Bret Harte
Die Geschichte einer Mine
Bret Harte

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Achtes Kapitel.

Wer um die Mine processirte.

Inzwischen verhielt sich Roscommon abwartend. Sodann brachte er in Garcia's Namen und von diesem gestützt seine Sache vor die Landcommission, indem er derselben die an den Gouverneur Micheltorena gerichtete (und mit gefälschten Indossementen versehene) Eingabe einreichte und vorgab, daß das Original der Schenkungsurkunde durch Feuer zerstört sei. Aber weshalb?

Offenbar hatte Fräulein Carmens Nachahmungstalent eine Grenze. So bewunderungswürdig es auch war, so befähigte es sie doch nicht zum Nachmachen jenes Amtssiegels, welches nothwendigerweise dieser Schenkungsurkunde hätte beigefügt sein müssen. Statt dessen hatte Roscommon Briefe aufzuweisen, die der Gouverneur auf gestempeltem Papier an ihn selbst, an Garcia, an Miguel und an Manuels Vater geschrieben hatte und diese waren sämmtlich der Ordnung gemäß mit der eigenhändigen Unterschrift und der Rubrik der Frau-Gouverneur-Micheltorena-Carmen-de-Haro versehen. Und außerdem fehlte es nicht an mündlichen Beweisen; es traten vielmehr eine Menge Zeugen auf, welche von Allem genau unterrichtet waren, und zu diesen gehörten in erster Reihe: Manuel, Miguel und der gedächtnißstarke de Haro; auch kamen eine Fülle von sinnreichen Muthmaßungen erweckenden und Frau-Hurtigschen Detailangaben zu Tage, welche darthaten, daß die verstorbene Excellenz zwar nicht »beim Steinkohlenfeuer«, jedoch bei Aguardiente und Cigarros ihm – dem ehemaligen Geistlichen Miguel – die eidliche Versicherung gegeben habe, daß Garcia's Gesuch von ihm bewilligt werden sollte und bewilligt worden sei. Und außerdem waren noch Wolken von Unterredungen, Briefen und Berichten vorhanden, die sich knapp und bündig auf den betreffenden Fall bezogen. Kurz, es fehlte nichts, als das Siegel seiner Excellenz.

Und trotzdem ward der Anspruch zurückgewiesen. Die Landcommission, welche vor Kurzem zwei verschiedene Parteien von Bewerbern für ein Patent auf den nämlichen Grundbesitz vorgeschlagen hatte, war nunmehr vorsichtig und zurückhaltend geworden.

Roscommon war zuerst betroffen, dann entrüstet und dann kriegslustig; er stimmte entschieden für eine Appellation an eine höhere Instanz.

Der Leser wird dies vielleicht mit dem, was er bisher von Roscommons Charakter erfahren hat, nicht recht in Einklang zu bringen vermögen; doch möchte ich ihn daran erinnern, daß es gewisse Naturen gibt, für welche das Processiren den nämlichen aufregenden Reiz besitzt, wie das Spielen; auch darf er nicht vergessen, daß dies Roscommons erster Proceß war. Und so fand ihn denn der Rechtsanwalt Saponacius Wood in jener händelsüchtigen Stimmung, welche jedem Advocaten die Pflicht auferlegt, sich den Anschein zu geben, als wolle er sie mit all' seiner juristischen Weisheit dämpfen. »Sie haben natürlich das Recht, zu appelliren,« sagte er, »allein erhitzen Sie sich nicht, mein lieber Herr; es will reiflich bedacht sein. Die Sache war vortrefflich begründet, die Zeugenaussagen lauteten in überwiegender Weise zu unseren Gunsten, jedoch hatten wir zufällig gegen Bestimmungen zu kämpfen, welche die Landcommission früher getroffen und durch die sie sich in Ungelegenheiten gebracht hatte. Unter diesen Umständen hätten wir selbst dann nichts erreicht, wenn Micheltorena persönlich im Gerichtshof erschienen wäre und ausgesagt hätte, daß er Ihnen die Schenkungsurkunde gegeben habe; eine spanische Schenkungsurkunde konnte zu der Zeit nicht anerkannt werden und wird sich auch in den nächsten sechs Monaten keine Geltung verschaffen. Sehen Sie, mein lieber Herr, die Regierung hat nämlich einen ihrer gewaltigen Anwälte aus Washington hierher geschickt und der hat in den meisten spanischen Actenstücken Fälschungen nachgewiesen. Und woher das kommt, mein lieber Herr? Woher das kommt? Nun, er hat sich mit Leib und Seele verkauft, er hat sich bestechen lassen von dem Ring.«Geheime Cliquen oder Verbindungen, welche unerlaubte Zwecke verfolgen, nennt man in Amerika »Ringe«

»Von dem Ring, was ist das für'n Ding?« fragte der Client mit scharfem Tone.

