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Tausend und eine Nacht. Band II
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Alī Nûr ed-Dîn und Enîs el-Dschelîs.

»Glückseliger König, es lebte einmal in Basra ein König, welcher die Armen und Bettler liebte, gegen seine Unterthanen gütig war und allen, die da glaubten an Mohammed – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – Geschenke machte. Dieser König hieß Mohammed, der Sohn des Suleimân es-Seinī. Er hatte zwei Wesire, von denen der eine El-Muîn, der Sohn des Sâwī, der andere El-Fadl, der Sohn des Chākân, hieß. Während aber El-Fadl, der Sohn des Chākân, der edelmütigste Mann seiner Zeit war und den schönsten Lebenswandel führte, so daß ihm aller Herzen in Liebe ergeben waren, und die Weisen seinem Rate beipflichteten, und alle Leute ihm langes Leben erflehten, weil er alles Gute in sich vereinte, und das Böse und Unheilvolle unterdrückte, verabscheute der Wesir El-Muîn, der Sohn des Sâwī, das Volk, liebte nicht das Gute und 105 vereinte alles Schlechte in sich, so daß auf jeden dieser beiden Wesire ein Teil von dem Dichterwort paßt:

Freue dich der Edlen, der Söhne der Edlen,
Denn Edle, die Söhne der Edlen, zeugen nur Edle;
Laß die Gemeinen, die Söhne der Gemeinen,
Denn Gemeine, die Söhne der Gemeinen, zeugen nur Gemeine.

So kam es, daß das Volk in demselben Maße, als es Fadl ed-Dîn, den Sohn des Chākân, liebte, nach der Bestimmung des Allmächtigen El-Muîn, den Sohn des Sâwī, haßte.

Nun begab es sich eines Tages, daß der König Mohammed, der Sohn des Suleimân es-Seinī, umgeben von den Großen des Reiches auf dem Throne seines Königreiches saß und plötzlich seinen Wesir El-Fadl, den Sohn des Chākân, anrief und zu ihm sagte: »Ich will ein Mädchen haben, wie es kein schöneres in seiner ganzen Zeit giebt; es muß von vollendeter Anmut sein, den ebenmäßigsten Wuchs haben und die lobenswertesten Eigenschaften besitzen.«

Da sagten die Großen des Reiches: »Solch ein Mädchen wirst du nicht unter zehntausend Dinaren finden,« und sofort rief der Sultan den Schatzmeister und befahl ihm: »Trag' zehntausend Dinare in die Wohnung El-Fadls, des Sohnes des Chākân.« Der Schatzmeister vollzog den Befehl des Sultans, und der Wesir verließ das Schloß, nachdem ihm noch der Sultan befohlen hatte jeden Tag auf den Markt zu gehen und den Maklern die Sache ans Herz zu legen; auch sollte kein Mädchen für einen höhern Preis als tausend Dinare verkauft werden, bevor es nicht dem Wesir gezeigt worden sei.

Der Wesir vollzog den Befehl des Königs, und die Makler verkauften kein Mädchen, bevor sie es ihm nicht gezeigt hatten. Eine geraume Zeit hatte dies schon gedauert, ohne daß dem Wesir ein Mädchen gefallen hätte, als es sich eines Tages zutrug, daß einer der Makler nach der Wohnung des Wesirs El-Fadl, des Sohnes des Chākân, ging und, da er denselben 106 gerade antraf, wie er nach dem Schlosse des Königs zu reiten im Begriff stand, seinen Steigbügel packte und die beiden Verse sprach:

»Der du das Verfaulte im Reiche wieder belebt hast,
Du bist der Wesir, dem Gott immerdar Sieg verleiht.
Den in der Welt erstorbenen Edelsinn hast du wieder erweckt,
Möge dein Eifer bei Gott immerdar Dank finden!«

Darauf sagte er: »Mein Herr, das Mädchen, um deretwillen das edle Mandat erlassen ist, ist da.« Der Wesir erwiderte: »Her mit ihr!«

Nach kurzer Abwesenheit kam der Makler wieder und brachte ein Mädchen von schönem Wuchs und vollem Busen, mit schwarz gefärbten Augenlidern, ovalgeformten Wangen, schlanker Taille und starken Hüften. Sie hatte die schönsten Kleider an, ihr Speichel war süßer als Julep, ihre Gestalt beschämte die Zweige des Bân und ihre Worte waren sanfter als der Zephyr, der über die Blumen im Garten hinstreicht, wie sie einer mit folgenden Versen beschrieb:

Seidenweich ist ihre Haut und ihre Rede sanft,
Sie schwätzt nicht zu viel und spricht auch nicht zu wenig.
Ihre Augen – Gott sprach: Werdet! – da wurden sie
Und berauschten die Herzen wie feuriger Wein.
O Liebe, mehre in jeder Nacht meine Glut,
Und stille den Schmerz der Tage erst am Gericht.
Die Locken auf ihrer Stirne sind dunkel wie die Nacht,
Doch schimmern die Schläfen wie das lichte Morgenrot.

Als sie der Wesir erblickte, gefiel sie ihm außerordentlich, und er fragte den Makler: »Wie hoch ist ihr Preis?« Der Makler antwortete: »Ihr Preis beträgt zehntausend Dinare, doch schwört ihr Besitzer, daß mit diesen zehntausend Dinaren noch nicht die jungen Hühner bezahlt sind, die sie gegessen hat, und die Ehrenkleider, die sie ihren Lehrern geschenkt hat; sie hat nämlich die Schreibkunst, Grammatik, Lexikographie, die Auslegung,nämlich des Korans. die Hauptsätze der Rechtswissenschaft und 107 Theologie, Medizin und die Kalenderberechnung studiert und versteht auch die verschiedensten Musikinstrumente zu spielen.« Da sagte der Wesir: »Her mit ihrem Herrn!« Der Makler brachte ihn auf der Stelle; es war aber ein Perser, der ein langes Leben hinter sich hatte, so daß die Zeit seinen Körper zu Haut und Knochen gemacht hatte, wie der Dichter sagt:

Ach, wie ließ die Zeit meine Glieder zittern!
Denn die Zeit ist stark und mächtig.
Einst konnte ich gehen ohne müde zu werden,
Heute bin ich müde ohne zu gehen.

Als derselbe nun vor dem Wesir stand, sagte dieser zu ihm: »Du sollst vom Sultan Mohammed, dem Sohne des Suleimân es-Seinī, zehntausend Dinare für dieses Mädchen erhalten.« Der Perser antwortete: »Da sie für den Sultan ist, so ist es meine Pflicht, ihm ein Geschenk mit ihr zu machen, und nichts für sie zu verlangen.«Eine Höflichkeitsformel, die nicht wörtlich zu nehmen ist, vielmehr den unausgesprochenen Wunsch nach einer höhern Bezahlung enthält. Infolgedessen befahl der Wesir das Geld zu holen und wägte, als man es gebracht hatte, dem Perser die Summe ab. Hierauf trat der Sklavenhändler an den Wesir heran und sagte zu ihm: »Ich möchte mit der Erlaubnis unsers Herrn, des Wesirs, ein Wort reden.« Der Wesir antwortete: »Laß hören, was du zu sagen hast.« Nun sagte der Sklavenhändler: »Ich möchte dir raten, dieses Mädchen heute noch nicht zum Sultan zu führen, da sie eben erst angekommen ist, und der Wechsel der Luft und die Reise sie mitgenommen hat. Laß sie daher bei dir im Schloß zehn Tage, daß sie sich erholt, und ihre Reize noch zunehmen; hast du sie dann ins Bad geführt, ihr die schönsten Kleider angezogen und sie zum Sultan geführt, so wird dir das mehr Glück bringen.«

Der Wesir dachte über die Worte des Sklavenhändlers nach und fand, daß es das Richtige war. Er nahm sie 108 daher in sein Schloß, gab ihr ein besonderes Gemach und bestimmte ihr täglich Speise und Trank und dergleichen Bedürfnisse.

Nun hatte der Wesir El-Fadl, der Sohn des Chākân, einen Sohn gleich dem strahlenden Vollmond, mit leuchtendem Antlitz und roten Wangen, auf denen ein Mal wie ein Ambratüpfelchen mit grauem Flaum prangte. Dieser Jüngling wußte nichts von dem Mädchen, doch hatte sein Vater sie vor ihm gewarnt und ihr gesagt: »Wisse, meine Tochter, ich habe dich allein für den König Mohammed, den Sohn des Suleimân es-Seinī, gekauft; hüte dich daher vor meinem Sohne, der kein Mädchen im ganzen Viertel unangefochten läßt, und nimm dich in acht, daß er weder dein Antlitz sieht noch deine Stimme hört.« Das Mädchen hatte ihm darauf geantwortet: »Ich höre und gehorche,« und der Wesir hatte sie verlassen und war fortgegangen.

Als sie jedoch eine Weile lang im Schlosse des Wesirs ihr gemächliches Leben geführt hatte, wollte es das Verhängnis, daß das Mädchen eines Tages ins Bad ging, das sich im Hause befand. Nachdem sie einige der Sklavinnen gebadet hatten, legte sie Festkleider an, daß sie noch schöner und anmutiger aussah, und besuchte die Gattin des Wesirs. Als sie ihr die Hand küßte, sagte diese zu ihr: »Möge das Bad dir gut bekommen, Enîs el-Dschelîs! Wie war dir's daselbst?« Sie antwortete: »Meine Herrin, ich vermißte nichts als deine Anwesenheit.« Infolgedessen sagte die Hausherrin zu den Sklavinnen: »Kommt, laßt uns ins Bad gehen.« Die Sklavinnen gehorchten und gingen mit ihrer Herrin ins Bad, zuvor jedoch stellte sie zwei kleine Sklavinnen an das Gemach, in welchem sich Enîs el-Dschelîs befand, und befahl ihnen: »Lasset niemand zu dem Mädchen hinein,« worauf dieselben erwiderten: »Wir hören und gehorchen.«

Während nun Enîs el-Dschelîs in ihrem Gemach saß, kam plötzlich der Sohn des Wesirs, der Alī Nûr ed-Dîn hieß, und fragte nach seiner Mutter und der Familie. Die 109 beiden Sklavinnen antworteten ihm: »Sie sind ins Bad gegangen.« Enîs el-Dschelîs hatte jedoch in ihrem Gemach Alī Nûr ed-Dîns Stimme gehört und sprach nun bei sich: »Wie mag wohl dieser Jüngling aussehen, von dem mir der Wesir sagte, daß er kein Mädchen in dem Viertel unangefochten läßt? Bei Gott, ich möchte ihn gern einmal sehen.« Dann stand sie auf, noch immer vom Bade verschönt, und ging an die Thür, um sich Alī Nûr ed-Dîn anzusehen; und siehe! da war's ein Jüngling schön wie der volle Mond, so daß der eine Blick auf ihn ihr tausend Seufzer weckte. In demselben Augenblicke aber wendete sich der Jüngling um und sah sie auch, und der eine Blick auf sie weckte ihm ebenfalls tausend Seufzer – jeder von ihnen fiel in das Netz der Liebe zum andern. Darauf trat Alī Nûr ed-Dîn an die beiden Sklavinnen heran und schrie sie so heftig an, daß sie fortliefen und von fern zusahen, was er thun würde. Er aber trat schnell an die Thür des Gemaches, öffnete sie, trat hinein und fragte Enîs el-Dschelîs: »Bist du das Mädchen, das mir mein Vater gekauft hat?« Sie antwortete: »Ja.« Darauf trat er nahe an sie heran und zog sie, da er trunken war, an seine Brust, während sie ihre Arme um seinen Hals schlang und ihn küßte und schluchzte.

Wie nun die beiden Sklavinnen sahen, daß ihr junger Herr zu Enîs el-Dschelîs eingedrungen war, schrieen sie laut, worauf der Jüngling fortlief und aus Furcht vor den Folgen seines Streiches zu entkommen suchte. Auf den Schrei der beiden Sklavinnen kam die Hausherrin noch triefend von Schweiß aus dem Bade herausgestürzt und rief: »Weshalb wird hier so laut im Hause geschrieen?« Als sie dann zu den beiden Sklavinnen kam, welche sie vor die Thür des Gemaches gestellt hatte, rief sie: »Weh euch, was giebt's?« Da sagten sie: »Unser Herr Alī Nûr ed-Dîn kam zu uns und schlug uns. Als wir deshalb fortliefen, drang er bei Enîs el-Dschelîs ein und umarmte sie; was er weiter gethan hat, wissen wir nicht; auf unser Geschrei ist er dann fortgelaufen.« 110

Als die Hausherrin dies vernahm, trat sie bei Enîs el-Dschelîs ein und fragte sie: »Was ist vorgefallen?« Sie antwortete: »Meine Herrin, ich saß still da, als plötzlich ein schöner Jüngling eintrat und mich fragte: »Bist du das Mädchen, das mein Vater für mich gekauft hat?« Ich antwortete: »Ja«; aber, bei Gott, meine Herrin, ich glaubte, daß er die Wahrheit spräche; dann trat er nahe an mich heran und umarmte mich.« Darauf fragte die Gattin des Wesirs Enîs el-Dschelîs: »Hat er sonst noch etwas mit dir gethan?« Sie antwortete: »Ja, er raubte mir drei Küsse.« »Und weiter nichts?« Da verstummte sie; die Gattin des Wesirs aber weinte und schlug sich vors Gesicht; und die Sklavinnen schlugen sich ebenfalls vors Gesicht aus Furcht, daß Alī Nûr ed-Dîns Vater ihn deshalb totschlagen möchte.

Während sie noch so bekümmert dastanden, kam plötzlich der Wesir an und fragte, was vorgefallen wäre. Seine Gattin erwiderte ihm: »Schwöre mir, daß du hörst, was ich dir sage.« Er antwortete: »Gut.« Wie sie ihm nun erzählte, was sein Sohn angerichtet hatte, zerriß er bekümmert seine Kleider, schlug sich vors Gesicht und raufte sich den Bart aus, so daß seine Gattin zu ihm sagte: »Bring' dich nicht um, ich werde dir von meinem Gelde die zehntausend Dinare, die sie gekostet hat, ersetzen.« Da richtete er den Kopf zu ihr auf und sagte: »Weh' dir, mir liegt nichts an dem Gelde, ich fürchte nun selber für mein Gut und mein Leben; weißt du nicht, daß hinter uns unser Feind lauert, der da heißt El-Muîn, der Sohn des Sâwī?

