Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band II
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Schluß der Geschichte des Schneiders und des Buckeligen.

»Als wir diese Geschichte – fuhr der Schneider in seiner Erzählung vor dem Könige von China fort – von dem Barbier vernommen und uns von seiner Zudringlichkeit und Geschwätzigkeit überzeugt hatten und einsahen, daß der junge Mann von ihm mißhandelt worden war, nahmen wir den Barbier fest, sperrten ihn ein und setzten uns rings um seinen Verschluß. Dann aßen und tranken wir sicher vor ihm, bis das Festmahl nach dem schönsten Verlauf endete. Erst als der Vespergebetsruf erscholl, standen wir auf und gingen fort. Als ich dann nach Hause kam, machte meine Frau ein saures Gesicht und sagte: »Du vergnügst dich den ganzen Tag über, während ich bekümmert zu Hause sitzen muß? Wenn du jetzt nicht mit mir ausgehst und mir für den Rest des Tages Zerstreuung schaffst, so soll dies der Grund unserer Scheidung sein.« Infolgedessen ging ich mit ihr wieder aus, und wir belustigten uns bis zum Abend, als wir auf dem Heimwege mit diesem Buckeligen zusammentrafen, der ganz mit Wein angefüllt war und diese Verse sang:

Blank ist das Glas und blinkend der Wein,
    Und schwankend und wankend der Zecher;
Eins wie das andre so klar und so rein,
    Nun sagt mir, was Wein und was Becher.

Ich lud ihn zu mir ein, und er sagte zu, worauf ich ausging, um gebratene Fische zu kaufen. Als wir nun saßen und aßen, nahm meine Frau einen Bissen Brot und ein Stück Fisch und stopfte es in seinen Mund; er aber stickte daran und war tot. Darauf lud ich ihn auf und schaffte ihn ins Haus dieses Arztes, der Arzt schaffte ihn ins Haus des Oberküchenmeisters, und der Oberküchenmeister schaffte ihn in den Weg des Maklers. Das ist die Geschichte, die mir gestern begegnet ist; ist sie nicht wunderbarer als die Geschichte des Buckeligen?« 102

Als der König von China diese Geschichte vernommen hatte, befahl er einigen seiner Kämmerlinge den Schneider zu begleiten und den Barbier zu holen, indem er zu ihnen sagte: »Ihr müßt den Barbier herbringen, daß ich ihn selber reden hören kann, und ihr dadurch alle freikommt. Hernach wollen wir diesen Buckeligen begraben und zur Erde bestatten, da er schon seit gestern tot ist, und wollen ihm ein Grabdenkmal errichten, weil er die Veranlassung dazu war, daß wir mit diesen wunderbaren Geschichten bekannt wurden.«

Nicht lange währte es, da kamen auch schon die Kämmerlinge und der Schneider mit dem Barbier wieder und stellten ihn vor den König. Als dieser ihn genau betrachtete und sah, daß er ein alter Scheich von mehr als neunzig Jahren war mit schwarzem Gesicht, weißem Bart und weißen Augenbrauen, mit abgeschnittenen Ohren, langer Nase und hoffärtiger Miene, lachte er über sein Äußeres und sagte: »Du Schweiger, erzähle mir doch etwas von deinen Geschichten.« Der Barbier entgegnete jedoch: »O König der Zeit, was soll der Christ hier, der Jude, der Moslem und der tote Buckelige in eurer Mitte, und was soll die ganze Versammlung hier?« Der König von China antwortete ihm: »Warum frägst du danach?« Der Barbier erwiderte: »Ich frage nach ihnen, damit der König weiß, daß ich nicht aufdringlich bin, mich nicht um das bekümmere, was mich nicht angeht, und nichts von Geschwätzigkeit an mir habe, deren sie mich angeklagt haben. Ich hatte Glück in meinem Beinamen Es-Sâmit, der Schweiger, denn der Dichter sagt:

Nur selten schauen deine Augen einen Mann,
Der mit seinem Beinamen die Probe nicht bestehen kann.

