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Sechzehntes Kapitel

Den bisher zur allgemeinen Zufriedenheit verlaufenen Hoffestlichkeiten wird durch den unerwarteten Einfall einer Zweibeinarmee ein jäher Abschluß bereitet. Dank der Geistesgegenwart der Oberhofmeisterin Gräfin Alttier gelingt es Durchlaucht und dero Hohen Angehörigen, sich in Sicherheit zu bringen, aber der Tag endet trotz dem von Exzellenz Basse bewiesenen Heldenmute mit einer schweren Niederlage der fürstlichen Truppen. Graf Basse verläßt, den Sturz der Dynastie vorausäugend, den Staatsdienst, und Herr von Malepart rettet sich, indem er den dramatischen Dichter aufopfert. Am Schlusse des Kapitels die Verlustliste.

 

Fürst Hubertus XII. von Sechzehnenden war von seinem diesjährigen Suhlaufenthalt so außerordentlich befriedigt gewesen, daß er den Entschluß gefaßt hatte, noch über die Feistzeit hinaus auf dem ihm so liebgewordenen Reviere zu bleiben und hier auch die alljährlich gegen Ende September beginnenden Hoffestlichkeiten zu feiern, in deren Mittelpunkt wie immer die Brunft stand. Der umsichtige Hofmarschall von Colchicus, der mit den Gewohnheiten und Neigungen des Hohen Herrn wohlvertraut war und wußte, welchen Wert dieser darauf legte, sich vor den Lichtern der durchlauchtigsten Damen mit einem ihm an Kräften nicht gerade überlegenen Gegner im ritterlichen Waffengange zu messen, hatte rechtzeitig für einen Beihirsch gesorgt. Es war ein Prinz aus einer mediatisierten, wenig begüterten Seitenlinie der fürstlichen Familie, der für die von ihm übernommene Verpflichtung, sich von Durchlaucht täglich ein paarmal gelinde forkeln und zum Schluß nach allen Regeln der Kunst abkämpfen zu lassen, eine angemessene Entschädigung aus dem fürstlichen Dispositionsfonds erhielt. Man hatte ihm überdies das Recht zugestanden, sich in seinen Mußestunden der Oberhofmeisterin Gräfin Alttier zu widmen, eine Vergünstigung, über die er im Hinblick auf die drei jungen Hofdamen und insbesondere auf die beiden kaum den Kälberschalen entwachsenen bildhübschen durchlauchtigen Nichten, die für ihn, der Abmachung entsprechend, sämtlich tabu waren, mit säuerlichen Mienen quittierte.

Der Höhepunkt der Brunft war nun vorüber; der Beihirsch hatte sich schon verabschiedet und war von der ihm aufgenötigten alten Dame, deren Lichter den Himmel noch einmal offen gesehen hatten, ein kleines Stück Weges begleitet worden, und wenn Durchlaucht auch morgens und abends noch etliche Male zu schreien geruhten – das gehörte nun einmal dazu und machte auf den weiblichen Teil der Hofgesellschaft immer einen starken Eindruck! – so fühlte er sich von den Anstrengungen der Festlichkeiten doch ein wenig mitgenommen, verbrachte fast den ganzen Tag im Bett, medizinierte ein wenig mit Fliegenschwämmen, Fichtenrinde und Schafgarbe und beneidete im stillen den Staatsminister, dem die Freuden des gräflich Basseschen Geschlechtstages noch bevorstanden.

Die Oberhofmeisterin, der der späte Liebeslenz gar zu schnell verronnen war, suchte Trost und Ablenkung in der doppelt gewissenhaften Erfüllung ihrer dienstlichen Obliegenheiten. Sie schien jetzt mehr als je auf die korrekteste Beobachtung des Zeremoniells zu halten, schurigelte von früh bis spät den ganzen Hof, brachte den guten Colchicus mit ihren Anliegen zur Verzweiflung und las sogar dem Regenten selbst im devotesten Tone gelegentlich ein kleines Privatissimum über seine Pflichten als Fürst, Gatte und Vater. Dabei war sie so argwöhnisch und wachsam wie noch nie, achtete auf das leiseste Geräusch und zog beständig mit erhobenem Windfang umher.

