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Elftes Kapitel

Weitere Intrigen des Regierungsassessors von Malepart. Dieser empfängt als Vertreter des durch die Brunft in Anspruch genommenen Kreisdirektors von Capreoli den Hofmarschall von Colchicus und den Kammerherrn von Edelmarder, die das Eintreffen Seiner Durchlaucht und der fürstlichen Familie zum Suhlaufenthalt ankündigen und unter Herrn von Maleparts Führung die Suhle in Augenschein nehmen.

 

Seit Grimbart Gräving den Notbau am Südabhange der kleinen Bodenerhebung zwischen der Waldwiese und dem Unterlaufe des Schmerlenbaches bezogen hatte, wo er im Schweiße seines Angesichts an der Vervollkommnung der mehr als primitiven Wohnung arbeitete, lebte der Regierungsassessor von Malepart in dem geräumigen Burghause auf großem Fuße. Er schien sich beizeiten an das vornehme Auftreten gewöhnen zu wollen, mit dem er nach seiner Ernennung zum Kreisdirektor auf alle Welt Eindruck zu machen gedachte. Daß diese Ernennung unmittelbar bevorstehe, daran zweifelte er keinen Augenblick, denn man war jetzt in der letzten Juliwoche, wo Baron Capreoli bekanntlich immer seinen Duellkoller bekam, der ihm diesmal verhängnisvoll werden sollte.

Herr von Malepart war jedoch nicht der Mann, der in der angenehmen Erwartung, bedeutsamer Ereignisse die Brauten in den Schoß legt und die Dinge einfach gehen läßt wie sie gehen. Auf das Glück, das ihn bisher doch in jeder Weise verhätschelt hatte, verließ er sich nie, und das Corriger la fortune war ihm zur zweiten Natur geworden. Schon jetzt suchte er sich bei allen Tieren, die ihm einmal nützlich werden konnten, beliebt zu machen, frischte alte Bekanntschaften auf, stattete überall Besuche ab und sah aller paar Tage Gäste bei sich, die er ohne Ansehen der Kosten auf das üppigste bewirtete. Aber er buhlte keineswegs nur um die Gunst von Leuten in hervorragenden Stellungen, sondern biederte sich auch mit Vertretern des Kleinbürgerstandes, mit Handwerkern, Bauern und Subalternbeamten an, die von der Leutseligkeit des adligen Herrn nicht wenig entzückt waren und sich infolgedessen als Zuträger von allerlei Nachrichten willig gebrauchen ließen. Sein Intimus war der Forstwart Markolf, ein überaus pfiffiger und mißtrauischer Vogel, dessen nie ermüdender Aufmerksamkeit so leicht nichts entging, der seine perlgrauen, ein wenig stechenden Lichter buchstäblich überall hatte, und der seinerseits wieder Beziehungen zu allerlei problematischen Existenzen unterhielt, denen ein Mann von Distinktion zwar am hellen Tage nicht gern begegnet, die ihm jedoch unter Umständen schätzbare Dienste leisten können. So hatte Markolf durch Frau Fulika, das Bleßhuhn, das in seiner Jugend Kindermädchen bei Bockerts gewesen war und dort auch jetzt noch ab und zu in der Wirtschaft half, erfahren, daß der Wasserbaudirektor seit einiger Zeit in regem Verkehr mit Baron Capreoli stehe und fast täglich Briefe an ihn richte, die die alte zuverlässige Dienerin in aller Heimlichkeit an den Adressaten befördern mußte. Als der Assessor davon Kenntnis erhielt, schöpfte er sogleich Verdacht, daß es sich hier um ein Komplott gegen den Grafen Basse handle, und veranlaßte seinen Freund, Frau Fulika, wenn sie wieder einmal mit einem Brief an den Baron unterwegs sei, aufzulauern, sich ihr in unauffälliger Weise anzuschließen und die arglose Alte bei Haus Malepart vorüberzuführen, wo er – der Assessor – dann alles Weitere selbst in die Brante nehmen werde. Als nun schon am nächsten Tage der Forstwart mit seiner Begleiterin erschien, schnürte ihnen der Rotrock entgegen und gab seiner Genugtuung darüber Ausdruck, nun endlich einmal die brave Frau kennenzulernen, von der ihr die beiden jungen Bockerts, seine Universitätsfreunde, schon so viel Rühmliches erzählt hätten. Da der Tag ungewöhnlich heiß war, ließ sich die geschmeichelte Alte nicht lange nötigen, im kühlen Burghause ein wenig zu rasten. Der Assessor nahm ihr mit sanfter Gewalt das mit Rohrbomben gefüllte Binsenkörbchen ab und führte sie dann in das Speisezimmer, wo er ihr mit eigener Brante einen gehäuften Teller Libellenlarven vorsetzte, eine Lockung, der sie trotz ihrem anfänglichen Sträuben auf die Dauer nicht widerstehen konnte. Während sie nun, von dem arglistigen Forstwart mit allerlei lustigen Schnurren unterhalten, tafelte, schlich sich Herr von Malepart davon, durchwühlte das Körbchen und fand unter den Rohrkolben den Brief. Er öffnete den Verschluß behutsam mit Hilfe eines scharfen Knochensplitters, las das Schreiben, aus dem klar hervorging, daß Bockert bestimmt darauf rechnete, nach Capreolis Ernennung zum Staatsminister Kreisdirektor zu werden, verschloß den Umschlag mit ein wenig Eiweiß und legte den Brief wieder an seinen Platz, worauf er der Botenfrau erklärte, nun wolle er sie nicht länger zurückhalten, da ein Gewitter im Anzuge sei, das vielleicht schon in einer Stunde losbrechen werde.

