Bret Harte
Die Geschichte einer Mine
Bret Harte

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Elftes Kapitel.

In welcher Weise für die Mine agitirt ward.

Das ehrenwerthe Mitglied des Congresses, Herr Pratt C. Gashwiler ahnte natürlich nichts von dem in dem vorhergehenden Capitel geschilderten Vorgange. Das Geheimniß würde übrigens, falls Dobbs es in den von keiner Unredlichkeit befleckten Händen dieses Herrn niedergelegt hätte, treulichst bewahrt worden sein; auch war es jedenfalls nicht der Art, daß Herr Wiles Neigung verspürte, es anderen mitzutheilen. Zumal, da derselbe, trotz der Niederlage, die er erlitten, noch Menschenkenntniß genug besaß, um zu wissen, daß der erzürnte Abgeordnete von Fresno kein öffentliches Aergerniß geben, sondern sich damit begnügen würde, ihm auf diese etwas eigenthümliche Manier zu zeigen, daß er keiner Versuchung zugänglich sei. Ferner war Wiles gleicherweise davon durchdrungen, daß Dobbs dermaßen in Gashwilers Angelegenheiten verwickelt war, daß er schon um seiner selbst willen schweigen würde, so daß der gute Dobbs – wie das so oft das Schicksal gerader aber schwacher Naturen ist – bei jedem Schurken im Lande in dem Geruch der Achselträgerei stand.

Hieraus dürfen wir folgern, daß sich nichts ereignete, was die Sicherheit des Abgeordneten für Remus hätte stören können. Derselbe verfaßte, zu der Zeit, da sich die Thür hinter Herrn Wiles schloß, ein Billet, welches er im Verein mit einem Blumenstrauße, – der sehr kostbar, aber außerordentlich unschön war, und in Folge der Thatsache, daß er ihn mit seinen feisten Fingern neu arrangirt hatte, an allen Stellen eine disharmonische und geschmackswidrige Farbenzusammenstellung zeigte, – durch einen expressen Boten absandte. Sodann fing er an, seine Toilette zu machen, – eine Arbeit, die unser Geschlecht selten mit Anmuth und Grazie verrichtet, die aber, wenn noch obendrein große Fettleibigkeit vorhanden ist, verletzend auf das Auge des Beschauers wirkt. Nachdem er ein reines Hemd angezogen, das viel zu bauschig war und eine Weste angelegt hatte, die seinen Schmerbauch zur vollen Geltung zu bringen schien, vollendete er seinen Anzug durch einen schwarzen, nach der allerneusten Mode angefertigten Frack und betrachtete sich darauf selbstgefällig im Spiegel. In Wirklichkeit war jedoch das Ergebniß, so befriedigend dasselbe auch für ihn selbst ausfallen mochte, doch nichts weniger als erfreulich für den unbefangenen Beobachter. Es gibt Männer, an denen »die Mode, jene verunstaltete Diebin«, ihre Rache ausläßt, indem sie ihrer Kleidung das Ansehen steter Neuheit verleiht. Der durch das Bügeleisen des Schneiders hervorgebrachte Glanz und die Knicke, welche der Stoff im Laden erhielt, fordern unaufhörlich zu einer Kritik über den Träger auf. Neuheit war der Totaleindruck, den Herrn Gashwilers Frack hervorrief, sein Besitzer fühlte sich in demselben nicht heimisch und »Eignes Fabrikat«, »Allerneuste Mode«, »Feinster Schnitt, Preis nur 15 Dollar«, stand so offenkundig auf dem breiten Rücken des Abgeordneten geschrieben, als ob daselbst die Laden-Etiquette noch angeheftet sei.

