Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XV
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Die Fische im Teich.

»Wisse, o König, irgendwo war einmal ein Wasserteich, in dem sich einige Fische befanden, und es traf sich, daß das Wasser des Teiches abnahm und mehr und mehr versiegte, bis sie kaum mehr genug Wasser zum Leben hatten und, dem Untergang nahe, sprachen: »Was wird aus uns werden, was sollen wir anstellen, und wen sollen wir um Rat fragen, wie wir uns retten können?« Da erhob sich ein Fisch unter ihnen, welcher der Älteste unter ihnen war und am meisten Verstand hatte, und sprach: »Uns bleibt kein anderer Ausweg, als daß wir zu Gott um Rettung flehen; jedoch wollen wir unsern Meister, den Krebs, um Rat fragen; laßt uns daher alle zu ihm gehen, seinen Rat zu erschauen, da er mehr Einsicht besitzt als wir.«

Die Fische billigten seinen Rat und begaben sich insgesamt zum Krebs, den sie ruhig in seinem Loch liegend antrafen, ohne daß er irgend eine Ahnung von ihrer Not hatte. Nachdem sie ihm den Salâm entboten hatten, sprachen sie zu ihm: »O unser Herr, beängstigt dich nicht unsere Lage, wo du unser Herr und Oberhaupt bist?« Der Krebs antwortete ihnen und sprach: »Frieden sei auf euch! Was hat euch hierher geführt, und was ist euer Begehr?« Da erzählten sie ihm ihre Geschichte und das Unheil, das sie durch den Wassermangel betroffen hatte, und setzten hinzu, daß sie umkommen müßten, wenn es gänzlich austrocknete; »und so,« schlossen sie, »sind wir zu dir gekommen, auf deinen Rat und das, was uns Rettung bringen könnte, wartend, da du unser Meister und der Klügste von uns bist.« Da ließ der Krebs 122 eine Weile lang sein Haupt niederhängen, worauf er zu ihnen sprach: »Zweifellos fehlt es euch an Verstand, daß ihr an Gottes, des Erhabenen, Barmherzigkeit verzagt und an seiner Fürsorge für die Notdurft aller seiner Geschöpfe. Wisset ihr denn nicht, daß Gott – Preis Ihm, dem Erhabenen! – seine Diener ohne zu rechnen versorgt, und daß er euer täglich Brot vorherbestimmte, bevor er ein Ding erschuf, und jedem Wesen eine bestimmte Lebenszeit und einen zugemessenen Unterhalt in seiner göttlichen Allmacht festsetzte? Wie sollten wir uns da um ein Ding sorgen, das er in seinem geheimen Ratschluß notiert hat? Mein Rat geht demnach dahin, daß ihr nichts besseres thun könnt als zu Gott, dem Erhabenen, zu beten; und es geziemt jedem einzigen von uns sein Gewissen mit seinem Herrn im geheimen und öffentlich in Einklang zu bringen und zu Gott zu beten, uns zu helfen und aus Drangsalen zu befreien, da Gott, der Erhabene, die Hoffnung derer, die auf ihn vertrauen, nicht zu Schanden macht und die Bitten derer, die zu ihm beten, nicht verwirft. Wenn wir so unsere Sache ins reine gebracht haben, werden unsere Angelegenheiten sich wohl verhalten, und es wird mit uns aufs beste stehen; und wenn dann der Winter kommt und unser Land durch eines Gerechten Gebet überflutet ist, so wird der das Gute nicht einreißen, der es erbaut hat. Es ist daher meine Ansicht, daß wir geduldig erwarten, was Gott mit uns thun wird. Kommt der Tod nach Gewohnheit zu uns, so haben wir Ruhe, und zwingt uns etwas zur Flucht, so fliehen wir und ziehen fort aus unserm Land irgend wohin, wo Gott will.«

Da antworteten ihm alle Fische wie aus einem Mund: »Du hast recht, o unser Herr! Gott lohne es dir an unserer Stelle mit Gutem!« Hierauf begab sich jeder von ihnen an seinen Ort, und schon nach wenig Tagen ließ Gott einen tüchtigen Regen fallen, daß der Teich mehr Wasser hatte als zuvor.

Ebenso, o König, hatten auch wir bereits die Hoffnung 123 aufgegeben, daß dir ein Kind werden würde, und nun, wo Gott dir diesen gesegneten Knaben beschert hat, beten wir zu Gott, dem Erhabenen, ihn zu einem gesegneten Sohn zu machen, daß er deines Auges Kühlung wird und ein rechtschaffener Nachfolger, und daß er uns durch ihn denselben Segen beschert als durch dich. Denn Gott, der Erhabene, macht den, der ihn bittet, nicht zu Schanden, und es geziemt sich nicht, daß irgend jemand die Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit aufgiebt.«

Hierauf erhob sich der zweite Wesir und bot dem König den Salâm, worauf der König ihm antwortete und sprach: »Und auf euch sei der Frieden!« Alsdann hob der Wesir an und sprach: »Siehe, ein König heißt nur dann König, wenn er Geschenke giebt und in Billigkeit und Großmut regiert und seinen Unterthanen gegenüber einen schönen Wandel führt, indem er die unter ihnen eingesetzten Vorschriften des Gesetzes und der Sunna durchführt, dem einen dem andern gegenüber Recht schafft, ihr Blut verschont und sie vor Schaden bewahrt. Zu seinen Eigenschaften soll es auch gehören, daß er sich um die Armen kümmert, daß er Hoch und Gering unter ihnen Hilfe gewährt und jedem das Seine giebt, auf daß ihn alle segnen und seinem Befehle gehorchen. Denn zweifellos wird ein so beschaffener König von seinen Unterthanen geliebt sein und wird im Diesseits Ruhm und im Jenseits Ehre und seines Schöpfers Wohlgefallen erwerben. Und wir, die Versammlung deiner Diener, bezeugen in dir, o König, das Vorhandensein aller erwähnten Eigenschaften, wie es heißt: Das beste der Dinge ist, daß eines Volkes König gerecht ist, sein Arzt geschickt und sein Lehrer weise und nach seiner Weisheit handelnd. Und wir freuen uns nun über dieses hohe Glück, wo wir bereits die Hoffnung aufgegeben hatten, daß dir ein Sohn und Erbe deines Reiches werden würde. Gott jedoch – verherrlicht sei sein Name! – hat deine Hoffnung nicht zu Schanden gemacht und hat dein Gebet wegen deines Vertrauens auf ihn und weil du deine 124 Angelegenheiten ihm anheimstelltest, angenommen. Wie herrlich war dein Hoffen! Es geschah mir dir wie es mit dem Raben und der Schlange geschah.«

Da fragte der König: »Wie war das? Wie ist die Geschichte des Raben und der Schlange?« Der Wesir versetzte:

 


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