Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XV
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Der Schlangenbeschwörer.

»Wisse, o König, es lebte einmal ein Schlangenbeschwörer, der Schlangen züchtete, was sein Gewerbe war; und er hatte einen großen Korb, in dem sich drei Schlangen befanden, ohne daß die Leute in seinem Haus etwas davon wußten. Jeden Tag pflegte er mit diesen in der Stadt die Runde zu machen und dadurch sein und seiner Familie Unterhalt zu verdienen, worauf er zum Abend wieder nach Hause kam und insgeheim die Schlangen in den Korb steckte. Des Morgens nahm er sie dann wieder und zog mit ihnen in die Stadt. Nachdem er dies lange Zeit betrieben hatte, ohne daß seine Hausleute wußten, was sich im Korb befand, traf es sich, daß ihn seine Frau, als er wie gewöhnlich einst wieder nach Hause kam, fragte: »Was ist in dem Korb?« Der Schlangenbeschwörer versetzte: »Was willst du damit? Habt ihr nicht genug und übergenug zu essen? Begnüge dich mit dem, was dir Gott zuerteilt hat, und frag' nicht nach andern Dingen.« Da schwieg die Frau, doch sprach sie bei sich: »Ich muß den Korb einmal durchsuchen, damit ich weiß, was darinnen ist.« Alsdann steckte sie sich hinter ihre Kinder und drängte sie, ihren Vater nach jenem Korb zu fragen und ihn so lange mit Fragen zu quälen, bis er ihnen sagte, was darin wäre. Infolgedessen setzte sich in den Kindern der Gedanke fest, daß sich etwas zum Essen im Korb befände, und sie 135 bestürmten ihren Vater Tag für Tag mit Bitten ihnen den Inhalt des Korbs zu zeigen, während ihr Vater sie begütigend abwies und ihnen diese Fragen verbot. Nachdem sie in dieser Weise längere Zeit zugebracht hatten, während ihre Mutter sie immer von neuem aufreizte, kamen sie schließlich mit ihrer Mutter überein, weder eine Speise anzurühren noch einen Schluck mit ihrem Vater zu trinken, bis er ihnen ihre Bitte gewährt und den Korb geöffnet hätte. Als nun eines Nachts der Schlangenbeschwörer mit einer großen Menge Speise und Trank heimkehrte und, sich setzend, sie zum Essen rief, weigerten sie sich zu ihm zu kommen und stellten sich böse auf ihn. Da suchte er sie mir freundlichen Worten zu begütigen und sagte: »Sagt mir, was ihr wünscht, damit ich es euch bringe, sei es Speise oder Trank oder Kleidung.« Sie versetzten nun: »O Vater, wir wünschen weiter nichts von dir als daß du den Korb öffnest und uns zeigst, was darin ist; wenn nicht, so nehmen wir uns das Leben.« Ihr Vater erwiderte ihnen: »Meine Kinder, es ist nichts Gutes für euch darin, vielmehr bringt euch das Öffnen nur Schaden.« Hierauf wurden sie noch böser, so daß er sie schließlich zu schelten begann und ihnen mit Schlägen drohte, wenn sie ihr Betragen nicht ändern würden. Als sie aber immer unartiger wurden und ihn nur um so mehr mit Fragen drängten, nahm er einen Stock und prügelte sie durch, so daß sie vor ihm her ins Haus liefen. Der Korb aber stand da, ohne daß ihn der Schlangenbeschwörer versteckt hätte; und nun verließ ihn die Frau, während er sich mit den Kindern zu schaffen machte, und öffnete schnell den Korb, um zu schauen, was sich darin befände; da aber kamen die Schlangen heraus und bissen zuerst die Frau, daß sie starb, worauf sie durchs ganze Haus liefen und Groß und Klein mit Ausnahme des Schlangenbeschwörers umbrachten, der infolgedessen das Haus verließ und fortzog. –

Wenn du nun, o glückseliger König, dies beachtest, so wirst du erkennen, daß der Mensch sich nichts wünschen soll, was 136 Gott, der Erhabene, nicht will, sondern soll sich begnügen mir dem, was Gott, der Erhabene, ihm verhängt hat, und was sein Wille ist. Dein Auge aber, o König, hat Gott, der Erhabene, wegen der Fülle deines Wissens und deiner trefflichen Einsicht durch die Geburt deines Sohnes getröstet, nachdem du schon die Hoffnung aufgegeben hattest, und hat dein Herz in Frieden gebrach; und so flehen wir zu Gott, dem Erhabenen, daß er ihn zu einem gerechten und Gott, dem Erhabenen, und seinen Unterthanen wohlgefälligen Nachfolger macht.«

Hieraus erhob sich der siebente Wesir und sprach: »O König, ich weiß und bestätige alles, was meine Brüder, diese weisen und gelehrten Minister hier, in deiner Gegenwart gesprochen haben, indem sie deine Gerechtigkeit, deinen schönen Wandel und das, worin du dich von den andern Königen unterscheidest, rühmten, weshalb sie dir den Vorzug vor ihnen gaben; was eine unserer Pflichten ist, o König. Was aber mich anlangt, so spreche ich: Gelobt sei Gott dafür, daß er dich mit seiner Huld bestallt und dir in seiner Barmherzigkeit des Reiches Wohlfahrt beschert hat und hat dir und uns geholfen, damit wir ihm um so mehr dankten. Alles dies aber nur um deinetwillen! Und so lange du unter uns lebst, befürchten wir keine Unterdrückung und besorgen keine Tyrannei, und niemand ist imstande bei unserer Schwäche die Oberhand über uns zu gewinnen. Heißt es doch auch: Das höchste Gut der Unterthanen ist ein gerechter und ihr höchstes Übel ein grausamer König. Ebenso heißt es: Lieber wohnen unter reißenden Löwen als unter einem grausamen Sultan. Gelobt sei daher Gott, der Erhabene, in Ewigkeit dafür, daß er dich uns schenkte und dir diesen gesegneten Knaben bescherte, als du bereits hochbetagt warst und die Hoffnung aufgegeben hattest! Denn das schönste Geschenk auf Erden ist ein rechtschaffener Sohn, und es heißt: Wer keinen Sohn hat, der hinterläßt keinen Ausgang und kein Gedächtnis. Dir aber ward wegen deiner wahrhaften Gerechtigkeit und 137 deines schönen Vertrauens auf Gott, den Erhabenen, dieser glückselige Sohn geschenkt. Ja, dieser gesegnete Sohn kam zu dir als Geschenk von Gott, dem Erhabenen, für uns und für dich, um deines schönen Wandels willen und wegen deiner geziemenden Ergebung; und hierin erging es dir, wie es der Spinne und dem Wind erging.«

Da fragte der König: »Wie ist die Geschichte von der Spinne und dem Wind?«

Neunhundertundachte Nacht.

Und der Wesir versetzte:

 


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