Kreisdirektor von Malepart, der als kluger Mann sehr bald dahintergekommen war, daß sich die Oberhofmeisterin eines großen Einflusses auf den Regenten erfreute, unterließ nichts, was ihm ihre Gunst erwerben konnte. Da er ihre stete Sorge um die Sicherheit der durchlauchtigsten Herrschaften kannte, hatte er von der Forstverwaltung für den Forstwart Markolf Dispens vom Dienst erwirkt und den nimmer müden, beweglichen und mißtrauischen Vogel der Gräfin als eine Art Privatkriminalbeamten zur Verfügung gestellt. Markolf sah seine Aufgabe nun hauptsächlich in einer scharfen Überwachung der Oberförsterei der Zweibeine, die sich ja längst durch die Anlage eines Drahtverhaus verdächtig gemacht hatte. Eines Abends, gerade als der Hof zum Souper auf Lampes Kartoffelacker auswechseln wollte, flog der Forstwart seiner an der Spitze des durchlauchtigen Rudels ziehenden Gönnerin mit allen Anzeichen großer Erregung entgegen und meldete, an diesem Tage sei das Eselgespann des Zweibeinoberförsters früh und nachmittags zur Stadt gefahren und beide Male mit Proviant aller Art und mehreren Flaschenkörben bepackt zurückgekehrt. Das bedeute entweder, daß sich die Besatzung des feindlichen Grenzforts auf eine Belagerung durch die Tiere gefaßt mache, oder aber, und das sei das Wahrscheinlichere, daß sie die Ankunft fremder Streitkräfte erwarte, um mit deren Unterstützung die Feindseligkeiten zu beginnen. Er erlaube sich übrigens darauf aufmerksam zu machen, daß morgen der 16. Oktober, also nach alter Erfahrung ein kritischer Tag allererster Ordnung sei, mit dem sich bekanntlich die Erinnerung an manchen schweißigen Zusammenstoß mit dem Erbfeinde verknüpfe.

Die Oberhofmeisterin hatte Markolf einen Wink gegeben, sein etwas schrilles Organ zu dämpfen. Sie wollte vermeiden, daß die Hohen Herrschaften vorzeitig beunruhigt und zu kopflosem Flüchtigwerden veranlaßt würden. Aber dem Fürsten war das aufgeregte Gebaren des Forstwarts nicht entgangen, und er verlangte nun, durch die Vertuschungsversuche der Gräfin doppelt argwöhnisch gemacht, daß man ihm die volle Wahrheit sage.

»Vorläufig liegt nicht der geringste Grund zu irgendwelcher Besorgnis vor, Durchlaucht,« erklärte die Dame, Wind einholend und scharf nach dem feindlichen Waffenplatze hinüberäugend, »dieser wackere Vogel glaubt lediglich in dem Umstande, daß das Eselgespann heute zweimal zur Stadt gefahren ist, ein Anzeichen dafür zu erkennen, daß etwas in der Luft liegt.«

Hubertus XII. hob den Kopf und sicherte aufmerksam nach allen Seiten. »Ich wittere nichts, beste Alttier«, erwiderte er. »Wüßte auch nicht, weshalb wir von den Zweibeinen einen Angriff gewärtigen sollten. Unsere Beziehungen zu ihnen sind die denkbar korrektesten, und sie haben sogar, sobald sie von unserer Ankunft Kenntnis erhielten, die Aufmerksamkeit gehabt, an vier oder fünf Stellen Lecksteine anzubringen.«

»Darf ich Eure Durchlaucht daran erinnern, daß diplomatische Beziehungen nie korrekter zu sein pflegen als unmittelbar vor dem Ausbruch eines Krieges?« wandte die erfahrene Frau ein. »Wir wollen ja hoffen, daß die von Markolf geäußerten Befürchtungen unbegründet sind, aber es dürfte sich doch empfehlen, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um gegen unliebsame Überraschungen gesichert zu sein. Wenn ich meinem durchlauchtigsten Herrn einen unmaßgeblichen Rat erteilen dürfte, so wäre es der, unverzüglich Seine Exzellenz den Herrn Staatsminister und die Spitzen der Militärbehörden zu einer Besprechung zu befehlen und womöglich noch in der kommenden Nacht die Mobilisierung aller verfügbaren Streitkräfte anzuordnen.«

»Na ja, liebe Alttier, wenn Sie's durchaus für wünschenswert halten, so können wir ja den Grafen Basse mal zum Vortrag über die Lage antreten lassen«, bemerkte der Fürst, der von der Notwendigkeit einer solchen Maßnahme freilich keineswegs überzeugt war, da die Oberhofmeisterin mit ihrer ewigen Angst um seine Sicherheit das Gefühl für Gefahr bei ihm völlig abgestumpft hatte. »Mit den Spitzen der Militärbehörden werden Sie vermutlich den braven Swinegel meinen. Famoser alter Knabe! Besteht in der Tat aus lauter Spitzen.« Und der Hohe Herr lachte so herzlich über seinen eigenen, ihm selbst ganz unerwartet zugeflogenen Witz, daß die Gräfin, wollte sie nicht unhöflich erscheinen, allen Sorgen zum Trotz in seine Heiterkeit einstimmen mußte.

»Bekommen wir Krieg, Papa?« fragte das Prinzeßchen mit strahlenden Lichtern.

»Ach was! Daran ist gar kein Gedanke, Schmalchen«, erwiderte der fürstliche Vater. »Wer weiß, was die zweimalige Eselsfuhre zu bedeuten hat! Vielleicht gibt das Zweibeintier in der Oberförsterei dem Kahlwild seiner Bekanntschaft einen Kaffeeklatsch.«

»Schade!« meinte die Kleine, die Oberlippe rümpfend. »So ein bißchen Krieg stelle ich mir furchtbar interessant vor.«

»Sagen Sie so etwas nicht, Prinzeß! Der Krieg ist keineswegs so amüsant, wie Sie in Ihrer jugendlichen Unbefangenheit annehmen«, bemerkte die Oberhofmeisterin streng.

