Ulrich Hegner
Saly's Revolutionstage
Ulrich Hegner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kaum betrat ich wieder meine Herberge, so kam mir der Wirth geheimnißvoll mit der Anzeige entgegen, daß ein Bedienter von der Berner Gesandtschaft da gewesen, ihm warnende Kunde zu geben, daß er verdächtige Leute beherberge, mit dem Bedeuten, er soll machen, daß sie heute noch wegkommen; auf seine Frage, wer denn diese gefährlichen Pilgrimme seyen, habe er zur Antwort erhalten: der Mann und die Frau, welche gestern mit den Reutern Händel gehabt. 200 Da haben wir's jetzt; habe ich nicht gesagt, Ihr werdet noch eine Fehde mit ihnen bekommen?

Diese unverhörende Gewalt verdroß mich. Als wir noch darüber sprachen, kamen mehrere Husaren mit denen von gestern zu uns, die der Schwester ihres Kameraden die Aufwartung machen wollten, und uns mit soldatischer Höflichkeit, die ein Gemisch von kecker Zudringlichkeit und verstellter Ehrerbietung war, zu einem Tanzfest einluden, das diesen Abend gehalten werden sollte.

Da ich die ängstliche Verlegenheit der Klare über diese Einladung wahrnahm, so schützte ich unsre Abreise vor, wobey sie es nach einigen gegenseitigen verbindlichen Reden bewenden ließen. Der Wirth aber hatte keine Ruhe, bis er, ungeachtet meiner abrathenden Winke, den Husaren von der Bothschaft, die er so eben meinentwegen erhalten, erzählen konnte. Das hatte zwar die gute Wirkung, daß sie von dem Tanze und ihren Schönen zu sprechen aufhörten, aber sie fingen dagegen an, auf alles was einen gesandtschaftlichen Athem hatte, unbarmherzig zu schimpfen, und behaupteten, ich müsse nun zum Trotze hier bleiben, der Minister werde mich gewiß nicht stecken lassen.

Eine seltsame Lage worin ich mich befand. Von den Gesandten als Landstreicher verwiesen, vom französischen Minister gegen sie in Schutz genommen und zu einem Werkzeuge der Ungerechtigkeit bestimmt, von 201 den Standesreutern verfolgt, und von Husaren zu einem Ball eingeladen; was sollt ich wählen?

Wir wollen fort! sagte Klare mehr als Einmahl; und gut wäre es gewesen, wenn ich ihr gefolgt hätte. Aber das unverdiente Geboth der Oberherren mich wegzubegeben, stellte sich mir als ein feindliches Ungeheuer in den Weg, das ich willkührlichen Zwang nannte, und mit den Waffen meiner Aufrichtigkeit bekämpfen zu müssen glaubte. – Sie sollen mich doch anhören, bevor sie mich richten; wie können sie wähnen, daß die Wahrheit im Munde ihrer Waibel bestehe. So dachte ich, und ging nach der Wohnung der landesherrlichen Gesandtschaft hin.

Wenn der Geist der Empörung sein Gift über ein Land aushaucht, wie schwer ist es sich unbefleckt zu erhalten! Ich hatte zwar nichts böses im Sinne, und doch fühlte ich unterweges, daß ich mir eine unschickliche Wichtigkeit gegen die rechtmäßige Landesobrigkeit gebe, die mir Entfernung zu gebiethen Gewalt habe, und daß Gehorsam besser sey, als unberufene Rechtfertigung. Dessen ungeachtet ging ich meinem Vorsatze nach.

Ich bin kein Anhänger irgend einer Vereinigung oder Brüderschaft, dachte ich, ich mag es täglich weniger seyn, und will mich auch von dem Scheine loszumachen suchen! Der alte Gesetzgeber hatte zwar nicht Unrecht, der wollte, daß bey innerem Zwiespalt des Vaterlandes jeder eine Partey ergreifen müsse; pfui 202 des kalten Zuschauers! Aber ein thätliches Parteynehmen kostet denn doch so viel Verläugnung der Vernunft, daß es nicht zu verwundern ist, wenn der Antheil oft im umgekehrten Verhältnisse mit der ruhigen Betrachtung steht, und wenn mancher, der auch die eine Partey schon für die beßre anerkannt hat, von der geheimen Staatsunklugheit der Führer, oder der blinden Tollheit der Gefährten zurückgeschreckt, seine innre Selbstständigkeit nicht so geschwind dahin geben will, und darum mißkannt wird.



 << zurück weiter >>