Solchermaßen herausgeputzt, folgte Herr Gashwiler nach Verlauf einer Stunde stolzen Schrittes dem voraus gesandten Billet und der Blumenspende. Das Haus, das er aufsuchte, war ehedem der Wohnsitz eines ausländischen Gesandten gewesen, der seiner Zeit seine Loyalität gegen seine Regierung dadurch bekundet hatte, daß er einen einzigen, längst vergessenen, unwichtigen Vertrag abschloß und viele Soiréen und Diners gab, welche noch lebhaft im Gedächtniß derjenigen Herrschaften standen, welche zufälligerweise in dem, jetzt zu einem der unwohnlichen, echtamerikanischen Empfangszimmer degradirten »Salon« des Hauses einen Besuch abstatteten. »Du lieber Himmel!« sagte der charmante Herr X., »entsinnst du dich noch, mein Herz, daß ich hier in diesem Zimmer, einstmals mit dem Marquis von Monte Pio eine so sehr interessante Unterhaltung hatte?« Und der elegante Jones vom Ministerium des Aeußern, der einem herabgekommenen Freunde einen Pflichtbesuch abstattete, zerschmetterte denselben mit den Worten »Auf Ehre, wie kommst du hierher? Als ich mich das letzte Mal in diesem Gemache aufhielt, plauderte ich dort in jener Ecke wol eine Stunde lang mit der Baronin de Castenet.« Denn unmittelbar nach der Zurückberufung des ebengenannten Gesandten war das Palais in ein Boardinghaus verwandelt worden, das von der Gattin eines Departementsschreibers verwaltet wurde.

Vielleicht gab es in der ganzen Vergangenheit dieses Hauses nichts Merkwürdigeres und Lehrreicheres, als die Lebensgeschichte seines gegenwärtigen Besitzers. Roger Fauquier war seit vierzig Jahren Departementsschreiber. Es war theils sein Glück, theils sein Unglück, daß er in sehr jungen Jahren zu einer Stellung ernannt worden war, welche eine gründliche und umfassende Sachkenntniß der Formeln und Geschäftsweise eines Verwaltungsfaches erforderte, das alljährlich aus der Staatskasse Millionen zu verausgaben hatte. Der kärglich besoldete Fauquier, dessen Stellung sich mit den Jahren eher verschlechterte als verbesserte, sah eine Reihe von Verwaltungen knospen, blühen und verwelken, behauptete aber nichtsdestoweniger seinen Posten in Folge des Umstandes, daß seine Sachkenntniß den aufeinanderfolgenden Chefs und Employées unentbehrlich war. Einmal war er allerdings von einem neuen Ministerium in summarischer Weise entlassen worden, um einem Parteigänger Platz zu machen, der in Folge umfassender und intellectueller in einer politischen Campagne bewährter Dienste zur Ausübung jedes Amtes geeignet erschien, allein die beunruhigende Entdeckung, daß es mit der grammatischen und etymologischen Ausbildung des neuen Schreibers sogar noch trauriger bestellt war, als mit der des Ministers selbst, und daß die Departementsverwaltung, in Ermangelung der erforderlichen Geschäftsroutine, der Regierung einen Verlust von einer halben Million verursacht hatte, führte zu der Wiedereinsetzung des Herrn Fauquier, wenn auch mit vermindertem Gehalt. Denn man nahm an, daß die Sache irgendwo einen Haken haben müsse und da der Congreß und die Verwaltungsbehörde von jeher die Gewohnheit gehabt hatten, jede Reform mit einer Verringerung der Gehälter zu eröffnen, so ward nunmehr an Herrn Fauquier ein beherzigenswerthes Exempel statuirt. Da derselbe jedoch aus einer angesehenen Familie stammte und manche kostspielige Neigungen besaß, so hatte er seinen Gehalt stets verbraucht; in Folge dessen rief dieser Umschwung der Verhältnisse eine neue Broderwerberin – Frau Fauquier – in die Schranken, welche mit mehr oder minderem Erfolg die ihr als Südstaatlerin angeborne Ader der Gastfreiheit, in eine Einnahmequelle zu verwandeln suchte. Allein da der gute Fauquier sich niemals dazu entschließen konnte, einem seiner Gäste eine Rechnung einzureichen und da mehrere der bei ihm wohnenden jungen, sehr vornehmen Herren entweder auf eine Anstellung warteten oder aus dem Dienst entlassen waren, so erwies sich das Unternehmen in pecuniärer Beziehung als ein Mißgriff. Trotzdem stand die Pension in gutem Ruf und erfreute sich hoch angesehener Protectionen; und in der That war es goldeswerth, Herrn Fauquier an der Spitze seiner Tafelrunde nach der Weise seiner Ahnen den Vorsitz führen zu sehen und seinen Anecdoten aus dem Leben großer, längst gestorbener und verdorbener Männer zu lauschen. Zu bedauern war nur, daß diese Erzählungen von Zeit zu Zeit durch die sehr ungelegenen Besuche geldbedürftiger Krämer unterbrochen wurden.