»Der Ring ist – hm – der Ring ist ein Verein von gewissenlosen aber wohlhabenden Leuten, welcher darauf aus geht, die Ziele der Justiz zu vereiteln.«

»Und, zum Henker, was hat denn der Ring mit der Schenkungsurkunde zu schaffen, die mir der vermaledeite Mexikaner zum Ersatz für die Kost und das Logis gab, das er mir schuldig war? He? Heraus mit der Sprache!«

»Der Ring, mein lieber Herr, ist die andere Partei – ist – hm – stets die Gegenpartei.«

»Donnerwetter, warum bilden wir nicht auch einen Ring. Habe ich Ihnen nicht fünfhundert Dollar ausgezahlt? Und nun kommen Sie nicht einmal auf diesen schlauen Einfall. Gott bewahre! Weshalb bezahle ich Sie denn? He?«

»Ich möchte durchaus nicht in Abrede stellen,« hub der Rechtsanwalt an, »daß Ihrer Sache ein unberechenbarer Nutzen erwachsen würde, wenn Sie außer den ordnungsmäßigen Gebühren noch eine Summe Geldes klüglich verausgabten, aber –«

»Sehen Sie, Herr Wood, ich habe meinen Kopf darauf gesetzt, zu appelliren; und die Schenkungsurkunde muß ich haben, denn meine Alte und ich haben uns darauf versteift. Verschaffen Sie mir das Stück Land, dann soll Ihnen die Hälfte gehören, und damit basta!«

»Aber, mein lieber Herr, wir haben einige Vorschriften in unserm Beruf, die, wenn sie sich auch lediglich auf denselben beziehen – so doch ....«

»Zum Teufel mit Ihrem Beruf! Ist er etwa besser als der meinige? Ich habe für die verfluchten Papiere, die mir der Halunke von Garcia gegeben, meine Vorräthe und meinen Whisky riskirt, für die ich in Frisco schweres Geld geblecht habe. Darum ist es recht und billig, daß Sie und Ihr Gelichter auch einmal Ihre Juristerei riskiren.«

»Gut,« sagte Wood mit einem albernen Lächeln. »Ich bin der Meinung, mein lieber Herr, daß in Anbetracht unserer Freundschaft, eine Schuldverschreibung auf die Hälfte des Antheils und ein durch mich ausgezahltes Sümmchen genügen würde, um Alles ins Reine zu bringen.«

»So! das hat Hand und Fuß! Aber wer ist denn eigentlich der Patron, mit dem wir es zu thun haben und der den Ring zu Stande gebracht hat?«

»Ja, mein lieber Herr, – das sind die Vereinigten Staaten!« sagte der Rechtsanwalt würdevoll.

»Die Staaten! Also die Regierung? Und von der lassen Sie sich ins Bockshorn jagen? Bah! ich habe mich mit der Regierung gestritten, als ich in meiner Heimat war, und die Regierung hat mich hierher nach Amerika getrieben und jetzt komme ich wieder auf meine alten Grundsätze zurück!«

»Ihre politische Gesinnung macht Ihnen große Ehre, mein Herr,« sagte Herr Wood.