Dreiunddreißigste Nacht.

Wenn er die Geschichte hört, so wird er zum Sultan gehen und zu ihm sagen: »Dein Wesir, von dem du glaubst, daß er dich liebt, hat von dir zehntausend Dinare erhalten und dafür ein Mädchen gekauft, wie keiner ihresgleichen noch sah; und da sie ihm gefiel, hat er zu seinem Sohne gesagt: »Nimm sie, du bist ihrer würdiger als der Sultan. Darauf 111 hat er sie genommen und bei sich behalten.« Sagt dann der König: »Du lügst,« so wird er dem Könige antworten: »Mit deiner Erlaubnis will ich ihn überfallen und dir das Mädchen bringen.« Dann wird es der König ihm erlauben, er wird das Haus überfallen, das Mädchen festnehmen und vor den Sultan führen. Stellt sie der Sultan dann zur Rede, so wird sie nicht lügen können, und er wird zum Sultan sprechen: »Mein Herr, du weißt, daß ich dir guten Rat erteile, und doch finde ich keine Gnade vor dir.« Dann wird der Sultan ein Exempel an mir statuieren lassen, alle Leute werden kommen und sich an mir weiden, und ich verliere mein Leben.«

Seine Gattin antwortete ihm darauf: »Sprich zu niemand darüber, da es unbemerkt geschehen ist; überlasse deine Sache in diesem Falle nur Gott;« und so beruhigte sich das Herz des Wesirs, und sein Gemüt ward wieder heiter.

Soviel was den Wesir anlangt; Alī Nûr ed-Dîn jedoch brachte aus Furcht vor den Folgen von nun an den Tag über in den Gärten zu und kam erst gegen Ende der Nacht nach Hause, wo er dann bei seiner Mutter schlief, um vor dem Morgen wieder aufzustehen, damit ihn keiner sähe. Einen Monat hatte er schon in dieser Weise zugebracht, ohne das Antlitz seines Vaters zu schauen, als seine Mutter zu seinem Vater sagte: »Mein Herr, willst du das Mädchen und deinen Sohn verlieren? Wenn es in dieser Weise mit dem Jungen weiter geht, läuft er fort.« Da sagte er: »Was ist zu thun?« Sie antwortete: »Bleib' diese Nacht auf, und, wenn er heimkommt, so halte ihn und söhne dich mit ihm aus; gieb ihm das Mädchen, er liebt sie, sie liebt ihn, und, ich gebe dir das Geld, das sie gekostet hat.«

Nun blieb der Wesir also die ganze Nacht über auf; als dann aber sein Sohn kam, packte er ihn und wollte ihn abstechen. Seine Mutter trat jedoch dazwischen und fragte ihn: »Was willst du mit ihm thun?« Er antwortete: »Ich will 112 ihm die Kehle abschneiden.« Da sagte sein Sohn zu ihm: »Bin ich dir so gering?« Nun schwammen die Augen des Wesirs in Thränen, und er sagte zu ihm: »O mein Sohn, war dir nicht auch der Verlust meines Gutes und meines Lebens gering?« Da bat ihn der Jüngling so lange um Verzeihung, bis der Wesir von seiner Brust aufstand und ihm verzieh. Als ihm der Sohn dann die Hand küßte, sagte der Wesir zu ihm: »Mein Sohn, wenn ich wüßte, daß du Enîs el-Dschelîs gerecht behandeln würdest, so würde ich sie dir schenken.« Da sagte er: »Mein Vater, warum sollte ich sie nicht gerecht behandeln?« Darauf versetzte sein Vater: »Mein Sohn, ich lege dir ans Herz, daß du keine Frau neben ihr heiratest, ihr kein Leid zufügst und sie nicht verkaufst.« »Mein Vater,« antwortete er, »ich schwöre es dir, daß ich keine andere Frau neben ihr heiraten und sie nicht verkaufen will,« und schwor ihm darauf einen Eid. Dann ging er zu Enîs el-Dschelîs und lebte ein Jahr lang mit ihr zusammen.

Gott aber, der Erhabene, hatte den König die Angelegenheit mit dem Mädchen inzwischen vergessen lassen, und El-Muîn, der Sohn des Sâwī, konnte, obwohl ihm die Sache zu Ohren gekommen war, darüber nicht reden, da der Wesir bei dem Sultan in hohem Ansehen stand. Nachdem das Jahr jedoch verstrichen war, begab sich der Wesir Fadl ed-Dîn, der Sohn des Chākân, einmal ins Bad und kam schweißbedeckt beim Herausgehen in den Zug, so daß er ins Bett mußte. Da er lange Zeit schlaflos dalag, und ihn die Schwäche völlig überkam, ließ er seinen Sohn Alī Nûr ed-Dîn kommen und sprach zu ihm: »Mein Sohn, der Lebensunterhalt ist vom Schicksal zugemessen, der Termin besiegelt und alles, was Odem hat, muß den Becher des Todes trinken. Ich habe dir kein anderes Vermächtnis ans Herz zu legen, als daß du Gott fürchtest, die Folgen deiner Handlungen ins Auge fassest und dir das Mädchen Enîs el-Dschelîs angelegen sein lässest.«

Nûr ed-Dîn sagte darauf: »O mein Vater, wer ist dir 113 gleich? Du bist wegen deiner guten Handlungen gepriesen, und die Prediger haben von den Kanzeln auf dich Segen erfleht.« Der Wesir versetzte: »Mein Sohn, ich hoffe von Gott, dem Erhabenen, angenommen zu werden.« Dann sprach er die beiden Sätze des Glaubensbekenntnisses,Es ist kein Gott außer Gott, und Mohammed ist der Gesandte Gottes. seufzte einmal auf und wurde unter das Volk der Glückseligkeit verzeichnet. Darauf wurde das Schloß von Jammergeschrei erfüllt, die Kunde hiervon drang zum Sultan, das Volk der Stadt vernahm das Hinscheiden El-Fadls, des Sohnes des Chākân, und selbst die Kleinen in den Schulen beweinten ihn. Sein Sohn Alī Nûr ed-Dîn aber rüstete ihm das Leichenbegängnis aus, und die Emire, Wesire, die Großen des Reiches und das Volk der Stadt nahmen an demselben teil; selbst der Wesir El-Muîn, der Sohn des Sâwī fehlte nicht. Einer aus der Schar der Leidtragenden sprach dann, als der Leichenzug das Haus verließ, die Verse:

»Ich sagte zu dem Manne, der mit seiner Waschung betraut war –
Ach, hätte er doch meinen guten Rat befolgt! –:
Hinfort mit deinem Wasser, und wasch' ihn mit den Thränen,
Mit denen ihn die Augen beweinend verherrlichten.
Fort auch mit allen Kräutern von seinem Leichnam,
Und balsamiere ihn mit den Wohlgerüchen seines Lobes.
Den hohen Engeln gebiete ihn ehrend zu tragen,
Siehst du nicht, wie sie ihm das Geleit geben?
Laß nicht der Menschen Nacken unter seiner Last sich beugen,
Schon genug haben sie an seinen Wohlthaten zu tragen.«

In tiefem Kummer über den Tod seines Vaters hatte Alī Nûr ed-Dîn bereits einen Monat getrauert, als eines Tages, während er betrübt in dem Hause seines Vaters dasaß, jemand an die Thür klopfte. Er stand auf und öffnete die Thür, und siehe! da war es einer der Tischgenossen und Freunde seines Vaters. Derselbe küßte die Hand Alī Nûr ed-Dîns und sagte zu ihm: »Mein Herr, wer einen solchen 114 Sohn hinterlassen hat, ist nicht gestorben, und solches war auch die Bestimmung des Herrn der Ersten und Letzten;Der Herr der Ersten und Letzten ist Mohammed; auch er mußte sterben. sei wieder guter Dinge und laß das Trauern.« Infolgedessen begab sich Alī Nûr ed-Dîn wieder ins Gesellschaftszimmer und ließ alles Erforderliche dorthin schaffen; seine Freunde versammelten sich bei ihm, und auch Enîs el-Dschelîs nahm er wieder zu sich. Seine Gesellschafter bestanden aus zehn jungen Kaufmannssöhnen, mit denen er aß und trank, ein Gelage nach dem andern feierte, und denen er die reichsten Geschenke machte, so daß sein Verwalter eines Tages zu ihm kam und sprach: »Mein Herr Alī Nûr ed-Dîn, hast du nicht den Ausspruch gehört: Wer Geld ausgiebt ohne Rechnung zu führen, kommt an den Bettelstab? Siehe, mein Herr, diese übermäßige Verschwendung und diese großen Geschenke zehren dein Gut auf.«

Alī Nûr ed-Dîn antwortete jedoch: »Auf keins von all deinen Worten will ich hören. Wie schön hat doch der Dichter gesagt:

Hätte ich Geld und Gut und wäre ich nicht freigebig,
So bleibe meine Hand immer verschlossen und mein Fuß gelähmt.
Zeigt mir doch einen Geizigen, dem der Geiz Ruhm einbrachte,
Und einen Freigebigen, der an seiner Freigebigkeit starb?

Wisse, Verwalter, ich wünsche, daß du mich, so lange du noch genug Geld für ein Frühstück hast, nicht mit der Sorge fürs Abendessen belästigst.«

Darauf ging der Verwalter seines Weges, Alī Nûr ed-Dîn aber fuhr in seiner Freigebigkeit fort; sobald einer seiner Zechgenossen zu ihm sagte: »Sieh', das ist hübsch,« sagte er: »Ich schenke es dir«; sagte ein anderer: »Mein Herr, jenes Haus ist hübsch,« so sagte er: »Ich schenke es dir,« und saß mit seinen Zechgenossen und Freunden von Morgen bis Abend, Tag für Tag ein volles Jahr lang zusammen. Da hörte er eines Tages Enîs el-Dschelîs die Verse sprechen: 115

»So lange die Tage gut waren, dachtest du gut von den Tagen
Und bangtest nicht vor dem Unheil des Schicksals.
Der stille Frieden deiner Nächte hat dich betrogen,
Wie in sternenheller Nacht oft plötzliches Dunkel entsteht.«

Kaum hatte sie ihre Verse beendet, da klopfte jemand an die Thür. Alī Nûr ed-Dîn stand auf, einer seiner Gäste aber folgte ihm, ohne daß er es merkte. Als er nun die Thür öffnete, sah er seinen Verwalter draußen stehen und fragte ihn: »Was giebt's?« Der Verwalter antwortete: »Mein Herr, was ich für dich besorgte, ist nun eingetroffen.« Da fragte er ihn: »Wie das?« Der Verwalter erwiderte: »Dir ist unter meiner Hand nichts mehr übrig geblieben, was einem Dirhem oder weniger als einem Dirhem gleichkommt. Hier ist das Verzeichnis der Ausgaben, die du gemacht hast, und hier das Verzeichnis deines ursprünglichen Vermögens.«

Als Alī Nûr ed-Dîn dies vernahm, ließ er den Kopf niederhängen und sprach: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott.« Der Mann jedoch, der ihm heimlich gefolgt war, um sein Gespräch mit dem Verwalter zu belauschen, ging zu seinen Genossen zurück, sobald er die Sache vernommen hatte, und sagte zu ihnen: »Sehet zu, was ihr thun wollt, Alī Nûr ed-Dîn ist bankerott.« Als nun Alī Nûr ed-Dîn mit sichtbaren Zeichen von Kummer im Antlitz zu ihnen zurückkam, erhob sich einer von den Tischgenossen, blickte Alī Nûr ed-Dîn an und sagte zu ihm: »Mein Herr, ich bitte dich um Erlaubnis fortzugehen.« Da fragte ihn Alī Nûr ed-Dîn: »Weshalb willst du denn heute fortgehen?« Darauf antwortete er: »Meine Frau wird heute Nacht entbunden, da darf ich nicht von ihr fortbleiben und möchte nun fortgehen und sehen, wie es mit ihr steht.« Kaum hatte er diesem die Erlaubnis dazu gewährt, da erhob sich ein anderer und sagte: »Mein Herr Nûr ed-Dîn, ich möchte heute noch meinen Bruder besuchen, da er heute seinen Sohn beschneidet;« und so erbat sich jeder von ihnen unter einem andern 116 Vorwand Erlaubnis zum Fortgehen und ging seines Weges, bis sie alle fort waren und Alī Nûr ed-Dîn allein übrig geblieben war. Da rief er sein Mädchen und sagte zu ihr: »Enîs el-Dschelîs, siehst du nicht, was über mich hereingebrochen ist?« und erzählte ihr die Nachricht, die ihm der Verwalter überbracht hatte. Enîs el-Dschelîs antwortete ihm darauf: »Mein Herr, schon seit mancher Nacht härmte ich mich, wie ich dir von dieser Sachlage Mitteilung machen könnte; als ich dich aber folgende Verse sprechen hörte:

Wenn dir irdisches Gut zu teil ward, so zeige dich freigebig,
Sei freigebig gegen alle Leute, bevor es dahin ging.
Freigebigkeit wird deinen Reichtum nicht aufzehren, wenn er dir wohl will,
Und Geiz wird dein Gut nicht halten, wenn es dir den Rücken kehrt, –

als ich dich diese Verse sprechen hörte, schwieg ich und mochte nichts sagen.«

Alī Nûr ed-Dîn sagte nun: »Enîs el-Dschelîs, du weißt, daß ich mein Gut nur an meine Freunde verschwendet habe; ich denke, sie werden mich nicht ohne Trost lassen.« Enîs el-Dschelîs versetzte jedoch: »Bei Gott, sie werden dir nicht helfen.« Alī Nûr ed-Dîn sagte darauf: »Ich will mich sogleich zu ihnen aufmachen und an ihre Thüren klopfen, vielleicht geben sie mir etwas Kapital in die Hand, daß ich damit Handel treiben kann und die Freuden und Vergnügungen ruhen lasse.« Darauf machte er sich sofort auf und ging zu der Straße, in welcher seine zehn Freunde wohnten. Wie er dort an die erste Thür kam und pochte, kam eine Sklavin heraus und fragte ihn: »Wer bist du?« Er antwortete: »Sage deinem Herrn, Alī Nûr ed-Dîn steht an der Thür und spricht zu dir: Dein Mamluk küßt dir die Hände und harrt eines Geschenkes von dir.« Als die Sklavin jedoch zu ihrem Herrn eintrat und es bestellte, schrie er sie an: »Geh' und sag' ihm: Er ist nicht da.« Da ging die Sklavin wieder hinaus zu Alī Nûr ed-Dîn und sagte zu ihm: »Mein Herr, der Hausherr ist nicht da.« 117

