Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XV
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Der Büßer und sein Butterkrug.

»O König, es wohnte einmal ein frommer Mann bei einem der Scherife in einer Stadt, der ihm ein tägliches Stipendium von drei Broten und einem wenig zerlassener Butter und Honig festgesetzt hatte. Nun aber war solche Butter in jenem Land teuer, und der fromme Mann that alle Butter, die er bekam, in einen Krug, bis derselbe voll war, und hängte ihn der Sicherheit halber über seinen Kopf. Während er nun eines Nachts mit seinem Stab in der Hand auf seinem Bett saß, stiegen ihm Gedanken über die Butter und ihren hohen Preis auf, und er sprach bei sich: »Ich muß alle meine Butter verkaufen und mir für ihren Erlös ein Mutterschaf kaufen und mich mit einem Fellāh zusammenthun. Es wird dann im ersten Jahr ein Pärchen bekommen und im zweiten Jahr wieder ein Pärchen, und diese Lämmer werden dann wieder Pärchen zur Welt bringen, bis es eine große Menge geworden ist. Alsdann will ich meinen Teil nehmen und soviel davon verkaufen als ich will. Dann will ich mir ein Stück Land dafür kaufen und einen Garten pflanzen und will mir darin ein feines Schloß bauen. Ferner will ich mir Kleider und Anzüge kaufen, will mir Sklaven und Sklavinnen erstehen, will die Tochter des und des Kaufmanns heiraten und Hochzeit halten wie noch nie. Ich will Vieh 118 schlachten und feine Speisen, Süßigkeiten und Zuckersachen und dergleichen machen und will alle die Spielleute, Künstler und Musiker kommen lassen, will Blumen, Wohlgerüche und allerlei Riechkräuter besorgen und Reich und Arm, Gelehrte, Hauptleute und Große des Reiches einladen und alles beschaffen, was sie von mir erbitten. Ferner will ich allerlei Speisen und Getränke besorgen und will einen Herold in der Stadt ausrufen lassen, daß jeder bekommen soll, was er verlangt. Nach der Entschleierung will ich dann meine Braut heimsuchen und mich ihrer Schönheit und Anmut erfreuen, und will essen und trinken und lustig sein und zu meiner Seele sprechen: »Nun hast du deinen Wunsch erreicht;« und will ausruhen von der Askese und der Anbetung Gottes. Dann wird meine Frau mit einem Knaben niederkommen, und ich werde mich über ihn freuen und ihm Feste anrichten, und will ihn zärtlich erziehen und ihn in der Philosophie, Litteratur und Rechenkunst unterweisen, daß sein Name unter dem Volk berühmt wird, und ich mich seiner rühmen kann in den Versammlungen der Gelehrten. Ich will ihn das Gute thun heißen, und er wird mir nicht widersprechen, und will ihm das Schlechte und Verabscheuungswürdige untersagen und ihn zur Frömmigkeit und zum Thun des Guten anhalten und ihm schöne und kostbare Geschenke geben. Sehe ich, daß er in Gehorsam beharrt, so will ich meine Geschenke verdoppeln, sehe ich ihn aber sich zum Ungehorsam neigen, so will ich mit diesem Stock über ihn kommen,« – und hob den Stock seinen Knaben durchzuprügeln, wobei er den Butterkrug über seinem Haupt traf und den Krug zerschlug, so daß die Scherben auf ihn fielen und ihm die Butter auf den Kopf, über die Kleider und den Bart lief. Und so ward er zum Exempel. – Deswegen, o König, soll der Mensch nicht über eine Sache reden, bevor sie eingetreten ist.«

Der König versetzte: »Du hast recht und bist ein trefflicher Wesir, dieweil du die Wahrheit gesprochen und Gutes geraten hast: und dein Ansehen ist bei mir so wie du es nur 119 wünschen kannst, und du sollst mir immerdar angenehm sein.« Da warf sich Schimâs vor Gott und dem König nieder und wünschte ihm Ruhm und Glück in ewiger Dauer, indem er zu ihm sprach: »Gott lasse deine Tage lange währen und erhöhe deine Macht! Und wisse, daß ich nichts vor dir verberge, sei es insgeheim oder öffentlich; dein Gefallen ist mein Gefallen, dein Mißfallen mein Mißfallen, ich kenne keine andere Freude als deine Freude, und ich kann nicht schlafen, wenn du mir zürnst, dieweil Gott, der Erhabene, mich durch deine Huld mit allem Guten versorgt hat, und deshalb bete ich zu Gott, dem Erhabenen, daß er dich durch seine Engel beschirmt und dich reich belohnt, wenn du vor sein Angesicht trittst.«