»Und was hat die Regierung mit der Appellation zu thun?«

»Die Regierung,« entgegnete Herr Wood mit Nachdruck, »wird sich durch den Districtsanwalt vertreten lassen.«

»Und wer ist der Hasenfuß?«

»Es verlautet,« sagte Herr Wood langsam, »daß ein neuer ernannt werden soll. Ich selbst habe mit Rücksicht auf diese Stelle einige ehrgeizige Absichten.«

Der Client heftete seine beiden verschmitzten, wenn auch nicht allzu klugen, grauen Augen auf seinen amerikanischen Advocaten, doch sagte er nichts weiter als: »So! das haben Sie also?«

»Ja,« sagte Wood, den Blick kühnlichst erwiedernd, »und wenn mich einige Ihrer angesehenen Landsleute, welche einen so großen Einfluß auf alle Parteien ohne Ausnahme ausüben und Männer wie Sie, mein lieber Herr, unterstützen wollten, nun, so glaube ich mit Bestimmtheit, daß Sie mit der Zeit, wenn auch nicht conservativ, so doch wenigstens etwas regierungsfreundlicher werden.«

Hiernach musterten sich der kleinere und der größere Betrüger gegenseitig mit einem prüfenden Blick und dann empfanden sie während einer oder zweier Minuten eine warme, sympathische, freundschaftliche Regung zu einander und schüttelten sich schweigend die Hand.

Wir können uns darauf verlassen, daß in dem Gefühl, welches zwei anerkannte Schurken für einander hegen, ungleich mehr Wohlwollen und menschenfreundliche Sympathie zu finden ist, als in der ruhigen, achtungsvollen Anerkennung, die Du und ich, mein Leser, zur Schau tragen, wenn wir zufälligerweise mit unseren beiderseitigen Tugenden feindlich aufeinanderstoßen.

»Und Sie bringen die Anklage vor die zweite Instanz?«

»Ich thue es.«

Und er that es. Und in Folge eines merkwürdigen Zusammentreffens der Umstände erhielt er die Districtsanwaltschaft obendrein. Und sobald er die Übertragungsurkunde in der Tasche hatte, die ihm ein Anrecht auf die Hälfte des »Ranchos der rothen Felsen« sicherte, schickte er einen befreundeten Advocaten vor das Gericht, damit derselbe die Sache seines Clienten, der Vereinigten Staaten, gegen ihn selbst, gegen Roscommon, Garcia und Consorten verfechte. Wilde Pferde würden ihn nicht von diesem edlen Entschluß abgebracht haben. Es herrscht bei der juristischen Facultät ein Tact und ein Corpsgeist, den wir Männer der Feder uns gleichfalls aneignen sollten.

Die Vereinigten Staaten verloren den Proceß! Und das war ein vernichtender Schlag für die »Blue Mass Company«, die von der landesväterlichen gütigen Regierung einen Grundbesitz erhalten hatte, welcher derselben nicht gehörte. Die spanische Urkunde machte natürlich, da sie aus einer früheren Zeit datirte, sowol die durch Concho, Wiles Pedro u. s. w. erfolgte Besitznahme der Mine, als auch die Uebernahme derselben durch die »Blue Mass Company« und die vereinsamten Actionäre Biggs und Thatcher ungiltig. Ja, noch mehr als das, sie verschluckte nicht nur außerdem jeden Gewinn, den die gegenwärtigen Besitzer geerntet hatten, sondern machte dieselben auch Garcia gegenüber für all das Geld verantwortlich, welches seiner Zeit der große Meister der Habsucht aus der Mine gezogen hatte. Der Districtsanwalt war – wie es schien – tief bekümmert, jedoch ergeben. Biggs und Thatcher waren in Wahrheit tief bekümmert aber kampfbereit.

Und dann erst begann (wir erwähnen das im Voraus) der eigentliche Proceß. Derselbe ward geführt von Seiten Biggs und Thatchers mit Ernst, Kraft, Muth, Eifer und Vertrauen und von Seiten Garcia's, Roscommons und ihrer Verbündeten mit juristischen Kniffen, Doppelzüngigkeiten, Verzögerungen und einer Menge Kreuz- und Querzügen, die selbst dem Q. Fabius Maximus Ehre gemacht haben würden.