Auf diesen Bescheid hin ging Alī Nûr ed-Dîn weiter, indem er bei sich sprach: »Wenn dies ein Bastard ist, der sich verleugnet, so wird doch der andere kein Bastard sein.« Als er jedoch an die zweite Thür kam und dasselbe Anliegen wie beim ersten Mal vortrug, verleugnete sich auch der zweite, so daß er folgenden Vers sprach:

»Nun sind sie fort, an deren Thüren du sonst hättest treten können,
Und hättest jeden Wunsch von ihnen mit Freuden erlangt.«

Dann sagte er: »Bei Gott, ich muß sie alle auf die Probe stellen; vielleicht ist einer unter ihnen, der für alle zehn einsteht,« und machte bei allen zehn die Runde, ohne einen zu finden, der ihm die Thür geöffnet, oder sich ihm gezeigt oder ihm auch nur ein Brot zu reichen befohlen hätte. Da sprach er die Verse:

»In der Zeit des Glückes gleicht der Mensch einem Baume,
So lange seine Früchte dauern, schart sich das Volk um ihn;
Doch liegen sie alle am Boden, so zieht es weiter
Und sucht sich einen andern Baum zum Plündern.
Verderben auf alle die Söhne dieser Zeit!
Nicht einen Gerechten fand ich unter zehn.«

Als er hierauf mit vermehrter Betrübnis zu Enîs el-Dschelîs zurückgekehrt war, sagte sie zu ihm: »Mein Herr, habe ich dir's nicht gesagt, daß sie dir nicht helfen werden?« »Bei Gott,« rief er aus, »nicht einer unter ihnen hat mir auch nur sein Gesicht gezeigt.« Darauf sagte sie: »Mein Herr, verkaufe nach und nach das Hausgerät und kauf' dafür zum Essen ein.«

Nun verkaufte er das Hausgerät, bis er alles, was im Hause vorhanden war, verkauft hatte, und ihm nichts mehr übrig geblieben war. Dann sah er sie an und fragte sie: »Was sollen wir jetzt thun?« Da sagte sie: »Mein Herr, höre meinen Vorschlag und mach' dich sofort auf, geh' mit mir auf den Markt und verkaufe mich. Du weißt, daß mich dein Vater für zehntausend Dinare kaufte, vielleicht verhilft dir Gott zu einem Teil dieses Geldes, und wenn Gott unsere 118 Vereinigung beschlossen hat, so kommen wir auch wieder zusammen.« Auf diesen Vorschlag erwiderte er: »Ach, Enîs el-Dschelîs, mir fällt es schwer auch nur auf eine Stunde mich von dir zu trennen.« Sie entgegnete ihm: »Mir ergeht es ebenso, doch die Not hat ihr eigen Gebot.«

Da faßte er Enîs el-Dschelîs an die Hand und sprach, indem ihm die Thränen über die Wangen liefen, die beiden Verse:

»Bleibt stehen und gebt mir noch einen Blick vor der Trennung,
Und stärket mein Herz, das der Abschied brechen will.
Doch macht es euch Kummer, so will ich euch nicht zur Last sein,
So laßt mich allein mit meinem Schmerz.«

Hierauf ging er mit ihr zum Makler und übergab sie ihm mit den Worten: »Erkenne den Wert von dem, was du ausrufen sollst.« Der Makler antwortete ihm: »Mein Herr Alī Nûr ed-Dîn, edle Herkunft wird nicht vergessen; ist es nicht Enîs el-Dschelîs, welche dein Vater von mir für zehntausend Dinare gekauft hat?« Nûr ed-Dîn antwortete: »Ja.« Hierauf begab sich der Makler zu den Kaufleuten; da er aber fand, daß sich noch nicht alle versammelt hatten, wartete er, bis alle erschienen waren, und der Markt von Sklavinnen aller Art wimmelte, von Türkinnen, Griechinnen, Georgierinnen, Tscherkessinnen und Abessinierinnen.

Als er nun das Gewimmel auf dem Markte sah, stand er auf und rief: »Ihr Kaufleute, ihr Kapitalisten, nicht alles, was rund ist, ist eine Nuß, nicht alles, was lang ist, eine Banane, nicht alles, was rot ist, ist Fleisch, nicht alles, was weiß ist, Fett, nicht alles, was fuchsig ist Wein, nicht alles, was braun ist, eine Dattel;Der Makler bietet hier seine Ware in Knittelversen an. ihr Kaufleute, womit öffnet ihr die Pforte des Angebotes für diese köstliche, ganz unbezahlbare Perle?«

Wie nun einer der Kaufleute rief: »Ich biete viertausendfünfhundert Dinare,« kam mit einem Mal der Wesir El-Muîn, der Sohn des Sâwī, auf den Markt; als er 119 Alī Nûr ed-Dîn dort stehen sah, sprach er bei sich: »Was steht der hier, da er doch nichts mehr hat, um sich Sklavinnen kaufen zu können?« Wie er nun genauer zusah und den Ausrufer auf dem Markte stehen sah und ihn ausrufen hörte, während ihn die Kaufleute rings umgaben, sprach er bei sich: »Ich glaube sicherlich, daß er bankerott ist und nun mit seiner Sklavin gekommen ist, um sie zu verkaufen; wie wohl für mein Herz, wenn es wirklich der Fall ist!« Dann rief er den Ausrufer und sagte zu ihm, als er erschien und die Erde vor ihm küßte: »Ich will die Sklavin, die du eben ausbietest, kaufen.« Da er ihm nicht zu widersprechen wagte, brachte er die Sklavin und stellte sie vor ihn hin; der Wesir El-Muîn besah sie sich, prüfte ihre Vorzüge, und da ihm ihre schlanke Gestalt und ihre sanfte Stimme gefielen, fragte er: »Wieviel ist für sie geboten?« Der Makler antwortete: »Viertausendfünfhundert Dinare.« Als die Kaufleute dies hörten, wagte keiner von ihnen einen Dirhem oder Dinar mehr zu bieten, sondern hielten sich alle zurück, da sie die Gewaltthätigkeit dieses Wesirs kannten. Der Wesir El-Muîn, der Sohn des Sâwī, aber blickte den Makler an und sagte zu ihm: »Was stehst du da?« Geh' fort und her mit der Sklavin für viertausend Dinare; fünfhundert sollen für dich selber sein.«

Da ging der Makler zu Alī Nûr ed-Dîn und sagte zu ihm: »Mein Herr, das Mädchen ist samt dem Gelde für dich verloren.« Nûr ed-Dîn fragte: »Weshalb das?« Der Makler antwortete: »Wir begannen ihr Angebot mit viertausendfünfhundert Dinaren, da aber kam dieser Tyrann El-Muîn, der Sohn des Sâwī, auf den Markt, und sagte zu mir, da ihm das Mädchen gefiel: »Frag' ihren Herrn, ob er sie für viertausend Dinare als Kaufpreis, und fünfhundert für dich, geben will?« Ich glaube sicherlich, er weiß, daß es deine Sklavin ist, und wenn du sofort das Geld für sie erhältst, so ist nur Gottes Güte daran schuld. Ich weiß, daß er dir in seiner Ungerechtigkeit einen Wechsel auf einige 120 seiner Agenten ausstellen und dann zu ihnen schicken und ihnen sagen lassen wird: »Gebt ihm nichts.« So oft du dann zu ihnen gehst und dein Geld von ihnen verlangst, werden sie zu dir sagen: »Morgen werden wir es dir geben,« und werden dich von einem Tage zum andern trotz deines Stolzes hinhalten, bis sie deinem Drängen nachgeben und sagen: »Gieb uns den Wechsel.« Haben sie ihn dann von dir erhalten, so werden sie ihn zerreißen, und das Geld für dein Mädchen ist fort.«

Als Alī Nûr ed-Dîn den Makler in dieser Weise sprechen hörte, sah er ihn an und fragte: »Was soll ich thun?« Der Makler antwortete ihm: »Ich will dir einen Rat geben; nimmst du ihn von mir an, so wird er dir dienlich sein.« Nur ed-Dîn fragte: »Wie ist er?« Der Makler erwiderte: »Komm sogleich zu mir, wenn ich mitten auf dem Markte stehe, reiß' mir das Mädchen aus der Hand, gieb ihr einen Hieb mit der Faust und sprich: »Wehe dir, jetzt habe ich meinen Eid eingelöst, den ich schwur, daß ich dich auf den Markt bringen und dich durch den Makler ausbieten lassen würde.« Hast du dies gethan, wird er sich samt den Leuten vielleicht durch diese List fangen lassen, und sie werden denken, du wärest mit ihr nur auf den Markt gekommen, um deinen Schwur wahr zu machen.«

Alī Nûr ed-Dîn antwortete darauf: »Das ist das Rechte,« und der Makler trennte sich von ihm und ging wieder mitten auf den Markt; dort faßte er das Mädchen an die Hand, gab dem Wesir El-Muîn, dem Sohne des Sâwī, ein Zeichen und rief: »Mein Gebieter, hier ist ihr Herr soeben angekommen.« In demselben Augenblicke trat Alī Nûr ed-Dîn auf den Makler zu, riß ihm das Mädchen aus der Hand, gab ihr einen Fausthieb und schrie: »Wehe dir, nun war ich mit dir auf dem Markte, um meinen Schwur wahr zu machen; geh' jetzt nach Haus und widersprich mir nicht mehr; das Geld für dich bedarf ich nicht, daß ich dich verkaufen müßte, denn, verkaufte ich das Hausgerät und 121 dergleichen Dinge, so überträfe der Erlös deinen Wert um viele Male.«

Als nun El-Muîn, der Sohn des Sâwī, Nûr ed-Dîn erblickte, rief er: »Wehe dir, hast du überhaupt noch etwas zu Hause zum Verkaufen oder Kaufen?« und versuchte Hand an ihn zu legen. Da blickten die Kaufleute, die alle Nûr ed-Dîn liebten, diesen an; er aber sprach zu ihnen: »Hier stehe ich vor euch, ihr habt seine Tyrannei gesehen.« Nun schrie der Wesir: »Bei Gott, wäret ihr nicht da, ich schlüge ihn tot.« Da sahen die Kaufleute einander bedeutsam an und sagten zu Nûr ed-Dîn: »Keiner von uns wird sich in deine Sache mit ihm einmischen.« Infolgedessen trat Alī Nûr ed-Dîn auf den Wesir El-Muîn, den Sohn des Sâwī, zu, riß ihn, beherzt wie er war, vom Sattel herunter und warf ihn auf die Erde, wo er mitten auf einen Lehmplatz fiel. Dann bearbeitete er ihn mit Fausthieben, deren einer seine Zähne traf, so daß sein Bart vom Blute rot gefärbt wurde.

Nun hatte der Wesir zehn Mamluken bei sich, die beim Anblick dessen, was Alī Nûr ed-Dîn mit ihrem Herrn that, die Hand an den Schwertgriff legten und sich auf ihn stürzen wollten, um ihn in Stücke zu hauen. Da aber sagten die Leute zu den Mamluken: »Der eine ist ein Wesir und der andere eines Wesirs Sohn; vielleicht söhnen sich beide wieder aus, und dann werdet ihr beiden verhaßt. Trifft aber gar ein Hieb euern Herrn, so müßt ihr alle des schimpflichsten Todes sterben, wir raten euch also, mischt euch nicht in ihre Sache ein.«

Als nun Nûr ed-Dîn dem Wesir seine Tracht Prügel verabfolgt hatte, nahm er sein Mädchen und ging mit ihr nach Hause. Der Wesir El-Muîn, der Sohn des Sâwī, erhob sich ebenfalls, hatte aber jetzt an Stelle seines weißen Kleides ein dreifarbiges an, geschmückt mit den Farben des Lehms, des Blutes und der Asche.Aus Lehm und Asche werden noch heute im Orient Bausteine bereitet, welche nur an der Luft getrocknet werden. Als er sich in diesem 122 Zustande sah, legte er eine Matte aus Palmblättern über den Nacken, nahm zwei Büschel Halfagras in die Hand und zog damit zum Palast des Sultans. Dort angekommen, stellte er sich vor denselben hin und schrie: »O König der Zeit, mir ist Gewalt geschehen.« Darauf wurde er vor den Sultan geführt, welcher ihn betrachtete und in ihm seinen Wesir El-Muîn, den Sohn des Sâwī erkannte. Er fragte ihn: »Wer hat dich so schändlich behandelt?« Weinend und wehklagend sprach der Wesir die Verse:

Soll die Zeit mir Gewalt anthun, wo du am Leben bist,
Und sollen die Hunde mich fressen, wo du ein Löwe bist?
Sollen die Dürstenden alle aus deinen Cisternen trinken,
Und ich allein schmachten in deinem Gehege, wo du ein Regen bist?«

Dann jammerte er: »Mein Herr, ergeht es nicht jedem so übel, der dich liebt und dir dient?«

Nun fragte der König von neuem: »Wer hat dich so schändlich behandelt?« Der Wesir antwortete: »Wisse, ich ging heute auf den Sklavinnenmarkt, um mir eine Köchin zu kaufen, und sah auf dem Markte ein Mädchen, wie ich es in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen hatte. Der Makler sagte mir, sie gehöre Alī, dem Sohne des Chākân. Mein Gebieter, der Sultan aber, hatte früher seinem Vater einmal zehntausend Dinare gegeben, daß er ihm dafür ein hübsches Mädchen kaufte. Er hatte dafür jenes Mädchen gekauft und es, da es ihm gefiel, seinem Sohne geschenkt. Als dann sein Vater starb, betrat er den Weg der Verschwendung, bis er alle seine Grundstücke, Gärten und Gefäße verkauft hatte. Wie er nun völlig bankerott war und nichts mehr im Hause hatte, ging er mit dem Mädchen auf den Markt und übergab es dem Makler. Der Makler bot sie aus, und die Kaufleute hatten ihren Preis bereits bis auf viertausendfünfhundert Dinare getrieben, als ich bei mir sprach: »Ich will diese Sklavin für unsern Gebieter, den Sultan, kaufen, da sie doch ursprünglich von seinem Gelde gekauft war.« So sagte ich denn: »Mein Sohn, nimm 123 viertausend Dinare für sie als Kaufpreis.« Als er meine Worte hörte, sah er mich jedoch an und schrie: »Nichtsnutziger Scheich, ich verkaufe sie noch lieber den Juden oder Christen als ich sie dir lasse.« Ich sagte darauf zu ihm: »Ich will sie nicht für mich, sondern für unsern Gebieter, den Sultan, kaufen, unsern Gnadenspender.« Auf diese meine Worte hin ergrimmte er, packte mich, riß mich, trotzdem ich ein betagter Mann bin, vom Pferde herunter und prügelte mich in einem fort, bis er mich in dem Zustande, in welchem du mich hier siehst, losließ. Alles dies aber wäre mir nicht zugestoßen, hätte ich das Mädchen nicht für deine GlückseligkeitEin Titel, entsprechend unserer Anrede »Majestät«. kaufen wollen.« Darauf warf er sich zu Boden und fing von neuem an zu weinen und zu zittern.