Der König war hierüber sehr erfreut, worauf sich Schimâs erhob und ihn verließ. Nach einer Weile gebar dann des Königs Gemahlin ein Knäblein, und der König freute sich mächtig, als die Freudenboten zu ihm kamen und ihm des Knaben Geburt mitteilten, und dankte Gott überschwänglich, indem er sprach: »Gelobt sei Gott, der mir, nachdem ich bereits alle Hoffnung aufgegeben hatte, einen Knaben schenkte! Er ist der Mitleidsvolle und Barmherzige gegen seine Diener.« Alsdann schrieb der König an das ganze Volk seines Königreiches, ihm die Nachricht mitteilend, und lud es zu seinem Palast ein, worauf die Emire, die Hauptleute, die Gelehrten und Großen des Reiches, die unter seinem Befehl standen, vor ihm erschienen.

Soviel mit Bezug auf den König; und die Freudentrommeln verkündeten die Geburt des Knaben im ganzen Königreich, worauf das Volk von allen Gegenden herbeiströmte, Gelehrte, Philosophen, Litteraten und Weise, und vor den König trat, ein jeder von ihnen geordnet nach seinem Rang. Alsdann gab er den sieben Großwesiren, deren Oberhaupt der Wesir Schimâs war, ein Zeichen, der Reihe nach nach Maßgabe ihrer Weisheit über die vorliegende Sache zu sprechen; und so machte ihr Oberhaupt, der Wesir Schimâs, 120 den Anfang und bat den König ums Wort, worauf er, nach erhaltener Erlaubnis, also sprach: »Gelobt sei Gott, der uns aus dem Nichts ins Sein rief, und der seinen Dienern in seiner Huld Könige verleiht, voll Gerechtigkeit und Billigkeit in der Regierung und förderlichem Walten, das er ihnen verliehen hat, und der Versorgung ihrer Unterthanen, soweit er sie durch ihre Hände ins Werk setzt; speciell aber unsern König, durch den Gott unsers Landes Erstorbenheit lebendig gemacht hat vermittelst der Huld, mit der er uns überhäuft hat, und hat uns ein Leben in Hülle und Fülle, in Sicherheit und Gerechtigkeit durch sein Wohlbefinden beschert. Welcher König verfuhr je gegen sein Volk wie unser König, indem, daß er unsere Bedürfnisse erfüllte, uns gab, was uns zukam, uns in Gerechtigkeit richtete, voll steter Achtsamkeit über uns waltete und unserm Unrecht wehrte? Ja, Gottes Güte ist es, wenn ein König für seines Volkes Geschäfte Sorge trägt und es vor dem Feind beschirmt, da des Feindes letztes Streben ist, seinen Feind niederzuzwingen und ihn in seiner Hand zu halten. Und viele Leute bringen ihre Söhne zu den Königen als Diener, und sie nehmen bei ihnen die Stelle von Sklaven ein, damit sie die Feinde von ihnen abwehren. Was uns aber anlangt, so hat in der Zeit unsers Königs kein Feind unser Land betreten, um dieses hohen Glückes und dieser reichen Segnung willen, die sich nicht beschreiben läßt, da sie alle Beschreibung übersteigt. Und du, o König, bist würdig dieses hohen Glücks, und wir stehen unter deinem Schutz und sind unter dem Schatten deiner Flügel. Gott mache deinen Lohn schön und lasse dich leben in langer Dauer! Seit langem schon flehten wir angelegentlich zu Gott, dem Erhabenen, unser Gebet zu erhören, daß er uns dein Leben erhalte und dir einen rechtschaffenen Sohn schenke, deiner Augen Kühlung zu sein; und Gott, – Preis Ihm, dem Erhabenen! – er hat unser Flehen erhört und unser Gebet angenommen, 121

Neunhundertunddritte Nacht.

indem er uns nahen Trost brachte, wie er einmal Trost brachte Fischen in einem Wasserteich.« Da fragte der König: »Wie ist die Geschichte von den Fischen, und wie war das?« Schimâs versetzte:

 


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