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Tausend und eine Nacht. Band XV
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Der Oberägypter und sein fränkisches Weib.

Ferner heißt es, daß der Emir Schadschâ ed-Dîn Mohammed, der Gouverneur von Kairo, folgende Geschichte erzählte. »Wir brachten einst in dem Hause eines Mannes aus Oberägypten die Nacht zu und wurden von ihm aufs gastlichste bewirtet. Dieser Mann war ein betagter Scheich von außerordentlich brauner Hautfarbe, welcher kleine Kinder von weißer Farbe hatte, untermischt mit rot. Da sprachen wir zu ihm: »Du da, wie kommt es, daß deine Kinder hier weiß sind, während du so dunkelbraun bist?« Der Mann versetzte: »Ihre Mutter war eine Fränkin, die ich entführte, und mein Erlebnis mit ihr ist wunderbar.« Nun sagten wir zu ihm: »Laß es uns hören,« worauf er entgegnete: »Schön. Wisset, einst hatte ich in dieser Gegend Flachs gesät und aufgezogen und geschwungen und mich ihn fünfhundert Dinare kosten lassen. Als ich ihn dann verkaufen wollte, wurde mir kein höherer Preis für ihn geboten, und die Leute sagten zu mir: »Wenn du ihn nach Akkon bringst, erzielst du leichtlich einen hohen Gewinn.« Akkon war aber dazumal in den Händen der Franken. Ich machte mich nun mir dem Flachs 95 nach Akkon auf und verkaufte einen Teil davon auf sechs Monate Ziel. Während ich aber den Flachs verkaufte, kam eine Fränkin, welche sich nach fränkischer Sitte unverschleiert im Bazar bewegte, zu mir, um Flachs von mir zu kaufen. Ihre Anmut verwirrte mir jedoch so den Kopf, daß ich ihr beim Verkauf einen mäßigen Preis stellte, worauf sie den Flachs nahm und fortging. Nach einigen Tagen kam sie wieder zu mir und kaufte von neuem etwas Flachs, wobei ich noch weniger von ihr forderte als das erste Mal; und, da sie sah, daß ich mich in sie verliebt hatte, wiederholte sie ihre Besuche. Da sie aber in Begleitung einer Alten auszugehen pflegte, sagte ich zu dieser: »Ich habe mich in sie verliebt, kannst du es nicht bewerkstelligen, daß ich sie einmal besuche?« Die Alte erwiderte: »Ich will es zuwege bringen, doch muß das Geheimnis unter uns dreien bleiben, und außerdem mußt du dich's ein Stück Geld kosten lassen.« Ich erwiderte ihr: »Sollte ich auch mein Leben lassen müssen, so machte mir's nichts aus.«

Achthundertundfünfundneunzigste Nacht.

