Im Sommer, wenn der Hain sich schmückt,
Die Blätter breit und lang,
Ist's eine Lust zu lauschen dort
Im Wald dem Vogelsang;
Zu sehn, wie vom Gebirg herab
Zu Tal die Hindin zieht
Und unterm grünen Waldesbaum
In kühlen Schatten flieht.
Es fiel auf Pfingsten-Sonntag früh
An einem Maientag,
Die Sonne stieg in Glanz empor,
Froh klang der Vögel Schlag.
»Ein froher Morgen!« rief Klein John,
»So wahr uns Christ befreit!
So froh wie ich ist schier kein Mann
In aller Christenheit!
Auf, teurer Meister, frohen Sinns
Und freud'gen Herzens sei!
Genieß die Wonn' und Herrlichkeit
Der Morgenstund' im Mai.«
»Mich schmerzt das eine,« sprach Robin,
»Und füllt mein Herz mit Weh,
Daß ich an solchem Festtag nicht
Zu Mett' und Hochamt geh'.
Seit ich zuletzt im Haus des Herrn,
Zwei Wochen sind's, auch drei,
Doch heut will ich nach Nottingham,
Steht mir die Jungfrau bei.«
»Zwölf Männer nimm in Waffen mit!«
Warnt Much, des Müllers Sohn;
»Wer sich an dich, den einzlen, wagt,
Spricht doch nicht zwölfen Hohn.«
»Nicht einen brauch' ich,« rief Robin,
»Bleibt all' daheim, ihr Leut'!
Klein John nur meinen Bogen trag,
Bis mich's zu schießen freut.«
»Trag deinen Bogen selbst,« sprach John,
»Wie ich den meinen trag',
Laß um den Penny schießen uns
Zur Wett' im grünen Hag.«
»Nicht gelt' ein Penny,« sprach Robin,
»Als Wettpreis für uns zwei!
Denn jedem Penny, den du hältst,
Entgegen setz' ich drei!«
So schossen sie auf Ast und Strauch
Und schossen immerzu,
Bis John fünf Schilling schon gewann,
Grad recht auf Strümpf' und Schuh'.
Drob kam es unterwegs zum Streit,
Bis beide sich entzwein;
Klein John, der prahlt mit seinem Sieg,
Robin sagt kurzweg: nein.
»Das lügst du,« sprach Robin zu John
Und schlug ihn mit der Hand,
Da zog Klein John sein blankes Schwert,
Vom Jähzorn übermannt.
»Wärst du mein Meister nicht,« rief John,
»Du büßtest mir's gar schwer;
Such, dir den Dienstmann, wo du willst,
Mich hältst du nimmermehr!«
So zog Robin gen Nottingham,
Trübselig ganz allein,
Klein John strich auf bekanntem Pfad
Gen Sherwoods Forst waldein.
Robin ging frei nach Nottingham,
Da betet er mit Brunst,
Daß ihn auch heimführ' heiler Haut
Gott und der Jungfrau Gunst.
Er kniet' in der Marienkirch'
Zum Kreuz am Hochaltar,
Daß alles Volk ihn konnte sehn,
Das in der Kirche war.
Ein Mönch (den Dickkopf strafe Gott!)
An seiner Seite stand,
Der hat, sowie er ihn erblickt,
Alsbald Robin erkannt.
Der Mönch nun rannt' in aller Hast
Hinaus zur Kirchentür
Und ließ ganz Nottingham die Stadt
Versperren für und für.
»Auf! stolzer Sheriff, mach dich auf!
Des Königs Feind ist da!
Mein eignes Aug' hier in der Stadt
Den falschen Schelm ersah;
Mein eignes Aug' sah bei der Mess'
Ihn stehn im Gotteshaus,
Doch diesmal ist's um ihn geschehn,
Jetzt kommt er uns nicht aus.
Der Bösewicht heißt Robin Hood
Und wohnt im grünen Wald;
Er raubte mir einst hundert Pfund,
Vergess' ihm's nicht sobald!«
Hin zieht der Sheriff und mit ihm
Gar mancher Mutter Sohn;
Sie drangen in die Kirchenhall',
Und ihre Knüttel drohn.
»Ach, dich vermiss' ich jetzt, Klein John!«
Seufzt Robin hartbedrängt,
Er zieht sein doppelhändig Schwert,
Das bis ans Knie ihm hängt.
Und dreimal drängt er auf den Troß,
Wo er am dichtsten war,
Verwundet mancher Mutter Sohn,
Und tötet zwölf der Schar.
Doch an des Sheriffs Kopf zersprang
Das Schwert in Robins Arm:
»Den Schmied, der dich geschmiedet hat,
Den schlage Gott mit Harm!
