Anastasius Grün
Robin Hood
Anastasius Grün

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Robin Hood und der Bettler.Motherwell (»Minstrelsy ancient and modern«) und Finlay (»Scottish Historical and Romantic Ballads«) erklären diese Ballade schottischen Ursprungs. Auch Ritson hält dafür, daß sie aus Schottland oder doch aus dem Norden Englands entstamme.

Eine ähnliche Geschichte (»Comment un moine se débarasse des Voleurs«) findet man in »Le moyen de parvenir«. Ausg. 1739.

1.
            Es war zur Zeit, als Robin Hood
An Jahren reich und Mühn,
Da ging er 'mal aus Bernesdal'
Im schönen Abendglühn.

Da traf er einen Bettler an,
Der schritt mit festem Gang,
Trug einen Stecken in der Hand,
Der war gar zäh und lang.

Ein Mantel hing um ihn zerfetzt
Wohl gegen Frost zur Wehr,
Das kleinste Stückchen war geflickt
Wohl zwanzigmal und mehr.

Sein Mehlsack um die Schultern hing
An einem Lederstreif,
Mit breiter Schnalle festgemacht,
Die war gar stark und steif.

Er trug drei Hüte auf dem Kopf,
Der ein' im andern steckt,
Er achtet Wind und Wetter nicht,
Soweit sein Pfad sich streckt.

Robin vertrat ihm jetzt den Weg,
Ihn deucht's des Schauens wert;
Er denkt, wenn Geld ein Bettler hat,
Sei dem ein Teil beschert.

»Halt an, halt an,« rief Robin Hood,
»Halt an nur auf ein Wort!«
Der Bettler tat, als hört' er nicht,
Und schritt noch rascher fort.

»Nicht so gemeint ist's,« sprach Robin,
»Nun hör und stehe still!«
»Bei meiner Treu,« der Bettler drauf,
»Das ist's, was ich nicht will!

Es will schon werden späte Zeit,
Noch weit hab' ich nach Haus;
Versäumt' ich dort mein Abendmahl,
Es säh' gar albern aus.«

»Nun, meiner Treu,« sprach Robin Hood,
»Ich seh's an deiner Eil',
Gut sorgst du für dein Abendbrot,
Doch minder für mein Teil.

Den ganzen Tag noch aß ich nicht,
Weiß nicht, wo nachts ich ruh',
Und wollt' ich in die Schenke gehn,
Fehlt mir das Geld dazu.

Drum mußt du leihn mir etwas Geld,
Bis wir uns wiedersehn.«
Der Bettler doch sprach ärgerlich:
»Ich hab' kein Geld zu Lehn.

Du bist ein Mann so jung wie ich,
Doch scheinst ein träger Gauch,
Und fastest du, bis ich dich speis',
Bleibt leer dies Jahr dein Bauch.«

»Nun, meiner Treu,« sprach Robin Hood,
»Weil wir beisammen schon,
Der Pfennig, den du hast, sei mein,
Bevor du ziehst davon.

Drum leg den Lumpenmantel ab,
Besinne dich nicht viel,
Tu' deiner Säcke Riemen auf,
Laß meiner Hand frei Spiel.

Und nun gelob' ich dir's bei Gott,
Entfährt dir nur ein Laut,
Versuch' ich's, ob ein Breitpfeil dringt
Durch eines Bettlers Haut!«

Der Bettler lachend Antwort gab:
»O laß mich ungeneckt!
Der Tand, dein dummes krummes Holz,
Glaub nicht, daß es mich schreckt!

Glaub nicht, daß mich in Furcht versetzt
Dein Kinderspiel von Pfeil!
Ich wüßte nicht, wozu es nütz,
Wenn nicht zum Puddingspeil.

Hier trotz' ich dir und lache dein,
Wie du auch toben magst,
Du holst dir Unheil nur von mir,
So oft du's mit mir wagst.«

Den edlen Bogen nahm Robin,
Vom Zorne heiß entbrannt,
Er legte drauf den breiten Pfeil,
Hielt sein Geschoß gespannt.

Der Bettler mit dem edlen Stab
Gab rasch ihm solchen Hieb,
Daß Pfeil und Bogen weitherum
In kleinen Splittern trieb.

Nach seinem Schwerte griff Robin,
Doch hielt's nicht besser stand;
Der Bettler mit dem Stecken klopft'
Ihn tüchtig auf die Hand.

Fürwahr, er kann das Schwert nicht ziehn
Wohl vierzig Tag' und mehr:
Kein Wörtlein bringt Robin heraus,
Nie war sein Herz so schwer.

Nicht fechten konnt' er und nicht fliehn,
Nicht wußt' er, was zu tun.
Der Bettler klopft drauflos und läßt
Den edlen Stab nicht ruhn.