Wir einigten uns dann auf fünfzig Dinare, die ich ihr zu geben hatte, worauf sie mich ihr zuführen wollte, und die Alte sagte zu mir, als ich ihr das Geld beschafft und eingehändigt hatte: »Mach' für sie in deinem Hause einen Platz zurecht, sie wird dich heute Nacht besuchen.« Da ging ich fort und besorgte was ich an Fleisch, Getränk, Wachskerzen und Konfekt beschaffen konnte. Mein Haus aber ging zum Meer heraus, und es war gerade die Sommerszeit, weshalb ich das Lager auf der Dachterrasse aufschlug. Wie nun die Fränkin kam, aßen und tranken wir, bis die Nacht hereinbrach, worauf wir unter freiem Himmel ruhten, während der Mond uns bestrahlte, und wir die Sterne sich im Meer spiegeln sahen. Da sprach ich bei mir: »Schämst du dich nicht vor Gott, dem Mächtigen und Herrlichen, daß du, zumal als Fremdling, unter freiem Himmel und am Meer es 96 wagst dich gegen Gott mit dieser Nazarenerin zu versündigen und dir die Strafe des höllischen Feuers zu verdienen? O Gott, ich bezeuge es, daß ich mich heute Nacht aus Scham vor dir und Furcht vor deiner Strafe dieser Nazarenerin enthalte.« Alsdann schlief ich bis zum Morgen, worauf sie in der Dämmerung aufstand und erzürnt fortging, während ich mich zu meinem Laden begab und mich in ihn setzte. Mit einem Male kam sie mit der Alten, die ebenfalls böse war, an mir vorüber, dem Monde gleich, so daß ich todelend wurde und bei mir sprach: »Wer bist du, daß du dieses Mädchen meiden solltest? Bist du etwa Es-Sarī es-Sakatī oder Bischr el-Hafī oder El-Dschuneid von Bagdad oder El-Fudeil, der Sohn des Ijâd?«Berühmte Asketen. Hierauf ging ich der Alten nach und sagte zu ihr: »Bringe sie noch einmal zu mir.« Die Alte versetzte jedoch: »Beim Messias, sie will nur für hundert Dinare wieder zu dir kommen.« Ich erwiderte: »Du sollst sie haben.« Alsdann gab ich ihr die hundert Dinare, worauf sie zum andernmal zu mir kam. Als sie nun wieder bei mir war, stiegen dieselben Gedanken in mir auf, so daß ich mich ihrer zum zweitenmal enthielt und sie um Gottes, des Erhabenen, willen, unberührt ließ. Als sie von mir fortgegangen war, kehrte ich wieder an meinen Platz zurück. Bald darauf kam die Alte erzürnt an mir vorüber, und ich sagte zu ihr: »Bring' sie noch einmal zu mir,« worauf die Alte erwiderte: »Beim Messias, entweder zahlst du fünfhundert Dinare dafür, daß du dich ihrer bei dir erfreust, oder du stirbst vor Leid.« Da erschrak ich und wollte schon all' das Geld für meinen Flachs ausgeben, um hiermit mein Leben zu erkaufen, als ich, ehe ich mich's versah, einen Herold ausrufen hörte: »Ihr Moslems allzumal, der Waffenstillstand zwischen uns und euch ist abgelaufen, und wir bewilligen allen Moslems, die sich hier aufhalten, nur noch eine Woche Frist, ihre Geschäfte zu erledigen und heimzukehren.« 97

Auf diese Weise ward ich von ihr abgeschnitten, und ich machte mich nun eilig daran die Gelder für den Flachs, den die Leute von mir gekauft hatten, einzutreiben und den Rest für andere Waren umzutauschen. Dann nahm ich gute Ware mit mir und verließ Akkon mit einem Herzen, erfüllt von Liebe und Verlangen nach der Fränkin, an die ich mein Herz und mein Geld verloren hatte. Ich reiste nach Damaskus, wo ich meine Waren, die ich von Akkon mitgenommen hatte, für einen sehr hohen Preis, da man wegen Ablauf des Waffenstillstandes nicht dorthin gelangen konnte, verkaufte, und Gott – Preis Ihm, dem Erhabenen! – gewährte mir reichen Gewinn. Hierauf fing ich an mit gefangenen Mädchen und Frauen zu handeln, um hierdurch die Sehnsucht nach der Fränkin aus meinem Herzen zu verscheuchen, und trieb diesen Handel drei Jahre lang, bis zwischen dem König En-NâsirDer Siegreiche, Beiname Saladdins. Saladdin eroberte Akkon 1187. und den Franken die bekannten Schlachten vorfielen, und Gott ihm den Sieg über sie verlieh, so daß er alle ihre Könige gefangen nahm und die Landschaft SahelDer Küstenstrich des südlichen Palästinas. mit Gottes, des Erhabenen, Erlaubnis eroberte. Da traf es sich, daß ein Mann zu mir kam, um eine Sklavin für den König En-Nâsir von mir zu kaufen; und, da ich gerade ein hübsches Mädchen hatte, führte ich es ihm vor, und er kaufte es für ihn um hundert Dinare, schickte mir jedoch nur neunzig Dinare, da sich an jenem Tage nicht mehr Geld in seinem Schatz vorfand, weil er alles Geld für den Krieg mit den Franken verwendet hatte. Als man dem König dies mitteilte, befahl er ihnen, mich nach dem Raum zu führen, in welchem die Kriegsgefangenen untergebracht waren, damit ich mir eine von den Töchtern der Franken für den ausstehenden Rest von zehn Dinaren auswählen könnte.

Achthundertundsechsundneunzigste Nacht.