»Nun ja, für die Herren, die zu ihren Regimentern müssen und sich beim Stabe oder in der Etappe tot langweilen, mag der Krieg nicht gerade amüsant sein, aber uns Damen kann doch dabei nichts passieren. Die Zweibeine werden wohl so galant sein, nicht auf uns zu schießen«, erwiderte das Prinzeßchen vorlaut.

»Was Sie denken. Durchlauchtige! Wir können genau so gut eine Kugel aufs Blatt bekommen wie die Herren«, erklärte die Gräfin.

»Das finde ich einfach scheußlich und begreife nicht, wie Papa so etwas erlauben kann. Er brauchte doch nur streng zu verbieten, daß man auf uns Damen schießt.«

»Liebe Prinzeß, es gibt leider Dinge, die außerhalb des Bereiches fürstlicher Machtvollkommenheit liegen.«

»Ja, aber Papa regiert doch hier an Stelle des Königs, da müßte er doch auch mit königlichen Machtbefugnissen ausgestattet sein. Und der König wird es doch gewiß nicht zugeben, daß die Zweibeine sich so ungalant gegen uns Damen benehmen.«

»Liebes Kind, das versiehst du nicht«, bedeutete Hubertus XII. seinem Töchterchen. »Auch die Macht Seiner Majestät des Königs ist nicht unbegrenzt. Wir gekrönten Häupter lenken zwar die Geschicke unserer Untertanen, indem wir vermöge unserer höheren Einsicht für sie denken, aber über uns waltet ein Schicksal, dem auch wir tributpflichtig sind, weil es eine noch höhere Intelligenz verkörpert.«

»Dann pfeife ich auf die ganze Souveränität«, meinte die Kleine patzig. »Ich wollte überhaupt, ich wäre nicht als Prinzessin, sondern als ein einfach bürgerliches Tier, meinethalben als Karnickel, gesetzt worden. Dann brauchte ich mich doch nicht fortwährend so ekelhaft vornehm zu benehmen und mir von der Oberhofmeisterin von früh bis spät Vorschriften machen zu lassen. Mein Bruder, der Erbprinz, sagte auch, als er das letztemal in den Ferien zuhause war, einen so ledernen Hof wie den unsern gäbe es in der ganzen Welt nicht wieder. Jetzt, wo er erst ein Gabelgeweih geschoben habe, müsse er natürlich noch das Geäs halten, aber wenn er zur Regierung komme, wolle er es zur Abwechselung einmal mit liberalen Grundsätzen probieren, und dann wäre das erste, was er täte, daß er sich die alten Herrschaften vom Halse schaffe, die alle an geistiger Arterienverkalkung litten und vom wirklichen Leben keine blasse Ahnung hätten.«

»Mein Kind, für diese unpassende Rede wirst du drei Abende lang in der Fichtendickung bleiben, wenn wir anderen unsere Promenade in die Kartoffeln machen«, sagte der Fürst, während Gräfin Alttier und Hofmarschall von Colchicus säuerlich lächelten. »Mit deinem Bruder gedenke ich ein ernstes Wörtchen zu sprechen, wenn er zu Weihnachten an die Fütterung kommt.« Und dann bestand er darauf, daß man den Heimweg antrete, und entsandte einen seiner Starleibjäger mit dem Befehl, sich noch vor Mitternacht zu einer Konferenz einzustellen, an den Grafen Basse.

*

Die Sonne stand schon über dem Wald, als der getreue Markolf mit der Meldung im Hoflager eintraf, daß soeben drei Kutschen und ein Auto mit bewaffneten Zweibeinen vor der Oberförsterei vorgefahren seien, und daß auf der Landstraße vom nächsten Dorfe her eine ganze Schar mit derben Knüppeln ausgerüsteter Bauern herannahe.

Der Regent, dem bei dieser Nachricht sofort der ganze Ernst der Lage zum Bewußtsein kam, hielt es für geraten, unverzüglich nach der Residenz abzureisen, wo seine Anwesenheit dringend erforderlich sein und gewiß zur Beruhigung seines ganzen Volkes beitragen werde.