Er bleute Robin weidlich durch
Und zahlt' ihm derben Lohn,
Der Stecken walkt' ihn ab und auf,
Bis ihm die Sinne flohn.

Der Bettler höhnt': »Ei, Mann, steh auf!
Pfui, wer so schlafen kann!
Steh auf und nimm mein Geld mir ab,
Das stünde baß dir an.

Geh dann ins Schenkhaus und bezahl
So Wein als Bier genug,
Daß deine Freunde prahlen stolz,
Du kamst vom Beutezug!«

Robin antwortet' nicht ein Wort,
Lag wie ein Stein in Ruh',
Sein Antlitz war wie Kreide bleich
Und seine Augen zu.

Der Bettler, der für tot ihn hielt,
Schritt tapfer an sein Ziel.
Wie schad', daß ihr nicht war't dabei,

Nicht spieltet mit das Spiel!

 
2.
Da zogen dieses Wegs vorbei
Drei Leut' aus Robins Schar
Und fanden liegen ihn im Feld,
Wohl aller Sinne bar.

Sie hoben ihren Meister auf
Mit Jammerlaut und Klag',
Doch ringsum ist kein Mensch zu sehn,
Der Auskunft geben mag.

Und als sie seinen Leib besehn,
War keine Wunde dran,
Nur aus dem Mund ein reicher Quell
Von rotem Blute rann.

Sie spritzten kaltes Wasser schnell
Ihm übers Angesicht,
Da öffnet er die Augen schon,
Nicht lange währt's, er spricht.

Sie fragten: »Meister, gebt uns kund,
Was Euch befiel zurzeit.«
Da seufzt Robin, bevor sein Mund
Dem Unfall Worte leiht:

»Ich halt' in diesen Forsten Wacht
Bei vierzig Jahre schier,
Doch nie ward ich so arg bedacht,
Wie ihr mich fandet hier.

Ein Bettelmann im Lumpenrock,
Von dem ich's nicht versehn,
Hat mich geschmiert mit seinem Stock;
Nun ist's um mich geschehn!

O seht ihn dort, drei Hüt' am Kopf,
Hinziehn den Hügelpfad;
Wenn je euch euer Meister lieb,
So rächt ihr jetzt die Tat.

Und wenn es nur in eurer Macht,
So bringt ihn mir zurück,
Daß, eh' ich sterbe, ich ihn seh'
Gestraft vor meinem Blick.

Doch könnt ihr ihn nicht bringen her,
Entlaßt ihn nicht zu leicht!
Es droht uns allen Schmach und Spott,
Wenn nochmals er entweicht!«

»Von uns bleibt einer hier bei Euch,
Da, Meister, Ihr in Pein,
Die andern bringen ihn zurück,
Ihr sollt ihm Richter sein!«

»Nun, meiner Treu,« sprach Robin Hood,
»Daß ihr gewarnt mir seid!
Laßt ihr den Stock ihn führen frei,
Er zahlt euch aus allbeid'!

Drum schneidet schlau den Weg ihm ab,
Bevor er euch ersehn,
Bemächtigt euch des Stocks zuerst,
So wird's am besten gehn.«

»Seid ohne Sorge, Meister lieb,
Uns zwei besiegt er kaum,
Der Bettelheld, der sonst nichts hat
Als einen Ast vom Baum!

Sein Holz ihm nicht viel helfen soll!
Gebunden seh' er bald,
Ob Ihr ihn niederschlagen laßt,
Ob hängen in dem Wald.«

Robin, der mit dem einen blieb,
War wie ein Kind zu sehn,
So alt er war, an fremder Hand
Lernt' er jetzt gehn und stehn.

Die beiden andern eilten fort,
Vertraut mit Weg und Steg;
Auf nähern Pfaden kürzten sie
Drei Meilen sich vom Weg.

Nicht ruht' das Paar, bis es die Bahn
Dem Bettler abgewann;
Ein kleines Wäldchen lag im Tal,
Da hielten jetzt sie an.

Sie wählten jeder einen Baum
Am Zugang beiderseit;
Da kam heran der Bettelmann,
Der sich versah kein Leid.

Der Bettler schritt dazwischen hin,
Sie sprangen auf ihn dreist,
Der eine hielt den Stecken fest,
Den scheuten sie zumeist.

Der andre setzt den blanken Dolch
Ihm an die Brust behend:
»Laß, Schurke, deinen Stecken los,
Sonst ist's dein letztes End'!«

Sie nahmen ihm den Langstock ab,
Der steckt jetzt dort im Grund;
Er ließ ihn nur mit Ingrimm los
Zu seiner schlimmsten Stund'.