Als ich mir hier nun alle Gefangenen ansah, erblickte ich unter ihnen das fränkische Weib, in das ich mich verliebt 98 hatte, und erkannte sie sehr wohl; sie war aber die Frau eines fränkischen Ritters. Infolgedessen sagte ich: »Gebt mir jene dort;« worauf ich sie an mich nahm und sie nach meinem Zelt führte, indem ich sie fragte: »Kennst du mich wohl?« Sie versetzte: »Nein.« Da sagte ich: »Ich bin dein Freund; ich handelte mit Flachs, und zwischen uns geschah, was da geschah. Du nahmst das Gold von mir und sagtest: »Du sollst mich nur für fünfhundert Dinare wiedersehen;« und nun bist du für zehn Dinare mein Eigentum geworden.« Sie erwiderte hierauf: »Dies ist eine verborgene Fügung; dein Glauben ist der wahre, und ich bezeuge, daß es keinen Gott giebt außer Gott, und daß Mohammed der Gesandte Gottes ist.« Und so ward sie eine Gläubige, und ihr Glaube war schön. Ich aber sprach nun bei mir: »Bei Gott, ich will nicht eher zu ihr gehen, als bis ich sie freigelassen und es dem Kadi mitgeteilt habe.« Und so begab ich mich zu Ibn Schaddâd und erzählte ihm den Vorfall, worauf er uns verband. Alsdann ruhte ich bei ihr, und sie ward schwanger, worauf das Heer aufbrach und wir nach Damaskus gelangten. Wenige Tage später jedoch kam ein Bote vom König der Franken, um die Gefangenen gemäß der Übereinkunft zwischen den beiden Königen zu holen. Da gab jeder, der einen Gefangenen hatte, sei es Mann oder Weib, denselben heraus und es blieb nur noch die Frau, die bei mir war, übrig, und die Franken sagten: »Siehe, die Frau des und des Ritters ist noch nicht da.« Alsdann fragten sie nach ihr und forschten ihr nach, bis sie erfuhren, daß sie bei mir war; worauf sie sie von mir verlangten. In tiefer Betrübnis und mit veränderter Farbe ging ich zu ihr, so daß sie mich fragte: »Was fehlt dir? Was hat dich betroffen?« Da versetzte ich: »Der Gesandte des Königs ist eingetroffen, um alle Gefangenen einzufordern, und sie verlangen dich nun von mir.« Sie erwiderte jedoch: »Sorge dich nicht; führ' mich nur vor den König, denn ich weiß, was ich vor ihm zu sagen habe.« Da ging ich mit ihr vor den Sultan, den König En-Nâsir, 99 während der Gesandte des Frankenkönigs zu seiner Rechten saß, und sagte zu ihm: »Hier ist die Frau, die bei mir war.« Der König und der Gesandte fragten sie nun: »Willst du in dein Land heimkehren oder bei deinem Gatten bleiben? Gott hat deine Banden und die der andern gelöst.« Sie erwiderte jedoch dem Sultan: »Ich ward eine Moslemin und bin schwanger; schaut hier meinen Leib; die Franken sollen keinen Gewinn mehr von mir haben.« Da fragte der Gesandte: »Wer ist dir lieber, dieser Moslem oder dein Gatte, der Ritter So und So?« Als sie ihm eben dasselbe wie dem Sultan erwiderte, fragte der Gesandte die Anwesenden Franken: »Habt ihr ihre Worte gehört?« Sie versetzten: »Jawohl.« Und nun sprach der Gesandte zu mir: »Nimm dein Weib und zieh mir ihr deines Weges.« Da ging ich mit ihr fort, der Gesandte aber schickte mir eilends nach und sagte: »Ihre Mutter vertraute mir für sie etwas an, indem sie sprach: »Siehe, meine Tochter ist gefangen und nackend, und ich wünschte, daß du ihr diesen Kasten mitnähmst.« Nimm ihn also und übergieb ihn ihr.« Hierauf nahm ich den Kasten an mich und schaffte ihn nach Hause, wo ich ihn ihr gab. Als sie ihn hier öffnete, fand sie all ihre Sachen darin, und ich sah auch in dem Kasten die beiden Börsen mit Gold, mit den fünfzig und hundert Dinaren, noch ganz so, wie ich sie gebunden hatte, ohne daß etwas daran geändert gewesen wäre, weshalb ich Gott, den Erhabenen, lobte. Dies sind meine Kinder von ihr, und sie lebt noch heute und war es selber, die euch das Mahl bereitet hat.«

Wir verwunderten uns über seine Geschichte und das Glück, das ihm zu teil geworden war; und Gott ist allwissend.

 


 


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