Von all diesen ermüdenden Proceßepisoden erwähne ich nur eine einzige, die wegen ihrer Originalität und der Kühnheit ihrer Idee mir besonders den Zeitgeist und die Civilisationsstufe jener Periode zu charakterisiren scheint. Ein Subalternbeamter des Bezirks-Gerichtshofes weigerte sich, die ihm aufgetragene Abschrift der Acten anzufertigen, welche dem höchsten Gerichtshof der Vereinigten Staaten eingesandt und vorgelegt werden sollten. Es ist zu bedauern, daß der Name dieses kecken Jünglings, der solchergestalt einen Stein auf den Dom unserer constitutionellen Freiheiten warf, im übrigen so unbedeutend war, daß er auf die staubigen Acten jenes zweifelhaften Gerichtshofes, dessen zweifelhafter Beamter er war, beschränkt blieb, so daß sein Anspruch auf Unsterblichkeit mit einer von zwei Seiten ihm zukommenden Besoldung erlosch. Doch befindet sich noch in jenen Acten ein Schreiben von der Hand dieses jungen Herrn, in dem das weisheitsvolle Rechtsverfahren des Landes angegriffen wird, und dieses Schreiben kann denjenigen jungen Leuten, welche sich eine angesehene Stellung und ein Vermögen verschaffen möchten, nicht nur Unterhaltung, sondern auch Belehrung gewähren. Nichtsdestoweniger sah sich der höchste Gerichtshof gezwungen, diesem Provinzialbeamten die Legislation seiner amtlichen Pflichten aus den Händen zu winden und dieselben in die größere Handfläche seines eigenen Anwaltes zu legen.

Dieses vielfache Hin- und Herprocessiren, das, wenn die Rechtssache ihren geregelten Verlauf genommen hätte, nur einige Monate beansprucht haben würde, zog und schleppte sich mit Vor- und Rückschritten durch einen Zeitraum von etwa acht Jahren hin. Allein Biggs und Thatcher behaupteten einstweilen mit starker Hand den Grundbesitz und verzögerten oder verhinderten, indem sie offenbar die Tactik der Gegenpartei sich aneigneten, ihre Vertreibung aus der Mine und während ihre Gegner große Summen Geldes vergeudeten, verkauften sie unausgesetzt ihr Quecksilber, bis schließlich Biggs, der zwischen den Metallplatten seiner Rüstung schwer verwundet ward, mit wachsbleichen Wangen und erschlaffendem Arm auf dem Kampfplatze zusammenbrach und scheidend – da er sich seiner traurigen Lage wohl bewußt war – seinem Kameraden seinen Antheil an dem verwalteten Gut vermachte und dann starb. Statt seiner herrschte nun fortan Royal Thatcher.

Und nachdem wir solchergestalt den Verlauf des Processes unseren Lesern im Voraus mitgetheilt haben, wenden wir uns denjenigen Personen zu, die durch ihre verschiedenartigen Interessen mit demselben verflochten waren.

Wir beginnen mit Roscommon: Um dessen späterer Rede- und Handlungsweise gerecht zu werden, ist es nothwendig, hervorzuheben, daß er, als er die noch nicht angezweifelten Papiere mit dem Anspruch auf den »Rancho der rothen Felsen« aus Garcia's Hand erhalten, vollständig arglos gewesen war und keine Fälschungen geargwöhnt hatte. Erst dann, als er den berauschenden Einfluß des Processirens gekostet, ward es ihm einigermaßen klar, daß man ihn übervortheilt und hinters Licht geführt habe; allein nichtsdestoweniger schob er mit dem Eigensinn, welcher betrogenen Menschen eigen zu sein pflegt, lieber die Schuld an dem erlittenen Unrecht auf irgend eine nebensächliche Thatsache oder Person, als auf die mannichfaltigen Umstände, welche dasselbe in Wahrheit herbeigeführt hatten. In seiner Einfalt glaubte er, es sei offenkundig, daß die »Blue Mass Company« unrechtmäßigerweise Geld aus einer Mine ziehe, die ihr noch nicht gerichtlich zuerkannt sei und auf die er selbst einen Anspruch habe. Jeder Dollar, den Biggs und Thatcher einnahmen, galt ihm als ein frischer Zusatz, eine Erweiterung der Anklageakte. Jede Verzögerung der endgiltigen Entscheidung und mochte dieselbe auch von seinem eigenen Anwalt bewirkt sein, betrachtete er als eine persönliche Benachtheiligung. Ja, sogar der Umstand, daß er niemals eine erhebliche Entschädigung für diesen enormen Grundbesitz gegeben hatte, daß er ihm vielmehr für einen Spottpreis zugefallen war, verdoppelte seine Kampfbegier. Der Gedanke, daß ihm möglicherweise diese wohlfeile Speculation mißlingen könne, regte ihn mehr auf, als es der Fall gewesen sein würde, wenn er die Million, die er aus der Mine zu gewinnen hoffte, bereits baar ausgezahlt hätte. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, jene allen Menschen gemeinsame Sucht zu schildern, welche darauf ausgeht, Etwas für Nichts zu erhalten und durch eine möglichst kleinste Ausgabe eine außerordentlich große Einnahme zu erzielen; allein ich bestreite, daß ich das Recht habe, zu behaupten, Roscommon sei tadelnswerther gewesen, als seine Mitmenschen.

