Jaroslav Hasek
Von Scheidungen und anderen tröstlichen Dingen
Jaroslav Hasek

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Fußball in Bayern.

Zwischen den bayerischen Städten Tillingen und Höchstädt an der Donau herrscht grimmige Feindschaft. Im Mittelalter zogen die Tillinger mit ihren Booten, die mit Söldnern bemannt und mit einem reichlichen Vorrat an Brennstoffen versehen waren, gen Höchstädt, das nach solchen Besuchen einigemal brannte. Zuweilen trieben die Höchstädter allerdings die Tillinger die vollen 40 Kilometer wieder zurück und die 10 Kilometer lange Eichenallee, die 6 sich von Höchstädt gegen Tillingen zieht, heißt: »Zu den gehängten Tillingern«.

In dieser Beziehung unterschieden sich die beiden Städte von einander, denn die Tillinger ertränkten ihre Höchstädter Nachbarn in der Donau wie junge Katzen und als ein Ratsherr aus Höchstädt den Tillingern in die Hände fiel, wurde er gevierteilt. Ein Viertel wurde durch einen Sonderboten nach Höchstädt gesandt, wo man diesen auf dem Burgtor aufknüpfte, trotz seines Protestes, daß er als Gesandter unverletzlich sei.

So ging das weiter, bis zu der Zeit, da den Städten ihre Privilegien zu dergleichen Spielen und Vergnügungen genommen wurden, da die neue Zeit die Grausamkeit der Expeditionen milderte und sie auf Raufereien im Einkehrhause: »Zum Schutzengel« beschränkte. Dieses Einkehrhaus lag 20 Kilometer von Höchstädt und ebensoweit von Tillingen. Es bildet die Grenze zwischen beiden feindlichen Gebieten.

Dorthin ging man jeden Sonn- und Feiertag zum Raufen. Die Burschen kamen zu Fuß und wurden nach beiden Richtungen in Leiter- und Mistwagen nach Hause gefahren, mit zerschlagenen Köpfen und gebrochenen Rippen, aber ungewöhnlich zufrieden, weil es wieder einmal so schön verlaufen war.

Beide Parteien bemühten sich, stets den Ruf der führenden Stadt in diesen hundertjährigen Kämpfen 7 aufrechtzuerhalten und so waren denn die Kämpfe beim »Schutzengel« nicht weniger erbittert als zu jener Zeit, wo die Leute aus Tillingen auf Leitern mit brennenden Pechfackeln die Wälle von Höchstädt erklommen, deren Verteidiger sie wiederum mit hundertpfündigen Dreschflegeln in die Stadtwälle schleuderten.

Ebenso erbittert war der Kampf, als die Tillinger mit einem Widder die Stadttore zertrümmerten und Höchstädter sie mit brennendem Pech begossen.

Keine Partei konnte jemals sagen, vollständig überwunden worden zu sein, bis die Kreiseinteilung endlich die Höchstädter in die Hände Tillingens gab. Der Höchstädter Kreis ward aufgehoben und Höchstädt dem Kreise Tillingen zugeteilt. In Höchstädt war das Amtsgericht und in Tillingen das Bezirksgericht. Die Höchstädter vernahmen ihre Bürger nur ein und schickten ihre Akten zum Bezirksgerichte nach Tillingen, das sie streng und hart richtete. Die Höchstädter mußten nach Tillingen zur Assentierung gehen und in allen amtlichen Angelegenheiten ward immer Tillingen zuerst genannt und dann erst kam Höchstädt. So waren die Höchstädter auf der ganzen Linie gehandicapt, erniedrig und beleidigt. Und als sie eines Sonntags die Tillinger glorreich im »Schutzengel« verhaut hatten, waren dort am nächsten Sonntag so viele Gendarmen aus dem Kreise Tillingen, daß sie es beim besten Willen nicht wiederholen konnten. 8

Seit damals trafen sie nur noch durch Zufall aufeinander und da erlagen die Höchstädter der Übermacht, weil sie überall von der feindlichen Welle umgeben waren, und wenn sie vom Militär kamen, sagten sie, es sei unter solchen Umständen ganz vergeblich, sich zu raufen, und die Zurückgebliebenen betrachteten sie als Feiglinge. Es schien, daß Höchstädt niemals wieder seinen Nebenbuhler in den Schatten stellen werde, als die moderne Zeit nach Süddeutschland den Fußball brachte.

