Nun wird ein kleines Fäßchen mit Kirschgeist am Halsband befestigt und auch eine Schelle, deren Geläut den Reisenden verkündet, daß Hilfe in der Nähe ist, selbst wenn es zu dunkel ist, um die Hunde sehen zu können.«

»Ich bemerke, daß die meisten Hunde kurzhaarig sind,« sagte darauf der Herr mit den freundlichen grauen Augen. »Solch ein Fell, wie dieser junge Hund es hat, würde ein besserer Schuh gegen Kälte sein. Er hat einen prachtvollen Haarwuchs.«

»Das ist das einzige, was an ihm auszusetzen ist,« erwiderte Bruder Anton. »Während des heftigen Sturmes im Jahre 1815 wurde festgestellt, daß langhaarige Hunde leichter unterliegen, weil der Schnee in ihren Haaren festfriert wie ein Panzer, oder die Feuchtigkeit bleibt in den langen Haaren und verursacht Lungenentzündung. Als von allen Hunden nur die drei Bernhardiner übrig geblieben waren, ließen wir Neufundländer kommen, um die Lücken auszufüllen. Es entstand so eine neue Rasse. Aber das dichte, langhaarige Fell derselben, die halb Bernhardiner und halb Neufundländer war, erwies sich als ein Hindernis. Die Tiere konnten die Schneestürme nicht ertragen. Jetzt behalten wir nur selten einen langhaarigen Hund. Gewöhnlich verkaufen oder verschenken wir ihn an jemand, der uns gute Behandlung für ihn verspricht.«

Jan blickte plötzlich Rollo und die andern jungen Hunde an. Alle, mit seiner Ausnahme, hatten kurzes Haar. Jetzt fiel ihm der besorgte Blick seiner Mutter ein, so oft die Mönche ihn untersuchten. Er eilte zu ihr hinüber und stieß sie mit der Schnauze an, indem er flüsterte: »Mutter, werden sie mich fortschicken, weil ich lange Haare habe? Du weißt, Bruder Anton sagte, ich sei einer der besten Hunde, die sie seit langem gehabt haben.«

»Gräme dich nicht darum, Jan,« beruhigte sie ihn. »Obwohl deine Haare lang sind, bist du so stark und deinem Vater, der auch langhaarig war, so ähnlich, daß ich überzeugt bin, sie werden dich hier behalten. Hurtig, Jan! Bruder Anton ruft dich.«

Jan drängte sich zwischen die andern Hunde hindurch, bis er wieder an Bruder Antons Seite stand. Die beiden Fremden sahen Jan an und streichelten liebevoll seinen Kopf.

»Sein Vater war einer unserer besten Hunde,« sagte der Mönch. »Aber das war auch nicht zu verwundern, denn Rex war ein direkter Nachkomme von Barry. Vier Touristen verdanken ihm ihr Leben.«

Der junge Hund bemühte sich, nicht stolz auszusehen, als er abermals die Geschichte vernahm, die seine Mutter ihm und Rollo so oft erzählt hatte.

»Nach einem heftigen Sturm im vergangenen Herbst geleitete Rex vier Männer zum Hospiz. Es war das schlimmste Unwetter seit 1815. Die Männer erzählten uns ihr Erlebnis, nachdem sie hier angelangt waren. Sie hatten alle Hoffnung aufgegeben; ihr Führer war in eine Gletscherspalte gestürzt, und sie selbst waren ganz erschöpft, als Rex sie fand. Sie wußten, was sie noch retten könnte war, ihm zu folgen. Rex ging voran, sehr langsam und sich öfters umschauend, und bellte freudig, um sie zu ermutigen. Sie kamen an eine Eisbrücke, die sich über einer Schlucht gebildet hatte. Sie ahnten die Gefahr nicht, die Rex so gut kannte. Er betrat sie und die Männer gingen dicht hinter ihm. Als sie halbwegs auf der Brücke waren, stand der Hund plötzlich still, wandte sich um und fing an, lauter und anhaltender zu bellen. Als sie ihm näherkamen, stellte er sich ihnen knurrend entgegen, wie um ihnen den Weg zu sperren. Sie glaubten, der Hund sei toll geworden, und als er nun vollends drohend auf sie zukam, traten sie zurück. Plötzlich verwandelte sich sein Knurren in ein jammervolles Geheul, das von einem schrecklichen Krachen übertönt wurde. Die Eisbrücke war zusammengebrochen und hatte Rex unter sich begraben. Rex wurde nie wieder gesehen, aber seine Warnung hatte die Männer gerettet. Sie sehen also, dieser junge Hund hat edles Blut in seinen Adern. Deshalb nannten wir ihn Prinz Jan. Er sieht seinem Vater auch sehr ähnlich.«

Jan steckte seine Schnauze in die Hand Bruder Antons.

»Ich möchte auch so werden, wie mein Vater und Barry,« sagte er in der Hoffnung, sie würden ihn ebensogut verstehen, wie er sie verstanden hatte; »ich werde mein Bestes tun, ihrer würdig zu sein.«

Die beiden Herren und der Mönch erfaßten nicht, was Jan gesagt hatte, aber die andern Hunde hatten seine Sprache verstanden. Brunos trübe Augen strahlten, als er Jan anblitzte und sagte: »Du wirst uns allen Ehre machen, Prinz Jan.«

Die Fremden und Bruder Anton verließen den Hof, und die Hunde traten in kleine Gruppen zusammen, um zu plaudern, was sie stets taten, wenn Besuch dagewesen war.

»Der Mann kam von Amerika,« sagte Bruno zu Jans Mutter.

»Es kommen viele von Amerika, um uns zu besuchen,« antwortete sie und bemühte sich, nicht zu gähnen, denn der Sturm in der Nacht hatte sie wachgehalten. Die ganze Nacht hindurch, als sie die warmen Körper der kleinen Hunde an ihrer Seite fühlte, hatte sie ins Dunkle gestarrt und an die Zeit gedacht, wo Prinz Jan und sein Bruder auch würden hinausmüssen wie einst ihr Vater Rex, um die Pflicht der Bernhardiner zu erfüllen.

»Ja,« erwiderte Bruno mit eigenartiger Stimme, »aber dieser Mann sagte, er käme von Kalifornien, wo es niemals Schnee gibt.«

»Was,« riefen alle Hunde zusammen, »ein Ort, an dem sie keinen Schnee haben? O, was mag das für ein wunderlicher Platz sein!«

»Auf was treten sie dann beim Gehen?« fragte Jans Mutter voll Neugierde.

Ehe Bruno antworten konnte, fragte Jan sehr ernsthaft: »Aber Mutter, wie können Hunde denn Menschen retten, wenn es keinen Schnee gibt?«

»Ich weiß es wirklich nicht,« entgegnete die Mutter, »frage Bruno.«

Aber weder Bruno, noch einer der andern Hunde konnte dieses Rätsel lösen, obwohl Jan zu jedem hinging und seine Frage stellte. Endlich legte er sich hin, seine Schnauze zwischen den Pfoten, seine gelbe Stirn nachdenklich gerunzelt. Er blickte über die Einzäunung hinweg, zu den Höhen der riesigen weißen Berge empor, bis seine sanften Augen sich im Schlafe schlossen. Bald träumte ihm, daß er Reisende aus dem Schnee herausgrabe und sie dabei fragte: »Wollt ihr mir nicht, bitte, sagen, wie ein Hund Menschen retten kann in einem Lande ohne Schnee?« – Aber keiner konnte ihm Antwort geben.


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