Dieser Vorsatz stieß jedoch bei Graf Basse auf den entschiedensten Widerspruch. »Was? Jetzt, wo die Sache brenzlich wird, wollen Durchlaucht sich drücken?« rief die borstige Exzellenz. »Das gibt's nicht, wenigstens nicht, solange ich als Staatsminister dem Volke gegenüber die Verantwortung für Eurer Durchlaucht Entschlüsse zu tragen habe. Ich muß Sie dringend bitten, gnädigst zu erwägen, ob Ihr Platz in dieser ernsten Stunde nicht an der Spitze Ihrer Truppen ist. Ich weiß in diesem Augenblick noch nicht, ob es Major von Swinegel gelungen ist, die Mobilmachung in der knapp bemessenen Frist einer halben Nacht durchzuführen. Jedenfalls möchte ich Eurer Durchlaucht die Überlegenheit des Feindes in bezug auf Stärke und Bewaffnung nicht verhehlen, womit natürlich nicht gesagt sein soll, daß sich das Kriegsglück nun unbedingt an seine Fahnen heften müsse. Wir wissen aus der Geschichte, wie schwer bei solchen Entscheidungen Begeisterung und Elan in die Wagschale fallen, und daß es nicht immer die stärkeren und besser ausgerüsteten Armeen sind, die den Sieg davontragen. Denken Eure Durchlaucht nur an die Freiheitskämpfe der Griechen gegen die Perser, der Niederländer gegen die Spanier, wo kleine Rudel gewaltige Scharen erfolgreich geforkelt und abgeschlagen haben! Vielleicht darf ich auch an einen solchen Fall aus der neueren Geschichte erinnern, an das Gefecht in der Mosigkauer Heide, wo mein seliger Großvater, allerdings ein Hauptschwein von vorbildlicher Tapferkeit, mit zwei angehenden Keilern die ganze feindliche Schützenlinie zum Wanken brachte und den gegnerischen Heerführer, einen Geheimen Oberforstrat, so furchtbar annahm, daß man ihn samt seinem Aufbruch auf einen Wagen laden und vom Kampfplatz fahren mußte. Aber auf einen solchen Elan ist bei Eurer Durchlaucht Truppen nur zu rechnen, wenn sie ihren Höchsten Kriegsherrn an ihrer Spitze wissen.«

Jetzt wurde Major von Swinegel gemeldet. Er rapportierte, daß die Mobilmachung planmäßig durchgeführt sei, verschwieg aber nicht, daß die Kühle der letzten Nächte auf die beiden Wespenbataillone unverkennbar demoralisierend gewirkt habe. Die Mannschaften trügen sich mit Todesgedanken und hätten nur durch das Versprechen einer außerordentlichen Lieferung überreifer Birnen zum Verlassen ihrer unterirdischen Holzstoffkasernen veranlaßt werden können. Bei den eingezogenen Reserven der Rehböcke, Hasen, Karnickel, Füchse, Steinmarder, Fasanen, Rebhühner und Waldschnepfen sei die Stimmung im großen und ganzen gut, auch die Krähen und Häher seien vollzählig zu den Fahnen geeilt; man erwarte jedoch allgemein, daß sich Durchlaucht sobald wie möglich zeigen und den Oberbefehl übernehmen möge. Aber der Major, der sich jetzt, wo er die gewohnte Büroarbeit mit dem frischfröhlichen Soldatenhandwerk hatte vertauschen dürfen, um Jahre verjüngt fühlte, konnte auch melden, daß eine Dohlenpatrouille, vom Feinde unbemerkt, bis auf das Dach der Oberförsterei vorgedrungen und soeben mit wichtigen Nachrichten zurückgekehrt sei. Man wisse jetzt, daß sich die feindliche Streitmacht aus achtzehn Schützen, zweiunddreißig Treibern und fünf Hunden zusammensetze, und daß sie unter dem Kommando des Zweibeinoberförsters selbst stehe. Sogar über den Kriegsplan des Gegners war man bis in alle Einzelheiten hinein unterrichtet. Der Horchposten in der Dachrinne hatte deutlich vernommen, wie der Oberförster in einer Ansprache an seine Truppen erklärt hatte, es dürfe auf alles Dampf gemacht werden, was der Jagdschein freigebe; er bitte jedoch, Fasanenhennen unter allen Umständen unbeschossen zu lassen. Da in der Dreiundfünfzig Rotwild stehe, solle dieser Revierteil zuerst getrieben werden, wobei es jedoch notwendig sei, daß die Schützen ihre Stände vollkommen geräuschlos aufsuchten.

Bei dieser Kunde knickte Hubertus XII. zusammen. »Da hören Sie's, Exzellenz: der Feind hat's auf mich und mein Haus abgesehen! Sollte man so etwas für möglich halten! Während unseres ganzen Aufenthaltes haben wir weder das Stangenholz geschält noch die Kulturen verbissen, und nun trachten uns diese perfiden Zweibeine nach dem Leben!« jammerte er.

»Dafür haben die durchlauchtigsten Herrschaften aber desto gründlicher in den Kartoffeln aufgeräumt«, bemerkte Graf Basse trocken.

»Ja, aber mein Lieber, die Kartoffeln gehen doch die Zweibeine nichts an, die gehören dem Domänenpächter Lampe.«

»Allerdings, aber die Zweibeine betrachten sie als ihr Eigentum, Durchlaucht. Weil Lampe sie in seiner Ökonomie beschäftigt, glauben sie ein Anrecht auf den Ertrag ihrer Arbeit zu haben.«

»Unglaubliche Verwirrung der Rechtsbegriffe, mein bester Graf! Halten Sie es nicht für opportun, schleunigst einen Parlamentär an den Feind zu senden und eine gütliche Beilegung dieser mir höchst peinlichen Angelegenheit zu beantragen? Muß gestehen, das Leben des geringsten meiner Untertanen ist mir mehr wert als die paar Zentner Kartoffeln.«

»Dazu ist es jetzt zu spät, Durchlaucht. Jetzt heißt es siegen oder mit Ehren fallen.«

»Ich beschwöre Eure Durchlaucht, Ihr uns allen so teures Leben unter keinen Umständen aufs Spiel zu setzen!« rief die Oberhofmeisterin, hinter einer Fichte hervorstürzend.