Als nun der Sultan seinen Zustand sah und seinen Bericht vernommen hatte, schwoll die Zornader zwischen seinen Augen an, und, wie er sich zu den anwesenden Großen des Reiches umwandte, standen auch schon vierzig Schwertträger vor ihm. Er befahl ihnen: »Gehet sofort zum Hause Alīs, des Sohnes des Chākân, plündert es und reißt es ein; ihn selber aber und das Mädchen schleifet mit auf den Rücken gebundenen Händen auf ihren Gesichtern her und bringt sie vor mich.« Sie antworteten: »Wir hören und gehorchen,« und machten sich sogleich auf den Weg zu Alī Nûr ed-Dîn.

Nun hatte der Sultan aber einen Kämmerling, Namens Alam ed-Dîn Sendscher, der ursprünglich einer der Mamluken El-Fadls, des Sohnes des Chākân, des Vaters Alī Nûr ed-Dîns, gewesen war. Als dieser den Befehl des Sultans hörte und sah, daß die Feinde sich anschickten den Sohn seines Herrn zu töten, vermochte er es nicht zu ertragen, sondern bestieg sein Pferd und ritt zu Alī Nûr ed-Dîn. Als dieser auf sein Pochen herauskam und ihn erkannte, wollte er ihn begrüßen, Sendscher sagte jedoch: »Mein Herr, dies ist keine Zeit für Begrüßungen und lange Reden. Hör', was der Dichter sagt: 124

»Rette dein Leben, wenn du Gewalt befürchtest,
Und laß das Haus den Tod seines Erbauers verkünden.
Für dein Land vermagst du leicht ein anderes einzutauschen,
Doch für dein Leben findest du keinen Ersatz.«

Darauf fragte Nûr ed-Dîn: »Was giebt's, Alam ed-Dîn?« Alam ed-Dîn antwortete: »Steh' auf und rette dich und das Mädchen; El-Muîn, der Sohn des Sâwī, hat euch ein Netz gestellt, und, fallet ihr in seine Hand, so tötet er euch; der Sultan hat schon vierzig Schwertträger zu euch ausgeschickt. Ich rate euch deshalb, fliehet, bevor euch das Unheil überfällt.« Dann streckte Sendscher seine Hand mit etwas Geld zu Nûr ed-Dîn aus, und, als dieser es zählte, fand er, daß es vierzig Dinare waren. »Nimm sie, mein Herr,« sagte er, »hätte ich mehr als dies, ich würde es dir sicherlich geben, doch das ist jetzt nicht die Zeit für Entschuldigungen.«

Unter solchen Umständen ging nun Nûr ed-Dîn zum Mädchen und teilte ihr die Sachlage mit, worüber sie vor Schrecken fast gelähmt wurde. Dann flüchteten beide aus der Stadt und Gott deckte seinen Schleier über sie, so daß sie zum Stromufer gelangten, wo sie ein zur Fahrt gerüstetes Schiff fanden und dessen Kapitän mitten vom Schiffe rufen hörten: »Wer noch etwas zu besorgen hat, sei es Abschied zu nehmen oder Zehrung zu kaufen oder sonst etwas vergessen hat, der besorge es schnell, denn wir reisen ab.« Alle aber erwiderten darauf: »Kapitän, wir haben nichts mehr zu besorgen.« Darauf rief der Kapitän zu seiner Mannschaft: »Holla, den Strick los und die Pflöcke heraus!« Da fragte ihn Alī Nûr ed-Dîn: »Wohin, Kapitän?« Der Kapitän antwortete: »Nach der Stätte des Friedens, der Stadt Bagdad.«

Vierunddreißigste Nacht.

Da sprangen Alī Nûr ed-Dîn und das Mädchen aufs Schiff, die Schiffer machten es los, die Segel wurden gespannt, und das Schiff schnitt mit günstigem Winde durch 125 die Wellen wie ein Vogel auf weiten Schwingen, wie ein Dichter es in den beiden Versen beschreibt:

Betrachte das Schiff und bewundere seinen Anblick,
Schau, wie es fröhlich den Wind überflügelt!
Wie ein Vogel, der seine Schwingen gebreitet hat,
Scheint es aus der Luft aufs Wasser geschwebt zu sein.

Soviel was die beiden anlangt. Als nun die vierzig vom Sultan ausgesendeten Schwertträger zum Hause Alī Nûr ed-Dîns gekommen waren und die Thüren erbrochen und alle Räume durchsucht hatten, ohne etwas von den beiden zu hören oder zu sehen, rissen sie das Haus ein, kehrten dann wieder zum Sultan zurück und erstatteten ihm Bericht. Da sagte der Sultan: »Suchet überall nach ihnen, bis ihr sie gefunden habt,« und sie antworteten: »Wir hören und gehorchen.« Hierauf ging der Wesir El-Muîn, der Sohn des Sâwī, nach Hause, nachdem ihm noch der Sultan ein Ehrenkleid angelegt und zu ihm gesagt hatte: »Niemand anders als ich wird dich rächen.« Darauf hatte ihm der Wesir langes Leben erfleht und hatte wieder seine Gemütsruhe erlangt.

Nun befahl der Sultan folgendes in der Stadt ausrufen zu lassen: »Ihr Leute allesamt, unser Gebieter, der Sultan, befiehlt, daß jeder, der auf Alī Nûr ed-Dîn, den Sohn des Chākân, stößt und ihn zum Sultan bringt, ein Ehrenkleid und tausend Dinare haben soll; wer ihn aber verbirgt oder seinen Aufenthalt weiß, ohne ihn anzugeben, der wird das Exempel, das an ihm statuiert werden soll, verdient haben.« Infolgedessen machten sich alle Leute auf die Suche nach Alī Nûr ed-Dîn, fanden jedoch keine Spur von ihm. – Als nun Alī Nûr ed-Dîn und sein Mädchen wohlbehalten in Bagdad angelangt waren, sagte der Kapitän: »Dies ist Bagdad; die Stadt ist sicher, der Winter ist mit seiner Kälte eben von ihr gewichen, und die Zeit des Lenzes mit ihren Rosen ist angebrochen; ihre Bäume prangen im Blütenschmuck und ihre Ströme fließen.« Hierauf stieg Alī Nûr ed-Dîn mit seinem Mädchen, nachdem er dem Kapitän fünf 126 Dinare gegeben hatte, vom Schiff, und wanderte mit ihr eine kurze Strecke, bis das Geschick sie zu den Gärten führte, wo sie zu einem gekehrten und gesprengten Platze anlangten, auf welchem lange Steinbänke standen, und wo Gefäße voll Wasser aufgehängt waren; über demselben war ein Gitter aus Rohrgeflecht in der ganzen Länge des Weges aufgespannt, an dessen anderm Ende sich das Thor eines Gartens befand, doch war es verschlossen. Da sagte Nûr ed-Dîn zu dem Mädchen: »Bei Gott, dieser Platz ist schön,« und das Mädchen erwiderte: »Wir wollen uns hier eine Weile auf die Bänke setzen.« Sie thaten es, wuschen sich Gesicht und Hände und erquickten sich an dem sanften Windhauch, bis sie in Schlummer sanken – Preis Ihm, der nimmer schläft!

Nun hieß dieser Garten aber der Lustgarten, und es stand ein Schloß darin, welches Schloß Sorgenfrei hieß und dem Chalifen Hārûn er-Raschîd gehörte. So oft er sich um die Brust beklommen fühlte, kam er in diesen Garten und suchte das Schloß auf. Das Schloß hatte achtzig Fenster und hingen achtzig Lampen mit einem großen goldenen Kronleuchter in der Mitte darin. Wenn der Chalife es besuchte, befahl er den Sklavinnen die Fenster zu öffnen und mit seinem Tischgenossen Isaak Lieder vorzutragen, wodurch sich seine Brust wieder ausdehnte und seine Sorge wich. Als Gärtner aber war daselbst ein alter Scheich, der Scheich Ibrahim, angestellt. Einmal hatte es sich zugetragen, daß dieser bei einem nötigen Geschäftsausgange unter den Lustwandelnden auch eine Schar mit zweifelhaften Frauenspersonen angetroffen hatte. Der Scheich Ibrahim hatte sich darüber heftig erzürnt, doch hatte er an sich gehalten, bis er mit dem Chalifen zusammentraf und es ihm mitteilte, worauf der Chalife zu ihm gesagt hatte: »Thue mit jedem, den du künftig am Gartenthor findest, nach deinem Belieben.«

Als nun der Scheich Ibrahim an diesem Tage wieder ausging, um ein Geschäft zu besorgen, und die beiden unter einem Frauenschleier am Gartenthor schlafend fand, sagte 127 er: »Wissen die beiden nicht, daß mir der Chalife Erlaubnis gegeben hat jeden, den ich hier finde, zu töten? Doch will ich ihnen nur leichte Prügel geben, daß hinfort keiner mehr ans Gartenthor kommt.« Darauf schnitt er ein grünes Palmenrohr ab und trat aus dem Garten zu ihnen heran. Schon hatte er seine Hand so hoch gehoben, daß die Blöße seiner Achsel sichtbar wurde, und wollte losschlagen, da wurde er wieder nachdenklich und sprach bei sich: »Ibrahim, wie darfst du sie schlagen, ohne etwas näheres von ihnen zu wissen! Können es nicht Fremdlinge sein oder Wandersleute, die das Schicksal hierher verschlagen hat? Ich will darum ihr Gesicht aufdecken und sie mir ansehen.«

Als er nun den Schleier von ihrem Antlitz aufhob, sagte er: »Die beiden sind hübsch, ich darf sie nicht schlagen.« Darauf deckte er ihr Gesicht wieder zu, trat zu Nûr ed-Dîns Füßen und knetete sie, worauf Nûr ed-Dîn, die Augen öffnend, beim Anblick des alten Scheichs schamvoll die Füße einzog und sich aufrecht setzte; dann faßte er die Hand des Scheichs Ibrahim und küßte sie. Der Scheich Ibrahim aber fragte ihn: »Mein Sohn, woher seid ihr?« Er antwortete ihm: »Mein Herr, wir sind Fremdlinge,« und die Thränen brachen ihm aus den Augen. Da sagte der Scheich Ibrahim: »Wisse, mein Sohn, der Prophet – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – hat geboten gegen Fremdlinge edelmütig zu sein; willst du, mein Sohn, nicht aufstehen, in den Garten kommen und dich dort ergehen, daß deine Brust sich wieder ausweitet?« Nûr ed-Dîn fragte ihn darauf: »Mein Herr, wem gehört dieser Garten?« Der Scheich Ibrahim antwortete ihm: »Mein Sohn, dieser Garten ist mein Familienerbe;« hiermit wollte der Scheich Ibrahim sie jedoch nur sicher machen, daß sie in den Garten hineinkämen. Alī Nûr ed-Dîn dankte ihm nun für seine Worte, und er und sein Mädchen standen auf und gingen, vom Scheich Ibrahim geführt, in den Garten. Und siehe! das Thor des Gartens war gewölbt und von Weinreben mit verschiedenfarbigen 128 Trauben überrankt; die roten glichen Rubinen und die schwarzen Ebenholz. Im Garten traten sie dann unter eine Laube, an welcher die Früchte bald in Büscheln, bald vereinzelt hingen, und die Vögel schmetterten ihre Weisen in den Zweigen, die Nachtigall flötete süß, die Turteltaube erfüllte den Garten mit ihrem Gegirr, die Amsel pfiff wie ein Mensch, und die Ringeltaube ließ sich mit ihrer Stimme wie ein trunkener Zecher vernehmen. Dazu reiften an den Bäumen eßbare Früchte aller Art, und alle Obstbäume waren paarweise vorhanden, die Kampferaprikose sowohl wie die MandelaprikoseAprikose mit süßem Kern. und die Aprikose von Chorasân, Pflaumen in den Farben der Schönen, Kirschen, die jedes Menschen Verstand bestricken konnten, und rote, weiße und grüne Feigen der schönsten Art. Die Blumen glichen Perlen und Korallen, die Rosen beschämten die roten Wangen der Schönen, die Veilchen glühten wie Schwefel im Feuer, Myrten, Levkojen, Lavendel und Anemonen trugen auf ihren Blättern Diademe von den Thränen der Wolken, Kamillen lachten weißgezähnt, Narzissen lugten mit Negeraugen zu den Rosen hinauf, die Citronen glichen Bechern, die Limonen goldenen Kugeln, und die Erde war wie mit einem Teppich von Blumen in allerlei Farben übersponnen, der Lenz war gekommen und der Garten strahlte von seiner ganzen Pracht, die Quellen sprangen, die Vögel sangen, die Lüfte säuselten, die Jahreszeit war mild und der laue Wind sanft hinsterbend.

