Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XV
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Der Wildesel und der Fuchs.

»Wisse, o König, es war einmal ein Fuchs, der alle Tage seinen Bau verließ, sein täglich Brot zu suchen. Als er sich nun eines Tages auf einem Berg befand und der Tag bereits zu Ende ging, machte er sich auf zur Rückkehr und begegnete einem andern Fuchs, der ihn laufen sah, worauf jeder dem andern erzählte, was für Beute er gemacht hatte. Und der eine von beiden sprach: »Ich stieß neulich auf einen Wildesel, und da ich seit drei Tagen nichts gefressen hatte und hungrig war, freute ich mich und dankte Gott, dem Erhabenen, dafür, daß er ihn in meine Gewalt gegeben hatte. Alsdann machte ich mich an sein Herz und fraß es auf, worauf ich mich gesättigt heimwärts trollte. Seitdem verstrichen drei Tage, ohne daß ich etwas zu fressen gefunden hätte, und trotzdem bin ich noch heute satt.« Als der andere Fuchs seine Geschichte vernahm, empfand er Neid über seine Sättigung und sprach bei sich: »Ich muß auch ein Wildeselherz fressen.« Hierauf verzichtete er mehrere Tage lang auf Fraß, bis er vor Schwäche dem Tode nahe war und, regungslos und ohne sich um einen Fang zu mühen, in seinem Bau dalag. Da begab es sich eines Tages, daß zwei Jäger auf Jagd auszogen und auf einen Wildesel stießen. Sie setzten den ganzen Tag über seiner Spur nach, bis einer der beiden einen gegabelten Pfeil nach ihm schoß, der in seine Eingeweide drang und in seinem Herzen stecken blieb, so daß er vor dem Bau des Fuchses tot zusammenbrach. Als die Jäger ihn tot liegen fanden, zogen sie den Pfeil aus seinem Herzen, doch kam nur das Holz heraus, während die gegabelte Spitze in seinem Leib stecken blieb. Gegen Abend kam nun der Fuchs vor Schwäche und Hunger stöhnend aus seinem Bau gekrochen und freute sich, als er den Wildesel vor dem Eingang seines Baues liegen sah, so mächtig, daß er vor Freude beinahe geflogen wäre, wobei er sprach: »Gelobt sei Gott, der mich meinen Wunsch ohne Plackerei hat erreichen lassen. Ich 127 hoffte in der That nicht mehr auf einen Wildesel oder sonst etwas zu stoßen, und nun hat ihn Gott sicherlich zu meinem Bau getrieben und hier niederstürzen lassen.« Alsdann fiel er über ihn her und zerriß seinen Leib, worauf er seinen Kopf in seinen Bauch steckte und mit seiner Schnauze in den Eingeweiden umherwühlte, bis er das Herz fand und, nach ihm schnappend, es verschlang. Als es aber in seine Kehle kam, bohrte sich die Gabel des Pfeiles in seinen Schlund, daß er es weder in seinen Leib hinunterschlucken noch zur Kehle hinauswürgen konnte und seines Unterganges gewiß war.

Aus diesem Grunde, o König, geziemt es dem Menschen mit dem Los, das ihm Gott zugeteilt hat, zufrieden zu sein und ihm für seine Güte zu danken, ohne die Hoffnung auf seinen Herrn zu verlieren. Und so hat Gott, dir, o König, wegen deiner lautern Absicht und deines guten Vorhabens einen Sohn geschenkt, nachdem du schon die Hoffnung verloren hattest. Und wir bitten Gott, den Erhabenen, ihm ein langes Leben und dauerndes Glück zu schenken und ihn zu einem gesegneten Nachfolger zu machen, treu deinen Bund bewahrend, nachdem du noch lange Zeit gelebt hast.«

Hierauf erhob sich der vierte Wesir und sprach: »Siehe, wenn ein König einsichtsvoll und kundig der Pforten des Wissens, –

Neunhundertundfünfte Nacht.

sowie erfahren in der Regierung ist, rechtschaffen in seiner Intention, gerecht gegen seine Unterthanen, den ehrend und auszeichnend, dem Ehre und Auszeichnung gebührt, Macht mit Nachsicht paarend, wo Nachsicht notwendig ist, für Regierende und Regierte sorgend, die Lasten ihnen erleichternd, ihnen Huld erweisend, ihre Blöße bedeckend und den Bund mit ihnen haltend, – ein solcher König ist des Glückes im Diesseits und Jenseits wert, und dies ist etwas von dem, was ihn schützt, was sein Königreich befestigt, ihm über seine Feinde den Sieg verleiht und ihn seine Wünsche erreichen 128 läßt, indem es ihm zugleich Gottes Huld vermehrt und ihm für seine Danksagung zu Gott Erfolg und Schutz seitens Gottes einträgt. Wenn aber ein König das Gegenteil hiervon ist, so hört sein und seines Volkes Unheil und Heimsuchung nicht auf; denn seine Tyrannei erstreckt sich auf Fremdlinge und Nahestehende, und es ergeht ihm, wie es dem ungerechten König mit dem Pilgerprinz erging.«

Da fragte der König: »Wie war das?« Und der Wesir versetzte:

 


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