Aus dem Kreise der Hausbewohner, die Herr Fauquier seine »kleine Familie« zu nennen pflegte, ragte namentlich eine schwarzäugige Dame hervor, die eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Männerwelt ausübte und in Washington in dem Ruf einer koketten Frau stand. Ihre gesellschaftlichen Verirrungen fanden jedoch bei einem stillen, guterzogenen Gatten eine milde Beurtheilung. Ja, derselbe beobachtete die Kurzweil, welche die kleine Dame trieb, nicht nur mit nachsichtigen, sondern sogar mit bewundernden Augen und gab somit bis zu einem gewissen Grade seine stillschweigende Zustimmung zu ihrem Benehmen zu erkennen. Niemand bemerkte Hopkinson. In dem Strahlenkranze, der von Frau Hopkinsons Reizen ausging, verlor man ihn vollständig aus dem Gesicht. Einige wenige Damen, deren Ehemänner allzu empfänglichen Herzens waren, und mehrere Jungfrauen, die sich eines guten, langjährigen Rufes erfreuten, nahmen Anstoß an ihrem Benehmen. Die jüngeren Männer schwärmten natürlich für sie; doch glaube ich, daß sie ihren hauptsächlichsten Stützpunkt uns älteren bereiften Häuptern verdankte. Denn bei Lichte betrachtet, ist es doch nur der ruhige, würdige, selbstbewußte, weisheitsvolle, corpulente Pater familias, dem die Vergnügungssüchtigen und Flatterhaften des anerkannt selbstlosen, gefühlvollen Geschlechtes ihren Platz am Sternenhimmel der Gesellschaft schulden. Wir sind nicht zur Tadelsucht geneigt; wir belächeln als eine Thorheit, was unsere Frauen und Töchter als ein Vergehen verdammen. Wir haben unsern Hals nicht in die Schlinge gesteckt, und doch bekennen wir, daß wir nicht stumpf sind für die Reize eines schönen Gesichtchens. Wir wissen, leider Gottes, aus eigener Erfahrung ganz genau, was wir von dem Urtheil zu halten haben, das eine Frau über eine andere fällt. Es behagt uns, wenn unsere kleine strahlende Freundin ihr Licht leuchten läßt. Sind es doch nur die Motten, welche ihre keinen Heller werthen, unsauberen Flügel an der Flamme versengen! Und warum sollten sie das nicht? Die Natur hat es wohlweislich so eingerichtet, daß es mehr Motten gibt, als Lichter. Darum laßt uns nur getrost auf diesem Wege weiter wandern! Laßt uns dem hübschen Geschöpf, – sei es Jungfrau, Gattin oder Wittwe – Gelegenheit geben, ihre Schönheit zur Geltung zu bringen. Und während Mater familias ihre schwarzen Brauen runzelt, bekunden wir mit unserem kleinen überlegenen Lächeln unser geistiges Uebergewicht und bringen, nach wie vor, dem Fräulein Anonyma unsere ermuthigenden Huldigungen dar. Und wenn dann Leichtfertigkeit dankerfüllt und Thorheit zuthunlich ist – nun – so ist es doch wahrlich nicht unsere Schuld. Im Gegentheil, es beweist nur, daß unsere Theorie richtig ist.