Nun ging der Scheich Ibrahim mit ihnen in den auf Säulen ruhenden Saal, dessen Schönheit und eigenartige Ausschmückung sie bezauberte. Sie setzten sich dort an eins der Fenster, und Nûr ed-Dîn rief, in der Erinnerung an seine vergangenen Gastereien: »Bei Gott, dieser Saal ist herrlich; er erinnert mich an das Vergangene und löscht in meinem Herzen einen Kummer ans, der wie die GhadakohleEine auf sandigem Boden wachsende Euphorbienart, deren Kohle ein sehr heißes Feuer giebt. glühte.« 129

Hierauf setzte ihnen der Scheich Ibrahim etwas zu essen vor, und sie aßen sich satt. Nachdem sie sich dann die Hände gewaschen hatten, setzte sich Nûr ed-Dîn wieder an eines der Fenster und rief sein Mädchen zu sich, worauf beide die mit allerlei Früchten beladenen Bäume betrachteten. Dann wendete er sich zum Scheich Ibrahim und sagte zu ihm: »Scheich Ibrahim, hast du nicht etwas zu trinken? Nach dem Essen pflegen die Leute doch zu trinken.« Da brachte ihnen der Scheich Ibrahim kaltes gesüßtes Wasser; Nûr ed-Dîn aber sagte: »das ist nicht das Getränk, das ich wünsche.« Nun fragte er: »Wünscht du etwa Wein?« Nûr ed-Dîn antwortete: »Jawohl.« Der Scheich Ibrahim entgegnete jedoch: »Ich nehme meine Zuflucht zu Gott davor, seit dreizehn Jahren habe ich so etwas nicht mehr gethan, weil der Prophet – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – den, der den Wein trinkt, der ihn keltert, und der ihn trägt, verflucht hat.« Nûr ed-Dîn aber antwortete: »Höre nur zwei Worte an.« Der Scheich Ibrahim sagte: »Sprich, was du sagen willst.« Da sagte er: »Wenn du nicht den Wein kelterst, ihn nicht trinkst und ihn auch nicht trägst, trifft dich dann auch noch etwas von dem Fluche, den der Prophet über den Wein ausgesprochen hat?« Er antwortete: »Nein.« Darauf sagte Nûr ed-Dîn: »So nimm diese beiden Dinare und diese zwei Dirhem, setz' dich auf den Esel dort und mach' fern vom Laden Halt. Wen du dann irgend antriffst, der den Wein kaufen kann, den rufe zu dir heran und sprich zu ihm: Hier hast du zwei Dirhem, kaufe mir für diese zwei Dinare Wein und lad' ihn auf den Esel.« Auf diese Weise trinkst du weder den Wein, noch trägst oder kelterst du ihn, kaufst ihn auch nicht, und der Fluch geht an dir vorüber und trifft den Esel und die andern.« Da sagte der Scheich Ibrahim lachend: »Bei Gott, einen witzigeren Mann wie dich und süßere Worte wie deine habe ich bisher weder gesehen noch gehört.«

Nun sagte Nûr ed-Dîn noch weiter zu ihm: »Wir müssen 130 ganz auf dich rechnen, und hast du nichts anderes zu thun als unseren Wünschen zu entsprechen. Bring' uns alles, was wir brauchen.« Der Scheich Ibrahim sagte hierauf: »Mein Sohn, hier steht dir meine Speisekammer zur Verfügung,« und zeigte dabei auf die Vorratskammer des Fürsten der Gläubigen, »geh' hinein und hol' dir aus ihr, was du wünschest, es ist mehr darin als du verlangst.«

Wie nun Nûr ed-Dîn in die Vorratskammer hineinging, sah er dort goldenes, silbernes und krystallenes Geschirr, das mit allerlei Edelsteinen besetzt war; er holte das, was er brauchte, heraus, goß den Wein in die Krüge und Glasflaschen und er und das Mädchen fingen nun an einander den Wein zu reichen, entzückt über all die Pracht, die sie schauten. Der Scheich Ibrahim aber brachte ihnen Blumen und setzte sich dann abseits von ihnen, während sie in einem fort tranken und in seligster Freude waren, bis der Wein über sie seine Macht ausübte, ihre Wangen sich röteten, ihre Augen sich mit verliebten Gazellenblicken ansahen, und ihr Haar niederhing.

Da sprach der Scheich Ibrahim bei sich: »Warum sitze ich abseits, und was setze ich mich nicht neben sie? Wann komm' ich denn wieder in die Gesellschaft von zwei solchen Leuten, die hübsch wie zwei Monde sind?« Hierauf trat der Scheich Ibrahim näher und setzte sich auf die Kante des Liwâns. Alī Nûr ed-Dîn aber rief ihm zu: »Mein Herr, bei meinem Leben beschwör' ich dich, komm' zu uns heran.« Da trat der Scheich Ibrahim zu ihnen heran, worauf Nûr ed-Dîn einen Becher füllte und ihn anblickend sagte: »Trink', damit du schmeckst, wie süß er ist.« Der Scheich Ibrahim sagte jedoch: »Ich nehme meine Zuflucht zu Gott, seit dreizehn Jahren habe ich so etwas nicht mehr gethan.«

Nun stellte sich Nûr ed-Dîn so, als ob er ihn gänzlich außer acht ließe, trank den Becher aus und warf sich auf den Boden, als ob der Wein ihn völlig bezwungen hätte. Dann hob Enîs el-Dschelîs ihre Augen zum Scheich Ibrahim 131 und sagte zu ihm: »Sieh, wie er mit mir umgeht.« Der Scheich Ibrahim fragte sie: »Was fehlt ihm, meine Herrin?« Sie antwortete: »So macht er es immer mit mir; wenn er eine Weile getrunken hat, schläft er ein und läßt mich allein, so daß ich dann keinen mehr finde, mit dem ich weiter trinken kann. Denn, möchte ich auch trinken, wer reicht mir den Becher, und möchte ich singen, wer hört auf meinen Gesang?« Der Scheich Ibrahim, dessen Herz sich infolge ihrer Worte ihr zärtlich und liebevoll zuneigte, meinte nun: »Allerdings schickt es sich nicht für einen Trinkgenossen, sich so zu betragen.« Nun füllte das Mädchen einen Becher, hob seine Augen zum Scheich Ibrahim und sagte zu ihm: »Bei meinem Leben, nimm ihn und trink' ihn aus; du darfst ihn mir nicht zurückgeben, du mußt ihn nehmen und mein Herz trösten.« Da streckte der Scheich Ibrahim seine Hand aus, nahm den Becher und trank ihn aus, sie aber füllte ihn zum zweitenmal, streckte ihre Hand zu ihm aus und sagte zu ihm: »Mein Herr, nun nur noch diesen.« Er antwortete: »Bei Gott, ich kann ihn nicht mehr trinken, ich habe schon genug an dem ersten.« Sie erklärte jedoch: »Bei Gott, du mußt!« Da nahm er den Becher und trank ihn aus; nun reichte sie ihm den dritten, und er nahm auch den und wollte ihn eben trinken, da richtete sich Nûr ed-Dîn auf und sagte zu ihm:

Fünfunddreißigste Nacht.

»Scheich Ibrahim, was bedeutet das? Hatte ich dich nicht vor einer Weile beschworen, du aber lehntest es ab, indem du zu mir sagtest: »So etwas habe ich seit dreizehn Jahren nicht mehr gethan?« Da antwortete der Scheich Ibrahim beschämt: »Es ist nicht meine Schuld, sie hat mich so sehr gedrängt.« Nûr ed-Dîn lachte darüber, und sie saßen und zechten weiter, wobei das Mädchen sich zu ihm wendete und heimlich zu ihm sagte: »Mein Herr, trink' und dränge nicht den Scheich Ibrahim, damit ich dir Vergnügen an ihm schaffen kann.« Darauf füllte sie einen Becher um den andern und reichte 132 sie ihrem Herrn zu trinken, und er füllte und reichte ihr zu trinken, bis der Scheich sie mit einem Mal ansah und zu ihnen sagte: »Was bedeutet das? Was ist das für eine Kumpanei? Warum schenkt ihr mir nicht zu trinken ein, wo ich doch schon euer Zechbruder geworden bin?« Da lachten sich beide über diese Worte ohnmächtig; dann tranken sie wieder weiter, schenkten ihm ein und zechten in dieser Weise, bis der dritte Teil der Nacht verstrichen war, und nun das Mädchen sagte: »Scheich Ibrahim, darf ich mit deiner Erlaubnis aufstehen und eine der Kerzen, die hier aufgereiht stehen, anzünden?« Er antwortete: »Steh' auf, aber steck' nur eine Kerze an.« Da stand sie auf und steckte eine nach der andern an, bis alle achtzig Kerzen brannten. Darauf setzte sie sich wieder und nun sagte Nûr ed-Dîn: »Scheich Ibrahim, was für Glück habe ich bei dir? Läßt du mich wohl eine dieser Lampen anzünden?« Der Scheich Ibrahim antwortete: »Steh' auf, steck' aber nur eine Lampe an und sei nicht so lästig.« Da stand er auf und steckte eine Lampe nach der andern an, bis alle Lampen brannten, und der Saal zu tanzen schien. Nun sagte der Scheich Ibrahim zu ihnen, der jetzt völlig vom Wein übermannt war: »Ihr seid ausgelassener als ich;« dann stand er auf, öffnete sämtliche Fenster und setzte sich wieder zu ihnen, und sie zechten weiter miteinander und trugen einer dem andern Verse vor, daß der ganze Saal von ihrer Fröhlichkeit widerhallte.

Nun aber hatte Gott, der alles Hörende, Allwissende, der nichts ohne Ursache geschehen läßt, bestimmt, daß der Chalife zu jener Stunde im Mondschein an einem der Fenster saß, welche auf den Tigris hinausgingen. Zufällig nach jener Seite hinblickend, sah er den Kerzen- und Lampenschein sich im Strome abspiegeln und schaute infolgedessen zu dem in jenem Garten gelegenen Schlosse hinüber, das von den Lampen und Kerzen hell flimmerte. Da rief er: »Her mit Dschaafar, dem Barmekiden!« Es währte kaum einen Augenblick, da stand Dschaafar auch schon vor dem 133 Fürsten der Gläubigen; der Chalife aber schrie ihn an: »Du Hund unter den Wesiren, dienst du mir und weißt nicht einmal, was in der Stadt Bagdad vorgeht?« Dschaafar fragte ihn: »Was ist der Grund dieser Worte?« Der Chalife entgegnete: »Wäre mir nicht die Stadt Bagdad entrissen, so könnte das Schloß Sorgenfrei nicht in Lampen- und Kerzenschein erstrahlen, und würden seine Fenster nicht geöffnet sein. Weh dir, könnte jemand die Macht hierzu haben, wenn mir nicht das Chalifat entrissen worden wäre?«

Da sagte Dschaafar, und die Schultermuskeln zitterten ihm: »Wer hat dir gesagt, daß im Schloß Sorgenfrei die Lampen und Kerzen brennen, und daß seine Fenster geöffnet sind?« Der Chalife antwortete: »Tritt herzu und schau.« Da trat Dschaafar an die Seite des Chalifen, schaute hinüber nach dem Garten und sah, daß das Schloß einem Feuermeere glich, dessen Glanz das Licht des Mondes verdunkelte. Er schloß hieraus, daß er dem Scheich Ibrahim vielleicht selber die Erlaubnis hierzu erteilt hätte, und sagte deshalb, um ihn zu entschuldigen: »O Fürst der Gläubigen, der Scheich Ibrahim sagte letzten Freitag zu mir: »Mein Herr Dschaafar, ich möchte in deiner und des Fürsten der Gläubigen Lebenszeit meinen Kindern ein Fest geben.« Ich fragte ihn darauf: »Was ist der Zweck dieser Worte?« Da gab er mir zur Antwort: »Ich wünschte wohl, du verschafftest mir vom Chalifen die Erlaubnis, das Fest der Beschneidung meiner Knaben im Schlosse zu feiern.« Ich erwiderte ihm nun: »Richte das Fest deinen Kindern so an, wie du es willst, so Gott will, komme ich mit dem Chalifen zusammen und teile ihm dies mit.« Darauf ging er fort mit diesem Bescheid, ich aber vergaß es dir mitzuteilen.«

Da sagte der Chalife: »Dschaafar, zuerst hattest du dich nur einmal gegen mich vergangen, jetzt aber sind zwei Vergehen daraus geworden; du hast dich in doppelter Hinsicht versündigt: einmal, daß du es mir nicht mitteiltest, das andere Mal, daß du den Scheich Ibrahim nicht seinen Zweck 134 erreichen ließest. Denn nur aus dem Grunde sprach er diese Worte zu dir, um dir eine Bitte um etwas Geld zu unterbreiten, damit er mit demselben die Kosten seines Vorhabens bestreiten könnte. Du aber gabst ihm weder etwas noch sagtest du mir davon etwas, daß ich es thun konnte.«

Dschaafar erwiderte darauf: »O Fürst der Gläubigen, ich habe es vergessen.« Nun aber versetzte der Chalife: »Bei meinen Vätern und Ahnen, ich will den Rest dieser Nacht bei ihm verbringen. Er ist ein rechtschaffener Mann, der die ScheicheIn diesem Falle bezeichnet Scheich einen heiligen oder gelehrten Mann. In Scheich Ibrahim ist es ein Respektstitel. besucht, für die Armen sorgt und die Elenden tröstet; ich glaube, daß sie alle heute bei ihm versammelt sind, und muß deshalb zu ihm gehen, vielleicht erfleht einer von ihnen Segen auf unser Haupt, der uns sowohl in dieser Welt als im Jenseits Glück bringt; auch bringt ihm vielleicht meine Anwesenheit Nutzen, und er und seine Freunde freuen sich darüber.«

