Ulrich Hegner
Saly's Revolutionstage
Ulrich Hegner

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Wir sahen einander an. Nun Madam? sagte ich mit dem Tone und der Artigkeit des Husaren. – Es war die erste mißvergnügte Miene, die ich an ihr 190 bemerkte: ich gehe hinunter und lasse mir ein andres Zimmer weisen, sagte sie.

Das war auch in allem Ernste mein Vorsatz; allein es lag in der Verzögerung ein Scherz, den ich nicht so geschwinde abbrechen konnte. Es ist ja kein leeres Zimmer mehr im Hause, entgegnete ich; habt Ihr nicht gehört, daß der Wirth wegen Mangel an Platz zwey Parteyen abgewiesen hat?

So bleibe ich in der Wirthsstube, versetzte sie.

Da sind Fuhrleute; und vielleicht kommen die Waibel wieder, wenn sie merken, daß die Husaren fort sind.

Sie ging ängstlich im Zimmer auf und nieder. Ich setzte mich an den Tisch, und fing an die Orte, wo wir durchgekommen waren, aufzuzeichnen. Das ist ein widerwärtiger Zufall! sagte ich.

In der Verlegenheit öffnete sie eine Seitenthür, warf sie aber mit Schrecken wieder zu, und schob den Riegel vor, als die Stimme eines Erwachenden ihr entgegen rief; Wer ist da? – Helft mir doch, lieber Freund! sagte sie leise, indem sie auf mich zukam und meine Hand ergriff; ach Gott! das ist die Strafe für meine dumme Zurückhaltung!

Ihre unschuldige Angst und zutrauliche Verwirrung rührte mich; was sollt ich thun? Es hält oft schwer, einem Scherz ein Ende zu machen, den man nicht hätte anfangen sollen. Ich stand auf und führte sie zum Bette hin: Du bist müde, liebe Klare, lege 191 dich nur unbesorgt schlafen, es soll dir nichts Böses widerfahren! ich will mir noch ein Licht geben lassen, und hier am Tische wachen.

In der kalten Kammer? erwiederte sie; das kann ich nicht zugeben; eher soll ich es thun, es ist meine Schuld, ich hätte nicht schweigen sollen! Sie saß auf das Bett nieder und weinte. Ich setzte mich neben sie, und suchte sie zu beruhigen: Wenn mich Klare hier nicht gerne sieht, so gehe ich hinunter und bleibe in der Wirthsstube; es ist nicht das erste Mahl, daß ich auf einer Bank schlafe, das harte Lager wird mich weich dünken, wenn ich nur weiß, daß meine Freundin dadurch beruhigt ist. Aber dann wird man uns morgen zum Beßten haben.

Sie antwortete nichts, sah nach der Thür hin und seufzte. Schweigend blieb auch ich eine Zeitlang neben ihr, es war nicht leicht wegzukommen; so viel Reiz der Anmuth und so viel achtunggebietende Jungfräulichkeit! – Doch ich ermannte mich; es ist Zeit, daß wir uns trennen, sagte ich, ruhe sanft und friedlich, liebes Kind! Bin ich jetzt nicht mehr dein Mann, wie vor den Leuten, so möchte ich doch dein Bruder seyn; einen schwesterlichen Abschiedskuß wirst du mir nicht verweigern. Ich umschlang und küßte sie.

Sie senkte ihren Kopf vertraulich auf meine Schulter: Ach um meinetwillen soll mein Bruder die ganze Nacht in der garstigen Wirthsstube bleiben! Ich werde kein Auge schließen können.

192 Ein Pochen an der Thür machte unsrer sonderbaren Lage ein Ende. Klare setzte sich schnell zum Tische, nahm meine Schreibtafel vor sich, und ich – machte auf. Es war eine Magd vom Hause; so eben, sagte sie, sey eine Base der Wirthin mit dem Postwagen angekommen, und da sonst nirgends Platz mehr sey, so möchten wir gestatten, daß ihr noch ein Bett in unserm Zimmer bereitet würde.

Mit vielen Freuden! rief Klare sogleich; kann ich was helfen? Und sprang mit der Magd hinaus.

Geschwinde wurden nun Anstalten zu der neuen Schlafstelle gemacht. Ich legte mich unterdessen ans Fenster, und suchte an dem kalten Monde, den ich bisher nicht wahrgenommen, das Licht meiner Vernunft anzuzünden, und war über diesen Versuch halb eingeschlafen, als mich Klare freudig auf den Rücken schlug: Du schläfst nun in dem neuen Bette, und wir beysammen!

Ich sah mich um; das Wir galt die fremde Jungfer, die Arm in Arm neben ihr stand, und mit dem Du hatte ich meine Anweisung bekommen.

Ich wußte ihr Dank für ihre Klugheit.



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