Der Assessor war über die Verschwörung, die sich ihm da in ihrer ganzen Schamlosigkeit enthüllt hatte, in tiefster Seele empört, denn er verabscheute jedes Intrigenspiel, solange er nicht selbst an führender Stelle dabei beteiligt war. Gewiß: die borstige Exzellenz war der unfähigste Minister, der je in einem Kulturstaat ein Portefeuille innegehabt hatte; aber daß man den Mann stürzen wollte, ohne dabei den Herrn Regierungsassessor von Malepart ins Vertrauen zu ziehen, war eine Gemeinheit sondergleichen! Der Baron mit dem kapitalen Sechsergehörn bereitete dem strebsamen jungen Beamten keine Sorge mehr; dessen Tage waren ja gezählt, und die von Herrn von Malepart gedungenen Aufpasser, die den ahnungslosen Kreisdirektor auf Schritt und Tritt überwachten, konnten jede Stunde mit der Meldung erscheinen, daß sich der in dieser Jahreszeit so reizbare Edelmann über einem Zweikampf habe betreten lassen. Weit bedenklicher war Bockerts Anwartschaft auf den Posten des Kreisdirektors. Die Gunst des Ministers befaß der geniale Mann zwar keineswegs, denn Staatsmänner in leitender Stellung pflegen schon um des eigenen Reliefs willen eine solide Durchschnittsbegabung dem Genie jederzeit vorzuziehen, aber sein Ruhm als unerreichter Altmeister der Technik hatte ihm in allen Kreisen der Bevölkerung eine Popularität verschafft, wie sich deren kein anderes Tier erfreuen durfte.