* * *

Was konnte der Klub »Tillingen« am Anfang gegen die Höchstädter Mannschaft aufstecken?

Die Leistung der Stürmer vom »Höchstädt« war bemerkenswert. Sie gingen so scharf auf den Ball, wie ihre Vorfahren die Tillinger von den Stadttoren gejagt hatten. Sie sandten den Ball mit einer so unwiderstehlichen Kraft in die Tore der feindlichen Klubs, wie früher die Höchstädter Knüppel und Schleudern die Tore der Stadt Tillingen zerschmetterten.

Das Zusammenspiel aller vom Klub »Höchstädt«, der Läufer, Verteidiger und der Flügel, durchbrach den Leiberwall vor dem feindlichen Goal und einmal geschah es sogar, daß sie in das feindliche Tor der »Mannheimer« zusammen mit dem Ball auch 9 den Back ihres eigenen Teams schossen, ohne daß heute noch jemand weiß, wie dieser dorthin geraten konnte.

Ihre Schüsse waren fürchterlich. Der in das Tor der Gegner geschossene Ball schleudert den Goalmann zu Seite, durchreißt das Netz, reißt einem Zuschauer hinter dem Tor das Ohr ab, erschlägt einen Hund, der hinter dem Spielplatz herumläuft, und schlägt einem Passanten, der ihn stoppen will, beide Füße ab. Ein Beispiel.

Das zweite Beispiel: Beim Wettspiel »Höchstadt« gegen »Ingolstadt« forderte ein scharfer Schuß in das Ingolstädter Tor zwei Opfer auf einmal.

Der Goalmann und der Ball hauchten die Seele aus, so daß das Spiel auf zwei Minuten unterbrochen werden mußte, bis ein Ersatzmann kam und ein neuer Ball gebracht wurde.

Wenn sie vom Spielplatze heimkehrten, konnten sie stolz ihr Kriegslied anstimmen:

»Mein Mädchen muß mich küssen,
Ich bin vom Höchstädtklub,
Wer kann noch besser schießen
Als unser Donauklub?
Goalia, goalia, goalia, Hurrah.«

Man nannte ihr Spiel ungewöhnlich scharf, und in der Sportrubrik einer Tageszeitung schrieb man über ein Match, das sei kein Fußballspiel gewesen, 10 sondern das jüngste Gericht. Anderswo schrieb man über das Wettspiel: »Höchstädt – Ringelsheim«, das Spiel habe an den Kampf um Verdun erinnert.

In der Herbstsaison konnten sich die grünblauen Höchstädter mit folgenden Erfolgen ausweisen: Sie hatten 28 Paar Füße überschlagen, 49 Rippen zerbrochen, 13 Paar Hände ausgerenkt und gebrochen, 52 Nasen eingeschlagen, 16 Schulterblätter zerschlagen, 19 Nasenverletzungen verursacht, 32 Tritte in den Bauch, verbunden mit Kampfunfähigkeit des Gegners, ausgeteilt, und 4 Dutzend Zähne ausgeschlagen. Zieht man in Betracht, daß sie in der Herbstsaison im ganzen 81 Tore schossen und nur 6 erhielten, so stellt diese Bilanz ihrem agilen Spiel ein überwältigendes Zeugnis aus.