»Liebe Gräfin, keine Aufregung! Ich bin fest entschlossen, dem Gebote der Pflicht zu folgen«, erwiderte der Fürst mit Fassung. »Und da es meine vornehmste Pflicht ist, mich meinem geliebten Volke zu erhalten, um so mehr, als die Dynastie ja nur auf zwei Lichtern steht, und mein Sohn, der Erbprinz, bei seinen noch völlig unabgeklärten Anschauungen vom Schicksal unmöglich schon zur Übernahme der Regierung berufen sein kann, so sehe ich mich, wenn auch schweißenden Herzens, genötigt, auf die Ehre, an der Spitze meiner treuen Truppen dem Feinde entgegenziehen zu dürfen, zu verzichten und meine längst geplante Rückkehr nach der Residenz zu beschleunigen. Zweifle keinen Augenblick, mein lieber Graf, daß Sie einen konvenabeln Modus finden werden, meine tapferen Krieger von der Notwendigkeit meiner Abreise zu überzeugen. Sagen Sie ihnen auch –«, er hielt inne und äugte auf die kleine Lichtung hinaus, wo im hohen Waldgrase gerade etwas Rotes verschwand – »war das nicht der neue Kreisdirektor? Merkwürdig, so eilig habe ich ihn noch nie traben sehen! Wird wahrscheinlich sein Regiment aufsuchen. Also sagen Sie den Truppen auch – Gott im Himmel, was war das? Ein Hornsignal? Sollte uns der Feind schon umzingelt haben? Basse, Basse, mir wird so eigentümlich blümerant. Tun Sie mir den einzigen Gefallen und sorgen Sie dafür, daß ich mit heiler Decke aus dieser höchst fatalen Situation herauskomme!«

»Zu spät, Durchlaucht, zu spät!« erwiderte der Staatsminister, die Gewehre an den Haderern wetzend. »Wir sind mitten im Treiben. Ich kann Ihnen nur den untertänigsten Rat geben: gebrauchen Sie die Waffe, die Ihnen die Vorsehung verliehen hat, und schlagen Sie sich durch!«

»Haben Durchlaucht noch Befehle? Sonst werde ich mich ohne Verzug zu meiner Landsturmigelkompanie begeben«, sagte der Major, die Pfote am Stachelhelm. Und da ihn der Fürst keiner Antwort würdigte, betrachtete er sich als beurlaubt und schlüpfte in einen trockenen Graben.

Hubertus XII. stand wie ein Bild aus Bronze verhoffend da.

In diesem Augenblick fielen draußen auf der Lichtung zwei Schüsse.

»Durchlaucht, mir nach!« rief die Oberhofmeisterin, während sie den Graben überfloh und, gefolgt von der Fürstin, der Prinzessin, den beiden fürstlichen Nichten und den drei Hofdamen, mitten durch die fluchenden Treiber abging. Da ermannte sich auch der Regent zu entschlossenem Handeln, legte das Geweih zurück und brach, den Damen nachstürmend, in gewaltigen Fluchten durch Dickung und Stangenholz. Wohl sandten ihm die auf dem Rückwechsel angestellten Schützen ein paar Kugeln nach; die Geschosse verfehlten jedoch ihr Ziel, und die durchlauchtigste Familie erreichte, nachdem sie das Altwasser umschlagen, die dichten Weichholzbestände am Ufer der Elbe, erwartete hier, dem fernen Kleingewehrfeuer mit banger Spannung lauschend, zugleich aber auch mit dem beruhigenden Bewußtsein, sich außerhalb des Schußbereiches zu befinden, den Anbruch der Nacht und rann dann unter dem Schutze der Dunkelheit durch den Strom.

Graf Basse von Saugarten hatte getreu den ihm von seinen heldenmütigen Ahnen überkommenen Traditionen standgehalten und sah, zwischen zwei buschige Jungfichten eingeschoben, furchtbar wetzend dem Angriff des Gegners entgegen. Der Schaum fiel ihm in großen Flocken vom Gebrech; seine schweißunterlaufenen Lichter rollten in wildem Zorn.

Rings um ihn her wurden erregte menschliche Stimmen laut. »Achtung – Sau!« »Was – Sau? Doktor, Sie haben wohl wieder einmal Ihre Brille zu Hause gelassen! Wie sollte Schwarzwild hierherkommen?« »Wenn ich's Ihnen sage, Herr Oberförster! Dort unter den Fichten! Sehen Sie sie denn nicht?« »Weiß Gott, Sie haben recht. Nun aber Vorsicht, meine Herren! Es wäre ein Jammer, wenn uns der Schwarzkittel auch durch die Lappen ginge. Die Treiberkette dichter schließen! Aber seht euch vor, Leute! So ein alter Keiler versteht keinen Spaß.« »Hörste Emil? Jeh man nich zu nah' ran, sonst kannste wat erleben! Det Luder hat Kurasche, det nimmt's sogar mit deiner Alten uf, wenn's sin muß.« »Schockschwerenot, wer hat denn da den Hund geschnallt? Natürlich wieder der Assessor! Menschenskind, rufen Sie doch in Dreideubelsnamen Ihren Köter zurück, sonst können Sie ihn nachher pfundweise zusammenlesen!«

Diese Mahnung kam zu spät. Der Brauntiger, der in seinem Leben noch keine Sau zu Gesicht bekommen hatte, ging mit gesträubtem Rückenhaar dummdreist auf das borstige Untier los und schien entschlossen zu sein, es wie einen Fuchs abzuwürgen. Aber da traf ihn auch schon ein mit voller Wucht von unten nach oben geführter Schlag, daß er in weitem Bogen durch die Luft flog und mit aufgerissenem Bauche winselnd und sich krümmend zu den Füßen seines Herrn liegenblieb.