Nun bin ich wehr- und waffenlos!
Den Willen beugt die Not;
Entkomm' ich diesen Schurken nicht,
So ist's gewiß mein Tod.«
Als Robins Volk die Nachricht hört,
Zur Kirche läuft's hinein,
Manch einer fällt wie leblos um,
Und liegt erstarrt zum Stein.
Sie waren wie von Sinnen all'
Bis auf Klein John, der sprach:
»Jetzt, wo es gälte herzhaft sein,
Euch so zu sehn, o Schmach!
Der Meister, oft schon in Gefahr,
Entkam stets ungekränkt;
Wohlan, ermuntert euer Herz
Und meiner Worte denkt!
Er diente stets der heil'gen Magd,
Wird dienen ihr allzeit,
Drum bau' ich drauf, daß ihn ihr Schutz
Von schnödem Tod befreit.
Seid heitren Sinns und frohen Muts,
Und lasset Klag' und Leid!
Dem Mönche weis' ich seinen Weg
Mit Hilf' der reinen Maid.
Entfernt euch nicht von unsrem Baum
Dort an dem schmalen Hang,
Und sorgt derweil für edles Wild,
Das streicht dies Tal entlang.«
So hat Klein John mit Much allein
Sich auf den Weg gemacht
Und blieb im Elternhaus des Much,
Der Heerstraß' nah, zu Nacht.
Am Fenster stand des Morgens John
Und blickt' ins Land hinein;
Des Wegs geritten kam der Mönch,
Mit ihm ein Page klein.
»Bei meiner Treu,« sprach John zu Much,
»Ich sag' dir Zeitung gut,
Den Mönch erblick' ich, reitend her,
Ich kenn' den weißen Hut.«
Entgegen gehn dem Mönch die zwei
Mit Art und Höflichkeit
Und fragen ihn nach neuer Mär',
Wie Freund' aus alter Zeit.
»Woher des Weges?« frug Klein John,
»Erzähl uns neue Ding'
Von einem Schelm, der Robin heißt,
Und den man gestern fing.
Um zwanzig Mark hat er beraubt
Einst mich und meine Leut',
Und ist der schnöde Wicht in Haft,
O wie das uns erfreut!«
»Auch mich bestahl er,« sprach der Mönch,
»Um hundert Pfund und mehr;
Der erste legt' ich Hand an ihn,
Ihr könnt mir danken sehr.«
»Vergelte Gott Euch's,« rief Klein John,
»Wie wir Euch's gern getan!
Ist's Euch genehm, ziehn wir mit Euch,
Geleitend Eure Bahn.
Denn Robin hat gar wildes Volk,
Glaubt mir, ich spreche wahr,
Und wüßt' es, daß Ihr reitet hier,
Es brächt' Euch Todsgefahr.«
Und wie sie im Gespräche so
Dahin des Weges gehn,
Des Mönches Pferd faßt John am Zaum
Und macht es plötzlich stehn.
Des Mönches Pferd faßt John am Zaum
Fürwahr, wie ich euch sag',
So faßt auch Much des Pagen Pferd,
Daß den's nicht weiter trag'.
Am Kragen faßt' und riß Klein John
Den Mönch herab zur Flur,
Mit wenig Ehrfurcht warf er ihn
Aufs Haupt samt der Tonsur.
So zornentflammt war da Klein John,
Daß hoch sein Schwert er schwang;
Der Mönch ersah sein nahes End',
Und schrie um Gnade bang.
»Mein Meister war es,« rief Klein John,
»Den du ins Elend warfst,
Doch nimmer unserm König du
Die Botschaft bringen darfst!«
John hieb des Mönches Haupt herab,
Da war's mit dem vorbei,
Much tat dem kleinen Pagen so,
Daß der auch schweigsam sei.
Dann gruben sie die Toten ein
In Moos und Heide tief;
Zum König trugen John und Much
Vereint des Sheriffs Brief.
Und als Klein John zum König kam,
Beugt' er das Knie sogleich:
»Erhalte Gott Euch, hoher Herr,
Christ segn' Euch gnadenreich!«
Der Fürst erbrach und las den Brief:
»So wahr wir Heil erflehn!
Im lust'gen England ist kein Mann,
Den ich so gern gesehn!
Der Mönch, der diesen Brief gebracht,
O sagt mir, wo er weilt?«
»Traun, auf der Reise,« sprach Klein John,
»Hat ihn der Tod ereilt.«
Der König huldvoll zwanzig Pfund
Den beiden schenken hieß,
Ernannt' als Königsschützen sie
Und gnädig sie entließ.