Die Organe der feindlichen Klubs, die ihnen diesen Erfolg mißgönnten, schrieben einmal über den besten Spieler des Klubs »Höchstädt«: »Friedmann ist von Schußpech verfolgt. Er hat den Gegnern nur zwei Beine gebrochen und das Knie des Goalmanns mit seinem Absatz nicht mehr erreicht.«

Alle Klubs Süddeutschlands unterlagen ihnen, und als sie den Klub »Altona« aus dem Norden zu einem Freundschaftsspiel einluden, kehrte von der ganzen Mannschaft nur der Torwächter mit verbundenem Kopfe zurück, da er seine Kameraden samt den Ersatzmännern im Krankenhause von Hochstädt an der Donau zurücklassen mußte. 11

Konnten dies die Tillinger mit ihrem Klub der Gelbweißen ruhig mitansehen? Der Klub »Tillingen« war keine schlechte Mannschaft, sie spielten auch scharf und ihre Tritte vors Schienbein oder ins Knie waren ebenso gut und gefährlich wie die von »Höchstädt«. Die Sicherheit ihrer Stöße in den Bauch war ebenfalls sehr gut und wurde von dem Tillinger Publikum mit lebhaftem Beifall quittiert . . Allein trotzdem verloren sie Spiel um Spiel.

Einmal kam ihnen ein guter Gedanke und sie beriefen einen Trainer aus München, einen Engländer namens Burns, der sie elegant spielen, erfolgreich dribbeln, kombinieren lehrte und sie solange einpaukte, bis er ihnen eines Tages sagen konnte:

»Ladet die Meistermannschaft aus Leipzig ein.«

Sie taten es und verloren 4 : 2. »Macht nichts,« sagte Trainer Burns, »noch drei solcher Niederlagen, und ihr braucht niemanden mehr zu fürchten.«

Und wiederum plagten sie sich mit dem Training eines eleganten Kombinationsspiels, in dem der einzelne, der auf eigene Faust spielt, nichts ist und für einen Fanatiker gilt und das Zusammenspiel alles bedeutet.

Sie luden die Meistermannschaft »Preußen« zu Gaste und verloren 2 : 1. Dann spielten sie mit der ausgezeichneten Mannschaft »Mühlhausen 1912« unentschieden, und der Trainer Burns sagte ihnen, daß sich schwerlich ein Gegner finden würde, der sie 12 überwinden könnte. Das Revanchespiel der Meistermannschaft aus Leipzig mit den Tillingern endete hundselend für Leipzig. Sie brachten fünf Goale mit heim und ließen im Netz der Tillinger nur eins, und das aus einen Strafstoß.

Als »Höchstädt« von dem glänzenden Erfolge der Tillinger las, wurde der ganze Klub grün vor Wut.

Und als sie dann in der »Allgemeinen Sportzeitung« lasen, daß die Gelbweißen aus Tillingen nach ihrem prachtvollen sonntägigen Erfolge keinen ernsten Gegner mehr in Süddeutschland hätten, und daß sie ein Spiel vorgeführt hätten, das selbst ihre Gegner in Entzücken versetzte, da ward ihnen zumute wie ihren Vorfahren, als die Tillinger einmal Höchstädt einnahmen und es ausplünderten.

An dem Referate versetzen sie in helle Wut besonders Sätze wie: »Ein Uraganfeuer auf das Leipziger Tor«, – »Das herrliche Dribbling des rechten Flügels« usw.

»Ich möchte den Kerl auch mal umdribbeln,« sagte betrübt Thomas vom Forward, »daß er nie mehr Fußball spielen würde, höchstens im Himmel mit dem heiligen Petrus auf ein Tor.«

Sie saßen alle im Klubzimmer und für eine Weile verstummte das Gespräch. Man konnte erwarten, daß nun einer etwas sagen werde, was die Situation klären und allen Erleichterung bringen werde. 13