Den packte der Furor teutonicus, und er riß den Drilling an die Backe, um die seinem treuen Hunde zugefügte Unbill auf der Stelle zu rächen.

Da rief ihm der Jagdleiter zu: »Nicht schießen, Assessor! Um Gotteswillen nicht schießen! In der Schonung sind noch Treiber!«

Aber es war, als hätte der wackre Basse unter der Schar der ihn von allen Seiten hart bedrängenden Zweibeine seinen Hauptgegner erkannt: plötzlich fuhr er aus der Deckung, nahm den Assessor an und rannte ihn, ehe der Mann wußte, wie ihm geschah, über den Haufen.

»Liegenbleiben! Ruhig liegenbleiben!« Dieses guten Rates, der dem Bedauernswerten von allen Zeugen seiner Niederlage zugerufen wurde, hätte es gar nicht bedurft, denn der von den Gewehren des schwarzen Recken bedrohte Weidmann hatte sich, einer glücklichen Eingebung folgend, auf den Bauch gewälzt, preßte das Gesicht in das feuchte Gras und bemühte sich, den Kopf durch den emporgezogenen Rucksack zu schützen, indes die borstige Exzellenz wütend auf ihm herumtrampelte und, allerdings ohne jeden Erfolg, heftige Schläge nach ihm führte.

Lange hielt sich Basse freilich nicht bei seinem Opfer auf: das Geschrei der Jäger, die von ihren Schußwaffen keinen Gebrauch machen konnten, lenkte ihn ab und veranlaßte ihn, die ihm zunächst stehenden Schützen anzunehmen, die nun nichts Eiligeres zu tun hatten, als ihm freie Bahn zu machen und in der Flucht nach rechts und links ihr Heil zu suchen. Der alte Keiler stieß im Weiterstürmen auf die hier dichtgescharten Treiber, denen das kniehohe dichte Gestrüpp kein so schnelles Entweichen gestattete; zwei der Männer wurden zu Falle gebracht, und einem von ihnen mit einem einzigen Schlage das ganze linke Hosenbein seiner Englischledernen aufgeschlitzt, die schon den Stürmen dreier Jahrzehnte getrotzt hatte.

In dem borstigen Staatsminister, der in seinem Militärverhältnis Hauptmann der Landwehr war, erwachte jetzt, wo er sich ins Freie durchgeschlagen hatte, der alte Soldat. Er gedachte alle beherzten Tiere um sich zu sammeln und mit einer kleinen, aber todesmutigen Schar einen entscheidenden Angriff auf die sich in geschlossener Einheit um die drei von ihm niedergestreckten Zweibeine drängenden feindlichen Streitkräfte zu unternehmen. Aber er gelangte bald zu der bitteren Erkenntnis, daß die Flucht des obersten Kriegsherrn eine allgemeine Panik ausgelöst und in den Herzen der Kämpfer jeden Willen zu mannhaftem Widerstand getilgt hatte. Die Hasen, die er aus ihren Sassen aufstieß, erklärten einmütig, es sei heller Wahnsinn, jetzt, wo Durchlaucht selbst durch seinen beschleunigten Rückzug bekundet habe, daß er sich von einer Entscheidung durch die Waffen nicht den geringsten Erfolg verspreche, noch auf eine Wendung des Kriegsglückes zu hoffen; die Blüte der Karnickeljugend drückte sich verzagt unter Heidekraut und Heidelbeergestrüpp und war vom Schrecken wie gelähmt, und die Waldschnepfen, die hie und da im welken Laube hockten, sagten, sie müßten sich neutral verhalten, denn sie wären fremde Staatsangehörige und hielten sich nur auf dem Zuge ein paar Tage hier auf, und die ganze Sache ginge sie nichts an. Die Fasanen ließen sich nicht einmal auf ein Gespräch mit Graf Basse ein, sondern standen, noch ehe er sie anreden konnte, auf und strichen nach der Flußniederung hin ab.

Zu guter Letzt stieß die borstige Exzellenz auf Baron Capreoli. Der seines Amtes enthobene Kreisdirektor sah ziemlich heruntergekommen aus: er war mitten im Verfärben und hatte bereits die rechte Stange abgeworfen. Die beiden Widersacher maßen einander mit kühlen Blicken.