Ich hatte die Absicht, noch ein Wort über Hopkinson fallen zu lassen, allein es ist in der That wenig über ihn zu sagen. Einst versuchten es einige Damen, ihm deutlich zu machen, daß es seine Pflicht sei, sich das Benehmen seiner Frau mehr zu Herzen zu nehmen als bisher, und man sagt, daß er ihnen wirklich – in einer Anwandlung von Gutmüthigkeit und Freundlichkeit – das Versprechen gegeben habe, ihrer Ermahnung Folge zu leisten. Und in der That war der gute Mann so empfänglich für das Vertrauen, das man ihm schenkte, daß ihm sogar der junge de Lancy vom Ministerium des Innern eines Tages die traurige Eröffnung machen durfte, daß er Ursache habe, auf einen Nebenbuhler eifersüchtig zu sein und ihm gleichzeitig das entsetzliche Geheimniß offenbarte, daß er (de Lancy) ein Recht habe, von seiner (Hopkinsons) Gattin mehr Anhänglichkeit zu erwarten. Der gute Mann soll diese vertrauliche Mittheilung mit großer Theilnahme entgegen genommen und Herrn de Lancy versprochen haben, all seinen Einfluß aufzubieten, um seine Frau ihm wieder geneigt zu machen. »Sehen Sie,« sagte er zu ihrer Entschuldigung, »sie hat allzu vielen Verpflichtungen nachkommen müssen, und da ist sie ein wenig nachlässig geworden. Das ist der Frauen Art! Aber wenn es mir nicht gelingt, ihr den Kopf zurecht zu setzen, so bitte ich Gashwiler, der soll all seine Minen springen lassen. Deshalb dürfen Sie den Muth nicht verlieren, mein guter Freund, er wird die Sache jedenfalls ins rechte Gleis bringen.«

Auf Frau Hopkinsons Tisch war die Ankunft eines Blumenstraußes keine seltene Begebenheit, dessen ungeachtet stand Herrn Gashwilers Bouquet nicht auf demselben. Es hatte infolge seiner abscheulichen Geschmacklosigkeit ihr weibliches Schönheitsgefühl verletzt, (es ist nämlich eine erwiesene Thatsache, daß der gute Geschmack diejenige Eigenschaft ist, welche den Untergang aller anderen weiblichen Tugenden überlebt) und sie hatte es daher auseinander genommen, um kleine Knopflochsträuße für die Herren zu binden. Doch, als der Geber erschien, legte sie ihre Hand auf die Stelle, wo das Herz sich zu befinden pflegt, und sagte hastig:

»Wie freue ich mich, Sie zu sehen! Aber welchen Schrecken haben Sie mir vor einer Stunde eingejagt!«

Gashwiler war theils sichtlich erfreut, theils betroffen.

»Was habe ich denn verbrochen, meine liebe Frau Hopkinson?« hub er an.

»O, reden Sie nicht so,« sagte sie schwermüthig. »Was Sie verbrochen haben? Nun, in der That, Sie haben mir das reizende Bouquet geschickt. Ich erkannte sofort an der Anordnung der Blumen, daß es von Ihnen kam. Leider war mein Gatte zugegen. Sie kennen seine Eifersucht. Ich sah mich genöthigt, es schnell zu verbergen. Ich bitte Sie dringend, – es nie, – nie wieder zu thun. Versprechen Sie mir das?«

Herr Gashwiler erhob einen bescheidenen Einspruch.