Einen Augenblick lang trug sich der Assessor mit dem Plan, den Wasserbaudirektor einfach als Mitverschworenen des Barons beim Grafen Basse zu denunzieren, aber er verwarf diesen Gedanken ebenso schnell wieder, wie er ihn gefaßt hatte. Er erwog, daß man mit Angebereien nur dann sein Glück macht, wenn man Beweise in den Branten hat, und mit solchen vermochte er diesmal leider nicht zu dienen. Und dann: ein so lächerlich gerader und aufrichtiger Charakter wie der Graf wäre imstande gewesen, sogar einem ihm allem Anscheine nach so ergebenen Beamten die unbefugte Eröffnung eines Briefes zu verübeln, und dieser Gefahr mochte sich Herr von Malepart nicht aussetzen. Es blieb ihm also fürs erste nichts weiter übrig, als auch Bockert scharf beobachten zu lassen, eine Aufgabe, für die er durch Markolfs Vermittlung einige Wasserspitzmäuse, einen Flußuferläufer und ein total verbummeltes Gesprenkeltes Sumpfhuhn, das schon lange die Lust zu ehrlicher Arbeit verloren hatte, zu gewinnen vermochte.

Aber das Glück, das ja, Gott sei's geklagt, immer nur die nicht allzu gewissenhaften Leute begünstigt, kam dem Assessor von Malepart auch jetzt wieder zu Hilfe. Am 26. Juli erschien nämlich ganz unvermutet der Hofmarschall von Colchicus aus der ursprünglich in den Küstengebieten des Kaspischen Meeres begütert gewesenen Familie der Jagdfasanen in Begleitung des Kammerherrn von Edelmarder. Da der Kreisdirektor gerade nicht anwesend und, wie der seine Vertretung übernehmende Regierungsassessor den beiden Hofherren gegenüber behauptete, auch nicht erreichbar war – dem Rotrock war wenige Minuten vorher hinterbracht worden, daß Baron Capreoli damit beschäftigt sei, in Lampes größtem Haferfelde die Nichte seiner eigenen Gemahlin, ein blutjunges Schmalreh, zu treiben! –, sahen sich die Herren genötigt, mit Herrn von Malepart zu verhandeln. Der Hofmarschall setzte ihn davon in Kenntnis, daß Seine Durchlaucht Fürst Hubertus XII. von Sechzehnenden demnächst zu einem mehrwöchigen Suhlaufenthalt einzutreffen gedenke, was natürlich mancherlei Vorbereitungen erfordere. »Durchlaucht sind in Höchstihrem Leibgehege während der letzten Zeit so häufig durch das zweibeinige Publikum, besonders durch Pilz- und Beerensammler, inkommodiert worden, daß sie sich entschlossen haben, den Rest des Sommers bis zu den großen Hoffestlichkeiten im Oktober an einem ruhigeren Orte zu verbringen«, erklärte Exzellenz von Colchicus, während er den Kopf ein wenig in das schillernde dunkelviolette Halsgefieder versenkte und das linke Licht zukniff, was seinem etwas verlebten Antlitz den Ausdruck müder Blasiertheit gab.

Kammerherr von Edelmarder, in dessen Westenausschnitt das dottergelbe Band des fürstlichen Hausordens vom goldenen Abendstern sichtbar wurde, nickte zustimmend. »Durchlaucht fühlen sich sehr angegriffen und sind wie immer nach dem Fegen überaus nervös. Sie legen darum großen Wert auf absolute Ruhe«, ergänzte er den Bericht seines Begleiters.

»Durchlaucht rechnen selbstverständlich auf die Loyalität der Bevölkerung hiesiger Gegend und erwarten, daß weder sie selbst noch die durchlauchtigste fürstliche Familie bei Höchstihren Spaziergängen durch Neugierige oder Bittsteller belästigt werden«, fuhr der Hofmarschall fort. »Durchlaucht lieben es ganz und gar nicht, bei dero Promenaden mit Leuten ohne Erziehung zusammenzutreffen, wie sie sich auch alle Ovationen strengstens verbitten«, fügte der Kammerherr hinzu.

