Jaroslav Hasek
Von Scheidungen und anderen tröstlichen Dingen
Jaroslav Hasek

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Das Bild Kaiser Franz Josefs.

In Jungbunzlau lebte ein Papierhändler namens Petischka. Er ehrte die Gesetze und wohnte seit undenkbaren Zeiten gegenüber der Kaserne. Am Geburtstag des Kaisers und bei anderen k. k. Gelegenheiten, hing er auf sein Häuschen eine schwarzgelbe Fahne und lieferte ins Offizierskasino schwarzgelbe Lampions. Er verkaufte die Bilder Franz Josefs in die jüdischen Schnapsbutiken im Jungbunzlauer Kreis und an die Gendarmeriestationen. Er 109 hätte die Bilder des Monarchen auch an die Schulen des Schulbezirkes verkauft; aber seine Bilder hatten nicht die vom Landesschulrat genehmigte Größe. Einmal hatte ihm der k. k. Landesschulinspektor auf der Hauptmannschaft gesagt: »Es tut mir sehr leid, Herr Petischka, aber Sie wollen uns Seine Majestät den Kaiser breiter und länger liefern als er durch das Dekret des hohen Schulrats vom 20. Oktober 1891 vorgeschrieben ist. Der durch das Dekret bestimmte Kaiser ist etwas kürzer. Seine Majestät der Kaiser ist nur in einer Länge von 48 cm und einer Breite von 36 cm zuläßlich. Sie wenden ein, daß Sie an zweitausend Bilder unseres Monarchen besitzen. Glauben Sie nicht, daß Sie uns jeden beliebigen Schund anhängen werden. Ihr ganzer Kaiser ist Ware allerletzten Ranges und von schändlicher Ausstattung. Er sieht aus, wie wenn er sich nie den Bart kämmen würde. Auf die Nase hat man ihm schrecklich viel rote Farbe aufgekleckst und überdies schielt er auch.«

Als Herr Petischka nach Hause kam, sagte er ganz entrüstet zu seiner Frau: »Also mit dem greisen Monarchen sind wir hineingefallen.« Und das war noch vor dem Krieg. Kurz und gut, zweitausend Kaiserbilder blieben Herrn Petischka auf dem Hals. Als der Krieg ausbrach, hatte Herr Petischka davon eine ungeheure Freude, denn er hegte die große Hoffnung, daß er seine Ware jetzt doch loswerden würde. Er 110 hängte die Bilder des hilflosen Greises in seinem Geschäft auf und versah sie mit der Aufschrift: »Gelegenheitskauf. Kaiser Franz Josef I. für 15 Kronen.« Er verkaufte sechs Stück. Fünf Bilder in die Kasernen, wo diese lithographierten Plakate des letzten Habsburgers die Reservisten in den Kantinen der Kasernen begeistern sollten, und eins kaufte der alte Trafikant Schima. Dieser österreichische Patriot handelte das Bild auf 12 Kronen herunter und sagte noch, daß dies eine Dieberei sei. Der Krieg dauerte fort, aber Seine Majestät der Kaiser hatte keinen Absatz, obwohl Herr Petischka sogar bei der Zeitungsreklame Hilfe suchte. Er bestellte Inserate und inserierte Seine Majestät den Kaiser in zwei Prager Tagesblättern: »In diesen schweren Zeiten darf in keinem tschechischen Haushalt das Bild des schwer geprüften Monarchen für 15 Kronen fehlen.« Statt Bestellungen erhielt Herr Petischka eine Vorladung, er möge sich bei der Bezirkshauptmannschaft einfinden, wo man ihm sagte, daß er nächstens in seinen Inseraten die Worte: »Schwere Zeiten und schwer geprüft« vermeiden möge. Statt dessen möge er die Worte: »Glorreiche Zeiten und siegreich« benützen, sonst werde er damit Scherereien haben. Deshalb veröffentlichte er folgendes Inserat: »In diesen glorreichen Zeiten darf in keinem tschechischen Haushalt das Bild unseres siegreichen Monarchen um 15 Kronen fehlen.« Aber es war vergeblich. 111