Er gab an John sein Siegel auch,
Dem Sheriff sandt' er's zu,
Daß man ihm bringe Robin Hood,
Doch niemand Leids ihm tu'.
In Nottingham das Stadttor fand
Klein John verschlossen fest,
Er rief den Pförtner, der nicht lang'
Auf Antwort harren läßt.
»Was hältst du so die Stadt versperrt?«
Klein John zum Pförtner rief;
Der Pförtner drauf: »Weil Robin Hood
Hier liegt im Kerker tief.
Und John und Much und Will Skadlock,
Fürwahr' wie ich Euch sag',
Sie töten unsre Leut' am Wall
Und necken uns alltag.«
Zuerst den Sheriff sucht Klein John,
Der sich gar schleunig fand;
Des Königs Siegel zeigt er ihm
Und legt's in seine Hand.
Als das Sigill der Sheriff sah,
Den Hut gleich zog er ab:
»Wo blieb der Mönch, dem ich den Brief
An unsern König gab?«
»Des Königs Gunst schenkt' ihm,« sprach John,
»Ein Los ganz sorgenfrei,
Er macht' ihn zu Westminsters Abt,
Zum Lord von der Abtei.«
Der Sheriff gab ein Mahl den zwein,
Den besten Wein dazu,
Des Abends gingen sie zu Bett
Und jedermann zur Ruh'.
Und als vom Wein und Bier berauscht
Der Sheriff lag im Traum,
Da stiegen sie, Klein John und Much,
Hinab zum Kerkerraum.
Klein John, der rief den Schließer auf.
»Vom Bett raff' dich empor!
Denn durchgebrochen ist Robin,
Entwischt hinaus zum Tor.«
Der Schließer springt vom Lager auf,
Sobald er hört den Ton;
Doch rasch mit seinem Schwerte spießt
Ihn an die Wand Klein John.
»Nun will ich Pförtner sein,« sprach John,
Die Schlüssel in der Hand.
Zu Robin Hood lenkt er den Schritt
Und löst sein Fesselband.
Er reicht ein gutes Schwert ihm dar,
Sein Haupt zu schirmen frei;
Und wo die Mauer nicht zu hoch,
Entspringen alle drei.
Da hob der Hahn zu krähen an,
Die Nacht begann zu fliehn;
Der Sheriff fand den Schließer tot,
Lärmglocken ließ er ziehn,
Und rufen ließ er's durch die Stadt:
»Knecht oder Freier sei's,
Wer mir den Robin bringt zurück,
Empfängt gar hohen Preis!
Denn nimmer wieder darf ich sonst
Dem König vors Gesicht,
Und wollt' ich's wagen, sicherlich
Dem Strick' entging' ich nicht.«
Der Sheriff sucht in Haus und Stall,
Durchsucht die ganze Stadt;
In Sherwood doch war Robin längst
Frisch wie am Baum das Blatt.
Da sprach Klein John zu Robin Hood:
»Mit einem guten Streich
Hab' ich den schlechten dir bezahlt:
Kannst du's, so tu' mir's gleich!
Mit gutem Streich hab' ich bezahlt:
Den schlechten, wie ich's sag',
Hab' dich gebracht zum grünen Wald,
Fahr wohl und guten Tag!«
»Nein, meiner Treu,« sprach Robin Hood,
»So darf es nicht geschehn!
Du sollst der Meister sein von mir
Und allen, die hier stehn.«
»Nein, meiner Treu,« versetzt Klein John,
»So komm' es nimmermehr!
Ich bleib' euch ein Genosse gut,
Sonst hab' ich kein Begehr.«
Als Robins Volk den Meister sah,
Da ward es freudenvoll,
Da gab's ein Fest, das Wildbret dampft',
Und Wein in Fülle quoll.
Die Nachricht kam zum König auch,
Wie Robin Hood entwich,
Da sagte unser Fürst und Herr,
Er sagt' es ärgerlich:
»Den Sheriff hat Klein John geprellt,
Auch mich geprellt hat John!
Er prellt' uns beide, sonst fürwahr
Der Sheriff hinge schon!
Zum Königsschützen macht' ich ihn,
Beschenkt von meiner Hand;
Ich gab ihm Gruß und frei Geleit
Durch all mein Engelland.
Ich gab ihm Gruß und frei Geleit,
So wahr wir Heil erflehn!
Traun, in ganz England sind ihm gleich
Drei Männer nicht zu sehn!
Treu seinem Meister ist Klein John,
Liebt mehr ihn als uns all';
Doch lassen wir jetzt dies Gespräch,
Es hat nicht guten Schall.« |