»Exzellenz dürfen vollkommen beruhigt sein; für die Loyalität der Bevölkerung glaube ich mich verbürgen zu können«, erwiderte der Regierungsassessor mit einer tiefen Verbeugung. »Der Herr Kreisdirektor wird ohne Frage auch für eine Verstärkung der Polizei Sorge tragen und eine strenge Überwachung der durchlauchtigsten Familie anordnen.«

»Sehr wohl, Herr Assessor. Ich setze natürlich voraus, daß diese Überwachung in der diskretesten, ich betone: in der allerdiskretesten Weise durchgeführt wird, und daß man nicht hinter jeden Baum einen Schutzmann oder Kriminalbeamten postiert. Durchlaucht dürfen unter keinen Umständen den Eindruck haben, als mache Höchstihre Anwesenheit in hiesiger Gegend besondere Sicherheitsmaßregeln notwendig«, bemerkte Exzellenz, einen kleinen Laufkäfer aufpickend, und Herr von Edelmarder setzte wieder hinzu: »Durchlaucht geruhen, die Treue der Untertanen jederzeit für den wirksamsten Schutz Höchstihrer Person zu halten, und würden es überaus übel aufnehmen, wenn man diese ihre gnädige Illusion zerstören wollte.«

»Ich werde in diesem Sinne mit dem Herrn Kreisdirektor sprechen und bin überzeugt, daß er seine Anordnungen zu Eurer Exzellenz und des Herrn Kammerherrn voller Zufriedenheit treffen wird«, versicherte der junge Beamte.

»Schön, mein Lieber! Nun aber die Hauptsache: wir möchten einmal die Suhle in Augenschein nehmen. Durchlaucht wünschen zu wissen, ob sie von der Dickung, in der sie Höchstihr Hoflager aufzuschlagen gedenken, bequem erreichbar ist, und ob sie nach der ungewöhnlichen Trockenheit des letzten Monats auch noch genügend Wasser enthält. Vielleicht kann uns einer der Beamten einmal hinführen«, sagte der Hofmarschall. »Sie müssen nämlich wissen, mein Verehrter, daß Durchlaucht sich auf den Rat des Herrn Leibarztes morgens und abends zu suhlen beabsichtigen und deshalb die Erwartung hegen, daß die fragliche Suhle zum mindesten recht nassen Schlamm enthält«, erläuterte Herr von Edelmarder.

»Über die Wasserverhältnisse bin ich nicht genau orientiert, denn als vielbeschäftigter Beamter hat man ja leider zum Spazierengehen keine Zeit, ich muß sogar zu meiner Schande gestehen, daß ich nicht einmal mit absoluter Sicherheit zu sagen wüßte, wo die Suhle liegt. Wenn es den Herren jedoch recht ist, lasse ich sogleich einen wegkundigen Mann rufen, der uns hinführen kann«, erklärte Herr von Malepart. Und dann beauftragte er den Sekretär Wendehals, ohne Verzug nach der Forstwartwohnung zu fliegen und Markolf zu holen.

Darüber verging einige Zeit, die die beiden Hofkavaliere dazu benutzten, sich die Diensträume der Kreisdirektion anzusehen und über die maßgebenden Persönlichkeiten der Gegend Erkundigungen einzuziehen. Während aber der Hofmarschall seine Worte ausschließlich an den Assessor richtete und die Subalternen nur mit einem leutseligen Kopfnicken bedachte, verwickelte Kammerherr von Edelmarder den Aktuar Eichhorn in ein längeres Gespräch, fragte ihn nach seinen Familienumständen und legte überhaupt ein Interesse für ihn an den Tag, das allgemein bemerkt wurde, den kleinen Roten jedoch keineswegs sehr angenehm berührte.

Sekretär Wendehals hatte den Forstwart nicht daheim angetroffen, ihn vielmehr auf dem Revier erst suchen müssen. Jetzt kam er mit der Meldung zurück, daß Markolf draußen warte.