»Nein; ich bin im vollen Ernst. Ich war so sehr erregt. Er hat sicherlich bemerkt, daß ich roth ward.«

Nichts, nur die plumpe Schmeichelei dieser Rede verhüllte diese augenfällige Ungereimtheit vor Gashwilers geistigem Auge. Und überdies hatte er sich bereits von dem Anflug mädchenhafter Zaghaftigkeit unterjochen lassen, mit der dieselbe ausgesprochen ward. Dessenungeachtet konnte er es nicht unterlassen, zu fragen:

»Aber seit wann ist er denn so eifersüchtig? Ich sah erst gestern, wie Simpson von Dulus Ihnen unmittelbar vor seinen Augen einen Blumenstrauß überreichte.«

»Ach,« entgegnete die Dame, »er war damals zwar äußerlich ruhig; allein Sie ahnen nicht, welch' eine Scene zwischen uns stattfand, sobald Sie uns verlassen hatten.«

»So?« meinte der praktische Gashwiler, »aber Simpson hatte doch Ihrem Gatten den Contract überreicht, der ihm hilft, baare 50 000 Dollar einzusacken.«

Frau Hopkinson schaute Herrn Gashwiler mit so viel Würde an, als sich nur immer mit 5 Fuß 3 Zoll, (die letzten drei Zoll wurden durch einen pyramidalen Aufbau aus strohgelbem Haar hervorgebracht), einer Franze Schmachtlöckchen, einem Paar lachender Augen und einer zierlich umgürteten Taille vereinbaren läßt.

Dann entgegnete sie, die Augen niederschlagend: »Sie vergessen, daß mein Gatte mich liebt!« Und in diesem Augenblick hatte ihr Gesicht den Ausdruck tiefer Reue. Derselbe stand ihr gut; doch da er eigentlich nur im Verein mit einem schmucklosen und mit kindlichen blaßblauen Bändern versehenen weißem Kleidchen den rechten Eindruck machte, so paßte er nicht recht zu der lavendelfarbenen mit Plissen verzierten Toilette und dem rosa Besatz. Allein eine Frau, die sich besinnt, ob der seelische Ausdruck ihres Gesichts mit ihrer Kleidung im Einklang stehe, ist verloren. Frau Hopkinson siegte nur allein durch ihre Kühnheit.

Herr Gashwiler fühlte sich geschmeichelt. Selbst der lasterhafteste Mensch weidet sich gern an dem Anblick der Tugend. »Allein Talente und Reize wie die Ihrigen gehören dem ganzen Lande!« sagte er salbungsvoll, indem er die Worte mit einer Verbeugung begleitete, welche bewies, daß er sich theils stolz gehoben, theils besiegt fühlte. »Und ich werde dieselben sämmtlich für mich ins Feld rufen, um den Rechtsanspruch von Garcia durchzuführen. Ein freundschaftliches Abendessen bei Welkers, einige Gläser Champagner und ein einziger leuchtender Blick aus Ihren herrlichen Augen und die Sache ist abgemacht!«

»Aber,« sagte Frau Hopkinson, »ich habe meinem Josiah versprochen, alle Koketterien zu unterlassen und obgleich mein Gewissen rein ist, so habe ich doch genugsam erfahren, wie gern die Leute klatschen. Denken Sie, vorgestern Abend, als wir bei dem patagonischen Gesandten waren, steckten alle anwesenden Damen die Köpfe zusammen, weil ich mit unserm Wirth den Walzer eröffnete. Als ob eine verheirathete Frau, deren Gatte sich an Staatsunternehmungen betheiligt, nicht die Pflicht hätte, dem Repräsentanten eines befreundeten Staates höflich zu begegnen!«

Herr Gashwiler begriff nicht recht, wie es kam, daß der Contract, laut welchem Herr Hopkinson für die Armee der Vereinigten Staaten Pökelfleisch und sonstige Mundvorräthe zu liefern hatte, der Frau Hopkinson die Verpflichtung auferlegte, die Huldigungen ausländischer Botschafter zu begünstigen. Doch behielt er dies wohlweislich für sich. Da er aber selbst kein Diplomat war, so konnte er nicht umhin zu sagen:

»Allein so viel ich weiß, ist Ihr Herr Gemahl damit einverstanden, daß Sie sich für diesen Rechtsanspruch interessiren; auch dürfen Sie nicht vergessen, daß Sie einige der Actien...«