»Sie haben manches wieder gutzumachen, Baron. Die Gelegenheit dazu ist gekommen«, sagte der Minister, mit dem Gebrech nach dem hohen Kiefernbestande deutend, aus dem der Wind ihnen jetzt den Schall des Gewehrfeuers zutrug.

Capreoli lachte höhnisch auf. »Danke verbindlichst für die gütige Belehrung, Exzellenz!« erwiderte er. »Aber ich weiß selbst, was ich zu tun habe. Ich möchte Ihnen empfehlen, Ihre Mahnung an meinen Amtsnachfolger zu richten, der, wenn ich recht unterrichtet bin, ebenfalls vorgezogen hat, nicht an die Front zu gehen.« Damit wandte er sich um und wechselte gemächlich in eine Fichtenschonung.

Graf Basse sah ein, daß er zu dem von ihm geplanten Unternehmen keine Unterstützung finden werde, und da er auch als Patriot kein Fanatiker war, gab er seinen Vorsatz auf und faßte, den Sturz der Dynastie vorausäugend, den Entschluß, den Staatsdienst zu verlassen und sich auf seine im Ausland gelegenen Güter zurückzuziehen. Und da er kein Freund vom langen Überlegen war, machte er sich sogleich auf die Läufe und passierte, ohne von den mit der Kartoffelernte beschäftigten, ihm verdutzt nachstarrenden Zweibeinen Notiz zu nehmen, die Ackerflur und damit zugleich die Landesgrenze.

Mit seiner Behauptung, der neue Kreisdirektor habe sich nicht an die Front begeben, hatte Baron Capreoli nur zu recht gehabt. Wer die feste Überzeugung hat, noch zu Großem berufen zu sein, der pflegt sein kostbares Leben, dessen Besitz ja die erste Voraussetzung zu einer erfolgreichen Laufbahn ist, nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Und so war Herr von Malepart, bei der Frühpürsch durch den Ausbruch der Feindseligkeiten überrascht, auf Schleichwegen nach seinem festen Burghause geeilt, hatte jedoch, kaum zwanzig Gänge vom sichern Port entfernt, wieder kehrtmachen müssen, da unmittelbar vor dem Hauptportal ein Feuer brannte, mittels dessen die feindlichen Streitkräfte ihr aus Wellfleisch und Erbsbrei bestehendes Frühstück warm hielten. Er wußte es einzurichten, daß er jede Schonung, in der er vorübergehend Deckung gefunden hatte, immer rechtzeitig wieder verließ, bevor die Schützen ihre Stände bezogen hatten und die Treiberwehr aufgestellt war. Nur im letzten Treiben hatte er, von den Aufregungen des Tages ermüdet, den rechten Augenblick zum Wegschnüren verpaßt und bemerkte nun mit Schrecken, daß hinter ihm das Geklapper der Treiber immer näher heranrückte, und daß vorn und an den Seiten schon Schüsse fielen.

Was tun? Sollte er sich dicht an die Schützen hinanschleichen, abwarten, bis zwei von ihnen, die benachbarte Stände innehatten, ihre Gewehre wieder laden mußten, und dann mitten zwischen ihnen hindurch flüchtig abgehen und dabei, wenn eben möglich, noch einen verendeten Hasen oder Fasanen rauben? Sollte er versuchen, sich von den Treibern überlaufen zu lassen oder gar frech auf dem Rückwechsel durch ihre Kette traben? Auch dieses Auskunftsmittel hatte manches für sich; der Kreisdirektor glaubte jedoch Anlaß zu haben, die Knüppel der Treiber beinahe noch mehr zu scheuen als die Flinten der Schützen, besonders, da er von seinen Ahnen her mit einer überaus empfindlichen Nase belastet war.

Aber der Bedrängte wäre nicht der mit allen Wassern getaufte Reinhard von Malepart gewesen, wenn er sich nicht noch in der letzten Minute aus der Klemme zu helfen vermocht hätte. Gerade als hinter ihm in der Treiberkette der Ruf »Achtung, Fuchs!« laut wurde, entsann er sich, daß ja in allernächster Nähe die halbverfallene Erdhütte war, die er Herrn Bosko als Sommerwohnung angewiesen hatte. Er war mit der Örtlichkeit aufs genaueste vertraut, kannte die Lücke in dem eingesunkenen Dach, die auch der Gast als Ein- und Ausgang benutzte, und wußte, daß sich in der Tür, zu der man ehemals auf einigen jetzt mit Gras und Brombeergerank überwachsenen Erdstufen hinabgestiegen war, ein Brett gelockert hatte und ohne sonderliche Mühe beiseiteschieben ließ. Schnell entschlossen schnürte er hin, sprang mit gewandtem Satze hinauf und verschwand vor den Augen der verblüfften Zweibeine in dem unterirdischen Gelaß, in dem er zu seinem Erstaunen den schwarzlockigen Dichter antraf, der, unbekümmert um die Händel dieser Welt, in seinem Asyl saß und, während draußen der Kampf tobte, mit vollkommener Gelassenheit an einem neuen Drama schrieb. »Entschuldigen Sie freundlichst die Störung, lieber Freund!« sagte der Kreisdirektor, Herrn Bosko die Pfote schüttelnd. »Sie werden gewiß verstehen, daß man, wenn man sieben Stunden im Feuer gestanden hat, das Bedürfnis empfindet, ein wenig zu verschnaufen.«