Man brach zur Besichtigung der Suhle auf, die inmitten einer mit dichtem Laubwald bestandenen flachen Talmulde ein wenig oberhalb der Elbniederung lag und in der Hauptsache vom Regenwasser gespeist wurde. Der Waldwärter flog voran, während die drei Herren, Exzellenz in der Mitte, gemächlichen Schrittes folgten. Beim Passieren des Schmerlenbaches, der im Trockenwalde, hart am Absturze des mäßig hoch gelegenen Geländes, nach Westen floß, mußte der Assessor wohl oder übel durch das Wasser waten, indes der Hofmarschall purrenden Flügelschlages aufstand und am jenseitigen Ufer schwerfällig wieder einfiel. Der Kammerherr jedoch, dessen geschmeidiger Gestalt man anmerkte, daß er in jedem Zweige des Sports bewandert war, bäumte an einer schlanken Esche auf, holzte in der luftigen Höhe fort und baumte drüben an einer Eiche wieder ab, wobei er noch Muße fand, zwei fette junge Ringeltauben, die, nichts Böses ahnend, im Neste hockten und aus ihre Eltern warteten, in aller Heimlichkeit abzuwürgen. »Die armen Vögel!« sagte er, als er wahrnahm, daß ihn Herr von Malepart bei dieser Tätigkeit beobachtet hatte, »sie sind ja doch dazu verdammt, früher oder später dem Habicht in die Fänge zu fallen, der so unglaublich grausam mit ihnen umgeht; da tut man wahrhaftig ein Werk der Nächstenliebe, wenn man sie durch einen frühzeitigen, nahezu völlig schmerzlosen kleinen Eingriff vor den ihnen drohenden Qualen behütet.«

Die beiden Hofherren waren von der Lage der Suhle geradezu entzückt. Da in der nächsten Umgebung des ziemlich ausgedehnten Tümpels nur einige alte Eichen mit spärlich belaubten Wipfeln standen, fiel das Tageslicht kaum gedämpft auf die Wasserfläche herab und begünstigte das üppigste Gedeihen der Vegetation. Über den stillen, an manchen Stellen vollständig mit Entengrütze bedeckten Spiegel erhoben sich die kandelaberartigen Stengel und Blütenstände des Froschlöffels, des Pfeilkrautes, des Igelkolbens und des Wasserhahnenfußes; dazwischen schwammen, umkränzt von ihren flachen Blättern, die weißen Blumen der Seerosen und die gelben der Mummeln, und an den Rändern bildeten Wasserfenchel, Rohrkolben, Kalmus, Teichsimse und Sumpfschachtelhalm ein schier undurchdringliches Dickicht.

»Was sagen Sie zu diesem Landschaftsbilde, mein lieber Herr von Edelmarder? Ich muß gestehen, meine kühnsten Erwartungen sind übertroffen. Durchlaucht werden begeistert sein«, bemerkte der Hofmarschall. »Es ist nur ein Glück, daß unsere Befürchtungen, die Hitze möchte die Suhle ausgetrocknet haben, sich als durchaus unbegründet erweisen.«

»In der Tat, Exzellenz, an Wasser fehlt es hier nicht. Es will mir beinahe scheinen, als hätte man hier des Guten sogar zuviel. Wenn ich den Leibarzt recht verstanden habe, versprach er sich gerade von Schlammbädern den heilsamsten Einfluß auf Durchlauchts Befinden. Nun, ich denke, bis unser allergnädigster Herr zum Kurgebrauch eintrifft, wird sich das Niveau der Suhle wohl noch ein wenig gesenkt haben«, meinte der Kammerherr, einer Amsel nachschielend, die mit lautem Warnungsruf über den Köpfen der drei Herren dahinstob.

»Vorausgesetzt, daß wir vorher nicht Regen bekommen, mein Lieber. Ich glaube nämlich die Beobachtung gemacht zu haben, daß die Gewässer nach ausgiebigen Regengüssen steigen«, erwiderte Herr von Colchicus. Und, sich zum Assessor wendend, sagte er: »Die ganze Lokalität ist wie für einen Sommeraufenthalt unserer durchlauchtigsten Herrschaften geschaffen. Und diese wundervolle Ruhe! Meiner Überzeugung nach wird unser allergnädigster Fürst hier völlig ungestört sein. Ersuchen Sie jedenfalls den Herrn Kreisdirektor, die polizeiliche Absperrung auf das notwendigste, ich betone: auf das allernotwendigste zu beschränken. Man muß Durchlaucht die Überzeugung lassen, daß es zwischen Höchstihm und seinem Volke keines Kordons bedarf. Übrigens«, setzte er, mit dem Kammerherrn einen Blick heitern Einverständnisses tauschend, hinzu, »da die Oberhofmeisterin Gräfin Alttier ja von der Partie sein wird, ist für die Sicherheit der durchlauchtigsten Familie eigentlich schon ausreichend gesorgt.«