Dschaafar erwiderte darauf: »O Fürst der Gläubigen, die größere Hälfte der Nacht ist bereits verflossen, und sie sind jetzt gerade im Begriff fortzugehen.« Der Chalife entgegnete jedoch: »Wir müssen hin.« Da schwieg Dschaafar bestürzt, da er sich nicht zu helfen wußte. Der Chalife aber erhob sich, stieg mit Dschaafar und seinem Eunuchen Mesrûr in der Tracht von Kaufleuten, alle drei in Nachdenken versunken, das Schloß hinab und wanderte mit ihnen durch die Gassen, bis sie zu dem erwähnten Garten anlangten. Als der Chalife nun herzutrat und den Garten geöffnet sah, verwunderte er sich und sagte: »Schau', der Scheich Ibrahim hat zu dieser Stunde noch das Gartenthor auf, das ist doch sonst nicht seine Gewohnheit.« Darauf traten sie ein und durchschritten den ganzen Garten, bis sie am Ende desselben vor dem Schlosse angelangt waren. Hier sagte der Chalife: »Dschaafar, ich möchte sie belauschen, bevor ich bei ihnen eintrete, um zu sehen, in welcher Weise die Scheiche 135 ihre Segnungen austeilen und ihre wunderbaren Gaben bethätigen, die ihnen sowohl in ihrer Abgeschiedenheit als im öffentlichen Leben Würde verleihen, zumal wo wir jetzt weder einen Laut von ihnen hören noch irgend eine Spur von ihnen sehen.« Sich darauf umblickend und einen hohen Nußbaum bemerkend, sagte er: »Dschaafar, ich will auf diesen Baum klettern, da seine Zweige nahe an die Fenster reichen, und sie beobachten,« und sogleich stieg er auf den Baum und kletterte in einem fort von Ast zu Ast, bis er den Ast gegenüber dem Fenster erreicht hatte. Wie er sich hier nun gesetzt hatte und ins Fenster schaute, erblickte er ein Mädchen und einen Jüngling, schön wie zwei Monde – Preis Ihm, der sie erschaffen! – und sah den Scheich Ibrahim mit einem Becher in der Hand dasitzen, wie er gerade zu Enîs el-Dschelîs sagte: »O Herrin der Schönen, Trinken ohne Sang und Klang macht kein Vergnügen; hast du nicht das Dichterwort gehört:

Laß ihn kreisen im großen Krug und im kleinen
Und nimm ihn aus der Hand des leuchtenden Mondes;Nämlich aus der Hand des hübschen Schenken.
Doch trink' ihn nicht ohne Sang und Klang,
Denn siehe! wenn Pferde saufen, wird auch gepfiffen –?«

Als der Chalife den Scheich Ibrahim sich in dieser Weise betragen sah, schwoll ihm die Zornader zwischen den Augen an; er stieg wieder vom Baume und sagte zu Dschaafar: »Dschaafar, solche von Frommen verrichtete Wunder wie in dieser Nacht habe ich noch nicht gesehen; steige du jetzt auch auf den Baum und sieh es dir an, damit dir die Segnungen der Frommen nicht entgehen.« Dschaafar stieg bestürzt über diese Worte des Fürsten der Gläubigen nun ebenfalls in den Gipfel des Baumes und erblickte von hier aus Nûr ed-Dîn, den Scheich Ibrahim und das Mädchen, von denen der Scheich Ibrahim gerade den Becher in der Hand hielt. Als er dies gesehen hatte, stieg er, seines Todes gewiß, wieder herunter und trat vor den Fürsten der Gläubigen, 136 der nun zu ihm sagte: »Dschaafar, gelobt sei Gott, welcher uns das heilige Gesetz äußerlich befolgen läßt und uns vor der Sünde der Verkleidung in Heuchelei bewahrt hat.«

Dschaafar vermochte in seiner tiefen Beschämung nichts hierauf zu erwidern; der Chalife blickte ihn jedoch an und sagte: »Ich möchte nur wissen, wer sie hierher gebracht und in mein Schloß geführt hat; ich habe noch niemand gesehen, der so schön und anmutig und von so ebenmäßigem Wuchse gewesen wäre wie dieser Knabe und dieses Mädchen.« Dschaafar, der nun wieder Hoffnung schöpfte den Chalifen zu besänftigen, antwortete: »Du hast recht, o Fürst der Gläubigen.« Nun sagte der Chalife wieder: »Dschaafar, wir wollen beide auf den Ast dort steigen, daß wir uns an ihnen belustigen,« worauf beide auf den Baum stiegen und sie beobachteten. Da hörten sie wie der Scheich Ibrahim sagte: »Meine Herrin, ich hab' nun einmal den Anstand verletzt und mich zum Wein gesetzt, doch nur, wenn Saiten dazu erklingen, wird das Herz ergötzt.« Darauf sagte Enîs el-Dschelîs zu ihm: »Scheich Ibrahim, bei Gott, hätten wir hier irgend ein Musikinstrument, so wäre unsre Freude vollkommen.«

Nach diesen Worten des Mädchens erhob sich der Scheich Ibrahim, der Chalife aber sagte zu Dschaafar: »Was will er nur jetzt thun?« Dschaafar antwortete: »Ich weiß es nicht.« Nach kurzer Abwesenheit kam dann der Scheich Ibrahim mit einer Laute wieder, welche der Chalife bei näherm Zusehen als die Laute seines Tischgenossen Isaak erkannte. Da sagte der Chalife: »Bei Gott, singt das Mädchen schlecht, so lasse ich euch alle aus Kreuz schlagen, singt sie aber gut, so verzeihe ich ihnen und du wirst allein gekreuzigt.« Dschaafar entgegnete darauf: »O Gott, laß sie schlecht singen.« »Warum?« fragte der Chalife. Dschaafar antwortete: »Damit du uns allesamt kreuzigst, und einer dem andern Gesellschaft leistet.« Der Chalife lachte, das Mädchen aber nahm jetzt die Laute, stimmte ihre Saiten und schlug sie so süß, daß Eisen hätte schmelzen und ein Blöder wieder Verstand 137 bekommen können. Da sagte der Chalife: »Bei Gott, Dschaafar, in meinem Leben habe ich noch nicht eine so entzückende Stimme als diese gehört.« Hierauf versetzte Dschaafar: »Vielleicht ist dann des Chalifen Zorn vergangen?« Der Chalife antwortete: »Ja.«

Nun stiegen beide wieder vom Baume, und der Chalife wendete sich zu Dschaafar und sagte zu ihm: »Ich möchte hinaufgehen und mich zu ihnen setzen, daß ich das Mädchen vor mir singen hören kann.« Dschaafar entgegnete: »O Fürst der Gläubigen, wenn du plötzlich bei ihnen eintrittst, so werden sie sich bedrückt fühlen, der Scheich Ibrahim aber wird vor Schreck sterben.« Der Chalife erwiderte jedoch: »Dschaafar, du mußt mir eine List ausfindig machen, durch welche ich hinter den wahren Sachverhalt dieser Geschichte komme, ohne daß sie merken, daß wir sie auszukundschaften suchen.«

Hierauf schritten der Chalife und Dschaafar, die Sache überlegend, nach dem Tigris zu, wo gerade ein Fischer unter den Fenstern des Schlosses sein Netz ausgeworfen hatte, um durch einen Fang sein Brot zu verdienen. Nun aber hatte der Chalife früher einmal den Scheich Ibrahim gerufen und ihn gefragt: »Was soll der Lärm unter den Fenstern des Schlosses?« Auf die Antwort, daß es der Lärm der Fischer wäre, die dort fischten, hatte er dann zu ihm gesagt: »Geh' hinunter und verbiete ihnen hier zu fischen.« Die Fischer hatten dann auch den Ort gemieden, als aber in dieser Nacht ein Fischer, Namens Kerîm, hier vorüberkam und das Gartenthor offen sah, hatte er bei sich gesprochen: »Das ist eine unbewachte Stunde, ich will die Gelegenheit rasch zu einem Fang benutzen,« hatte sein Netz genommen, in den Strom geworfen und sprach eben die Verse:

»Der du das Meer befährst, umringt von Schrecknissen und Verderben,
Kürze deine Mühe, denn nicht aus Arbeit kommt dir dein Brot.
Schau dort den Fischer am Strome in glitzernder Sternennacht,
Von Wogen umbrandet späht er hinaus aufs Netz,
Während der Schloßherr droben behaglich die Nacht verbringt.
Preis meinem Herrn, der diesem giebt und jenem versagt,
Fischen muß der eine, der andre ißt den Fisch.« 138

Kaum hatte der Fischer seine Verse beendet, da stand plötzlich der Chalife vor ihm und rief ihn, da er ihn kannte, bei seinem Namen: »Kerîm!« Als er seinen Namen rufen hörte, wendete er sich um; wie er aber den Chalifen erblickte, sprach er mit zitternden Muskeln: »O Fürst der Gläubigen, nicht um dein Edikt zu verspotten, habe ich dies gethan, sondern Not und die Sorge für meine Familie haben mich hierzu getrieben.« Der Chalife erwiderte ihm: »Fische auf mein Glück.« Da warf der Fischer in höchster Freude das Netz aus und wartete bis es die Grenze seines Bereiches erreicht hatte und festlag. Dann zog er es wieder ein und holte eine zahllose Menge Fische von allerlei Sorten heraus. Erfreut hierüber sagte der Chalife: »Kerîm, nun zieh' deine Kleider aus.« Der Fischer hatte aber eine mit hundert groben wollenen Lappen geflickte Ärmelweste an, die voll geschwänzter Läuse saß und so von Flöhen wimmelte, daß er mit denselben fast über die ganze Erde geflogen wäre; dazu trug er einen Turban um den Kopf, den er seit drei Jahren nicht abgenommen und mit jedem Lappen, den er fand, umwickelt hatte. Als er nun die Weste ausgezogen und den Turban abgenommen hatte, legte der Chalife seinerseits zwei Gewänder aus alexandrinischer und baalbeker Seide nebst noch zwei andern Kleidungsstücken ab und sagte zum Fischer: »Nimm diese Sachen und zieh sie dir an.« Dann zog er selber die Ärmelweste des Fischers an, setzte seinen Turban aufs Haupt und sagte, nachdem er noch einen LithâmEin Schleier, welcher die untere Gesichtshälfte bedeckt. vors Gesicht gebunden hatte, zum Fischer: »Geh' deines Weges,« worauf der Fischer dem Chalifen den Fuß küßte und dankend die Verse sprach:

»So reich hat mich deine Güte beschenkt, daß ich nicht weiß dir zu danken,
Du hast mir alles in reichstem Maße verliehen.
So lange ich lebe, will ich dir danken und, bin ich gestorben,
Werden meine Gebeine im Grabe dir noch dankbar sein.« 139

Ehe aber noch der Fischer seine Verse beendet hatte, fingen die Läuse an auf der Haut des Chalifen umherzukrabbeln, so daß er, sie bald mit der rechten bald mit der linken Hand vom Nacken fangend und fortwerfend, rief: »Fischer, weh dir, was sollen die vielen Läuse in der Weste?« Der Fischer antwortete: »Mein Herr, jetzt beißen sie dich noch; nach einer Woche aber spürst du sie nicht mehr und denkst gar nicht mehr daran.« Da sagte der Chalife lachend: »Weh dir, wie kann ich diese Weste auf meinem Leibe behalten?« Darauf versetzte der Fischer: »Ich hätte Lust, dir etwas zu sagen, doch hält mich die Scheu vor dem Chalifen davon ab.« Der Chalife entgegnete: »Sprich, was du zu sagen hast.« Da sagte der Fischer zu ihm: »Ich denke, o Fürst der Gläubigen, du möchtest das Fischerhandwerk erlernen, damit du ein nützliches Handwerk verstehst. Beabsichtigst du das aber, so paßt dir diese Weste ausgezeichnet.« Der Chalife lachte über die Worte des Fischers und nahm nun, während der Fischer seines Weges ging, den Fischkorb, legte etwas Gras darüber und ging damit zu Dschaafar. Als dieser ihn vor sich erblickte hielt er ihn für den Fischer Kerîm und sagte besorgt um ihn: »Kerîm, was hat dich hierher geführt? Mach' dich aus dem Staube, der Chalife ist heute Nacht hier.« Der Chalife lachte über Dschaafars Worte so stark, daß er auf den Rücken fiel; darauf fragte Dschaafar: »Bist du etwa unser Gebieter, der Fürst der Gläubigen?« Der Chalife antwortete: »Ja, Dschaafar; und du bist mein Wesir und hast mich, trotzdem wir beide zusammen hierherkamen, nicht erkannt; wie sollte mich also der betrunkene Scheich Ibrahim erkennen? Bleib' nun hier stehen, bis ich wieder zu dir zurückkehre.« Dschaafar antwortete: »Ich höre und gehorche,« und der Chalife begab sich nun zum Schloß und klopfte an die Thür. Der Scheich Ibrahim erhob sich darauf und fragte: »Wer ist an der Thür?« Der Chalife antwortete: »Ich, Scheich Ibrahim.« Da fragte der Scheich: »Wer bist du?« Der Chalife antwortete: »Ich bin der Fischer Kerîm; ich 140 hörte, daß du Gäste bei dir hättest, und bringe dir deshalb ein paar schöne Fische.« Als Nûr ed-Dîn und sein Mädchen hörten, daß von Fischen die Rede war, riefen sie erfreut, da sie dieselben sehr gern aßen: »Mein Herr, öffne doch und laß ihn mit seinen Fischen zu uns hereinkommen.« Infolgedessen öffnete der Scheich Ibrahim die Thür, und der Chalife trat in der Kleidung des Fischers herein. Auf seinen Gruß erwiderte ihm der Scheich Ibrahim: »Willkommen, du Räuber, du Dieb, du Spieler! Komm' her und laß uns deine Fische sehen.« Wie er sie ihnen nun zeigte, und sie sahen, daß sie noch lebendig waren und zappelten, sagte das Mädchen: »Bei Gott, mein Herr, die Fische sind gut; ach, wären sie doch gebraten!« Der Scheich Ibrahim erwiderte: »Bei Gott, du hast recht,« und sagte zum Chalifen: »Fischer, hättest du doch die Fische gleich gebraten gebracht! Geh' und brate sie uns.« Der Chalife antwortete: »Auf den Kopf brate ich und bringe ich sie.« Nachdem sie ihm dann noch eingeschärft hatten sich zu beeilen, lief der Chalife schnell zu Dschaafar hinunter und sagte zu ihm: »Dschaafar, sie wollen die Fische gebraten haben.« Dschaafar erwiderte: »O Fürst der Gläubigen, gieb sie her, ich will sie braten.« Der Chalife entgegnete jedoch: »Bei den Grüften meiner Väter und Ahnen, ich will sie mit meiner eigenen Hand braten.«

Darauf begab sich der Chalife zur Hütte des Gärtners und suchte so lange, bis er alle zum Braten erforderlichen Sachen bis aufs Salz und den Thymian und dergleichen gefunden hatte. Dann trat er an den Herd, setzte die Pfanne auf und briet sie kunstgerecht. Als sie gar waren, legte er sie auf ein Bananenblatt, nahm aus dem Garten einige Limonen dazu, stieg so mit den Fischen wieder zum Schloß hinauf und setzte sie ihnen vor, worauf der Jüngling, das Mädchen und der Scheich sich über dieselben hermachten und sie aßen. Als sie nun die Fische verzehrt hatten, sagte Nûr ed-Dîn: »Bei Gott, Fischer, du hast uns heute Nacht eine Gefälligkeit erwiesen;« dann fuhr er mit der Hand in die 141 Tasche, holte drei von den Dinaren, die ihm Sendscher bei seiner Flucht gegeben hatte, heraus und warf sie dem Chalifen zu, indem er dabei sprach: »Fischer, entschuldige mich, bei Gott, hätte ich dich früher, bevor mich das Mißgeschick traf, gekannt, ich hätte dein Herz von der Bitterkeit der Armut befreit; nun nimm dies wenigstens als meinen Verhältnissen entsprechend.«

Der Chalife hob sie auf, küßte sie und steckte sie in seine Tasche; doch, da sein Verlangen nicht hiernach gestanden hatte, sondern er nur das Mädchen singen hören wollte, sagte er: »Du hast mich reich und überreich beschenkt, doch wünschte ich wohl von deiner unbegrenzten Güte, daß uns dieses Mädchen etwas vorsingt.«

Alī Nûr ed-Dîn rief nun: »Enîs el-Dschelîs.« Sie antwortete: »Ja.« Darauf sagte er: »Bei meinem Leben, singe uns doch etwas, diesem Fischer zuliebe, vor, da er dich hören möchte.« Als sie die Worte ihres Herrn vernahm, griff sie zur Laute, spannte die Saiten und trug, die Finger darüber gleiten lassend, die beiden Verse vor:

Der Zarten Finger gleiten über die Laute hin
Und rauben die Seele bei jedem Schlag.
Des Tauben Ohren erklingen von ihren Weisen,
Und der Stumme preist sie ob ihres Gesangs.