Er erhielt nur einige gemeine Zuschriften, in denen ihm unbekannte Absender ganz aufrichtig rieten, den Kaiser an Orten aufzuhängen, die der Kaiser zufuß aufsucht; außerdem lud man ihn abermals zur Bezirkshauptmannschaft vor, wo ihn der amtierende Kommissär aufforderte, die Berichte aus dem k. k. Korrespondenzbüro zu verfolgen und sich in der Stilisierung seiner Inserate nach ihnen zu richten.

»Die Russen sind in Ungarn, sie haben Lemberg besetzt, sie stehen vor Przemysl und das nennt man nicht glorreiche Zeiten, Herr Petischka. Das sieht aus wie ein Jux, wie eine Verhöhnung, wie Ironie. Wegen solcher Inserate könnten Sie vors Divisionsgericht kommen.«

Herr Petischka versprach, daß er nun aufpassen würde und verfaßte folgendes Inserat: »15 Kronen opfert jeder Tscheche gern, damit er in seinem Heim unseren greisen Monarchen aufhängen kann.« In den Zeitschriften des Ortes wies man sein Inserat zurück. »Menschenskind,« sagte ihm ein Administrator, »am Ende wollen Sie nicht, daß man uns alle erschießt!«

Herr Petischka kehrte aufgeregt nach Hause zurück. Rückwärts im Laden wälzten sich Pakete mit dem Vorrat an Kaiserbildern. Herr Petischka stieß mit dem Fuß in sie hinein, erschrak dann aber sehr über das, was er angestellt hatte. Er blickte ängstlich umher und beruhigte sich erst, als er sicherstellte, 112 daß ihn niemand gesehen hatte. Melancholisch begann er die Pakete abzustauben und bemerkte, daß einige feucht und mit Schimmel bedeckt waren. Hinten saß ein schwarzer Kater. Es bestand kein Zweifel darüber, wer an dem feuchten Zustand der Pakete Schuld trug. Um den Verdacht von sich abzuwenden, begann der Kater zu spinnen. Herr Petischka warf auf den Hochverräter einen Besen und der Kater verstummte. Der Papierhändler stürzte verärgert in die Wohnung und wandte sich an seine Frau: »Dieses Luder muß aus dem Haus. Wer wird einen Kaiser kaufen, den ein Kater verschweint hat ? Seine Majestät der Kaiser ist schimmlig. Man wird ihn trocken legen müssen. Da soll der Donner dreinfahren!«

Das Nachmittagsschläfchen Herrn Petischkas, während dessen seine Frau im Laden war, verlief diesmal sehr unruhig. Ihm träumte, daß Gendarmen den schwarzen Kater holten und ihn samt seinem Eigentümer zum Kriegsgericht führten. Dann träumte ihm, daß man den Kater und ihn zum Tode durch den Strang verurteilte und der Kater zuerst gehängt werden sollte. Und er, Petischka, sprach vor Gericht gräßlich lästernde Worte Er schrie fürchterlich auf und erblickte neben sich seine Frau, die sich vorwurfsvoll an ihn wandte: »Um Gottes willen, was sprichst du da, wenn dich jemand hören würde.«

Und sie erzählte aufgeregt, daß sie inzwischen 113 versucht habe, Seine Majestät den Kaiser im Garten zu trocknen, daß aber Gassenbuben die Bilder mit Steinen beworfen hätten, so daß sie aussähen wie Siebe.