Darauf sagte der König: »Gebt dem Barbier über den Buckeligen und seine Abenteuer am gestrigen Abend Aufschluß.« Als sie ihm nun berichtet hatten, was dem Christen, dem Juden, dem Oberküchenmeister und dem Schneider mit dem Buckeligen zugestoßen war, schüttelte der Barbier 103 den Kopf und sagte: »Bei Gott, das ist eine höchst wunderbare Geschichte! Deckt mir den Buckeligen auf.« Nachdem dies geschehen war, setzte er sich an seinem Kopfende nieder und legte den Kopf in seinen Schoß. Als er jedoch dem Buckeligen ins Gesicht geschaut hatte, lachte er so stark, daß er auf den Rücken fiel und sagte: »Jeder Tod hat seine Ursache; mit dem Tode dieses Buckeligen aber steht es so wunderbar, daß man es in die Akten eintragen sollte zu einer Belehrung für alle Späteren.« Der König sagte, hierüber verwundert: »Erkläre uns, du Schweiger, warum du so sprichst.« Der Barbier antwortete: »O König, bei deiner Huld, in dem Buckeligen ist noch Leben.« Dann holte er aus seiner Tasche ein Büchschen mit Salbe hervor, bestrich ihm damit den Nacken und deckte ihn zu, bis er schwitzte. Darauf holte er eine Zange hervor, fuhr mit ihr in den Schlund des Buckeligen und zog damit das Stück Fisch mit seiner Gräte heraus, daß es alle Leute mit eigenen Augen sehen konnten. Kaum aber hatte er dies gethan, da sprang der Buckelige auf seine Füße und nieste; dann, wieder zum Bewußtsein kommend, fuhr er mit der Hand übers Gesicht und rief: »Es giebt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist der Gesandte Gottes – Gott segne ihn und spende ihm Heil!« Alle Anwesenden aber verwunderten sich über das, was sie sahen und mit eigenen Augen wahrnahmen, und der König von China lachte, bis er ohnmächtig wurde; ebenso alle Anwesenden. Dann sprach der Sultan: »Bei Gott, diese Geschichte ist wunderbar, und habe ich noch keine merkwürdigere erlebt. Ihr Gläubigen und alle ihr versammelten Kriegsmannen, habt ihr jemals in euerm Leben gesehen, daß ein Toter wieder lebendig ward? Wenn Gott ihm nicht diesen Barbier geschenkt hätte, so gehörte er heute zum Volke des Jenseits; ihm allein verdankt er sein Leben.« Alle antworteten darauf: »Bei Gott, das ist eins der größten Wunder.«

Hierauf befahl der König von China diese Geschichte aufzuzeichnen und in die königliche Schatzkammer niederzulegen; 104 dann legte er dem Juden, dem Christen, dem Oberküchenmeister, kurz jedem einzelnen ein kostbares Ehrenkleid an und machte den Schneider zu seinem eigenen Schneider, indem er ihm ein festes Einkommen bestimmte. Nachdem er den Schneider mit dem Buckeligen ausgesöhnt hatte, verlieh er auch diesem ein schönes und kostbares Ehrenkleid, setzte ihm ein bestimmtes Einkommen fest und machte ihn zu seinem Tischgenossen. Ebenso machte er dem Barbier Geschenke, legte ihm ein kostbares Ehrenkleid an, setzte ihm ein bestimmtes Einkommen und Gehalt fest und machte ihn zum Barbier des Königreiches und zu seinem Tischgenossen. Darauf lebten sie alle im heitersten und angenehmsten Leben, bis daß der Vernichter aller Freuden und der Trenner aller Vereinigungen sie aufsuchte.

Aber diese Geschichte ist nicht wunderbarer als die Geschichte Alī Nûr ed-Dîns und der Enîs el-Dschelîs.«

Darauf fragte der König: »Wie ist diese Geschichte?« Und Schehersad erzählte:

 


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