Dieser Mann war der Klubsekretär. »Vereinbaren wir mit ihnen ein Freundschaftsspiel,« sagte er, »auf diese Weise kriegen wir sie her. Dazu haben wir ja schließlich unsere Lokalzeitungen. Ein Revanchespiel werden wir nicht spielen, weil die Mannschaft des »Tillingen« bei uns ihr letztes Spiel gespielt haben wird. Wer nicht wenigstens einen Spieler erledigt, wird aus dem Klub ausgeschlossen, und wenn er irgendwo angestellt ist, wird auf seinen Arbeitgeber ein Druck ausgeübt, damit er aus der Arbeit entlassen wird. Außerdem wird er an dem Goalnetz festgebunden, und alle Spieler werden beim Training auf ihn Elfmeter üben.«

* * *

Die Lokalzeitungen standen sofort ihrem Klub »Höchstädt« zur Disposition und begannen den »Tillingen« auf den Vulkanboden ihrer Stadt zu locken.

Besonders der Artikel: »Die beste Mannschaft Süddeutschlands« war sehr geschickt geschrieben. Darin wurde auf die jüngsten Siege »Tillingens« hingewiesen, und dessen Spiel und überraschende Resultate gelobt. Es hieß dort, auch Höchstädt könne auf eine große Reihe schöner Erfolge verweisen, allein den einzigen Maßstab für die Entscheidung, welcher Klub besser sei, »Tillingen« oder »Höchstädt«, könne nur ein Treffen beider Klubs in einem Freundschaftsspiel 14 bilden, bei dem alles vergessen werden müßte, was ohnehin seit langem zwischen beiden Städten, deren Namen die beiden Mannschaften stolz tragen, abgetan sei. Fußball sei ein internationales Spiel und Lokalinteressen spielten hierbei keine Rolle. Hier siege nicht mehr die physische Kraft mittelalterlicher Söldner, sondern die reine Idee des Sportsmanns, der in sein Spiel Mut und technische Gewandtheit legt. Durch den Besuch des »Tillingen« in Höchstädt werden gewiß für immer die Mißverständnisse zwischen beiden Städten des alten Schwabenlandes schwinden.

Etwas ähnliches schrieben die Höchstädter schon vor einigen Jahrhunderten dem Burggrafen von Tillingen; er möge sie doch mit seinem Besuche beehren, sie meinten es mit ihm aufrichtig. und schickten ihm deshalb einen sicheren Geleitbrief, damit er persönlich über die Grenzen zwischen Tillingen und Höchstädt verhandeln komme.

Als der Herr Burggraf von Tillingen kam, geschah ihm in der Tat nichts. Sie verhandelten mit ihm bieder über alle strittigen Fragen, bei denen sich der Herr Burggraf aber dermaßen aufregte, daß ihn die Höchstädter, um ihn zu beruhigen, aufhängen mußten. Und so schaukelte er auf den Zinnen mit dem Geleitbrief in der Hand.

In einem anderen Artikel, durch den der Redakteur des »Morgenblatt« in Höchstädt die Tillinger vollends blenden wollte, lesen wir folgende Sätze: »Wenn der 15 ›Tillingen‹ einmal den Spielplatz des ›Höchstädt‹ betreten wird, dann wird dies der Gipfel der Frühjahrssaison sein, zugleich aber auch eine Manifestation der brüderlichen Beziehungen zwischen beiden Städten. Die Vergangenheit ist vergessen. Die Grünblauen werden den Gelbweißen die Hand reichen und sie warm ans Herz drücken. Wie die Redaktion erfährt, wird in der nächsten Woche der Klubsekretär unseres Klubs nach Tillingen entsendet werden, um das Match zwischen beiden Klubs endgültig festzusetzen. Er hat den Auftrag erhalten, mitzuteilen, daß dem ›Tillingen‹ nicht nur seitens unserer Sportsleute-Gentlemen ein brüderlicher Empfang zuteil werden wird, sondern auch seitens unserer sportliebenden Öffentlichkeit, die sich auf den ›Tillingen‹ und sein Spiel freut, in der Hoffnung, daß beide Mannschaften ihr Bestes leisten und ein ihrer Traditionen würdiges Spiel vorführen werden, wofür übrigens auch die ausgezeichnete Kondition beider Mannschaften spricht. Über die Endklassifikation beider Mannschaften wird man erst nach dem Match sprechen können.«