Festgestellt wurden auch andere Verluste. Auf ein Bild des Kaisers, das auf dem Rasen trocknete, hatten sich Hennen gesetzt; sie hatten dort ihren Mageninhalt verdaut und dem Kaiser dank ihrer Organe den Bart gründlich angemalt. Zwei Bilder hatte der Hund vom Fleischer Holetschek, ein junger, unerfahrener Bernhardiner aufzufressen versucht, der von Paragraph 63 des Strafgesetzes keine Ahnung hatte. Aber der junge Hund hatte es im Blut. Seine Mutter hatte vor einem Jahr der Schinder hingerichtet, weil sie auf dem Exerzierplatz die Fahne des 36. Regimentes aufgefressen hatte.

Herr Petischka war unglücklich. Am Abend redete er in der Weinstube etwas von einem Gelegenheitskauf und von den Schwierigkeiten, die er mit Seiner Majestät dem Kaiser habe und der Sinn der ganzen Rede war, daß die Wiener Regierung die Tschechen deshalb mißtrauisch betrachte, weil sie nicht bei der Firma Franz Petischka in Jungbunzlau Kaiserbilder zu 15 Kronen kauften.

»Geben Sie sie billiger,« sagte ihm der Weinstubenbesitzer beim Abschied, »es sind jetzt schlechte Zeiten. Der Horejsek verkauft eine 114 Dampfdreschmaschine um 300 Kronen billiger als voriges Jahr und so ist es auch mit dem Kaiser.«

Deshalb verfaßte Herr Petischka folgende Reklame und brachte sie im Schaufenster seines Geschäftes unter: »Mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Krise verkaufe ich einen großen Posten schöner Kaiserbilder statt zu 15 K nur zu 10 K.«

Und wieder herrschte Stille in seinem Laden. Wie es mit dem Kaiser ausschaue, fragte der befreundete Weinstubenbesitzer. »Traurig«, antwortete Herr Petischka, »es ist keine Nachfrage nach Seiner Majestät dem Kaiser.«

»Wissen Sie,« sagte ihm vertraulich der Weinstubenbesitzer, »trachten Sie ihn um jeden Preis loszuwerden, bevors zu spät sein wird.«

»Ich werde noch warten,« antwortete Herr Petischka.

Und auf den Bildern Seiner Majestät des Kaisers saß weiterhin der schwarze Kater. Nach einundeinemhalben Jahr hatten selbst die untersten Pakete mit dem Kaiser Schimmel angesetzt. Österreich zerfiel und die ganze Situation sah hoffnungslos aus.

Da ergriff Herr Petischka einen Bleistift und berechnete schweren Herzens, daß er auf diese Weise nicht reich werden könne, daß er aber, wenn es ihm gelingen sollte, Seine Majestät zu 2 Kronen zu verkaufen, doch noch eine Krone pro Stück verdienen würde. 115

Und er machte eine wirksame Reklame. Er hängte ein Bild in den Auslagekasten, und schrieb darunter:

»Dieser greise Monarch ist jetzt statt für 15 Kronen für 2 Kronen zu verkaufen.«

Ganz Jungbunzlau kam noch am nämlichen Tag vor den Laden Herrn Petischkas, um zu sehen, wie die Aktien der Habsburger Dynastie so plötzlich gefallen waren.

Und in der Nacht holten Herrn Petischka die Gendarmen und dann ging es sehr schnell. Man schloß den Laden, sperrte Herrn Petischka ein und stellte ihn wegen des Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung vors Kriegsgericht. Der Veteranenverein schloß ihn bei einer außerordentlichen Generalversammlung aus.

Herr Petischka bekam dreizehn Monate schweren Kerkers. Er sollte fünf Jahre bekommen, aber er konnte als erleichternden Umstand anführen, daß er einst bei Custozza für Österreich gekämpft hatte. Und die Pakete mit den Bildern seiner Majestät des Kaisers werden inzwischen beim Militärgericht in Theresienstadt aufbewahrt und harren der Stunde der Befreiung, in der nach der Liquidation Österreichs irgendein unternehmender Geschäftsmann Käse in sie wickeln wird. 116

 


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