*

Als die beiden Hofherren am Nachmittage wieder abreisten, hinterließen sie beim Regierungsassessor von Malepart den angenehmen Eindruck, als seien sie von ihrem Besuch ebenso befriedigt gewesen wie von dem Verkehr mit ihm.

Eine halbe Stunde später, kurz vor Bureauschluß, kam Baron Capreoli atemlos und stark echauffiert angehetzt, um, wie er sich ausdrückte, unter die ausgehenden Briefschaften und Aktenstücke seine Unterschrift »zu hauen«. Er war aus das peinlichste überrascht, als er erfuhr, was sich während seiner Abwesenheit zugetragen hatte, und putzte den armen Sekretär Wendehals furchtbar herunter, weil er unterlassen habe, ihn zu rufen. Vergebens suchte sich der subalterne Vogel damit zu entschuldigen, er habe ja gar nicht gewußt, wo Herr Baron sich befänden: der Kreisdirektor tobte, und würde in seinem blinden Zorn den bedauernswerten Untergebenen geforkelt haben, wenn dieser nicht im entscheidenden Augenblick von seinem Flugvermögen Gebrauch gemacht und auf dem Aktenschranke Zuflucht gesucht hätte.

Nachdem Capreoli seine Fassung wiedergewonnen hatte – er blieb jedoch noch immer etwas erregt und litt offenbar an der Wahnvorstellung, in der Nähe jemand fiepen zu hören –, ließ er sich vom Assessor über dessen Verhandlungen mit den beiden Herren Bericht erstatten. Mit Genugtuung nahm er davon Kenntnis, daß sich sowohl Exzellenz von Colchirus wie Kammerherr von Edelmarder höchst anerkennend über Ort und Gegend ausgesprochen und, was Herr von Malepart, um die Laune seines Vorgesetzten zu verbessern, unbedenklich dazulog, gerühmt hätten, daß man überall die Wirksamkeit einer umsichtigen Verwaltung wahrnehme.

»Und die Suhle? Wie äußerten sich die Herren über die?« fragte der Kreisdirektor, nachdem er wieder einmal ein Weilchen auf das imaginäre Gefiep gelauscht hatte.

»Von der Lage der Suhle waren sie außerordentlich entzückt. Allerdings schien der hohe Wasserstand weniger ihren Wünschen zu entsprechen, da der Leibarzt Durchlaucht lediglich zu Fangobädern geraten habe.«

»Natürlich! Des klaren Wassers wegen wird Durchlaucht nicht herkommen. Wenn er rinnen wollte, könnte er ja einfach in die Elbe gehen«, pflichtete der Baron dem Berichterstatter bei.

»Die Herren meinten jedoch, bis zum Eintreffen Seiner Durchlaucht würde der Wasserstand noch beträchtlich zurückgehen.«

Capreoli lachte laut auf. »Die haben eine Ahnung! Gott bewahre, von allein fällt das Wasser nicht. Da muß man schon ein wenig nachhelfen. Nun, darüber wollen wir uns keine grauen Haare wachsen lassen. Wozu hätten wir denn eine solche Kapazität wie den Doktor Bockert!« Und er machte sich, obgleich man ihm anmerkte, daß er todmüde war, sofort auf den Weg, um seinen Freund und Mitverschworenen aufzusuchen und ihn zu veranlassen, noch in derselben Nacht einen Plan zur Entwässerung der Suhle zu entwerfen.


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