Frau Hopkinson fuhr auf und rief: »Actien! Lieber Herr Gashwiler, um des Himmels willen! Sprechen Sie das abscheuliche Wort nicht aus. Actien! Ich werde krank, so oft ich es höre! Habt ihr Herren denn nicht etwas Gescheidteres zu sprechen, wenn ihr bei einer Dame seid?«

Sie erhöhte die Wirkung dieses letzten Satzes durch den entzündlichen Blick, den sie auf ihren Gast warf. Zu meinem großen Leidwesen erlag Herr Gashwiler zum zweiten Male ihrer Macht. Hoffentlich hatten die Einwohner von Remus keine Ahnung von der Niederlage, die ihr großer Abgeordneter erlitt. Herr Gashwiler ließ sofort das Thema fallen und fing an, der Dame den Hof zu machen; doch parirte dieselbe – zu ihrem Lobe sei es gesagt – seine ochsenartigen Galanterien mit einer schelmischen, dachshundartigen Gewandtheit, und in diesem Augenblick meldete der Diener plötzlich »Herrn Wiles«.

Gashwiler erschrak, nicht so Frau Hopkinson, die jedoch klüglich und unbemerkt ihren Stuhl mehrere Zoll von dem Gashwilers fortschob.

»Kennen Sie Herrn Wiles?« fragte sie mit liebenswürdigem Tone.

»Nein! das heißt ich – ja, ich kann wol behaupten, daß ich hie und da in geschäftliche Beziehungen zu ihm getreten bin,« antwortete Gashwiler sich erhebend.

»Wollen Sie nicht bleiben?« fragte sie schmeichelnd. »Bitte – bitte!«

Herrn Gashwilers Klugheit siegte jedoch stets über seine Galanterie. »Jetzt nicht,« entgegnete er nicht ohne nervöse Erregung. »Es ist besser, daß ich gehe – schon des Geredes wegen, auf welches Sie mich vorhin aufmerksam machten. Ich möchte Sie bitten, meinen Namen nicht diesem – diesem Herrn Wiles gegenüber zu erwähnen.« Und ängstlich nach der Thür schauend, drückte er mit seinen plumpen, ungeschickten Fingern die der Dame und zog sich schleunigst zurück.

Herrn Wiles Unterhaltung mit Frau Hopkinson ward durch keine einleitenden Redensarten eröffnet. Er kam unverzüglich zur Sache. »Gashwiler kennt eine Dame,« sagte er, »von der er behauptet, daß sie im Stande sei, jene junge Spanierin aus dem Felde zu schlagen, die mit ihren schriftlichen Beweisen, ihrer Schönheit, ihren Zauberkünsten und – was weiß ich – für Hilfsmittel hierher gekommen ist. Sie müssen mir dieselbe zur Stelle schaffen.«

»Und weshalb?« fragte die Dame lachend.

»Weil ich diesem Gashwiler nichts zutraue. Eine Frau, die ein hübsches Gesicht und eine Unze Verstand besitzt, kann ihn in die Tasche stecken, ja, ihn und uns obendrein.«

»O, sagen Sie zwei Unzen Verstand, Herr Wiles; denn Herr Gashwiler ist kein Dummkopf.«

»Wol möglich; doch ist er schwach sobald Ihr Geschlecht in Frage kommt und es ist daher anzunehmen, daß jene Frau ihm überlegen ist.«

»Das glaube ich auch,« sagte Frau Hopkinson mit einem schelmischen Blick.

»Ah – so kennen Sie dieselbe?«

»Nicht so genau, wie ihn,« sagte Frau Hopkinson mit aufrichtigem Ernst. »Ich wollte, ich kennte sie besser.«

»Nun, so sind Sie gewiß so gütig zu ergründen, ob man ihr trauen darf. Sie lachen? Die Sache ist ernsthaft – diese Frau ...«

Frau Hopkinson machte ihm einen reizenden Knix und sagte: »C'est moi!«


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