»Sieh mal an,« sagte man sich im Klub »Tillingen«, als sie dieses Lob über sich lasen, »was der Erfolg im Sport macht. Vor einem Jahr hat noch niemand von uns gewußt, und nun zerfließen selbst die Höchstädter vor Lob. Es ist noch nicht vierzehn Monate her, daß sie von uns schrieben, wir seien die miserabelste Mannschaft auf der Welt und uns empfahlen 16 lieber zu schussern, als Fußball zu spielen. Nun gut. wenn sie Dresche bekommen wollen, sind wir nicht dagegen, mit ihnen ein Freundschaftsspiel auszutragen. Wir wollen es ihnen eintränken. Sie schreiben, auch ›Höchstädt‹ könne auf eine Reihe schöner Erfolge hinweisen. Unverschämte Lügner! Wer hat schon mit ihnen gespielt? Die Klubs ›Ingolstadt‹, ›Truttensdorf‹, ›Regensburg‹ und ›Keichenthal‹ – bekannte Raufbolde, die keine Ahnung davon haben, was Kopfspiel ist. Bei denen die beste Kombination darin besteht, den Spieler von allen Seiten zu umstellen und zu Boden zu kicken. Die gehen nur auf den Mann, aber nicht auf den Ball.«

»Das haben wir doch auch gemacht,« seufzte der rechte Flügel, »und meiner Treu, das waren goldene Zeiten. Erinnert ihr Euch noch, wie ich den Zentreforward der ›Ulmer Brüder‹ angefaßt habe? Ich brach ihm das Genick, die Schulter und den linken Fuß; und das alles nur mit einem Kick.«

»Und wir mußten ihn auf Kosten des Klubs begraben,« warf mürrisch der Kassier ein. »Dein Schuß hat uns 2000 Goldmark gekostet, weil ihr alle auf den blödsinnigen sentimentalen Einfall kamt, ihn in einem Sarg zu bestatten, als ob er ein Fußball gewesen wäre.«

»Aber das Spiel wurde zu Ende gespielt und wir mußten das Eintrittsgeld nicht zurückerstatten.« sagte der rechte Flügel entschuldigend. 17

»Unbedingt werden wir über den ›Höchstädt‹ siegen,« erklärte feierlich der Kapitän, »siegen durch unsere feine Kombination. Uns geniert der feindliche Forward nicht. Von den Flügeln wird der Mitte vorgelegt, der Zenter übergibt an den linken Flügel, läuft voraus, umdribbelt den Back, Schuß und Goal. Wir müssen die Spieler nicht abdecken, wir kommen mit ihnen überhaupt nicht in Berührung. Die müssen im luftleeren Raum umherlaufen. Der Ball muß für sie unerreichbar sein. Nur wir werden ihn an Kopf und Fuß zu kosten bekommen. Für sie muß er eine abstrakte Melone sein, ein Märchen und weiter nichts. Hipp, hipp, hurrah.«

Der Sekretär des »Höchstädt« kam in der folgenden Woche an, um abzuschließen, was eigentlich bereits abgemachte Sache war, als die Tillinger »Morgenpost« schrieb, man verhandle über die möglichst nahe Verwirklichung eines Freundschaftsspieles zwischen »Tillingen« und »Höchstädt«, in welchem der »Tillingen« die Farben seiner Stadt und die Ehre des Klubs verteidigen werde. Man werde nicht um einen Pokal spielen, sondern um den Sieg über den »alten Bekannten«, um den Sieg der Stadt Tillingen über die Stadt Höchstädt an der Donau. Die Züge spien Scharen von Tillingern auf dem Höchstädter Bahnhof aus, damit für die Mannschaft, die die weißgelben Farben verteidigte, eine entsprechende Ehreneskorte 18 bereitstünde, und damit jemand die Sieger aus Tillingen umarmen könne.