»Das trifft sich vorzüglich, verehrter Gönner, da kann ich Ihnen gleich einmal den ersten Akt vorlesen«, erwiderte der Dichter erfreut. »Sie erlauben doch?«

»Bitte, bitte! Ich betrachte es als eine besondere Ehre, der erste zu sein, der von Ihrer jüngsten Schöpfung Kenntnis erhält.«

Die Treiber, die den Fuchs in der Hütte hatten verschwinden sehen und ihm den Rückzug abzuschneiden gedachten, holten von einem in der Nähe aufgeschichteten Klafter ein paar Arme voll schwerer Scheite und verrammelten damit das Loch im Dache.

»Es wird ja plötzlich stockfinster. Was mag denn das zu bedeuten haben?« bemerkte Herr Bosko ungehalten.

»Diese elenden Zweibeine mißgönnen mir den Kunstgenuß. Sie wollen Sie am Lesen verhindern. Aber das wird ihnen nicht gelingen«, sagte Herr von Malepart, das freilich ein wenig schmale Brett in der Tür beseitigend. »Ist es nun wieder hell genug?«

Das mußte wohl der Fall sein, denn der Dichter begann schon mit schönem Pathos seinen Vortrag. Und er war so vollständig bei der Sache, daß er gar nicht merkte, wie sein Zuhörer immer näher an die Tür rückte und schließlich, als der Lärm der Treiber in weiter Ferne verklang, geräuschlos durch die kaum drei Pfoten breite Lücke ins Freie schlüpfte.

Herr Bosko las und las, berauscht vom Wohlklang der eigenen Verse. Da drang plötzlich lebhaftes Stimmengewirr an sein Ohr, und gleich darauf wurde es um ihn her taghell. Er machte die ihn im höchsten Grade kränkende Entdeckung, daß der Kreisdirektor verschwunden war, und sah, wie ein Zweibein die Läufe eines Drillings durch das Loch im Dache schob. Und dann vernahm er, wie dieses Zweibein – es war der Oberförster in eigner Person in ein tolles Gelächter ausbrach und rief: »Na ja, da sieht man wieder, wie man sich auf die Herren Treiber verlassen kann! Sie können nicht einmal einen Fuchs von einem Pudel unterscheiden! Das Biest scheint herrenlos zu sein, es reviert schon lange hier im Holze herum, und ich hätte es längst über den Haufen geschossen, wenn meine Frau sich nicht immer einen Schnürenpudel gewünscht hätte. Bequemer kann man zu so einem Köter gar nicht kommen.« Er vergrößerte das Loch im Hüttendach, beugte sich hinunter, packte Herrn Bosko mit eisernem Griff im Genick und holte ihn aus seinem Poetenstübchen an die profane Oberwelt. Und dann erhielt einer der verdutzt umherstehenden Treiber die Weisung, den Hund an die Leine zu nehmen und ihn als Kriegsgefangenen nach der Oberförsterei abzuführen.

Ein namenloser Groll gegen den Kreisdirektor, der ihn dem Feinde so perfide in die Hände gespielt hatte, stieg im Busen des Dichters auf. Er wäre vielleicht daran erstickt, wenn es seiner Eitelkeit nicht so gewaltig geschmeichelt hätte, daß die Zweibeine jetzt, wo sie sich seiner Person bemächtigt hatten, den Kampf aufgaben und den Rückmarsch antraten. Also nur um seinetwillen war der ganze Krieg geführt worden, um seinetwillen hatten so viele Oper verenden müssen! In dieser Stunde wurde Herr Bosko seinen strengen pazifistischen Grundsätzen untreu. Gewiß, der Krieg war und blieb für ihn etwas Verabscheuungswürdiges, aber wenn er, wie in diesem Falle, eines großen Zieles wegen geführt wurde, ließ er sich doch bis zu einem gewissen Grade entschuldigen!

Freilich, Opfer hatte der Tag genug gekostet. Auf der Verlustliste standen Baron Capreoli mit zwei Vettern, achtundzwanzig aus der Verwandtschaft des Domänenpächters Lampe, der selbst mit einer schweren Verwundung davongekommen war, dreiundvierzig aus der Sippe seiner Frau, zweiundzwanzig hoffnungsvolle Sprossen des Geschlechtes derer von Colchicus, Inspektor Rebhahn mit acht seiner blühenden Söhne, ein Oheim der Regierungsrätin Nebelkrähe und ein Neffe von Aktuar Eichhorn. Aber es sprach für eine gewisse ritterliche Gesinnung der Sieger, daß sie die gefallenen Feinde mitgenommen hatten, wahrscheinlich, um für deren ehrenvolle Bestattung zu sorgen. Wenigstens kam Kantor Waldkauz, der bei Einbruch der Dämmerung ein paarmal lautlosen Fluges über den Hof der Oberförsterei gestrichen war, mit der Meldung zurück, man habe die Toten in langen Reihen nebeneinander aufgebahrt und mit grünen Brüchen geschmückt.


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