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Ich dachte nicht weiter an den Vorfall mit dem Beamten, als des Abends spät jemand an dem Fensterladen klopfte und mich hinausrief. Wir hatten eben zu Nacht gegessen, meine Frau las der alten Mutter den Abendsegen vor, und ich schlummerte hinter dem Ofen; denn ermüdet von der Arbeit war ich aus der Stadt gekommen.
Es war ein Bekannter aus einem andern Dorfe, der mich einlud, sogleich aber heimlich in die Thalmühle zu kommen, wo jemand mit mir sprechen wolle.
Diese Einladung befremdete mich, denn der Müller war sonst nicht mein Freund. Da ich armer Taglöhner nach dem reichen Filze nichts fragte, so war ich ihm ein hochmüthiger Kerl; wie es denn so in der Welt der Brauch ist, daß man die eignen Fehler an seinem Nächsten zuerst findet, und jeder der moralische Spiegel des andern ist. Ich entschuldigte mich zwar sofort mit Schläfrigkeit, allein der Bothe beharrte, und that so geheim und bedeutend! Nicht der Müller, sagte 6 er, sondern andre Männer, die da seyen, verlangen mich; es werde mich nicht gereuen.
Nun hatte ich schon seit einiger Zeit bemerkt, daß oft bekannte und fremde Leute, wohl auch Reiter, des Abends in dieser abgelegenen Mühle ab- und zugingen, und etwas Geheimes trieben, mich aber bisher wenig darum bekümmert, und diese Entdeckung zu den Dingen außer meinem Berufe, zu den auswärtigen Angelegenheiten gezählt, die nicht in meinen Friedkreis gehören; zumahl die, von denen ich so etwas merkte, von dem vornehmern Schlage der Bauern waren, mit denen ich nicht gern zu schaffen hatte.
Nun, es ist nicht weit, gab ich zuletzt dem Bothen zur Antwort; ich will sehen, wer so spät noch meiner bedarf.
Die Neugier besiegte meine weitere Ueberlegung, und die Stille der Nacht trug auch zu diesem Siege bei. Geheimnisse werden da getrieben, dachte ich, und zwar von Leuten, die ich nicht kenne; es ist doch wohl den Gang werth, zu sehen wer sie sind. Und daß sie mich auch dabei haben wollten, gab mir für diesen Augenblick eine Bedeutsamkeit in meinen Augen, für die der Name Selbstgefühl zu gut ist. Ich könne ja wieder gehen, meinte ich, wenn mir die Sache nicht gefalle, und dachte nicht daran, daß man selten so geschwind aufhören kann, als man angefangen hat.
Die Weiber in der Stube waren nicht zufrieden, daß ich wegginge, und wollten wissen wohin; allein es 7 ihnen zu sagen, schien mir eine schlechte Empfehlung zu einem Theilhaber an geheimen Dingen zu seyn – das Geheimniß hatte mich schon angesteckt, bevor ich es wußte – und sie mit einer Lüge abzuspeisen, wollte mir gegen die treuen Seelen auch nicht recht dünken; zudem fiel mir keine ein. – Ich versprach bald wieder zu kommen, und schickte sie unberuhigt zu Bette.
Es war eine Viertelstunde nach der Mühle hin. Unterweges wollte meine Einbildungskraft der Wirklichkeit voreilen, und mir allerley Vorstellungen meines Empfanges, und dessen, was man sagen und ich antworten würde, vormahlen; allein ich suchte diesen Geist des Vorgenusses geschwind los zu werden, weil ich ihn schon lange als einen gefährlichen Gesellen kenne, und weiß, daß man durch ein solches Hineindenken in eine zukünftige Lage sich zwar leicht zu einem Helden aufschrauben, und Reden und Thaten, Fragen und Antworten zusammensetzen kann, wobei man nach Belieben die schönste Rolle spielt. Wenn dann aber die Zukunft zur Gegenwart wird, so findet sich auch alles anders, man ist über die betrogene Erwartung betroffen, und eben so schwach und unklug, als man vorher in der Einbildung besonnen und stark war.
Ich brach also damit ab, betrachtete die schöne Winternacht, und das Heer der Sterne, eine Unendlichkeit, vor der alle eitelen Ansprüche schwinden; ich erheiterte mein Gemüth mit den Gedanken an meine heutige Arbeit, die zwar nur in einfachem Tagewerk 8 bestanden hatte, woher mir jedoch die Müdigkeit bewies, daß ich nicht als Müssiggänger gelebt hätte.
So kam ich zu der geheimnißvollen Mühle; und dieß war mein erster Schritt zur Revoluzion. Schon in manchen Vorfallenheiten meines Lebens von einiger Bedeutung war der erste Schritt das Vorbild der ganzen künftigen Handlung. Dieß Mahl war er, den kleinen Beytrag von Eitelkeit und Neugier abgerechnet (ohne Schwachheit geschieht nichts Menschliches), unschuldig; mögen ihm die Folgen entsprechen!