Nach einem eigenartigen, sinnbestrickenden Zwischenspiel sang sie dann die beiden Verse:

Wir wurden beehrt durch euer Kommen in unser Land,
Euer Glanz hat ausgelöscht das Dunkel der finstersten Nacht.
Drum muß ich mein Haus mit Wohlgerüchen erfüllen,
Muß es durchdüften mit Moschus, Rosenwasser und Kampfer.

Der Chalife war durch ihr Spiel und ihren Gesang so ergriffen, daß er, von Entzücken hingerissen und vor Erregung seiner selbst nicht mehr mächtig, rief: »Gott mache dich angenehm! Gott mache dich angenehm! Gott mache dich angenehm!« Da fragte ihn Nûr ed-Dîn: »Fischer, gefällt dir das Mädchen und ihr Saitenspiel?« Der Chalife antwortete: »Ja, bei Gott.« Da sagte Nûr ed-Dîn: »Ich schenke 142 sie dir, wie ein Edler schenkt, der seine Gabe nicht bereut und nicht zurücknimmt;« darauf erhob er sich, nahm einen Mantel, warf ihn über den Chalifen und befahl ihm mit dem Mädchen fortzugehen. Enîs el-Dschelîs blickte ihn an und sagte: »Mein Herr, willst du ohne Abschied von mir scheiden? Wenn es denn sein muß, so warte nur noch so lange, bis ich von dir Abschied genommen habe.« Dann trug sie die beiden Verse vor:

»Weilt ihr auch ferne von mir, so lebt ihr doch in meinem Herzen,
In meiner Brust tiefinnen ist euer Gemach.
Vom Erbarmer erflehe ich unsere Wiedervereinigung,
Gott verleiht diese Gnade wohl einem, dem er wohl will.«

Als sie ihre Verse gesprochen hatte, antwortete ihr Nûr ed-Dîn:

»Am Trennungstage nahm sie Abschied von mir,
Und weinend sprach sie im Trennungsschmerz:
Was wirst du beginnen, wenn ich dir fehle?
Ich sprach: So frage den, der die Trennung überdauert.«

Als der Chalife diese Verse vernahm, fiel es ihm schwer, sie voneinander zu trennen. Er wendete sich daher an den Jüngling und fragte ihn: »Mein Herr, bist du etwa in Furcht um eines Vergehens willen oder drückt dich eine Geldschuld?« Nûr ed-Dîn antwortete ihm auf seine Frage: »Fischer, bei Gott, diesem Mädchen und mir ist eine wunderbare Geschichte und eine merkwürdige Begebenheit zugestoßen; wahrlich, wenn sie mit Nadeln in die Augenwinkel geschrieben würde, sie würde eine Lehre sein für alle, die sich belehren lassen.« Da sagte der Chalife: »Willst du mir nicht deine Geschichte mitteilen und mir dein Mißgeschick erzählen? Vielleicht möchte dir dies Trost bringen, denn siehe, Gottes Trost ist nahe.« Nun sagte Nûr ed-Dîn: »Fischer, willst du meine Geschichte in Prosa hören oder in Versen?« Der Chalife antwortete: »Prosa sind nur Worte, Verse aber eine Perlenschnur.« Darauf senkte Nûr ed-Dîn sein Haupt zu Boden und sprach die Verse: 143

»Mein Freund, mich flieht der Schlaf in der Nacht,
Und mein Gram wächst düster im fremden Land.
Wie war mein Vater zärtlich zu mir!
Lang steht seine Wohnung im dunkeln Grab.
Seit jener Stunde hat manches Leid
Das Herz mir zerstückelt mit herbem Schlag.
Mir hatte mein Vater ein Mädchen gekauft,
Schwebend und schwank und zart wie ein Reis,
Viel Güter auch erbt' ich, sie stoben dahin – –«

Und nun trug er dem Chalifen seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende vor, wie er sein Gut an seine Freunde großmütig verschenkt hatte, wie er in bitterster Not gezwungen wurde sein Mädchen zu verkaufen, und wie es ihm dann weiter ergangen war, jedoch ohne irgend einen Namen zu nennen. Er schloß seinen Vortrag mit den Versen:

»So flohen wir unter dem Fittich der Nacht
Zur Stätte des Friedens zu sicherm Asyl.
Von all meinen Schätzen und Gütern blieb nichts,
Als dies Mädchen, o Fischer, die Gabe für dich.«
So nimm meines Herzens Geliebte denn hin
Und glaub' es, ich schenk' dir mein eigenes Herz.«

Als er sein Lied beendet hatte, bat ihn der Chalife: »Mein Herr Nûr ed-Dîn, mache mich mit deiner Geschichte näher bekannt.« Da deckte er ihm alles auf, und der Chalife fragte ihn, nachdem er in alles Einsicht erlangt hatte: »Wohin beabsichtigst du jetzt zu gehen?« Nûr ed-Dîn antwortete: »Gottes Land ist weit.« Nun sagte der Chalife zu ihm: »Ich will dir einen Schein schreiben, den du dem Sultan Mohammed, dem Sohne des Suleimân es-Seinī, übergeben sollst. Wenn er diesen Schein gelesen hat, wird er dir nichts böses zufügen.«

Sechsunddreißigste Nacht.

Da sagte Nûr ed-Dîn: »Giebt es auf der Welt einen Fischer, der mit Königen im Briefwechsel steht? Das ist ein ganz unmögliches Ding.« »Du hast recht,« versetzte der Chalife, »ich will dir jedoch die Ursache hiervon mitteilen. 144 Wisse, ich und er, wir lernten beide in derselben Schule unter einem Lehrer lesen, dessen Famulus ich war. Ihn traf dann das Glück, daß er Sultan ward, während ich ein Fischer wurde.Die orientalische Geschichte ist reich an solchen Glückscarrieren. Man denke nur an den Begründer der jetzt in Ägypten herrschenden Dynastie. Niemals aber schickte ich noch zu ihm irgend eines Anliegens wegen, das er mir nicht erfüllt hätte, und wenn ich täglich wegen tausend Anliegen zu ihm schickte, so würde er sie mir alle erfüllen.«

Als Nûr ed-Dîn dies vernahm, sagte er zu ihm: »Schreib', daß ich es sehe.« Da nahm er Tinte und Feder und schrieb nach dem üblichen Eingange »Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen«Mit diesen Worten leitete Mohammed sämtliche Suren des Korans ein, und wird nach seinem Vorbilde diese Formel allen Schriftstücken &c. vorangeschickt. folgendermaßen: »Des Ferneren, so ist dieses Schreiben von Hārûn er-Raschîd, dem Sohne des El-Mahdī, an seine Hoheit Mohammed, den Sohn des Suleimân es-Seinī, den von meiner Huld Umfaßten, den ich zum Vicekönig an meiner Statt über einen Teil meines Königreiches gesetzt habe. Ich thue dir hiermit zu wissen, daß der Überbringer dieses Schreibens Nûr ed-Dîn, der Sohn des Wesirs Chākân ist; zur Stunde, da er zu euch gelangt, lege die Regierung nieder und laß ihn an deinem Platze sitzen, denn ich habe ihn von nun an in das Amt eingesetzt, das ich dir zuvor verliehen hatte. Tritt meinem Befehle nicht entgegen, und Frieden sei mit dir.«

Hierauf übergab er den Brief Alī Nûr ed-Dîn, dem Sohne des Chākân, und Alī Nûr ed-Dîn nahm ihn, küßte ihn, steckte ihn in seinen Turban und reiste auf der Stelle ab. – Als er nun fort war, blickte der Scheich Ibrahim den Chalifen an und sagte zu ihm: Du verächtlichster aller Fischer, du hast uns da zwei Fische gebracht, die einen Wert von zwanzig Halben (Dirhem) haben, hast dafür drei Dinare bekommen und willst nun auch noch das Mädchen 145 nehmen?« Als der Chalife diese Worte von ihm vernahm, schrie er ihn an und gab Mesrûr ein Zeichen, der sofort erschien und sich auf den Scheich Ibrahim stürzte. Inzwischen hatte auch Dschaafar schon einen von seinen Burschen zum Pförtner des Palastes geschickt, um von ihm einen Anzug für den Fürsten der Gläubigen zu verlangen. Als derselbe nun mit dem Anzuge ankam und die Erde vor dem Chalifen küßte, tauschte er die Kleider, die er anhatte, mit dem Anzug ein und stellte sich vor den Scheich Ibrahim, der auf einem Stuhle saß, um zu sehen, was kommen würde. Verwirrt und völlig verblüfft kaute dieser an seinen Fingerspitzen und sprach: »Schlafe ich oder bin ich wach?« Da sah ihn der Chalife an und sagte: »Scheich Ibrahim, in welchem Zustande muß ich dich hier sehen?« Als er diese Worte vernahm, kam er aus seinem Rausche wieder zu sich und warf sich zu Boden, die beiden Verse sprechend:

»Vergieb mir die Schuld, in welcher mein Fuß gestrauchelt ist,
Denn siehe, der Herr ist voll Großmut gegen den Sklaven.
Durch Beichte sühnt schon die Thorheit ihr Vergehen,
Was also vermag nicht Gnade und Großmut zu sühnen?«

Der Chalife verzieh ihm und gab nun Befehl, das Mädchen nach dem Palaste zu schaffen. Dort angelangt gab ihr der Chalife eine eigene Wohnung, betraute einige mit ihrer Bedienung und sagte zu ihr: »Wisse, ich habe deinen Herrn als Sultan nach Basra geschickt, und, so Gott will, schicken wir ihm ein Ehrenkleid und dich dazu zu ihm.«

Was nun Nûr ed-Dîn anlangt, den Sohn des Chākân, so war derselbe ohne Aufenthalt gereist, bis er nach Basra kam. Dort ging er zum Schlosse des Sultans und schrie so laut, daß es der Sultan hörte und ihn vor sich kommen ließ. Als er vor ihn geführt wurde, küßte er die Erde vor ihm, holte das Schreiben hervor und händigte es ihm ein. Beim Anblick der Überschrift, die er sogleich als die Handschrift des Fürsten der Gläubigen erkannte, erhob sich der Sultan, küßte das Schreiben dreimal und sagte: »Ich höre 146 und gehorche Gott, dem Erhabenen, und dem Fürsten der Gläubigen.« Hierauf ließ er die vier Kadis kommen und die Emire und wollte sogleich die Regierung niederlegen, als mit einem Male der Wesir El-Muîn, der Sohn des Sâwī, erschien und, nachdem ihm der Sultan das Schreiben des Fürsten der Gläubigen eingehändigt und er es gelesen hatte, dasselbe in Stücken riß, in seinen Mund steckte, zerkaute und hinunterschluckte. Da sagte der Sultan erzürnt zu ihm: »Weh' dir, was veranlaßt dich zu solchem Frevel?« Der Wesir erwiderte: »Dieser da ist weder mit dem Chalifen noch seinem Wesir zusammengekommen; das ist nur ein Galgenstrick, ein Satan und Erzbetrüger, dem ein Stück Papier mit der Handschrift des Chalifen in die Hände gefallen ist, und der sie nun nachgemacht und, was er will, geschrieben hat. Weswegen willst du vom Sultanat abtreten, wo dir der Chalife keinen Gesandten mit einem Chatti-scherîfKabinettsorder. geschickt hat? Wäre diese Sache wahr, so hätte er sicherlich einen Kämmerling oder einen Wesir ihm beigegeben; er ist aber allein gekommen.«

Da fragte ihn der Sultan: »Was soll geschehen?« Der Wesir antwortete: »Laß diesen jungen Mann mit mir gehen, ich will ihn unter meine Aufsicht nehmen und ihn unter Begleitung eines Kämmerlings nach der Stadt Bagdad schicken. Hat er die Wahrheit gesprochen, so bringt er uns einen Chatti-scherîf und ein Investiturdiplom; hat er aber die Unwahrheit gesprochen, so werden sie ihn mit dem Kämmerling zu uns zurückschicken, und ich räche mich an meinem Beleidiger.« Als der Sultan diese Worte seines Wesirs vernommen hatte, übergab er ihm Nûr ed-Dîn. Der Wesir aber nahm ihn mit sich nach Haus und befahl dort seinen Burschen ihn niederzuwerfen und ihn zu peitschen, bis er ohnmächtig würde. Dann befahl er ihnen seine Füße in Fesseln zu legen und rief nach dem Kerkermeister. Als 147 derselbe, dessen Name Kuteit war, erschien und die Erde vor ihm küßte, sagte er zu ihm: »Kuteit, du sollst diesen hier nehmen, ihn in eine der unterirdischen Zellen deines Kerkers werfen und ihn Tag und Nacht züchtigen.«

Der Kerkermeister antwortete: »Ich höre und gehorche,« und führte Nûr ed-Dîn in den Kerker, nachdem er aber die Thür hinter ihm verriegelt hatte, befahl er eine Steinbank, die sich dort hinter der Thür befand, für ihn zu kehren und ihm einen Gebetsteppich und ein Kissen darauf zu breiten. Dann legte er Nûr ed-Dîn darauf, löste ihm seine Fesseln und behandelte ihn aufs beste. Jeden Tag aber schickte der Wesir zum Kerkermeister und befahl ihm Nûr ed-Dîn zu schlagen, und der Kerkermeister stellte sich so als ob er ihn züchtigte, während er ihn aufs freundlichste behandelte.