Der Bettler war der ärmste Mann,
Den's je auf Erden gab:
Kein Ausweg, wo er fliehen kann!
Ganz hilflos ohne Stab!

»Laßt mir das Leben!« rief er bang,
»Um Christi Leid und Not!
Und tut das garstige Messer weg,
Die Angst bringt mir den Tod!

Ich tat mein Lebtag euch kein Leid
Wohl nun und nimmermehr!
Wenn ihr solch armen Mann erschlagt,
Versündigt ihr euch schwer.«

»Bei allen Eiden,« riefen sie,
»Das lügst du, Bösewicht!
Den besten Mann erschlugst du fast,
Der je gewallt im Licht.

Drum bringen wir gebunden dich
Zu ihm zurück alsbald,
Dann sieh, ob er erschlagen dich,
Ob hängen läßt im Wald.«

Der Bettler denkt: Nun ist's vorbei!
Die beiden sind sein Tod;
O hätt' er seinen Stab nur frei,
Der half' aus aller Not!

Er brütet, wie er die Gewalt
Besiegt mit List vielleicht;
Der scharfe Wind ist ihm nach Wunsch,
Der durch die Felder streicht.

Er sprach: »Ihr edlen Herrn, seid gut!
Schont eines armen Wichts!
Traun, eines armen Bettlers Blut
Hilft euch so viel wie nichts.

Nur Notwehr war's in Streit und Strauß,
Wenn ich ihm tat ein Leid;
Mit euch gleich' ich die Rechnung aus,
Daß ihr im Vorteil seid!

Schenkt ihr die Freiheit mir zur Stund'
Und tut mir kein Beschwer,
So geb' ich euch wohl hundert Pfund
Und Silbers noch viel mehr!

Ich hab's in diesem Lumpenrock
Gesammelt manches Jahr
Und in den Tiefen meines Sacks
Geborgen vor Gefahr.«

Sie sprachen: »Schurke, spute dich,
Dein Geld nun zähle her,
Das nur ein Bußgeld eigentlich
Für deine Schandtat wär'.

Doch schenken wir dir freie Bahn,
Geschehe, was da soll,
Wenn, was du sagst, du auch getan,
Gezahlt die Summe voll.«

Er löst den Lumpenmantel ab,
Den er zu Boden legt,
Drauf zwischen jene und den Wind
Er manches Bündel trägt.

Vom Nacken nahm er einen Pack
Voll Mehles groß und schwer,
Zwei Metzen mind'stens hielt der Sack,
So deucht mich, wenn nicht mehr.

Er legt ihn auf den Mantel hin,
Die Mündung öffnend weit,
Dann bückt er sich, zu wühlen drin,
Die beiden spähn zur Seit'.

Er faßt den großen Ledersack,
In jeder Hand ein End',
Und schnellt das Mehl mit raschem Schwung
In ihr Gesicht behend.

Er hatte sie geblendet so,
Sie sahn kein Stäubchen mehr,
Es jauchzt sein Herz, er schwingt gar froh
Den mächtigen Stab einher.

Er denkt, weil er so arg den zwein
Mit Mehl bestaubt den Rock,
So müss' er ihn jetzt wieder rein
Ausklopfen mit dem Stock.

Eh' einer sich die Augen rieb,
Eh' sie nur spannweit sahn,
Ein volles Dutzend tüchtiger Hieb'
Hat jeder schon empfahn.

Sie flohn in Hast; der Bettler rief:
»Was rennt ihr so wie toll?
Bleibt doch! Wollt euer Geld ihr nicht?
Ich zahl' euch's gerne voll.

Und wenn das Lüften meines Sacks
Euch blies ins Augenpaar,
Ich hab' ein gutes Werkzeug hier,
Das putzt sie wieder klar.«

Die jungen Leut' antworten nicht,
Sie blieben stumm wie Stein,
Der Bettler schwand im Buschwerk dicht,
Sie kehrten heim allein.

Robin befragt sie, wie es ging.
Sie sprachen: »Übler Art!«
»Nicht möglich!« rief er, »da ihr erst
In einer Mühle wart.

Die Mühl' ist ein nahrhafter Ort,
Da nascht man ohne Leid;
Ihr lerntet wohl das Handwerk dort,
So sagt mir euer Kleid.«

Gebeugten Hauptes steht das Paar,
Das nicht ein Wörtlein sprach;
Er rief: »Weil ich in Ohnmacht war,
Mich deucht, tut ihr mir's nach.«

Ob ihr Bericht ihn schlecht erfreut,
Der Rachedurst ihm schmolz,
Doch lacht' er, daß die jungen Leut'
Gekostet auch vom Holz.


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