Ulrich Hegner
Saly's Revolutionstage
Ulrich Hegner

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Der Geschäftsträger war noch halbnackt und badete seine Füße. Als ich ihm meinen Brief im Nahmen der Eintrachtsgesellschaft in Basel überreichte, warf er ihn ungelesen auf den Tisch, und erwartete was ich weiter sagen wollte. Ich sagte aber nichts. Da fragte er in gebrochenem Deutsch, ob ich eine Gefälligkeit von ihm verlange? Ich antwortete, daß ich keinen andern Auftrag habe, als ihm den Brief zu überreichen. Er nahm ihn etwas verdrießlich wieder vom Tisch auf, und übersah ihn mit vieler Zerstreuung, indessen ihm ein Mädchen, mit welchem er muthwillig scherzte, die Füße abtrocknete.

Aber da steht ja kein Wort von ihm? sagte er.

Ich bin nur der Bothe, Bürger Minister – So hatte mir der Husar gesagt, daß ich ihn nennen müße.

Ist Er denn kein verfolgter Patriot?

197 Nein.

Ist Er denn nicht der Mann, fuhr er fort, indem er aufstand, der gestern dieses Briefes wegen mit den Leuten der Gesandten Händel bekommen?

Ja mit einigen Standesreutern habe ich gestern Verdruß gehabt.

Hat Er sich denn nicht vor drey Jahren bey den Unruhen in seinem Kantone flüchten müssen, und möchte jetzt durch meine Mitwirkung wieder heimkehren?

Ich nicht, gab ich zur Antwort, denn seit drey Jahren bin ich nie aus meinem Lande herausgekommen.

Was haben mir denn die verfluchten Husaren wieder für Lügen erzählt! rief er.

Als ich seine Ungeduld sah, zeigte ich ihm mit kurzen Worten an, daß ich von den Vaterlandsfreunden in Meilen an die in Basel Briefe zu überbringen gehabt; daß mich letztere nun wieder mit einem Briefe an ihn beauftragt; und daß ich begierig gewesen, den Mann zu sehen, der so wichtige Veränderungen in meinem Vaterlande bewirkte.

Ich bewirke keine Veränderungen, sagte er mit lächelnder Eitelkeit, das müßt ihr selbst thun; ich bin nur da zur Unterstützung der Bedrängten – Aber erzähl' Er mir einmahl, was hat er denn gestern mit den Schurken gehabt?

Nachdem ich ihm den ganzen Vorfall so gelind 198 als möglich berichtet hatte, machte er gleichwohl viel Wesens davon, und behauptete, die Leute haben mich nur deßwegen beschimpfen wollen, weil ich einen Brief für ihn gehabt, und sie dazu von ihren Herren bestellt seyen.

Ich mochte ihm vorstellen so viel ich wollte, daß die Waibel dieß nicht haben wissen können, er blieb dabey, das werde er nicht liegen lassen; und bestand darauf, ich müsse eine Klagschrift eingeben, oder er wolle eine aufsetzen lassen, die ich unterschreiben könne; und dann werde er mir einen Sicherheitsbrief zustellen, der mich vor ähnlichen Beschimpfungen schützen solle.

Dieser Schutz war viel zu vornehm, als daß er mich Unbekannten allein zum Augenmerke haben konnte; ich lehnte deßwegen die ganze Gnade als unnöthig von mir ab, weil ich nun geraden Weges nach Haus gehe, wo mir niemand etwas thun werde. Womit er aber nicht zufrieden schien, denn er stampfte mit dem Fuß und sagte: mit Euch Schweizern ist auch gar nichts anzufangen!

Dennoch ward er bald wieder leutselig, oder vielmehr ungezwungen und freundlich, und spielte mitunter so natürlich auf dem Tone der Gleichheit, daß ich wohl begriff, wie meine Landsleute, die das so wenig zu hören bekommen, so gerne darnach tanzen. Er both mir von seinem Frühstücke Wein und Zuckerbrot an, und trank auf die Gesundheit meiner 199 Vaterlandsfreunde; ich solle sie des Schutzes der großen Republik versichern, und ihnen sagen, sie möchten es mit ihren Schlößern auch bald machen, wie die Bauern von Basel.

Es kam ein Sekretär mit Geschäften, worauf er mir den Abschied gab, und mich Nachmittag wieder kommen hieß, die Schriften abzuhohlen.

Was für Schriften? ich hatte doch deutlich genug zu verstehen gegeben, daß ich keine wollte! sagte ich bey mir selbst. Große Herren glauben aber manchmahl, unsre Weigerung dürfe nur überhört werden um zu verschwinden. – Nein, ich hatte ihn genug gesehen, diesen Engel der Zwietracht, und weder seinen hohen Ton bewundert, noch seine leichtsinnige Vertraulichkeit lieb gewonnen; ein Geist der Gemeinheit reckte die Ohren aus seiner ganzen Natur hervor, der mich nicht anzog.



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