In dieser Weise waren schon vierzig Tage verstrichen, als am einundvierzigsten Tage von dem Chalifen ein Geschenk eintraf. Als der Sultan es in Augenschein nahm, gefiel es ihm, und er beriet sich mit den Wesiren darüber, von denen der eine meinte: »Vielleicht ist dieses Geschenk für den neuen Sultan bestimmt.« Da sagte der Wesir El-Muîn, der Sohn des Sâwī: »Es wäre das Beste gewesen, er wäre damals, als er ankam, gleich hingerichtet worden.« Der Sultan erwiderte darauf: »Bei Gott, da du mich eben wieder an ihn erinnert hast, so geh' fort und bring' ihn her, daß ich ihm den Kopf abschlage.« Der Wesir antwortete: »Ich höre und gehorche;« aufstehend fügte er jedoch noch hinzu: »Ich will in der Stadt über ihn ausrufen lassen: Wer sich an der Enthauptung Alī Nûr ed-Dîns, des Sohnes des Chākân, ergötzen will, der komme zum Schloß! so daß das ganze Volk zusammenströmt, um sich an ihm zu ergötzen, und ich mein Herz heile und meine Neider kränke.«

Der Sultan erwiderte darauf: »Thue, was du willst,« und der Wesir ging fröhlich und guter Dinge zum Wâlī, um ihm den Befehl zu erteilen oben erwähntes ausrufen zu lassen. 148

Als nun die Leute den Ausrufer hörten, wurden sie traurig und selbst die Kleinen in den Schulen und das Volk in den Läden weinte; dann lief die Mehrzahl um die Wette, sich Plätze zu verschaffen, von wo sie dem Schauspiel beiwohnen konnten, ein anderer Teil aber ging zum Gefängnis, um ihm das Geleit zu geben, wohin sich der Wesir in Begleitung von zehn Mamluken ebenfalls aufgemacht hatte. Als er dort ankam, fragte ihn der Kerkermeister Kuteit: »Was wünschest du, mein Gebieter und Wesir?« Der Wesir El-Muîn antwortete: »Bringe mir jenen Galgenstrick her.« Der Kerkermeister antwortete: »Es geht ihm infolge der vielen Schläge jetzt ganz erbärmlich;« dann begab er sich ins Gefängnis und fand ihn, wie er gerade die Verse sprach:

»Wer bringt mir Hilfe in meinem Elend?
Meine Krankheit ist schwer und teuer die Arznei.
Die Trennung hat mir Seele und Odem verzehrt,
Und die Zeit meine Freunde in Feinde verwandelt.
O Volk, ist unter dir kein mitleidiger Freund,
Der mein Elend beklagt oder Antwort giebt meinem Ruf?
Leicht fällt mir der Tod mit aller seiner Qual,
Wo die Hoffnung auf Glück mir für immer zerschnitten.
O Herr, bei dem Führer, dem auserkorenen Verkünder,
Bei dem Ocean aller Tugenden und Herrn aller Fürsprecher,
Ich flehe dich an, erlöse mich, vergieb meine Sünde
Und wende von mir mein Elend und meine Qual!«

Hierauf zog ihm der Kerkermeister seine reinen Kleider aus und legte ihm zwei schmutzige Kleider an; dann führte er ihn vor den Wesir. Als ihn nun Nûr ed-Dîn sah und seinen Feind, der nicht geruht hatte nach seinem Leben zu trachten, erblickte, weinte er und sagte zu ihm: »Bist du vor dem Schicksal so sicher? Hast du nicht das Wort des Dichters gehört:

Sie waren mit Macht begabt und walteten hart ihres Amtes,
Doch in Bälde schon war's, als ob ihre Macht nie gewesen?«

Dann setzte er noch die Worte hinzu: »O Wesir, wisse, daß Gott – Preis ihm, dem Erhabenen! – thut, was er 149 will.« Der Wesir antwortete ihm jedoch: »Alī, willst du mir mit diesen Worten Furcht einjagen, wo ich dir heute, dem Volke von Basra zum Trotz, den Kopf abschlagen will? Ich will auf deinen Rat nicht hören, vielmehr das Dichterwort befolgen:

Laß die Tage walten nach ihrem Belieben
Und gieb dich zufrieden mit dem Ratschluß des Schicksals.

Wie schön hat auch ein anderer Dichter gesprochen:

Wer nur einen Tag seinen Feind überlebt hat,
Der hat seines Herzens Wunsch erreicht.«

Hierauf befahl der Wesir seinen Burschen Alī Nûr ed-Dîn auf den Rücken eines Maultiers zu setzen; die Burschen aber, denen dies hart ankam, sagten zu ihm: »Laß uns ihn steinigen und in Stücke hauen, sollte es uns auch das Leben kosten.« Alī Nûr ed-Dîn entgegnete jedoch: »Das geschehe nimmermehr! Habt ihr nicht das Wort des Dichters gehört:

Die Zeit, die mir versiegelt ist, bleibt mir zum Leben,
Und sind ihre Tage vollendet, so muß ich sterben.
Und wenn mich auch Löwen in ihre Dickichte schleppten,
So lange meine Zeit nicht verstrichen ist, haben sie keine Macht über mich.«

Nachdem sie ihn nun aufs Maultier gesetzt hatten, riefen sie vor ihm aus: »Das ist der geringste Lohn für den, welcher ein Schreiben des Chalifen an den Sultan fälscht,« und führten ihn durch alle Straßen Basras, bis daß sie ihn unter die Fenster des Schlosses auf den Blutplatz stellten. Dann trat der Scharfrichter an ihn heran und sagte: »Ich bin ein Sklave unter Befehl; hast du noch irgend ein Anliegen, so sag' es, daß ich es dir erfüllen kann, denn du hast nur noch so lange zu leben, bis der Sultan sein Gesicht zum Fenster heraussteckt.«

Nach diesen Worten blickte Alī Nûr ed-Dîn sich nach rechts und links um und sprach dann die Verse: 150

»Ist unter euch ein mitleidiger Freund, der mir helfen will?
Ich beschwöre euch bei Gott, gebt Antwort auf meine Frage.
Meines Lebens Zeit ist verstrichen und mein Verhängnis genaht,
Erbarmt sich nicht einer um künftigen Lohnes willen?
Schaut keiner mein Leid und stillt meinen Kummer
Und lindert meine Qualen durch einen Trunk Wasser?«

Alle Leute weinten, wie sie diese Verse vernahmen, und der Scharfrichter reichte ihm einen Trunk Wasser in einem irdenen Krug. Da aber sprang der Wesir auf, schlug ihm den Krug aus der Hand, daß er zerbrach, und schrie den Scharfrichter an: »Schlag' ihm den Kopf ab.«

Wie nun der Scharfrichter Alī Nûr ed-Dîn die Augen verband, das Volk aber den Wesir anschrie und großes Geschrei wider ihn erhob, und die Worte zwischen ihnen hin- und herflogen, erhob sich plötzlich der Staub, und eine Staubwolke erfüllte die Luft und das Feld. Als der Sultan dieselbe vom Schlosse aus sah, befahl er: »Sehet zu, was es giebt.« Der Wesir antwortete: »Zuvor wollen wir diesem da erst den Kopf abschlagen;« der Sultan erwiderte jedoch: »Warte, bis wir gesehen haben, was es giebt.«

Nun rührte diese Staubwolke aber von Dschaafar, dem Wesire des Chalifen, und seinem Gefolge her, und die Ursache seines Erscheinens war folgende: Dreißig Tage waren schon verflossen, daß weder der Chalife sich an Alī Nûr ed-Dîn erinnert noch auch ein anderer von ihm zum Chalifen gesprochen hätte, als er eines Nachts an dem Gemach der Enîs el-Dschelîs vorüberkam und sie weinen und mit sanfter Stimme den Vers sprechen hörte:

Ich schaue dich stets, ob du ferne bist oder nahe weilst,
Und meine Zunge wird nicht müde deinen Namen zu sprechen.

Als sie darauf noch heftiger schluchzte, öffnete der Chalife die Thür und trat ins Gemach zu der weinenden Enîs el-Dschelîs. Bei seinem Anblick warf sie sich ihm zu Füßen, küßte dieselben dreimal und sprach die beiden Verse: 151

»O du, von reinem Ursprung und edler Geburt,
Fruchttragendes, reifes Reis, lautersten Hauses Sproß,
Ich erinnere dich an dein großmütiges Versprechen,
Fern sei es von dir, daß du es vergäßest!«

Da fragte sie der Chalife: »Wer bist du?« Sie antwortete: »Ich bin das Geschenk Alīs, des Sohnes des Chākân, an dich und bitte dich um die Erfüllung deines Versprechens, daß du mich mit der Ehrengabe zu ihm schickst; dreißig Tage bin ich nun schon hier, ohne daß ich die Speise des Schlafes zu kosten bekommen hätte.«

Als der Chalife ihre Bitte vernommen hatte, schickte er nach Dschaafar, dem Barmekiden, und sagte zu ihm: »Seit dreißig Tagen habe ich von Alī, dem Sohne des Chākân, keine Nachricht erhalten; ich fürchte, daß ihm der Sultan das Leben genommen hat, aber, bei meinem Haupte und den Grüften meiner Väter und Ahnen, wenn ihm Gewalt geschehen ist, so verderbe ich den, der die Ursache hierzu gewesen ist, und wäre er mir am wertesten von allen Menschen. Du sollst unverzüglich nach Basra reisen und mir Nachricht bringen über alles, was zwischen dem Könige Mohammed, dem Sohne des Suleimân es-Seinī, und Alī, dem Sohne des Chākân, vorgefallen ist.«

Dschaafar hatte sofort den Befehl des Chalifen vollzogen und rief nun beim Anblick dieses Aufruhrs und Getümmels: »Was soll dieses Getümmel?« Als man ihm mitteilte, was eben mit Alī Nûr ed-Dîn, dem Sohne des Chākân, geschehen sollte, eilte er zum Sultan hinauf ins Schloß, begrüßte ihn, teilte ihm seinen Auftrag mit und meldete ihm, daß, falls Alī Nûr ed-Dîn irgendwie Gewalt geschähe, derjenige, der die Ursache davon gewesen wäre, umkommen solle. Darauf legte er Hand an den Sultan und an seinen Wesir El-Muîn, den Sohn des Sâwī, befahl Alī Nûr ed-Dîn loszulassen und setzte ihn an Stelle des Sultans Mohammed, des Sohnes des Suleimân es-Seinī, zum Sultan ein. Nachdem er dann drei Tage, die übliche Besuchszeit, in Basra 152 verweilt hatte, und der Morgen des vierten Tages anbrach wendete sich Alī, der Sohn des Chākân, an Dschaafar und sagte zu ihm: »Ich habe Sehnsucht das Angesicht des Fürsten der Gläubigen zu schauen.« Da sagte Dschaafar zu dem Könige Mohammed, dem Sohne des Suleimân: »Mach' dich reisefertig; sobald wir das Morgengebet verrichtet haben, brechen wir nach Bagdad auf.« Er antwortete: »Ich höre und gehorche,« worauf sie das Morgengebet verrichteten und insgesamt zu Pferde stiegen; während aber der Wesir El-Muîn, der Sohn des Sâwī, nun sein Verfahren gegen Alī Nûr ed-Dîn bereute, ritt dieser an der Seite des Dschaafar, bis sie in Bagdad, der Stätte des Friedens, anlangten.

Als sie nun dort vor dem Chalifen erschienen waren und ihm über Nûr ed-Dîns Behandlung Bericht erstattet hatten, trat der Chalife an Alī, den Sohn des Chākân, heran und sagte zu ihm: »Nimm dieses Schwert und schlag' damit deinem Feinde den Kopf ab.« Da nahm er das Schwert und trat an El-Muîn, den Sohn des Sâwī, heran. Dieser blickte ihn jedoch an und sagte: »Ich habe gemäß meiner Natur gehandelt, nun handle du nach deiner Natur.« Auf diese Worte hin warf Alī Nûr ed-Dîn das Schwert aus der Hand und sagte, den Chalifen anblickend: »O Fürst der Gläubigen, er hat mich überlistet,« und sprach das Dichterwort:

Mit einer List fing ich ihn, als er kam,
Denn der Edle wird durch ein gutes Wort überlistet.

Da sagte der Chalife: »So laß es,« dann aber rief er Mesrûr und befahl ihm: »Komm du her und schlag' ihm den Kopf ab.« Nachdem Mesrûr den Befehl des Fürsten der Gläubigen vollzogen hatte, sagte dann der Chalife zu Alī Nûr ed-Dîn, dem Sohne des Chākân: »Erbitte dir eine Gnade.« Darauf sagte Alī Nûr ed-Dîn: »Mein Herr, ich trage nicht Verlangen nach der Königswürde von Basra, mich verlangt nur danach, das Angesicht deiner Hoheit schauen zu dürfen.« Der Chalife antwortete: »Recht gern;« dann 153 ließ er das Mädchen rufen und machte, als sie erschienen war, ihnen beiden Geschenke, gab ihnen eins von seinen Schlössern in Bagdad, setzte ihnen Einkünfte fest, nahm Aī Nûr ed-Dîn unter seine Tischgenossen auf, und beide lebten fortan bei ihm, bis sie der Tod ereilte.

Doch ist diese Geschichte nicht wunderbarer als die Geschichte Ghanems, des verstörten Sklaven der Liebe, und seiner Schwester Fitne.

Da fragte sie der König: »Wie ist diese Geschichte?« Schehersad erzählte:

 


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