Bis auf einige feindliche Blicke, mit denen der Sekretär des »Höchstädt« bei seiner Ankunft gemessen wurde, geschah ihm nichts Unangenehmes und er erledigte alles glatt. Das Freundschaftsspiel zwischen beiden Klubs wurde für den nächsten Sonntag auf dem Spielfelde des »Höchstädt« festgesetzt. Der Reinertrag sollte zu gleichen Teilen zwischen den beiden Klubs aufgeteilt werden.

Dann gings, nach altem Klubbrauch, ins Wirtshaus, wo man auf Vereinskosten bis zum Morgengrauen trank. Gegen Morgen einigte man sich noch auf folgendem: 1. Schiedsrichter sollte ein Unparteiischer aus Nürnberg sein. Fahrt und Auslagen sollten ihm von beiden Klubs gezahlt werden. 2. Daß der Urahne des Kapitäns des »Höchstädt« bei einem Sturme auf die Stadt Tillingen vom Urahnen des Kapitäns des »Höchstädt« mit dem Schwerte vom Scheitel bis zur Sohle entzweigehaut wurde, und dafür wiederum von einem Urahnen des Klubsekretärs des »Höchstädt« auf seiner Lanzenspitze befestigt wurde.

Bei diesem Punkte begann die Unterhaltung ein wenig zu stocken und der Klubsekretär des »Höchstädt« hielt es für angebracht, zu verduften, da er merkte, daß der Klubkapitän ihn ein wenig seltsam betrachte, als wollte er an ihm eine Rehabilitierung seiner Ahnen vornehmen. 19

So kam der glorreiche Tag, an dem die Tillinger nach so vielen Jahrhunderten wiederum gen Höchstädt zogen, wo alles zur Verteidigung gerüstet war.

In Tillingen wie in Höchstädt waren alle Ochsenziemer, Eisenringe, Eichenstöcke und Revolver ausverkauft. Die Handkoffer der Tillinger waren auffallend schwer, da sie Steine mit sich führten. Die Höchstädter hatten sich damit die Taschen vollgestopft. Das Spiel begann genau um ½4, und um 3 Uhr 33 Minuten war der Kampf bereits in vollem Gange.

Als erster fiel der Unparteiische. Er erhielt von Anhängern beider Klubs je einen Hieb mit dem Ochsenziemer an den Schädel. An zwei Stellen wurde ihm der Schädel eingeschlagen. Bevor er starb, schrie er noch »offside«, da er nicht mehr pfeifen konnte, denn ein neuer Hieb mit dem Ochsenziemer hatte ihm das Pfeifchen im Munde zerquetscht.

Die Tillinger waren im Vorteile, da ihrer 10.000 gekommen waren, und Höchstädt im ganzen nur 9000 Einwohner hat.

Die Höchstädter wehrten sich verzweifelt und dem allgemeinen Handgemenge gelang es ihnen, den Kapitän des »Tillingen« an der Latte des Tores des »Höchstädt« aufzuhängen.

Der Zentrehalf des »Tillingen« biß beiden Backs des »Höchstädt« die Kehlen durch und wurde dafür vom Zentreforward dieses Klubs gefällt, 20

In allen Tageszeitungen Deutschlands erschien in der Sportrubrik des folgenden Tages ein Telegramm mit folgendem lakonischen Inhalt:

»Das interessante Freundschaftsspiel Tillingen-Höchstädt nicht zuende gespielt. Auf dem Spielfelde blieben 1200 Gäste und 850 einheimische Zuschauer. Liquidation beider Klubs. Die Stadt brennt.«

Wenn ich dabei an die Spieler der Prager Sparta mit der Slavia denke, dann sehe ich erst, daß der Fußballsport bei uns erst in den Kinderschuhen steckt. 21

 


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