Ulrich Hegner
Saly's Revolutionstage
Ulrich Hegner

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Es waren zwey Standeswaibel in dem Vorzimmer, von welchen ich einen von gestern her kannte, der mich mit großen Augen ansah, ehe er mich ankündigte. Bald kam ein junger Herr zum Vorschein, der mich hart anfuhr, warum ich dem Befehl mich wegzupacken kein Genügen leiste, und es noch wagen dürfe, mich hier im Hause sehen zu lassen! Auf meine Antwort, daß ich ein gutes Gewissen habe und mich rechtfertigen wolle, entgegnete er, man habe jetzt nicht Zeit mir Gehör zu geben; und der Waibel that hinzu, es sey ein Mitglied der Gesandschaft von Zürich drinnen, das um meinetwillen nicht fortgehen werde.

Desto besser, sagte ich, so kann ich mich vor meiner eignen Obrigkeit verantworten.

Ob ich denn aus dem Kanton Zürich sey, man habe doch gesagt, ich komme von Basel? fragte der 203 junge Herr, und ging wieder ins Zimmer, ohne meine Antwort wissen zu wollen.

Nun behaupteten die Waibel, ich bekomme keinen weitern Zutritt und müsse weggehen; ich aber meinte, dazu hätte eine bestimmtere Weisung gehört. Wir wurden ziemlich laut, als der Herr wieder herauskam und mich vortreten hieß.

Zwey bejahrte ehrwürdige Männer waren da, von denen der eine sogleich, wiewohl auf eine milde Art, anfing mich zu fragen, wer ich sey, woher ich komme und dergleichen. Ich merkte, daß der junge Herr alles nachschrieb, und daß meine hochgesinnte Rechtfertigung sich in ein demüthiges Verhör verwandle; welches mich sehr herunterstimmte, um so viel mehr, da ich nur antworten sollte, was man mich fragte. Zwar wußte der kluge Mann sehr gut zu fragen, aber er that es nach einer falschen Voraussetzung, wodurch ich immer mehr den Anstrich eines armen Sünders bekam, so daß ich mir zuletzt nur noch durch Lüge oder eine niedrige Beichte ohne Verdienst hätte helfen können.

Als daher die Fragen mir immer näher auf den Leib gingen, und ich anfing in Verlegenheit zu gerathen, (denn nie ist es schwerer sich zu benehmen, als wenn man ein entehrendes Vorurtheil von sich ablehnen will, und keinen Glauben in den Mienen der Umstehenden findet) so gab ich auf eine wiederhohlte Frage gar keine Antwort mehr, und über mein 204 Schweigen zu Rede gestellt, sagte ich: Wenn ich über etwas angeklagt sey, so wolle ich mich gerne verantworten; allein da ich nicht dazu beschieden worden, sondern freywillig gekommen sey, um den Verdacht eines lichtscheuen Wandels abzulehnen, und den Herren Ehrengesandten zu erklären, daß es meine Schuld nicht seyn werde, wenn sie wegen meiner Verweisung aus der Stadt mit dem französischen Minister Verdruß bekommen, indem . . . .

Hier wurde ich mit Unwillen unterbrochen, und sahe deutlich, daß die Herren gar nichts, weder Gutes noch Böses, von dem Minister hören wollten, und mir nun noch mehr mißtrauten, als zuvor. Zwar hatte es mit dem Verhör ein Ende, allein ihm folgte jetzt eine Zurechtweisung über meinen Trotz, meine verdächtigen Schritte, und die Undankbarkeit der Landleute überhaupt; welches alles stark und gut gesagt war, im Grund aber auf meine Gesinnungen gar nicht paßte, so daß ich mich einmahl des Lächelns nicht enthalten konnte, wodurch der Berner Gesandte, ein feuriger alter Kopf, bewogen wurde, nachdem er dem andern Herrn vorher für seine Rede gedankt, und gewünscht hatte, daß alle ihre schlechten Leute sie gehört hätten, mich mit Heftigkeit zu entlassen, mit der Warnung: Man kenne die Unruhstifter alle!

Die Treppe hinunter rief mir einer der Reuter, der vermuthlich an der Thüre gehorcht hatte, spottend nach: Was gilts, du gehst jetzt!

205 So weit hatte ich es mit meiner Rechthaberey gebracht, daß ich von den Obern verkannt und von den Untern verspottet wurde, ja sogar befürchten mußte, den Frieden meines bürgerlichen Lebens getrübt zu haben; und, was das Schlimmste ist, mir in diesen Momenten des Kleinmuths noch selbst verächtlich und naseweis vorkam, wie es geht, wenn allzugroßes Vertrauen auf eigne Kraft uns mißleitet hat.



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