Nichtsdestoweniger zehrten diese Verhältnisse an ihm, wie sie an allen denen zehrten, über die der Geist des ermordeten Concho brütete und an denen, die sich von der Habsucht heute hätscheln und morgen foltern lassen. Von dem sicheren Einkommen seiner Wirthschaft, von dem kleinen Capital, das er sich durch Fleiß und Sparsamkeit angehäuft hatte, vergeudete er Tausende, um seinem Hirngespinnste zu fröhnen.

Er ward grau und altersschwach in Folge dieser steten Selbsttäuschung; er scherzte nicht mehr wie früher mit seinen Kunden ohne Rücksicht auf ihren Stand, ihr Ansehen und ihren Rang; er mußte vielmehr Parteizwistigkeiten ausgleichen, Gegner zur Milde stimmen und Freunde belohnen. Das Kramwaarengeschäft ging rückwärts, und da Frau Roscommon sich unausgesetzt gezwungen sah, einer Schaar von zahlungsunfähigen Zeugen, die von der Land-Commission und dem Bezirks-Gericht beordert waren, freie Kost und Logis zu gewähren, so waren ihre Ausgaben ebenfalls größer, als ihre Einnahmen. Sogar die Schenke war nicht mehr einträglich; denn die von der Blue Mass Company beschäftigten Leute kehrten in der jenseits der Landstraße errichteten Fonda ein und schalten und wetterten daselbst beim Whisky über Roscommons unberechtigte Ansprüche. Der ruhige ungestörte Gleichmuth, mit dem der Wirth von Tres Pinos ehemals seine Kunden bedient hatte, war verschwunden. Das Handtuch ward nicht mehr, wie früher, zu harmloser Beschäftigung benutzt; der Tresen blieb unabgewischt und zeigte die feuchten Abdrücke zahlloser Whiskygläser und dies bewies, daß seine Gedanken jetzt eine ganz andere Richtung nahmen. Spähten doch die grauen Augen des um den Rancho des rothen Felsens processirenden Mannes unausgesetzt nach Freunden oder Feinden.

Auch mit Garcia stand es nicht gut. Das Geschick zu einer falschen Darstellung von Thatsachen, das diesem Ehrenmanne innewohnte, steigerte sich in Folge einer zunehmenden Gedächtnißschwäche in bedenklichem Grade. Ein oder zwei Jahre, nachdem er seinen Anspruch auf die Mine beschworen hatte, zeigten sich, als er in Betreff einer anderen Rechtssache vernommen ward, Widersprüche in seinen Aussagen, welche, obwol sie das Schwergewicht der Beweisführung zu Gunsten derjenigen Partei herabdrückten, die ihn am besten bezahlt hatte, doch sofort von der schwächeren Partei entdeckt wurden. Garcia's einflußreiche Stellung als Zeuge, als Sachverständiger und als ein in der Geschichte seiner Stadt genau bewanderter Mann war somit untergraben. Er sah sich gezwungen, seine Aussagen durch die Anderer beglaubigen zu lassen und auf einen erheblichen Theil der ihm zukommenden Gebühren zu verzichten. Von dem Augenblicke an, wo er seine Glaubwürdigkeit als Zeuge einbüßte, nahmen seine schlechten Gewohnheiten überhand. Er war häufig betrunken; er verlor seine Stellung; er verlor sein Haus, und Carmen, die nach San Francisco übersiedelte, mußte ihn mit ihrem Pinsel ernähren.

Und dies führt uns noch einmal zu jener hübschen Malerin und unschuldigen Fälscherin, deren unbewußte That auf den öden Hügelabhängen des Roncho's des rothen Felsens diese verhängnißvollen Früchte trug und auch zu einer späteren Blüte ihres Lebens, welche sich indessen in einem freundlicheren Sonnenschein entfaltete.


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